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Was passiert mit jemandem, wenn sein bisher so erfolgreiches Leben aus den Fugen gerät? Diese Erfahrung durchlaufen momentan viele Menschen. Die Transformation der Gesellschaft ist in vollem Gange. Plötzlich erkennt «Mann/Frau», dass Krisen um die Liebe und das Sein weit schwieriger zu meistern sind, als geschäftliche operative Probleme in einem Unternehmen. Hier geht es um Gefühle, um Liebe und um den wahren Sinn des Lebens. Was man dazu braucht, es zu meistern: Zeit, den Willen, etwas zu ändern, und Mut. Die wahre Geschichte aus dem Leben zeigt dir einen Weg, wie du aus dem Hamsterrad entkommen kannst und ein glückliches Leben mit viel Lebensfreude und Freiheit wieder finden und geniessen kannst.
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Seitenzahl: 152
Veröffentlichungsjahr: 2023
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Vorwort
Kapitel 1: Erfolgreich im Beruf, glückliche Familie
Die Kindheit prägte den Ehrgeiz und die Familienwerte
Die treibende Kraft, »erfolgreich zu werden«
Familienglück und die Gratwanderung zwischen Karriere und Privatleben
Take-away 1: Schliesse Frieden mit der Vergangenheit
Kapitel 2: Der Tag, an dem sich alles änderte
Die leise Ankündigung
Die Offenbarung meiner Frau
Verständnis aufbauen und Haltung bewahren
Take-away 2: »Reset und mache einen Neuanfang«
Kapitel 3: Durch das Tal der Traurigkeit und wieder zurück
Die Motive der Frau verstehen und akzeptieren
Ein Leidensweg bis zum Loslassen
Daran erkennen wir wahre Liebe
Abschiedszeremonie nach 25 Jahren gemeinsamem Leben
Meine Freunde und ihre Empfehlungen
Take-away 3: Lass die Personen los, die nicht bereit sind, dich zu lieben
Kapitel 4: Der Transformationsprozess: Vom Live-Change-Seminar zur Weltreise und zurück
Neue Perspektiven am Horizont
Die Suche nach dem Ikigai (the reason for being)
Bedingungslose Selbstliebe: Nur wer mit sich selbst im Reinen ist, kann bedingungslos lieben
Die Reise zum Selbst, Teil 1: Harter Einstieg, aber befreiend
Die Reise zum Selbst, Teil 2: Schicksal oder Zufall – Ist im Leben alles vorherbestimmt?
Die Reise zum Selbst, Teil 3: »Magic Moments« und viele Antworten
Take-away 4: Die 8 Schritte der persönlichen Transformation
Kapitel 5: Loslassen und auf zur neuen Lebensfreude
Loslassen und sich öffnen für das neue Leben
Wie du Lebensfreude wieder finden kannst
Take-away 5: Lass los, Schritt für Schritt, und empfange die neue Lebensfreude
Kapitel 6: Das Leben ist eine Reise – Finde den Mut, sie zu gehen
Finde den Mut und gehe deinen ganz persönlichen Weg
Wann bist du im Paradies angekommen?
Neue Erfahrungen begleiten deinen Weg
Take-away 6: Der Weg ist das Ziel
Kapitel 7: »Spirituality meets Business« – Der Weg, erfolgreich zu sein
Spiritualität ist in der Welt des Business angekommen
Was verstehen wir unter Business?
Was verstehen wir unter Spiritualität?
Der Schlüssel zum Erfolg: Mehr Spiritualität im Business
Miese Stimmung in den Unternehmen und ihre Auswirkungen auf unser Privatleben
Weg mit toxischen Führungskräften und hin zu transformationaler Führung
Mit mehr Fokus und Achtsamkeit zur guten Führungspersönlichkeit
Die Verbindung zwischen Business und Spiritualität
Spiritualität am Arbeitsplatz
Take-away 7: Schaffe ein spirituelles Arbeitsumfeld für Unternehmenserfolg
Danksagung
Über den Autor
Literaturverzeichnis
Alles begann bereits viel früher als am 3. Juni 2022, als mir meine geliebte Frau mitteilte, dass sie am 16. Juni nicht mit mir und unseren Söhnen nach Schweden in die Ferien fahren würde. Zu diesem Zeitpunkt fühlte es sich für mich jedoch an, als wäre eine Welt zusammengebrochen, wie ein Stich mitten ins Herz. Was ich in den folgenden zehn Tagen inmitten der wunderschönen Seennatur Schwedens spürte, wurde zur Realität nach der Rückkehr. Meine Frau, meine grosse Liebe, teilte mir unmittelbar nach meiner Rückkehr mit, dass sie mich nicht mehr brauche, um glücklich zu sein. Es war der Tiefpunkt meines Lebens, meine Welt brach zusammen.
Mein Leben geriet aus den Fugen, mein Energielevel fiel auf ein ungewohntes tiefes Niveau und die Motivation, morgens aufzustehen, existierte nicht mehr. Ich begann einen Kampf um die Gunst meiner Frau. Ich steckte all meine Energie in unsere Partnerschaft, um zu retten, was noch zu retten war. Ich versuchte zu verstehen, was in ihr vorging, ihre Gedankengänge nachzuvollziehen und Antworten zu finden rund um das »Warum»! Meine Geschäftstätigkeiten verloren an Fokus, die Resultate blieben aus, und mein Investment in eine Firma, die ich in einer Restrukturierungsphase hatte, kam nicht vom Fleck. Ich fand keine Möglichkeit, meine Trauer zu kontrollieren und an etwas anderes zu denken als an meine Frau, meine Ehe, meine Familie.
Mit der Zeit wurde mir klar, dass nur ein Weg aus dieser Situation führte: Ich sollte das, was ich liebte, loslassen. So einfach dies auch klingt, so verdammt hart war der Transformationsprozess: Ein Live-Change-Seminar, eine sechsmonatige Auszeit mit einer Reise durch Südamerika und Asien, die Lehre über die Selbstliebe und viel Zeit mit mir selbst führten dazu, dass meine Gedanken frei wurden, dass ich wieder Luft zum Atmen bekam und dass meine Lebensfreude zurückkam. Dies alles eröffnete mir einen neuen Blick auf den Sinn des Lebens, und mein Sein hatte plötzlich eine ganz andere Bedeutung.
Dieses Ereignis ist ein Teil meines Lebens, der tief in mein Inneres blicken lässt, mit der Erkenntnis, dass Krisen rund um die Liebe und das Sein schwieriger zu meistern sind als geschäftlich operative Probleme. Denn es geht um mich, um Gefühle, um Liebe und um den wahren Sinn meines Lebens. Was man dazu braucht, es zu meistern: Zeit, den Willen, etwas zu ändern, und Mut. Meine Geschichte zeigt dir einen Weg, wie du aus dem Hamsterrad entkommen kannst und ein glückliches Leben mit viel Lebensfreude und Freiheit leben kannst.
Auf meiner Reise erkannte ich die Kraft der Spiritualität in der kommerziell getriebenen Geschäftswelt. Die Offenbarung meines IKIGAI, des »reason for being« bekam auf meiner Reise eine wichtige Bedeutung: »Spirituality meets Business.« Wie kann die spirituelle Welt mit der kommerziellen Welt vereint werden, um einen Mehrwert für unser Leben und für ein Unternehmen zu schaffen? Dies wird eine der Schlüsselfragen im Unternehmertum für die nächsten Jahrzehnte werden, um die richtigen Fachkräfte für ein Unternehmen zu gewinnen. Darum habe ich diesem Thema ein ganzes Kapitel gewidmet. Bereits heute haben wir mehr Spiritualität in unserem Leben und in unseren Unternehmen, als viele für möglich halten. Dies bewusst bei den anstehenden Aufgaben zu implementieren, als einen integrierten Bestandteil jedes Unternehmens, wird persönlichen und geschäftlichen Erfolg mit sich bringen. Es braucht einen bewussten Anstoss in der Führungsetage und eine Weiterentwicklung der Führungsfähigkeiten in den Unternehmen.
Ich hoffe, dass du viele Erkenntnisse mitnehmen kannst und es dir, solltest du einmal in eine vergleichbare Situation kommen, einen Weg aufzeigt, wie man aus den tiefsten Tälern einer Lebenskrise wieder herauskommen kann.
Aufgewachsen in ärmlichen Verhältnissen, war es für meine Mutter ein täglicher Kampf, genügend Essen für mich und meine vier Geschwister auf dem Tisch bereitzustellen. Obwohl beide Eltern arbeiteten, der Vater als Fabrikarbeiter in der Stahlindustrie und die Mutter als Service-Angestellte in Teilzeit in einem kleinen Restaurant, war bereits Mitte des Monats die Haushaltskasse leer. Das gemeinsame Einkommen hätte sicherlich gereicht, um die Grundbedürfnisse zu decken, der Vater jedoch zog es vor, sein Einkommen mit seinen Freunden in seinem Stammlokal in Alkohol zu investieren. So stand nur der kleine Lohn meiner Mutter zur Verfügung, um die Einkaufsliste für den Haushalt zu erstellen und Lebensmittel zu kaufen. Dennoch gab es ein heiliges Gesetz, welches unbedingt eingehalten werden musste: Am Sonntagmittag gab es immer Fleisch. Es war jedes Mal eine grosse Freude, ja ein kleines Festmahl, wenn Sonntag war und wir in den meisten Fällen einen Cervelat aufgetischt bekamen. War auch mein Vater am Tisch, gab es auch mal ein Steak.
Unsere Gespräche am Tisch waren nie tiefgründig, sondern blieben oberflächlich. Der Vater schwieg die meiste Zeit und war mit seinen Gedanken bereits wieder in seinem Stammlokal vor einem Bier. Die Mutter war stetig im Überlebensmodus, hatte nicht die Kraft, gute Miene zum bösen Spiel zu machen und über andere Themen zu sprechen, welche für uns Kinder von Interesse sein konnten. Ihre Gedanken kreisten stetig um dieselben Fragestellungen: Können die offenen Rechnungen bezahlt werden, und reicht das Geld in den nächsten Tagen, um genügend Nahrungsmittel zu beschaffen? Man konnte buchstäblich den Kummer und das Ohnmachtsgefühl in ihrem Gesicht lesen. Glückliche Momente waren für sie selten, und die Beziehung zwischen meinen Eltern war rein funktional. Weder Gefühle, Respekt noch gegenseitige Akzeptanz war spürbar zwischen ihnen, und ein Zusammensein war nur noch möglich, weil minderjährige Kinder im Haushalt lebten.
Als ich das 14. Lebensjahr erreichte, liessen sich meine Eltern scheiden. Meine Geschwister waren zu diesem Zeitpunkt bereits ausgezogen. So wohnte ich bis zu meinem 26. Lebensjahr weiterhin mit meinem Vater im Elternhaus zusammen.
Diese schwierige Kindheit prägte meinen Charakter stark. Zwei wesentliche Eigenschaften haben sich in all den Kindheitsjahren manifestiert und mir die Basis für mein Handeln und Sein auf den Weg gegeben: Erstens: Ich werde alles dafür tun, dass mein zukünftiges Familienleben harmonisch, liebevoll, respektvoll und voller Vertrauen gelebt wird. Es soll der Anker und der Hafen für alle Familienmitglieder sein, in guten wie auch in schlechten Zeiten. Und zweitens: Ich wollte erfolgreich im Beruf werden. Zu diesem Zeitpunkt wusste ich noch nicht, was ich machen würde, aber ich spürte bereits in diesen jungen Jahren, dass ich eines Tages erfolgreich sein würde. Ich habe mir immer ausgemalt, wie sich Erfolg anfühlen könnte. Ich war überzeugt, dass Erfolg mit Kompetenz korreliert, und so nahm ich mir im Alter von 16 Jahren vor, mich stetig weiterzubilden. Ich stellte mir vor, nach einer soliden Lehre als Elektroinstallateur auch die TV-Installationskonzession und die Ausbildung zum Elektro-Meister zu absolvieren. So hätte ich es selbst in den Händen, den Erfolg zu steuern und unabhängig zu werden.
An einem schönen Sommertag erzählte ich meine Gedanken meinem Nachbarn, welcher zugleich mein Pate und meine wichtigste Bezugsperson in dieser Zeit war: »Ich weiss jetzt genau, was ich in meinem Leben erreichen möchte! Ich will eine Lehre als Elektroinstallateur machen und danach die Meisterprüfung absolvieren. Dann werde ich mein eigenes Geschäft eröffnen.« Innerlich freute ich mich bereits auf eine positive Antwort meines Paten. Stattdessen kam die knappe Antwort: Schau erst mal, dass du eine Lehrstelle erhältst und du deine Lehre bestehst, bevor du zu träumen beginnst. Diese Antwort signalisierte den fehlenden Glauben, dass ich dies schaffen würde. Genau dies war der Moment, wo ich wusste: Ich werde es schaffen – und mein Ehrgeiz wurde ins Unermessliche getrieben.
Im Jahre 1986 begann für mich ein weiterer Lebensabschnitt. Die obligatorische Schule war zu Ende, und ich hatte es ohne jegliche Unterstützung der Eltern geschafft, die angestrebte Lehrstelle als Elektroinstallateur zu erhalten. Ich war sehr stolz und freute mich riesig, dass ich jetzt durchstarten konnte. Bis zu diesem Zeitpunkt träumte ich auch von einer erfolgreichen Sportlerkarriere, allerdings war mein sportliches Talent zu wenig ausgeprägt. Ich musste mich bei regionalen Wettkämpfen in der Leichtathletik sowie im Fussball in der zweiten Liga messen. Es hatte mir immer Spass gemacht, aber es reichte nicht, als Profisportler den Lebensunterhalt zu verdienen. Ich änderte meinen Fokus und setzte alles auf die Karte Beruf, wobei der Sport weiterhin eine wichtige Rolle in meinem Leben spielte, denn er gab mir Kraft und Energie, um meine Ziele im Beruf zu verfolgen.
Nach der erfolgreich abgeschlossenen Lehre mit der Durchschnittsnote von 5.6 und der Teilnahme an den SwissSkills 1989 wusste ich, dass ich die besten Voraussetzungen hatte, noch viel mehr aus mir rauszuholen. Ich sah keine Grenze nach oben und entschloss mich kurz nach der Lehre, den Vorbereitungskurs für die Aufnahmeprüfungen an der Fachhochschule für Ingenieurswissenschaften zu besuchen. Die erfolgreiche Aufnahme in den Kreis der Studenten konnte ich nach sechs Monaten feiern. Nun stellte sich die Frage des Wann, Wo und Wie, also welche Fachhochschule ich besuchen würde, wobei es jedoch einen Haken gab: Mir fehlten die finanziellen Mittel, diese Ausbildung zu bezahlen. Von zuhause konnte ich nichts erwarten, ich selbst hatte zu diesem Zeitpunkt weniger als 1‘000 Franken auf dem Sparkonto, und so fasste ich die Entscheidung, mein Studium berufsbegleitend zu absolvieren. Ich hatte keine Zweifel, dass ich die 9 Semester mit 25 Lektionen pro Woche neben einem 80-Prozent-Arbeitspensum schaffen würde, obwohl in meinen Gedanken immer wieder die negative Aussage meines Paten mitschwang. Zu diesem Zeitpunkt war mir nicht klar, dass ich bereits ein Getriebener war, besessen von selbstdefinierten Zielen und von einem Ehrgeiz, meinem Umfeld zu beweisen, dass ich es können und schaffen würde.
Bevor ich mich dem Studium widmen konnte, war die Rekrutenschule angesagt. Meine Vorfreude, nach Isone zugehen und einetolle Kampfausbildung in der Schweizer Armee zu besuchen, kannte keine Grenzen. Es blieb jedoch bei der Vorfreude, obwohl die Ausbildung körperlich und geistig fordernd war und abenteuerliche Erlebnisse mit sich brachte. Ich fand keine Befriedigung und war nicht bereit, mehr Zeit als notwendig zu investieren. So blieb ich einfacher Grenadiersoldat, jedoch mit einer hervorragenden Ausbildung in der Nahkampftechnik.
Das Ingenieurstudium schloss ich mit mässigem Erfolg ab, aber dies schmälerte nicht meinen grossen Stolz, mich von diesem Zeitpunkt an Ingenieur FH nennen zu dürfen. Mein Stolz kannte keine Grenzen, und so liess ich am ersten Arbeitstag nach der Diplomfeier neue Visitenkarten drucken. Unter meinem Namen stand nun endlich Dipl. Elektro-Ingenieur FH. Es bedeutete mir so viel, dass ich kurz darauf zu meinem Paten ging und ihm meine neue Visitenkarte wortlos überreichte. Er quittierte dies mit Grösse und gratulierte mir respektvoll. Ich fühlte mich angekommen in der Arbeitswelt, gleichgestellt und respektiert von meinem Umfeld. Ich war überzeugt, dass das Eintrittstor zu einer erfolgreichen beruflichen Karriere geöffnet war, wurde jedoch eines Besseren belehrt. Die grossen Entscheidungsträger waren nicht die Techniker in einem Unternehmen, es waren die Wirtschaftsleute. Unternehmen führt man mit Zahlen, mit den Fähigkeiten, ein Unternehmen profitabel auf dem Markt zu positionieren und zu betreiben. Diese Erkenntnisse führten dazu, dass ich den betriebswirtschaftlichen Weg einschlug: Ein Nachdiplomstudium in Wirtschaft, eine Masterausbildung in Business Administration und weitere Ausbildungen begleiteten mich bis zu meinem 32. Lebensjahr.
Mein Rucksack war voll mit gutem theoretischem Wissen. 16 Jahre harte Ausbildung, welche mir jedoch nie das Gefühl gaben, dass es verlorene Zeit gewesen war. Zu diesem Zeitpunkt war mein Wunsch nach Anerkennung von aussen meine unendlich grosse Energiequelle. Zu verdanken hatte ich diese Energiequelle einer kurzen, zu diesem Zeitpunkt schmerzlichen Aussage einer Bezugsperson im Kindesalter. Es hatte eine gigantische Auswirkung auf mein Leben. Ich bin ihm heute noch sehr dankbar dafür.
In einer warmen Sommernacht 1998 traf ich meine zukünftige Frau in einer Bar im solothurnischen Kriegstetten. Es war ja nicht so, dass wir uns noch nie gesehen hätten. Wir gingen zur selben Schule und wohnten im selben Dorf. Doch in jungen Jahren sind sechs Jahre Altersunterschied sehr gross. So sind wir uns in den folgenden Jahren immer wieder begegnet, jedoch ohne dass ein gegenseitiges Interesse vorhanden gewesen wäre. In dieser Nacht war jedoch alles anders. Die wunderschöne Frau, nach sechs Monaten Australienaufenthalt seit kurzem wieder in der Schweiz, braungebrannt und etwas schüchtern, stand mit ihren Kolleginnen, welche mir auch bestens bekannt waren, an der Bar. Ich war mit meinem damaligen besten Freund unterwegs auf ein Bier in derselben Bar. Man kannte sich, und so brauchte es für den Erstkontakt keine grosse Überwindung. Der Abend nahm seinen Lauf, und zwei Tage später verabredeten wir uns zum Radfahren. Die wunderschöne Natur rund um den Burgäschisee, der Sonnenschein und die warmen Temperaturen liessen die gegenseitigen Gefühle heranwachsen. Das Radfahren war irrelevant. Unsere Gespräche waren oberflächlich, die Worte vorsichtig gewählt, und ein Kommunikationsfluss war nicht wirklich vorhanden. Zu diesem Zeitpunkt zählte nur die Nähe und ein verlegenes Sich-Herantasten an den Körper des Gegenübers. Man spürte förmlich, wie unsere Herzen höherschlugen. Ich fühlte mich wie auf Wolke 7, ein Zustand wie aus dem Märchenbuch. Wenige Tage später kam auch schon das erste offizielle Date im Weissenstein–Restaurant, und der erste Kuss liess nicht lange auf sich warten.
Im Jahre 2000 haben wir geheiratet und in den Folgejahren gemeinsam zwei wunderbare Kinder grossgezogen. Wir lebten ein harmonisches, liebevolles und respektvolles Familienleben, und unser gegenseitiges Vertrauen war grenzenlos. Es war so, wie ich es mir vorgestellt hatte: Die Familie war jederzeit und für alle ein Anker und ein Hafen, in guten wie in schlechten Zeiten. Wir hatten eine offene Kommunikation, sprachen über unsere Probleme, über die schönen Seiten des Lebens, über Sexualität, über Beruf, Erfolge und Misserfolge. Es gab wenige Tabus, wenige Themen, die nicht angesprochen wurden. Es fühlte sich erfüllend, richtig und schön an.
In dieser Zeit war es mir möglich, intellektuelle Höchstleistungen zu erbringen. Meine Ausbildungen waren abgeschlossen, und ich wollte mein theoretisches Wissen anwenden. Das Lesen von Bilanzen und Erfolgsrechnungen von Firmen hatte es mir angetan. Ich verstand es, die Zahlen richtig zu interpretieren und mich in ein Unternehmen reinzudenken. Es kam mir vor wie in einem Film. Ich wusste sofort, was in einer Firma nicht funktionierte, wo die Probleme lagen und was geändert werden musste, um wieder profitabel zu werden. Angereichert mit den zusätzlichen Informationen und Analysen des Zielmarktes, konnten sinnvolle strategische Ziele von mir definiert werden und dem Management als Empfehlung vorgestellt werden. Ich war 33, und meine Begabung blieb auch meinem damaligen Arbeitgeber nicht verborgen. Ich bekam die Chance, diese Begabung in einem ersten Projekt unter Beweis zu stellen: »Unternehmensanalyse einer Tochterunternehmung mit Massnahmen zur Optimierung der Profitabilität.« Ich muss sehr überzeugend gewirkt haben, denn Entscheidungsträger nahmen alle meine Empfehlungen an und gaben mir gleichzeitig die Aufgabe, diese umzusetzen. Zu diesem Zeitpunkt hatte ich das Gefühl, dass ich alles erreichen könnte. Entsprechend war mein zeitlicher Aufwand für geschäftliche Tätigkeiten rasch auf 60 bis 70 Stunden pro Woche angewachsen. Dies manifestierte sich über Jahre, und es war für mich nicht aussergewöhnlich, auch an den Wochenenden zu arbeiten. Meine Gedanken drehten sich nur noch um die Tätigkeiten rund um den Beruf. Ich war ein Getriebener, gehetzt von Terminen, immer neuen Herausforderungen und Zielen. Mein Alltag nahm mich gefangen, zum Durchatmen blieb keine Zeit.
Die Familie kam an zweiter, oft auch an dritter oder vierter Stelle. Ich entfernte mich unbewusst und ungewollt von einem meiner Lebens-Grundwerte: das Familienleben mit all seinen Anforderungen zu hegen und zu pflegen. Meine Frau versuchte mir mehrmals ihre Unzufriedenheit mitzuteilen; ich verstand sie jedoch nicht. Ich ermöglichte ihr und meiner Familie doch alles. Mit meinem Einkommen waren wir in der Lage, ein privilegiertes Leben zu führen. »Also, was soll denn das ewige Meckern?«, habe ich mich viele Male gefragt. Hätte mich in dieser Zeit jemand gefragt, was für mich wichtiger wäre, die Karriere oder die Familie, ich hätte gesagt, dass 51 Prozent bei der Karriere und 49 Prozent bei der Familie liegen. Ich war überzeugt, dass finanzielle Mittel alles zurechtbiegen können. Ein absoluter Irrglaube, für den ich später teuer bezahlen musste.