Herr, lass mich verstehen - Mark R. Talbot - E-Book

Herr, lass mich verstehen E-Book

Mark R. Talbot

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Beschreibung

In diesem zweiten Band geht Mark Talbot im Speziellen auf die gesamte christliche Geschichte und deren drei Hauptereignisse ein: Schöpfung, Sündenfall und Wiederherstellung. Dabei lenkt er immer wieder den Fokus auf das Kernthema Leid. Allein seine Ausarbeitung über die Erschaffung von Mann und Frau und deren Rollen ist es wert, das Buch zu lesen und ebenso seine Ausführungen zu der vertrauten Beziehung mit Gott. Dieser Band ist, ebensowenig wie der erste, keineswegs "trübsinnig", sondern durchtränkt von der christlichen Hoffnung auf die ultimative Erlösung und Wiederherstellung des Ursprungszustands. Diverse Verweise auf Band 1 sowie ein ausführliches allgemeines und Bibelstellenverzeichnis und über 300 Endnoten helfen interessierten Lesern tiefer in das Thema einzusteigen und selbst das Wort Gottes zu studieren.

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EPUB

Veröffentlichungsjahr: 2025

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Impressum

Herr lass mich verstehen: Unser Leid in Gottes Erlösungsplan richtig einordnen

Mark R. Talbot, Band 2

Solid Rock Verlag, c/o Postflex #2889, Emsdettener Str. 10, 48268 Greven

Veröffentlicht unter dem englischen Originaltitel:

Give me understanding that I may live:

Situating Our Suffering within God’s Redemptive Plan (Vol 2),

Copyright © 2022 by Mark R. Talbot

Published by Crossway, a publishing ministry of Good News Publishers, Wheaton, Illinois 60187, U.S.A.

This edition is published by arrangement with Crossway. All rights reserved.

Diese Ausgabe wird aufgrund eines Vertrages mit Crossway veröffentlicht.

Alle Rechte vorbehalten.

Bibelstellen ohne Markierung:

Direkte Übersetzung aus dem Englischen.

Bibelstellen mit einem * versehen:

Bibeltext der Neuen Genfer Übersetzung – Neues Testament und Psalmen.

Copyright © 2011 Genfer Bibelgesellschaft.

Wiedergegeben mit freundlicher Genehmigung. Alle Rechte vorbehalten.

Bibelstellen mit zwei ** versehen:

Bibeltext der Schlachter, Copyright © 2000 Genfer Bibelgesellschaft.

Wiedergegeben mit freundlicher Genehmigung. Alle Rechte vorbehalten.

Paperback ISBN: 978-3-949836-26-8

Tolino ISBN: 978-3-949836-28-2

Übersetzung: Solid Rock Verlag

Cover Design: Solid Rock Verlag und Harald Klein Design

Cover Foto: NASA, James Webb, public domain

Lektorat: Solid Rock Verlag

Satz und Design: Harald Klein, [email protected]

Trotz aller Sorgfalt können Fehler unterlaufen. Solltest du einen entdecken, freuen wir uns über einen Hinweis an [email protected].

„Keiner von uns geht durch dieses Leben, ohne zu versuchen, den Sinn des Leids, dem wir dabei begegnen, zu verstehen. Um uns darin zu unterstützen, führt uns Mark Talbot zu der zentralen Geschichte, die uns hilft, dem Leid in unseren individuellen Lebensgeschichten einen Sinn zu geben: die Geschichte der Schöpfung, die aufgrund der Sünde vom Fluch betroffen ist. Indem er das ursprüngliche Ziel, die ursprüngliche Ordnung und das ursprüngliche Gute der Schöpfung beleuchtet und analysiert, hilft er uns, nicht nur zu erkennen, wie die Auswirkungen dieses Fluchs diese Ordnung und das Gute gestört haben, sondern auch, was Gott durch Christus tut, um uns zu erlösen, wiederherzustellen und uns in das Leben des Guten und der Herrlichkeit zu führen, das er für immer mit uns teilen will.“

NANCY GUTHRIE, Autorin von Even better than Eden

„Eine der größten Schwierigkeiten, eine Zeit des Leids oder des Kummers zu ertragen, ist, dass es so oft sinnlos erscheint. Es schmerzt so sehr und scheint so wenig zu bewirken. Der Weg zum Frieden besteht darin, unser Leid in den Kontext einer größeren Geschichte zu stellen, die Gott in uns und durch uns erzählt – eine Geschichte, die Mark Talbot auf den Seiten dieses wertvollen Buches so gut beschreibt.“

TIM CHALLIES, Autor von Seasons of Sorrow

„Mark Talbot bringt zusammen, was beim Nachdenken über das Leid oft auseinanderklafft: eine konsequent aufschlussreiche Untersuchung der Bibel (insbesondere 1.Mose 1-3), klares Nachdenken über den Zustand des Menschen und eine große Empathie gegenüber tatsächlich Leidenden. Wie er die Geschichten über unser eigenes Leben mit der Geschichte der Bibel verbindet, war besonders bereichernd. Mark schafft es, über schwierige Themen zu schreiben, ohne jemals schwer verständlich zu sein – er nimmt den Leser wunderbar mit. Ich habe viel aus diesem Buch gelernt und ich empfehle es sehr.“

ERIC ORTLUND, Dozent für Altes Testament und Biblisches Hebräisch, Oak Hill College; Autor von Suffering Wisely and Well

„Wir müssen zwei Fehler vermeiden: unser Leben als sinnlos zu betrachten oder zu glauben, wir bekämen einen Oscar als bester Regisseur. Der an den Rollstuhl gefesselte Mark Talbot zeigt mit großer Begeisterung, dass wir wichtige Rollen als Nebendarsteller in einem majestätischen Drama um Schöpfung, Rebellion, Leid und Erlösung haben, das von Gott geschrieben wurde.“

MARVIN OLASKY, Senior Fellow, Discovery Institute; Autor von The Tragedy of American Compassion und Lament for a Father

„Mit diesem Band setzt Mark Talbot fort, was als eine Tour de Force über das Christentum und den leidenden Christ erscheint. In seinem ersten Buch unterstrich er die existenzielle Kraft und Bedeutung individueller Geschichten von Schmerz und Ängsten. Hier tritt er zurück und stellt diese Geschichten in den weiteren Rahmen der großartigen Geschichte von Gottes Umgang mit seinem Volk. Wenn es zutrifft, dass jede Geschichte menschlichen Leids für die Betroffenen einen einzigartigen Schmerz darstellt, zeigt Talbot mit der für ihn charakteristischen Überzeugung und Autorität, dass jede Erlösung von Leid im Sinne der einzigartigen Offenbarung Gottes in Christus verstanden werden muss.“

CARL TRUEMAN, Professor für Bibel- und Religionswissenschaften, Grove City College

„Dieser zweite Band von Mark Talbots Tetralogie über das Leid ist eine meisterhafte Auseinandersetzung mit dem verstörenden und zutiefst persönlichen Problem des Leids im Leben eines Christen. Der Philosoph Talbot beweist sein Geschick als Theologe, indem er Leid in den großen Rahmen der vierteiligen biblischen Geschichte einordnet: Schöpfung, Fall, Erlösung und Vollendung. Sowohl elegant und weise als auch umsichtig und sanft, das ist biblische und theologische Reflexion vom Feinsten – die Art von nachdenklicher, reifer Analyse, die den Kindern Gottes Kraft gibt. Auf jeder Seite sind Schätze zu finden – und, als Bonus, in vielen der Endnoten! Christen haben hier einen sicheren und beständigen Lotsen. Nimm und lies – und lerne von jemandem, der tiefer und biblischer über das Leid nachgedacht hat als jeder andere den ich kenne. Äußerst empfehlenswert!“

TODD WILSON, Präsident, Zentrum für Pastoraltheologen; Autor von Real Christian; Mitautor von The Pastor Theologian

„Leid ist das größte Rätsel des Lebens, und seit den Tagen Hiobs hat Gottes Volk damit gerungen. Vieles davon werden wir nie verstehen, aber als Christen können wir sicher sein, dass wir Gottes Kinder sind, und er nicht zulassen wird, dass wir aus seiner liebevollen Fürsorge herausfallen, egal was uns zustößt. Das ist unser Ausgangspunkt, und die Bibel bietet uns unschätzbare Möglichkeiten, unseren Glauben auf ein festes Fundament zu stellen. Mark Talbot führt uns genau dorthin, wo wir hin müssen.“

GERALD BRAY, Forschungsprofessor für Theologie, Geschichte und Glaubenslehre, Beeson Divinity School; Autor von God Is Love und God Has Spoken

Bücher in der Reihe Leid im Leben der Christen:

Herr lass mich verstehen:

Unser Leid in Gottes Erlösungsplan richtig einordnen (2022)

Wenn sich der Himmel verdunkelt:

Hilfe und Hoffnung in Zeiten des Leides (2020)

Für Cindy

Der Abgrund und das Weltenlicht,

Zeitnot und Ewigkeitsbegier,

Vision, Ereignis und Gedicht:

Zwiesprache wars und ists mit dir.a

a Martin Bubers Widmung seines Buches Zwiesprache an seine Frau aus dem Jahr 1932

Vorwort

Den Faden wieder aufnehmen

Nachdem wir nun aufgrund des Glaubens für gerecht erklärt worden sind,

haben wir Frieden mit Gott durch Jesus Christus, unseren Herrn.

Durch ihn haben wir freien Zugang zu der Gnade bekommen,

die jetzt die Grundlage unseres Lebens ist,

und im Glauben nehmen wir das auch in Anspruch.

Darüber hinaus haben wir eine Hoffnung,

die uns mit Freude und Stolz erfüllt:

Wir werden einmal an Gottes Herrlichkeit teilhaben.

Doch nicht nur darüber freuen wir uns;

wir freuen uns auch über die Nöte, die wir jetzt durchmachen.

Denn wir wissen, dass Not uns lehrt durchzuhalten,

und wer gelernt hat durchzuhalten, ist bewährt,

und bewährt zu sein festigt die Hoffnung.

Und in unserer Hoffnung werden wir nicht enttäuscht.

Denn Gott hat uns den Heiligen Geist gegeben

und hat unser Herz durch ihn mit der Gewissheit erfüllt, dass er uns liebt.

Römer 5,1-5*

Eine zentrale Aussage von Wenn sich der Himmel verdunkelt, dem ersten Band dieser Reihe, ist, dass wir unser Leben als Geschichten verstehen. Geschichten helfen uns, uns im Leben zu orientieren, indem sie uns irgendwo auf einer Bahn platzieren, die einen Anfang, eine Mitte und ein Ende hat. Außerdem brauchen wir zwei verschiedene Arten von Geschichten, um unserem Leben seinen vollen Sinn zu geben: eine besondere (oder persönliche) Geschichte und eine allgemeine. In der besonderen Geschichte geht es darum, was unser individuelles Leben bedeutet. Jeder von uns muss in der Lage sein, eine Geschichte zu erzählen, die sich an den Menschen, Orten und Dingen um uns herum orientiert, und die beschreibt, woher wir kommen, wo wir sind und wohin wir glauben, gehen zu können, damit wir uns in eine hoffnungsvolle Zukunft projizieren können, in der wir bekommen können, was wir wollen und brauchen. Die allgemeine Geschichte beantwortet die Frage, was das menschliche Leben als solches bedeutet. Sind wir zum Beispiel nur Zufallsprodukte blinder, bedeutungsloser kosmischer Kräfte, oder wurden wir von Gott geschaffen, um einen bestimmten Zweck zu erfüllen? Geht es im menschlichen Leben nur darum, Geld zu verdienen und unser persönliches Glück zu suchen, oder geht es darum, Gott zu glauben und zu gehorchen und sich um andere zu kümmern? Metaphorisch gesehen geben diese beiden Arten von Geschichten die Leitsterne vor, an denen wir uns orientieren müssen und die es uns ermöglichen, die sonst unbekannten Gewässer des Lebens zu durchqueren. Diese „Sterne“ sind die tiefen und festen Überzeugungen, auf die wir uns verlassen und die uns sagen, wer wir sind und in welcher Art von Welt wir leben. Dazu gehören Überzeugungen darüber, wer unsere Eltern sind, was wir für zutiefst bedeutsam halten, was wir für erstrebenswert halten, ob es einen Gott gibt und ob Jesus Christus Gottes Sohn ist, der uns von der Sklaverei der Sünde erlöst.b

Leid stellt unsere Geschichten auf die Probe und veranlasst uns zu hinterfragen, ob die Geschichten, die wir akzeptieren, wahr sind. Selbst leichte Kopfschmerzen können mich an einem kleinen Teil meiner persönlichen Geschichte zweifeln lassen – dem Teil, der davon ausgeht, dass ich in ein paar Stunden relativ schmerzfrei sein werde. Schweres Leid kann das Licht der Sterne, die uns leiten, völlig auslöschen, indem es uns an der allgemeinen Geschichte zweifeln lässt, die wir über die Bedeutung des menschlichen Lebens übernommen haben.

Wenn sich der Himmel verdunkelt untersucht die persönlichen Geschichten von Naomi, Hiob, Jeremia und einigen der Psalmisten, um uns Leidenden zu helfen, die Hoffnung nicht zu verlieren, dass Gott mit uns ist und in und durch unser Leid zu unserem Besten wirkt. Herr, lass mich verstehen: Unser Leid in Gottes Erlösungsplan richtig einordnen geht einen Schritt zurück, um die allgemeine christliche Geschichte zu betrachten, die erklärt, warum es überhaupt Leid gibt, warum es so viel davon gibt, und was schließlich, in herrlicher Weise, wahr sein wird für diejenigen, die mit ihrem Mund bekennen, dass Jesus der Herr ist, und in ihrem Herzen glauben, dass Gott ihn von den Toten auferweckt hat (vergleiche Röm 10,9).

Wenn das Leid uns überwältigt, ist es schwer, sich auf etwas anderes zu konzentrieren. Doch oft muss sich unser Fokus verschieben. Wie wir in Wenn sich der Himmel verdunkelt gesehen haben, sprach Gott schließlich zu Hiob, ohne ihn zu bemitleiden. Er beantwortete Hiobs Fragen nicht und ging auch nicht auf seine Beschwerden ein. Stattdessen lenkte er Hiobs Aufmerksamkeit auf die Schöpfung der Welt und beschuldigte Hiob, seine Pläne „mit Worten ohne Erkenntnis“ (Hiob 38,2**) zu verdunkeln. Dann bombardierte er Hiob mit Fragen und stellte Hiobs Unwissenheit und Ohnmacht bloß, während er gleichzeitig sein eigenes Wissen, seine Macht und seine Herrschaft über alle Dinge feierte, einschließlich seiner Herrschaft über böse Menschen und die schrecklichsten Geschöpfe der Welt.c

Indem Gott Hiobs Blickwinkel verschob, ermöglichte er ihm, eine neue Perspektive auf sein Leid zu gewinnen. Was Hiob in seinem Leid als die ganze Geschichte seines Lebens erschien, war in Wirklichkeit nicht die ganze Geschichte. Hiob erkannte, dass die ganze Geschichte sehr viel mehr umfasste als sein Leid. Das veranlasste ihn zu dem Eingeständnis, dass er von Dingen gesprochen hatte, die in Wirklichkeit zu wunderbar waren, um sie zu verstehen (siehe Hiob 40,1-5; 42,1-6).

Dieser Band erzählt die ganze christliche Geschichte, „die wahre Geschichte der ganzen Welt“1. Diese Geschichte hat vier Teile: Schöpfung, Rebellion, Erlösung und Vollendung. Die Bibel geht auf jeden dieser Teile ein, und es ist von entscheidender Bedeutung, dass wir die Hauptmerkmale jedes Teils verstehen, wenn wir das Leben führen wollen, für das Gott uns geschaffen hat und zu dem er uns beruft.

So wie unsere Highschool-Schülerin in Wenn sich der Himmel verdunkelt ihrem Leben einen Sinn gab, indem sie eine Geschichte übernahm, die darauf abzielte, dass sie Hausärztin werden sollte,d so geben wir alle unserem Leben einen Sinn durch die Geschichten, die wir erzählen. Und niemand von uns denkt sich diese Geschichten selbst aus. Wir lernen, Geschichten zu erzählen, wenn andere uns Geschichten erzählen, die uns helfen, unserem Leben einen Sinn zu geben.2

Schon sehr junge Kinder verstehen, dass ihre eigene Geschichte in der Vergangenheit verankert ist. Sie stellen Fragen wie: „Wer hat mich gemacht?“ „Wer war dein Papa, Oma?“ und „Was hast du als kleines Mädchen gemacht, Mama?“ Die Antworten, die sie erhalten, setzen einige der metaphorischen Leitsterne an ihren Platz. Für uns alle gilt das Gleiche. Insbesondere die Antwort auf die Frage „Wie ist der Mensch entstanden?“ ist für die Beantwortung anderer Fragen wie „Warum sind wir hier?“ und „Was bedeutet das Leben?“ unerlässlich.

Ob wir glauben, dass Gott uns geschaffen hat, um eine bestimmte Rolle in der Schöpfung zu erfüllen, oder dass wir uns rein zufällig entwickelt haben, dürfte den Unterschied ausmachen, wie wir heute über uns selbst denken. Die Frage eines kleinen Mädchens „Wer hat mich erschaffen?“, erweitert zu „Wie sind wir“ – das heißt wir alle – „entstanden?“, ist eine der wichtigsten Fragen des Lebens. Außerdem kann das Wissen darüber, ob unsere Vorfahren gute oder schlechte Entscheidungen getroffen haben und ob ihr Leben gut oder schlecht verlaufen ist, entscheidend dafür sein, uns selbst zu verstehen. Wenn ich erfahre, dass mein Großvater Alkoholiker war, der meine Großmutter schon sehr früh, als mein Vaters noch klein war, verlassen hat, erfahre ich etwas Wichtiges über das Leben meines Vaters, das zwangsläufig seine Beziehung zu mir geprägt hat.

In der Bibel gibt Gott Antworten auf die grundlegendsten Fragen des Lebens und hilft uns, unsere Geschichte in Ordnung zu bringen. Luther erkannte, dass die ersten Kapitel in 1.Mose „gewiss die Grundlage der ganzen Schrift“ sind und einen wahren Bericht über unsere Anfänge liefern.3 Er fand nichts faszinierender als das erste Buch der Bibel. Natürlich „verfolgt die Neugier auf unsere Anfänge“, wie Henri Blocher feststellt, „das Menschengeschlecht weiterhin“4. Es erklärt die gegenwärtige Flut von Büchern über die Anfänge des Menschen, insbesondere von denen, die die göttliche Schöpfung leugnen.5

Die Frage „Wie sind wir entstanden?“ wird durch die Schöpfungsgeschichte in 1.Mose 1-2 beantwortet. Die Frage „Haben unsere ersten Eltern gute oder schlechte Entscheidungen getroffen?“ wird in 1.Mose 3 beantwortet, wo wir erfahren, dass sie sich gegen Gottes Gebot, nicht vom Baum der Erkenntnis von Gut und Böse zu essen, auflehnten. Die Folgen dieser schlimmsten aller Entscheidungen wurden sofort deutlich. In 1.Mose 4 traten sie auf erschreckende Weise hervor.

Selbst Christen können an Gottes Güte oder Macht zweifeln, wenn sie eine bestimmte Art von oder besonders schweres Leid wahrnehmen. Sie fragen sich dann vielleicht: Wie ist solches Leid möglich, wenn es einen vollkommen guten, allmächtigen Gott gibt? Würde ein solcher Gott so ein Leid nicht verhindern?e Diese Zweifel setzen voraus, dass wir die ersten beiden Teile der christlichen Geschichte betrachten. Wir müssen die Schöpfung und die Rebellion verstehen, um zu begreifen, dass zwar nichts, was geschieht, Gottes Kontrolle entgleitet, er aber gleichzeitig nicht für das Leid in der Welt verantwortlich gemacht werden kann, weder für dessen erstes Auftreten noch für dessen Fortbestehen.

Mein erstes Kapitel befasst sich mit der Schöpfung und stellt die Beschaffenheit der Welt, wie Gott sie geschaffen hat, in den Mittelpunkt. Kapitel 2 befasst sich mit der Rebellion und erzählt, wie Leid in die Welt kam. Kapitel 3 erklärt, was Leid ist und wie es sich auf uns auswirkt. Und dann beginnt Kapitel 4 mit der Erlösung und der Vollendung, dem dritten und vierten Teil der Geschichte. Unsere Erlösung und die letztendliche vollständige Wiederherstellung der Schöpfung bei der Vollendung aller Dinge sind die großen Gaben, nach denen das Leid uns streben lassen sollte. Im Epilog wird noch einmal betont, wie wichtig es für uns ist, alle vier Teile der „wahren Geschichte der ganzen Welt“ im Auge zu behalten – und insbesondere ihren ersten und letzten Teil. Wenn du dich bei der Lektüre meiner ersten beiden Kapitel fragst, warum ich das Thema Leid nicht sofort anspreche, kann dir die Lektüre des Epilogs helfen zu erkennen, dass wir uns um viel mehr als nur um unser Leid kümmern müssen, wenn wir das Leben führen wollen, zu dem Gott uns beruft.

Manchmal, wenn wir uns nicht sicher sind, was unser nächster Schritt im Leben sein soll, suchen wir nach Weisheit. In der Schrift ist die Grundbedeutung von chokhmah, dem hebräischen Wort für Weisheit, „Geschicklichkeit“ – wie Allen Ross es ausdrückt, können seine verschiedenen grammatikalischen Formen „auf alltägliche Dinge im Leben angewandt werden, die Geschicklichkeit erfordern,f oder auf das religiöse Leben, das auch als geschicktes Leben beschrieben werden kann“.6 Zwei hebräische Wörter für Verstehen werden oft mit dem Wort für Weisheit gepaart (siehe zum Beispiel Spr 3,13-15.18). Bin bedeutet, die Einsicht zu erlangen, die notwendig ist, um weise oder geschickt zu leben, und tebunah das Wissen, oder Know-how, das notwendig ist, um ein solches Leben tatsächlich zu führen.7 Letztendlich haben wir unser Leben in dem Maße weise und geschickt gelebt, in dem wir die Einsicht und das Know-how erlangt haben, den Verlauf unserer individuellen Lebensgeschichte am Verlauf der wahren allgemeinen Geschichte dieser Welt auszurichten, die uns von Gott, der allein wirklich weise ist, offenbart wurde (vergleiche Röm 16,25-27).

Besteht der Preis dafür, dass wir die Notwendigkeit dieser Ausrichtung verstehen, darin, dass wir leiden müssen, dann können wir dieses Leid letztlich als einen sehr geringen Preis betrachten, wie der Apostel Paulus sagt (vergleiche 2.Kor 4,16-18). Das war auch das Zeugnis des Psalmisten, der betete: „Gib mir Einsicht, so werde ich leben“ (Ps 119,144**), als er schrieb:

Du hast mir, deinem Diener, stets Gutes erwiesen,

HERR, so wie du es in deinem Wort zugesagt hast.

Bevor ich vom Leid getroffen wurde, war ich verstrickt in Irrtum,

doch nun achte ich auf das, was du sagst.

Du bist gütig und tust den Menschen Gutes; …

Es hat mir gut getan, dass ich vom Leid getroffen wurde,

erst dadurch lernte ich, mich auf deine Bestimmungen zu besinnen.

Ich weiß, HERR, dass … [du] auch dann in Treue gehandelt [hast], als du Leid über mich brachtest. (Ps 119,65.67-68.71.75*)g

b Mehr über die Notwendigkeit solcher metaphorischen Sterne siehe Mark Talbot, Wenn sich der Himmel verdunkelt: Hilfe und Hoffnung in Zeiten des Leides, Solid Rock Verlag, 2024, S. 25-29.

c Siehe Talbot, Wenn sich der Himmel verdunkelt, S. 89-91.

d Siehe Talbot, Wenn sich der Himmel verdunkelt, S. 77, 110-111, 117-118.

e Siehe zum Beispiel die Reihe beharrlicher, unbeantworteter Fragen, die Grahams Eltern nach seinem Selbstmord immer wieder stellten, in Talbot, Wenn sich der Himmel verdunkelt, S. 19-20. Eine angemessene Antwort auf ihre Fragen kann nur am Ende der Untersuchung der gesamten christlichen Geschichte stehen. Ich versuche, einen Teil dieser Antwort im vierten Kapitel dieses Bandes zu geben.

f Zum Beispiel, dass ich in der Lage bin, zu erkennen, welcher Beruf für mich aufgrund meiner Interessen und Talente in Frage kommt.

g Ratschläge für die Lektüre meiner Bücher findest du im Anhang „Weitere Ratschläge für meine Leserinnen und Leser“ dieses Bandes sowie im Anhang „Leitfaden für die Leser“ am Ende von Wenn sich der Himmel verdunkelt.

Kapitel 1

Schöpfung

Als alles „Sehr gut“ war

Im Anfang schuf Gott die Himmel und die Erde.

Die Erde aber war wüst und leer, und es lag Finsternis auf der Tiefe;

und der Geist Gottes schwebte über den Wassern.

Und Gott sprach: Es werde Licht! Und es wurde Licht.

Und Gott sah, dass das Licht gut war;

da schied Gott das Licht von der Finsternis.

Und Gott nannte das Licht Tag, und die Finsternis nannte er Nacht.

Und es wurde Abend, und es wurde Morgen: der erste Tag.

1.Mose 1,1-5**

Dies ist die Geschichte des Himmels und der Erde,

als sie geschaffen wurden, zu der Zeit,

als Gott der HERR Erde und Himmel machte.

Da bildete Gott der HERR den Menschen, Staub von der Erde,

und blies den Odem des Lebens in seine Nase,

und so wurde der Mensch eine lebendige [Person].

Und Gott der HERR pflanzte einen Garten in Eden, im Osten,

und setzte den Menschen dorthin, den er gemacht hatte.

Und Gott der HERR ließ allerlei Bäume aus der Erde hervorsprießen,

lieblich anzusehen und gut zur Nahrung,

und auch den Baum des Lebens mitten im Garten

und den Baum der Erkenntnis des Guten und Bösen.

Und Gott der HERR nahm den Menschen und setzte ihn in den Garten Eden,

damit er ihn bebaue und bewahre.

Und Gott der HERR gebot dem Menschen und sprach:

Von jedem Baum des Gartens darfst du nach Belieben essen;

aber von dem Baum der Erkenntnis des Guten und des Bösen sollst du nicht essen;

denn an dem Tag, da du davon isst, musst du gewisslich sterben!

1.Mose 2,4.7-9.15-17**

Was ist der Mensch, dass du ihn so hochhältst

und dass du auf ihn achtest?

Du suchst ihn Morgen für Morgen heim;

alle Augenblicke prüfst du ihn.

Hiob 7,17-18**

In Wenn sich der Himmel verdunkelt habe ich versucht, eine Art Erste Hilfe auf geistlicher Ebene für Christen zu leisten, die sich von ihrem Leid regelrecht überfallen fühlen. Deshalb habe ich die Geschichten von Naomi, Hiob und Jeremia erzählt. Sie haben furchtbar gelitten, aber Gott hat sie am Ende gerettet. Und wie schwer es uns auch in unserem Leid fallen mag dies zu glauben, solange wir ihn nicht verleugnen, wird unser Herr auch uns retten.h

Tatsächlich erklärt Paulus, dass nicht einmal der Tod uns von der Liebe jenes Gottes trennen kann, den wir durch Christus kennengelernt haben (siehe Röm 8,38-39). Letztlich kann und wird Gott uns von all unserem Leid erlösen. Er wird uns vielleicht nicht während unseres irdischen Lebens erlösen. Hier können wir durch Krankheit oder Schwert fallen.8 Doch eines Tages, so bezeugt die Schrift, ob nun in diesem Leben oder im nächsten, werden die Wolken aufreißen und wir werden erkennen: Unsere Leiden „sind nur eine kleine Last und gehen bald vorüber“ und bereiten uns auf etwas vor, „was von unvergleichlich viel größerem Gewicht ist: eine unvorstellbare und alles überragende Herrlichkeit, die nie vergeht“ (2.Kor 4,17*). Dann wird uns klar werden, dass unser liebender himmlischer Vater während des ganzen Weges an unserer Seite gewesen ist.

Natürlich kann es sein, dass uns unser Leid nicht leicht und vorübergehend erscheint. Es kann endlos erscheinen und zu schwer, um es zu ertragen. Und selbst wenn es erträglich ist, fragen wir uns vielleicht, warum es im Leben überhaupt Leid gibt oder warum es so viel davon gibt. Dieses Buch erklärt, warum wir Christen leiden, und zeigt, wie Gott in und durch unser Leid zu unserem Besten wirkt und wie unser Leid in der Tat ein Aspekt von Gottes Barmherzigkeit ist.

VON DER SCHÖPFUNG BIS ZUR VOLLENDUNG

Die ersten beiden Kapitel der Bibel erzählen von der Entstehung der Welt, und die letzten beiden Kapitel sagen das Ende dieser Welt voraus. Schöpfung und Vollendung sind also die beiden Buchstützen der christlichen Geschichte. Bei der Vollendung wird Gott alle Dinge wiederherstellen. Die Symmetrien zwischen den ersten beiden Kapiteln von 1.Mose und den beiden letzten Kapiteln der Offenbarung zeigen, dass Gott „die wahre Geschichte der ganzen Welt“ auf zutiefst befriedigende Weise abschließt. Schöpfung und Vollendung sind die äußersten Koordinaten der gesamten christlichen Geschichte. Sie sind feste Punkte – Fixsterne – die helfen, den Rest der Geschichte zu stabilisieren.

Sie sagen uns, dass es einst keine Sünde, kein Leid und keinen Tod gab und dass Gottes Volk am Ende wieder von Sünde, Leid und Tod befreit sein wird. Dazwischen, von 1.Mose 3 bis Offenbarung 20, haben wir das ganze Panorama der menschlichen Rebellion und Erlösung. Das menschliche Leid begann, nachdem unsere ersten Eltern von der verbotenen Frucht gegessen hatten. Der Teil der christlichen Geschichte, der sich auf die Schöpfung konzentriert, geht also nicht direkt auf unser Leid ein. Dennoch kann unser Leid nicht verstanden werden, ohne dies zu berücksichtigen. Wir müssen verstehen, wie Gott uns geschaffen hat, bevor es Sünde und Leid gab. Und dann müssen wir erkennen, wie die Rebellion unserer ersten Eltern alles verändert hat, denn so können wir die Rolle des Leids verstehen, die uns dazu veranlasst, die Erlösung anzunehmen, die Gott uns in Christus anbietet.

Wenn ich in diesem Kapitel die Schöpfungsgeschichte erzähle, versuche ich nicht, die Relevanz dieser Geschichte für unser Leid aufzuzeigen, indem ich alle paar Seiten einen Kommentar dazu abgebe. Die Ehrfurcht, die wir angesichts dessen empfinden sollten, was Gott bei der Erschaffung unserer Welt getan hat, sollte unabhängig von dem bestehen, was sich später in der gesamten christlichen Geschichte ereignet. In der Tat wird unser Leid am Ende nicht im Mittelpunkt der Geschichte stehen. Der Apostel Paulus, der nach dem Neuen Testament mehr gelitten hat als jeder andere außer unserem Herrn (siehe 2.Kor, insbesondere 11,21-29; 12,7-10), drückte es so aus: „Im Übrigen meine ich, dass die Leiden der jetzigen Zeit nicht ins Gewicht fallen, wenn wir an die Herrlichkeit denken, die Gott bald sichtbar machen und an der er uns teilhaben lassen wird.“ (Röm 8,18*; vergleiche Ps 30,6; 2.Kor 1,3-11; 4,17; 1.Petr 1,3-7). Unser Leid soll uns – wie den bereits erwähnten Psalmisten – dazu veranlassen, uns Gottes Wort zuzuwenden, um zu verstehen. Und zwar viel mehr als nur, warum wir leiden (siehe Ps 119,65-75).

Menschliches Leid spielt also im ersten Teil der gesamten christlichen Geschichte keine Rolle. Im zweiten Teil – der Rebellion – erfahren wir von der Entscheidung unserer ersten Eltern, die das menschliche Leid in die Welt gebracht hat. Aber selbst dann, in meinem zweiten Kapitel, ist das Leid nicht das Hauptthema. Das Leid entstand als Folge der Rebellion unserer ersten Eltern. Was es ist und wie es sich auf uns auswirkt, wird im dritten Kapitel behandelt. Die Rolle des Leids, im Kontext unserer Erlösung und unserer Vorfreude auf die Vollendung der Welt, wird uns schließlich im vierten Kapitel dieses Bandes beschäftigen.

Die Schöpfungsgeschichte hilft uns, falsche Annahmen über Gott, die Welt und uns selbst zu widerlegen, zu denen wir neigen. Sie hilft uns zu begreifen, wie das menschliche Leben in Gottes Welt aussehen sollte, damit wir als Gottes erlöstes Volk anfangen können, unser Leben mehr an Gottes Absichten auszurichten. Sie hilft uns auch, die richtigen Muster und Rhythmen der Schöpfung zu verstehen – Muster und Rhythmen, die, wenn wir uns ihrer bewusst sind und versuchen, nach ihnen zu leben, einiges an Leid lindern können.

Auf den ersten Blick scheinen 1.Mose 1 und 2 zwei verschiedene Schöpfungsberichte zu sein. Tatsächlich handelt es sich aber um einen einzigen Bericht, der aus zwei Perspektiven erzählt wird.9 1.Mose 1,1 - 2,3 erzählt die Geschichte aus der kosmischen Perspektive Gottes. Sie stellt unsere Erschaffung, als Gottes letzten Schöpfungsakt, als den Höhepunkt der Geschichte dar. 1.Mose 2,4-25 erzählt die Geschichte aus unserer irdischen Perspektive, wo wir im Zentrum von Gottes schöpferischem Handeln stehen. Kapitel 1,1-2,3 stellt uns in die übrige Schöpfung und insbesondere in die Beziehung zu Gott als unserem Schöpfer hinein. Es unterstreicht unsere einzigartige Rolle in der Schöpfung. Kapitel 2,4-25 betont die Einzigartigkeit unseres Wesens.10 Zusammen ermöglichen uns diese beiden Perspektiven zu verstehen, wer wir in Gottes Augen sein sollen.

Wir können diesen beiden Kapiteln entnehmen, was wir brauchen, wenn wir drei Themen betrachten: unsere Erschaffung, unsere Beschaffenheit und unsere Berufung.

UNSERE ERSCHAFFUNG

In 1.Mose 1,1-2,3 wurden wir erschaffen, nachdem Gott alles andere erschaffen hatte und bevor er alles als „sehr gut“ beurteilte (1.Mose 1,31). Während 1.Mose 1,1 völlig richtig als Schöpfung ex nihilo interpretiert wird – mit anderen Worten, als Gottes Schöpfung von allem aus dem Nichts, einfach durch Sprechen11 –, beinhalten viele der nachfolgenden Schöpfungsakte Gottes eine Trennung und Unterscheidungzwischen verschiedenen Dingen. Nachdem er zum Beispiel gesagt hatte: „Licht soll entstehen! “, „trennte [Gott] Licht und Finsternis voneinander “ und nannte das Licht Tag und die Finsternis Nacht und schuf so den ersten Tag (1,3-5*). Am zweiten Tag trennte er das Wasser in der Atmosphäre vom Wasser auf der Erde – die Wolken von den Meeren – und am dritten Tag trennte er das Land von den Meeren (siehe 1,6-9).

Am dritten Tag begann Gott damit, Teile dieser separierten Bereiche zu füllen. Er befahl der Erde, alle Arten von Pflanzen hervorzubringen, um das Land zu bedecken, wobei er die verschiedenen Pflanzen und Bäume, die er schuf, durch ihre Samen voneinander unterschied (siehe 1,11-12). Am vierten Tag füllte er das Himmelsgewölbe mit Lichtern, damit sie „über der Erde leuchten“ und „Tag und Nacht voneinander trennen“. Sie sollten auch „als Zeichen dienen und Festzeiten, Tage und Jahre anzeigen“ (1,14-15*), damit Israel später wüsste, wann es seine Feste zu feiern hat (siehe zum Beispiel 3.Mose 23). Am fünften und sechsten Tag füllte Gott das Wasser, den Himmel und das Land mit „allen Arten“ von Lebewesen, (Vers 21.24-25*).

All dies geschah, weil Gott einen Platz für uns vorbereitet hat. Er hat „[die Erde] geschaffen […] um bewohnt zu sein“ (Jes 45,18**). Aus der Formlosigkeit der Erde in 1,2 formte er einen geordneten Kosmos, wo wir Dinge verstehen, benennen und klassifizieren können. Wie C. John Collins schreibt, erklärt uns 1.Mose 1,1-2,3, dass „die Dinge, mit denen wir vertraut sind, so funktionieren, wie sie funktionieren, weil Gott sie so gewollt hat: Es gibt essbare Pflanzen und domestizierbare Tiere – jeder Landwirt weiß das, und 1.Mose erklärt, warum das so ist.“12

„Lasst uns machen“

In diese geordnete, bewohnbare Welt wollte Gott nun den Menschen einführen. Alle früheren Elemente der Geschichte weisen auf unsere Erschaffung hin, einschließlich der immer detaillierteren Konzentration auf die Elemente, die uns am unmittelbarsten betreffen.13 Mit der Entwicklung von den Pflanzen über die im Wasser lebenden und die geflügelten Tiere bis hin zu den Landtieren entstand eine biologische Hierarchie, zu der wir nun als die höchsten Lebewesen hinzukommen sollten. Wie Paul Beauchamp bemerkt: „Bei der Erschaffung der Lebewesen spitzt sich alles auf den Menschen zu.“14 Aber unsere Erschaffung weist noch einen weiteren Unterschied auf. Zum ersten Mal hielt Gott inne, um anzukündigen, was er zu tun gedachte, und machte eine unerwartete Aussage in der ersten Person Plural: „Lasst uns Menschen machen als unser Ebenbild, das uns ähnlich ist“ (1.Mose 1,26*). Gerhard von Rad hat geschrieben: „Nichts [in diesem Bericht] ist zufällig; alles muss sorgfältig, bewusst und genau bedacht werden … Was hier gesagt wird, soll vollständig und genau so gelten, wie es da steht.“15Unser und uns stehen aus gutem Grund da.

Sie machen uns darauf aufmerksam, dass etwas Bedeutsames geschehen wird, etwas, das anders ist als alles, was zuvor geschehen ist.16 Diese Pronomen sind wahrscheinlich das, was Derek Kidner als „Plural der Fülle“17 bezeichnet, was darauf hindeutet, dass es „innerhalb des göttlichen Wesens eine Unterscheidung von Persönlichkeiten gibt, eine Pluralität innerhalb der Gottheit“18. Sie passen zu der Tatsache, dass das Wort für Gott in 1.Mose 1 das Plural-Substantiv elōhîm ist, das in der Schrift unerwartet singuläre Verben annimmt.19 Diese Pronomen könnten die mögliche Unterscheidung von Persönlichkeiten widerspiegeln, auf die 1.Mose 1,2 mit der Feststellung anspielt, dass „der Geist Gottes über dem Wasser schwebte“. Vers 26 deutet eine solche Unterscheidung lediglich an. Er bezieht sich nicht ausdrücklich auf die Personen der Trinität, da die Tatsache, dass Gott drei in einem ist, erst in späteren biblischen Schriften deutlich wurde.

Doch „diese Fülle“, schreibt Kidner, sollte schließlich „als Drei-Einheit [sic] entfaltet werden, in den weiteren ‚wir‘ und ‚unser‘ von Johannes 14,23 (mit 14,17)“.20 Diese Pronomen stellen also „die ersten Anzeichen einer trinitarischen Offenbarung“ dar, die „die Ankündigung der Erschaffung des Menschen“ als Abbild Gottes „umso heller erleuchten“.21 Unser Leben als Menschen – als Personen in Beziehung – ist darauf ausgerichtet, dass die christliche Gottheit Personen in Beziehung einschließt. Und so erhellen diese Pronomen, warum Gott erklärte: „Es ist nicht gut, dass der Mensch allein sei; ich will ihm eine Gehilfin machen, die ihm entspricht“ (1.Mose 2,18**), wie wir später in diesem Kapitel sehen werden.

„Menschen nach unserem Bild, nach unserem Ebenbild“

Das „Lasst uns machen“ in Gottes Ankündigung betont, dass wir nur Geschöpfe sind,22 während das „nach unserem Bild, nach unserem Ebenbild“ unseren Unterschied zu allen anderen Lebewesen hervorhebt. Weil dies die ersten Worte Gottes über das menschliche Sein sind,i müssen wir uns in erster Linie in ihrem Sinne verstehen. Blocher sagt: „Ein Bild ist nur ein Bild. Es existiert nur durch Ableitung. Es ist nicht das Original, undohne das Original ist es nichts. Die Tatsache, dass die Menschheit ein Ebenbild ist, unterstreicht die Radikalität ihrer Abhängigkeit“.23 Letztlich müssen wir uns gemäß der Beziehung verstehen, die uns definiert.24 Wir werden uns selbst nie angemessen verstehen, wenn wir uns nur als die höchstentwickelte Tierart betrachten oder wenn wir versuchen, unseren Wert in Relation zur unermesslichen Weite der Sterne zu bestimmen. Wir müssen uns in erster Linie als irdische Ebenbilder Gottes begreifen. Dieses göttliche Wort ist einer der wichtigsten der metaphorischen Fixsterne, die die Bibel aufstellt.25

David verstand dies. In Psalm 8 richtete er seinen Blick hinauf zum Sternenhimmel und spürte „den überwältigenden Kontrast zwischen einem Menschen und den großen Körpern, Prozessen und Mächten in der Welt und im Kosmos“, der, „wenn er wahrgenommen wird, ein überwältigendes Gefühl der Bedeutungslosigkeit und der Entfremdung [mit sich bringen kann]“.26 Dies veranlasste ihn zu der Frage: „Was ist der Mensch, dass du“ – das heißt Gott – „an ihn denkst? Wer ist er schon, dass du dich um ihn kümmerst!“ (Ps 8,4*). Aber dann hörte er mit den Ohren des Glaubens, wie Gott sagte, dass er uns nur ein wenig niedriger als sich gestellt und uns so mit Herrlichkeit und Ehre gekrönt hat.27 David überwand den Schwindel, den der Blick in den Himmel auslöste, indem er eine Wahrheit akzeptierte, die er nur durch den Glauben erkennen konnte (siehe Hebr 11,3). Wie ein weiser Kommentator es formuliert hat, besteht die Hauptaussage von Psalm 8 darin, dass „wir erst dann ‚menschliches Wesen‘ sagen können, wenn wir gelernt haben, ‚Gott‘ zu sagen … Die Menschheit erkennt sich selbst nur dann völlig, wenn sie das Wesen anerkennt, aus dem alle Wirklichkeit hervorgeht“.28

„Und sie sollen die Herrschaft über die ganze Erde haben“

Nachdem er verkündet hatte, dass er uns nach seinem Ebenbild erschaffen würde, sagte Gott: „Sie sollen über die Fische im Meer, die Vögel am Himmel, die Nutztiere, die wilden Tiere und alle Kriechtiere herrschen“ (1.Mose 1,26*). Als Ebenbilder des souveränen Schöpfers sind wir die Herrscher über die Schöpfung und dazu da, wohlwollend über den Rest der Schöpfung zu bestimmen.

David wiederholte dies. Denn gleich, nachdem er erklärt hatte, dass Gott uns nur wenig niedriger gemacht hat als sich selbst und uns mit Herrlichkeit und Ehre gekrönt hat, fuhr er fort:

Du hast ihn zum Herrn eingesetzt über deine Geschöpfe,

die aus deinen Händen hervorgingen;

alles hast du ihm zu Füßen gelegt.

Du hast ihm Schafe und Rinder unterstellt

und dazu alle frei lebenden Tiere in Feld und Flur,

die Vögel, die am Himmel fliegen, ebenso wie die Fische im Meer

und alles, was die Meere durchzieht. (Ps 8,7-9*)

Anschließend blickte David, nachdem er seinen Blick nach oben gerichtet hatte, nach unten und betrachtet den Rest der Schöpfung . Vielleicht hatte er sich gefragt, ob wir nur eine andere Tierart sind (vergl. Pred 3,18-21). Doch als er Gottes Wort hörte, beruhigte er sich und erkannte, dass unsere Erschaffung in Gottes Ebenbild uns einzigartig macht. Dann verstand er welche Rolle wir tatsächlich spielen: Als Gottes Ebenbilder stehen wir zwischen ihm und dem Rest der Schöpfung, mit der Verpflichtung, dies alles weise und gut zu regieren.

„So schuf Gott den Menschen nach seinem Ebenbild“

Dann tat Gott das, was er angekündigt hatte, zu tun:

So schuf Gott den Menschen als sein Bild.

Als Gottes Ebenbild schuf er ihn.

Als Mann und als Frau schuf er sie. (1.Mose 1,27*)

Die Singularpronomen, die sich jetzt hier auf Gott beziehen, implizieren, dass eine „Einstimmigkeit der Absichten und Pläne“ existiert29, was auch immer die Pluralität der Personen von uns und unser im vorhergehenden Vers andeuten soll.

Als Gott in Vers 26 erklärte, was er in Bezug auf die Menschen tun würde, verwendete er das hebräische Wort für machen – ‚asah. Hier in Vers 27 steht erschuf für das hebräische Wort bara‘, wie auch in den Versen 1,1.21 und 2,4. Collins sagt, in 1.Mose 1 und 2 wird bara‘ viel eingeschränkter verwendet als ‚asah, denn bara‘ wird dann benutzt, wenn „besonders betonen werden soll, dass [das, was Gott hervorbringt,] eine Art Neubeginn beinhaltet“.30 In 1,1 und 2,4 erschafft Gott den Kosmos aus dem Nichts und bringt die sichtbare Schöpfung in die Existenz. In 1,21 erschafft Gott organisches Leben. Passagen wie Hiob 34,14-15 und Psalm 104,29 legen nahe, dass organisches Leben nicht einfach aus dem entstanden ist, was vorher existierte.31 Gott verleiht allen Lebewesen Leben und Atem. Das Erscheinen von etwas aus dem Nichts und von organischem Leben sind also Neuanfänge, die die Abhängigkeit der Welt von Gott in einer Weise offenbaren, wie es die Trennung des Lichts von der Finsternis und die Entstehung der Meere, damit trockenes Land hervorkommt, nicht tun.

Da nichts in diesem Bericht zufällig ist, muss die dreifache Wiederholung von bara‘ in unserem Vers bedeutsam sein. Die andere dreifache Wiederholung in der Schrift findet statt, wenn die Seraphim, die Gott auf seinem Thron dienen, einander zurufen: „Heilig, heilig, heilig ist der HERR der Heerscharen; die ganze Erde ist erfüllt von seiner Herrlichkeit!“ (Jes 6,3**). „Im Hebräischen wird die Wiederholung verwendet“, schreibt Alec Motyer, „um Superlative auszudrücken oder um Totalität zu verdeutlichen. … Heiligkeit ist die absolute Wahrheit über Gott“, und dass wir nach seinem Ebenbild geschaffen sind, ist die absolute Wahrheit über uns.32 Die dreimalige Wiederholung von bara‘ in Vers 27 bestätigt, wie bedeutsam unsere Erschaffung im Ebenbild Gottes ist. Wir sind nach seinem Ebenbild geschaffen worden, als die besonderen Objekte seiner Liebe.

Der Wechsel zwischen den Worten geschaffen und Ebenbild in den ersten beiden Zeilen von Vers 27 verdeutlicht, dass wir verstehen müssen, wer wir in Bezug auf Gott sind. Wie Blocher sagte, ist das, was wir sind, radikal davon abhängig, wer Gott ist.33 Dies ist ein weiterer Orientierungsstern, den die Schrift platziert.

Alles an uns ist ein Abbild Gottes. Wie Kidner sagt:

Die Bibel macht den Menschen zu einer Einheit: Er handelt, denkt und fühlt mit seinem ganzen Wesen. Dieses lebendige Geschöpf, und nicht irgendeine Destillation aus ihm, ist also ein Ausdruck oder eine Umsetzung des ewigen, unkörperlichen Schöpfers im Sinne einer zeitlichen, leiblichen, kreatürlichen Existenz – so wie man versuchen könnte, ein Epos in eine Skulptur oder eine Symphonie in ein Sonett zu übertragen.34

Uns als Gottes Ebenbilder zu verstehen, so Kidner weiter, „schließt die Vorstellung aus, dass unser Schöpfer der ‚völlig Andere‘ ist“ und „verlangt von uns, alle Menschen unendlich ernst zu nehmen (vergleiche 1.Mose 9,6; Jak 3,9). Und unser Herr deutet darüber hinaus an, dass Gottes Stempel auf uns eine Eigentumserklärung darstellt (Mt 22,20.21).

Was bedeutet es, nach Gottes Ebenbild geschaffen zu sein?

Was bedeutet es, nach dem Bilde Gottes geschaffen zu sein, wie es gewöhnlich übersetzt wird? Normalerweise verstehen wir unter dem Begriff „nach dem Bild von etwas geschaffen zu sein“, dass etwas als Kopie einer sichtbaren Form hergestellt wurde. Doch Mose erinnerte die Israeliten daran, dass sie, als Gott seinen Bund mit ihnen schloss, ihn zwar sprechen hörten, aber keine Gestalt sahen: „Es war nur eine Stimme zu hören“ (5.Mose 4,12; siehe 4,9-20). Dass wir nach Gottes Ebenbild geschaffen sind, hat also nicht in erster Linie damit zu tun, dass wir eine sichtbare Gestalt haben, sondern vielmehr damit, dass wir den souveränen Schöpfergott auf tiefgründigere Weise widerspiegeln.35 Gott schuf uns, sein Ebenbild zu sein, damit wir für die Schöpfung sorgen, wie er es selbst tun würde. Er schuf uns nicht (wie die meisten Übersetzungen es ausdrücken) in seinem Ebenbild, sondern als sein irdisches Ebenbild, als seine irdischen Vertreter.36

Im alten Orient zur Zeit der Entstehung von 1.Mose errichteten die Könige überall in ihrem Reich Bildnisse von sich selbst, um ihre Souveränität dort zu behaupten, wo sie nicht physisch anwesend waren.37 Und so hat der körperlose Schöpfer uns als seine körperlichen Abbilder geschaffen, damit wir seine Souveränität darstellen können. Wir tun dies, indem wir als Könige und Königinnen handeln, die für ihn wohlwollend über den Rest der Schöpfung herrschen.38

Unsere Rolle als Ebenbild Gottes ist ein strukturelles Merkmal unseres Platzes und unserer Rolle in der Schöpfung. Sie ist also etwas, das wir nicht verlieren können, auch wenn wir unseren Platz und unsere Rolle durch unseren Ungehorsam verschleiern, trüben, beschmutzen, verringern oder missbrauchen können. Wir wurden geschaffen, um Gott zu gehorchen, und wir erfüllen unsere Berufung nur dann wirklich, wenn wir den Worten des Gottes, dessen Gestalt wir nicht sehen, von ganzem Herzen gehorchen. Gottes Worte sollen in jedem Aspekt unseres Lebens widerhallen. Sie sollten alles prägen, was wir sind und tun.39

„Gott segnete die Menschen und sagte zu ihnen: ‚Seid fruchtbar und vermehrt euch‘“.

Gott segnete die Menschen und sagte zu ihnen: „Seid fruchtbar und vermehrt euch. Bevölkert die Erde und nehmt sie in Besitz. Herrscht über die Fische im Meer, die Vögel am Himmel und alle Kriechtiere.“ (1.Mose 1,28*)

Diese Worte, zusammen mit Gottes Erklärung, dass er unseren ersten Eltern die samentragenden Pflanzen und Bäume zur Nahrung gegeben hat (siehe Vers 29), verstärken den Kontrast zwischen der biblischen Geschichte und anderen Schöpfungsberichten des antiken Nahen Ostens. Biblisch gesehen hat uns Gott, wie David es zusammenfasste, nur ein wenig niedriger gemacht, als sich selbst und uns mit Herrlichkeit und Ehre gekrönt (siehe Ps 8,5). Er hat uns zu Herrschern über die Werke seiner Hände gemacht und alles unter unsere Füße gelegt (vergleiche Ps 8,7-9). Doch in den Schöpfungsmythen des antiken Nahen Ostens standen wir bei den Göttern jedoch nicht im Mittelpunkt, und als wir schließlich quasi nach nochmaliger Überlegung erschaffen wurden, wurden wir „als [ihre] Diener geschaffen … um sie von ihrer Mühsal zu befreien“40. Im babylonischen Atrahasis-Epos wurden wir beispielsweise dazu erschaffen, um den niederen Göttern die von den höheren Göttern zugewiesene Drecksarbeit abzunehmen. Diese Aufgabe „bestand darin, das Bett der Wasserwege zu graben, also Frondienste, die später als niedere Tätigkeit angesehen wurde“41. A. R. Millard erklärt: „Der Grundgedanke des Atrahasis-Epos und der anderen babylonischen Schöpfungsgeschichten ... ist, dass der Mensch geschaffen wurde, um die Götter von der mühsamen Aufgabe zu befreien, die Erde zu beaufsichtigen, ihre Nahrung zu produzieren“. In diesen Mythen arbeiten wir, damit die Götter sich ausruhen können. Aber in 1.Mose arbeitet Gott, damit er uns segnen kann.

Segnen, sagt Kidner, „bedeutet nicht nur eine Gabe, sondern eine Funktion zu verleihen ... und zwar mit herzlicher Anteilnahme. Der Höhepunkt ist es, wenn Gott dem Empfänger sein ganzes Gesicht zuwendet … in Selbsthingabe.“42 Das größte Geschenk, das wir erhalten können, ist die ungehinderte und volle Gemeinschaft mit Gott selbst. Auf der irdischen Ebene hat Gott uns eine doppelte Aufgabe übertragen: Kinder zu haben und über die übrige Schöpfung zu herrschen. In der Bibel, so schreibt Gordon Wenham, wird Gottes Segen

immer als Ergebnis eines göttlichen Segensversprechens betrachtet. Das Segenswort, [wenn] es von Gott ausgesprochen wird ... garantiert und bewirkt den erhofften Erfolg. So …tragen die Worte … „Seid fruchtbar und mehret euch“ die göttliche Verheißung mit sich, dass sie erfüllt werden können. Einmal ausgesprochen, trägt das Wort seine eigene lebenspendende Kraft in sich. ... 1.Mose kann als die Geschichte der Erfüllung der göttlichen Segensverheißungen beschrieben werden.43

Als Gott in Vers 22 die Tiere des Wassers und der Luft segnete, gab er lediglich einen Befehl – „Seid fruchtbar und mehret euch“ –, während es in Vers 28 heißt: „‚und Gott sprach zu ihnen‘, womit er die Aufmerksamkeit auf die persönliche Beziehung zwischen Gott und dem Menschen lenkt“.44 Die Tatsache, dass die Landtiere keinen eigenen Segen erhielten, kann bedeuten, dass sie zusammen mit uns oder durch uns gesegnet werden. Der Segen soll von uns auf sie herabfließen.

„Gott sah alles, was er gemacht hatte, und siehe, es war sehr gut“

Nachdem er uns geschaffen und gesegnet hatte, „sah Gott alles an, was er gemacht hatte, und siehe, es war sehr gut“ (1,31). Dann heißt es: „So wurden der Himmel und die Erde vollendet und ihr ganzes Heer“ (2,1). Das Wort, das die ESV mit „ihrem ganzen Heer“j übersetzt, kann sich in der Bibel entweder auf eine Armee, die unzähligen Sterne oder die Myriaden von Engeln beziehen, sie sind damit gewissermaßen „Modelle“ – oder Beispiele – „für einen vollkommenen Gehorsam und eine gleichmäßige Bewegung“.45 „In all seinen Verwendungen“, bemerkt Blocher, „bezeichnet das Wort, das mit ‚Heer‘ oder ‚Heerscharen‘ übersetzt wird, eine vielfältige Gesamtheit, die richtig geordnet, organisiert und differenziert ist.“ Er bemerkt, dass „nicht umsonst die Schar der Geschöpfe ... buchstäblich ein Heer genannt wird“ – obwohl diese Armee „nicht kämpft, sondern eine Parade abhält“. „Als sie erschaffen wurden, folgten die Lebewesen der Erde einer ebenso vollkommenen Ordnung wie die Ordnung des Himmels“, und so „bilden der Himmel und die Erde und ihre Bewohner einen Kosmos“. Wenham fügt hinzu: „Die Harmonie und Vollkommenheit der vollendeten Himmel und der Erde drücken den Charakter ihres Schöpfers angemessener aus, als es jeder der einzelnen Bestandteile kann.“46 Kein Wunder, dass Gott bei ihrem Anblick die vollendete Schöpfung für „sehr gut“ erklärte!47

UNSERE BESCHAFFENHEIT

Der Schöpfungsbericht in 1.Mose 1 beschreibt, dass wir in einem Kontext leben, der drei Arten von Beziehungen umfasst, die uns jeweils auf ihre eigene Weise formen und erhalten. Unsere primäre Beziehung ist die zu Gott, dann die zu anderen Menschen und schließlich die zum Rest der Schöpfung. Das Leben in dem durch diese drei Arten von Beziehungen geschaffenen Raum macht unsere spezifisch menschliche Art des Seins aus.

Kennen wir erst einmal unseren Platz in der Schöpfung, ist es hilfreich zu wissen, wie unsere Natur uns dazu befähigt, diesen einzunehmen. In 1.Mose 1,1-2,3 wird unsere Stellung im Verhältnis zu Gott und den anderen Geschöpfen beschrieben. 1.Mose 2,4-25 beschreibt unsere Beschaffenheit.

Hier stellen sich zwei entscheidende Fragen. Erstens: Was bedeutete die Erschaffung des ersten Menschen sowohl auf natürlicher als auch auf übernatürlicher Ebene? Und zweitens, was bedeutet die Aussage Gottes: „Es ist nicht gut, dass der Mensch allein ist“?

Die erste menschliche Person

[Es] gab […] zunächst weder Wildgewächse noch Nutzpflanzen … Da formte Gott, der HERR, aus Staub vom Erdboden den Menschen und blies ihm den Lebensatem in die Nase. So wurde der Mensch zu einem lebenden Wesen. (1.Mose 2,5.7*)48

Dieser Satz signalisiert die veränderte Perspektive von 1.Mose 2,4-25 in mindestens dreifacher Hinsicht. Erstens gibt es vor der Erschaffung des ersten Menschen keine einheimische Pflanzenwelt. Er ist das Zentrum, um das sich alles andere gruppiert, einschließlich des Anlegens eines Gartens (siehe 2,8-9),49 das Erscheinen der Tiere (siehe 2,19), und die Erschaffung der Frau (siehe 2,22). Zweitens: Gott ist nicht mehr nur elōhîm, der Schöpfer und Erhalter der Welt. Er ist auch „der Herr“, das heißt Jahwe, Gottes „wirklicher“ oder persönlicher Name50, der mit seinem Volk einen Bund schließt und diesen hält.51 Drittens zeigt sich Jahwes persönliches – dürfen wir praktisches sagen? – Engagement für unsere ersten Eltern in einer Verschiebung der Verben, die seine schöpferischen Aktivitäten beschreiben. „Das Wort Gottes (1,26ff.) wird nun durch das Werk Gottes ergänzt (2,7).52 Gott erschafft oder handelt nicht mehr länger indem er nur spricht; nun formt er (2,7.19) und haucht (2,7), pflanzt und setzt (2,8 Schlachter), baut eine Frau (siehe 2,22 ESV Randbemerkung53 ebenso Luther 2017) und bringt die Tiere und die Frau zum Mann (2,19.22).54

Aus Erde geformt

Da formte Gott, der HERR, aus Staub vom Erdboden den Menschen. (1.Mose 2,7a*)

Hier wird Gott als Töpfer dargestellt, „der [den] Menschen aus feuchtem Staub formt“55. Im Hebräischen wird das Wort adamk mit einem bestimmten Artikel versehen, was bedeutet, dass sich dieser Vers auf die Erschaffung des ersten Menschen als reales Individuum konzentriert, das auch ein Prototyp für zukünftige Menschen ist. Die Tatsache, dass er aus der Erde geformt wurde, bedeutet, dass wir irdische Wesen sind, wie die Tiere in Vers 19. Die Tatsache, dass wir uns den sechsten Schöpfungstag mit anderen Geschöpfen teilen (siehe 1,24-31), dass wir aus Staub gemacht sind wie sie (2,7.19), dass wir uns ernähren wie sie (1,29.30) und dass wir uns unter einem ähnlichen Segen wie sie fortpflanzen (1,22.28a), bedeutet, dass wir, wie Kidner schreibt, „zum Teil durch die Betrachtung dieser Geschöpfe studiert werden können; sie sind eine Hälfte [unseres] Kontextes“56.

Das Leben eingehaucht

... und blies ihm den Lebensatem in die Nase. So wurde der Mensch zu einem lebenden Wesen. (1.Mose 2,7b*)

Trotz der Tatsache, dass wir zum Teil durch die Betrachtung der anderen Geschöpfe der Erde studiert werden können, liegt der Schwerpunkt in den ersten beiden Kapiteln von 1.Mose, wie Kidner betont, „auf [der] Besonderheit der Menschheit“. Hier in 1.Mose 2,7 heißt es, dass Gott, der Herr, dem ersten Menschen den Lebensatem – das hebräische Wort ist neshamahl – in die Nase geblasen hat, was er bei keinem anderen Geschöpf getan hat.57

Das machte ihn zu einer irdischen Person, mit Fähigkeiten, die ihn von allen anderen Lebewesen der Erde unterschieden. Wie Elihu erklärte, als er versuchte, Hiob dazu zu bringen, ihm trotz seiner Jugend zuzuhören,

Aber der Geist ist es im Menschen,

und der Odem [neshamah] des Allmächtigen, der sie verständig macht.

Angesehene sind nicht weise,

und Alte verstehen sich nicht aufs Recht. (Hiob 32,8-9**)

Mit anderen Worten: Weisheit und Verständnis – Eigenschaften, die wir zwar dem Menschen, aber niemals einem anderen Lebewesen zuschreibenm – sind keine Eigenschaften, die im Laufe der biologischen Entwicklung auf natürliche Weise entstehen oder die wir mit zunehmendem Alter unweigerlich erwerben.

---ENDE DER LESEPROBE---