Herzens-Geschichten einer baltischen Edelfrau (Autobiographischer Roman) - Elisa von der Recke - E-Book

Herzens-Geschichten einer baltischen Edelfrau (Autobiographischer Roman) E-Book

Elisa von der Recke

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Beschreibung

Dieses eBook: "Herzens-Geschichten einer baltischen Edelfrau (Autobiographischer Roman)" ist mit einem detaillierten und dynamischen Inhaltsverzeichnis versehen und wurde sorgfältig korrekturgelesen. Elisabeth von der Recke (1754-1833) war eine deutschbaltische Dichterin, Schriftstellerin und Kirchenlieddichterin. Ihr Werk besteht hauptsächlich aus pietistisch-empfindsamen Gedichten, Tagebüchern und Memoiren. Aus dem Buch: "Auf mich machten die Sterbefälle meiner liebsten Verwandten einen tiefen Eindruck, den ich umso lebhafter fühlte, weil durch die Flucht des schönen Constanzchens die ersten Monate eine nicht gewohnte Stille im Hause meiner Großmutter herrschte. Die Jahreszeit, wo diese auf dem Lande lebte, war da; aber Nachbarn und Fremde blieben weg, weil der Humor der sonst so fröhlichen Frau durch die Entfernung ihres Lieblings gelitten hatte und heitere Geselligkeit auf einige Zeit von ihr gewichen war. Sie liebte diese Enkelin über alles, sehnte sich nach ihrem unterhaltenden Geiste. Aber ihre Begriffe von beleidigter Mutterwürde gaben ihr die Festigkeit, das Kind nicht wieder sehen zu wollen, welches ihr Vertrauen, ihre Liebe so beleidigt hatte."

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Elisa von der Recke

Herzens-Geschichten einer baltischen Edelfrau (Autobiographischer Roman)

Erinnerungen und Briefe
e-artnow, 2015 Kontakt: [email protected]
ISBN 978-80-268-4433-4

Inhaltsverzeichnis

Zur Einführung
Erstes Kapitel
Zweites Kapitel
Drittes Kapitel
Viertes Kapitel
Fünftes Kapitel
Sechstes Kapitel
Siebentes Kapitel
Achtes Kapitel
Neuntes Kapitel
Zehntes Kapitel
Elftes Kapitel
Zwölftes Kapitel
Dreizehntes Kapitel
Vierzehntes Kapitel
Fünfzehntes Kapitel
Sechzehntes Kapitel
Siebzehntes Kapitel
Achtzehntes Kapitel
Neunzehntes Kapitel
Zwanzigstes Kapitel
Einundzwanzigstes Kapitel
Zweiundzwanzigstes Kapitel
Dreiundzwanzigstes Kapitel
Vierundzwanzigstes Kapitel
Aus Elisas Briefen

Zur Einführung

Inhaltsverzeichnis

Als gegen das Ende des achtzehnten Jahrhunderts der »Graf« Cagliostro trotz mancher schon erfolgten Bloßstellungen noch immer mit seinen Wundern, seinem theosophischen Mystizismus, seinen spiritistischen und anderen Betrügereien halb Europa zum besten hatte und Reichtümer damit erwarb, schrieb 1787 Charlotte Elisabeth von der Recke, Tochter des Reichsgrafen von Medem, zu Mitau ihre Enthüllungsschrift: »Nachricht von des berüchtigten Cagliostro Aufenthalt in Mitau im Jahre 1779 und von dessen magischen Operationen«1 Mit großer Schonungslosigkeit gegen sich selbst, die der Gaukler lange Zeit völlig umgarnt hatte, deckte sie seine dreisten Schwindeleien auf, und die Schrift machte in ganz Europa ein ungeheures Aufsehen.

Es war eine kühne sittliche Tat, daß die Schwester der Herzogin von Kurland unter Preisgabe der eigenen Person und nächster Angehöriger den Betrüger entlarvte, und als Verfasserin dieser Schrift erlangte Elisa von der Recke schnell europäische Berühmtheit. Daneben erwarb sie sich im Laufe ihres langen Lebens eine bescheidenere Berühmtheit als Dichterin und Schriftstellerin. Dieser kleinere Ruhm ist längst verblaßt, mit Recht sind jene literarischen Erzeugnisse vergessen, die Elisa zu ihren Lebzeiten veröffentlicht hat. Dagegen hat sie der Nachwelt zwei Manuskripte hinterlassen, die als Dokumente eines Frauenherzens und als Kulturbild baltischen Adelslebens gleich der Schrift gegen Cagliostro nie aufhören werden, den Leser zu fesseln. In ihrem Testament hatte Elisa die zwei Manuskripte, für die Veröffentlichung vorbereitet, das eine der Königlichen Bibliothek zu Berlin, das andere der Königlichen Bibliothek zu Dresden vermacht: es waren ihre Selbstbiographie, bis zu ihrer Heirat mit Georg von der Recke fortgeführt, und anschließend daran die Geschichte ihrer unglücklichen Ehe in Briefen. Beide Manuskripte sind erst im Jahre 1900 durch Paul Rachel zum Druck befördert worden, und sie bilden, um einiges Unwesentliche gekürzt, und teilweise mit ergänzenden Anmerkungen aus den 1902 von Rachel herausgegebenen »Tagebüchern und Briefen« Elisas versehen, den Inhalt dieses Bandes.

Den Titel »Herzensgeschichten« habe ich gewählt, weil er das Buch am treffendsten kennzeichnet: von ihren frühesten Mädchenjahren an erblicken wir Elisa ständig mit einem von Liebesdingen verschiedenster Art stark, oft wild bewegten Herzen. Diese merkwürdige Frau, die mit siebzehn Jahren, nachdem sie zahlreiche Bewerber abgewiesen, einen zu ihr durchaus nicht passenden Mann heiratete, nach fünf Jahren von ihm aus seinem Schloß verjagt, und weitere fünf Jahre danach von ihm geschieden wurde, hat von ihrem zwölften bis zu ihrem fünfzigsten Jahre nicht aufgehört, die Herzen der Männer zu entzünden. Und obwohl sie selber in höherem Maße als andere die Sehnsucht nach Liebe empfand2 und oft leidenschaftlich liebte, hat ein fast tragisch anmutendes Geschick ihr keinen zweiten Lebensgefährten gegönnt. Sie war kaum zwölf Jahre alt, als sie die ritterlich-knabenhafte Liebeserklärung eines vierzehnjährigen Barons von Heyking anhörte und diesem ihre Gegenliebe zu verbergen suchte. Der Vater Heyking gab in Elisas Gegenwart dem Wunsche Ausdruck, seinen Sohn einst mit ihr verbunden zu sehen. Zur selben Zeit verliebte sich der über siebenzigjährige, verheiratete Starost Igelströhm in das Mädchen, und ein Herr von Behr hielt, hingerissen von ihrem Liebreiz, um ihre Hand an. Und nun mehren sich die Verehrer; Männer mit Schönheit des Körpers, andere mit Vorzügen des Geistes bestürmen das unsichere Herz des Mädchens, das, von seinen Sinnen und seinem seelischen Verlangen gleich triebhaft und dunkel bedrängt, unruhig pocht. Elisa ist noch nicht vierzehnjährig, als Starost Igelströhm, jetzt sechsundsiebenzig Jahre alt, nach dem Tode seiner dreiundzwanzigjährigen Frau, in aller Form um ihre Hand anhält. Elisa gibt ihr Jawort, ihr Vater ist einverstanden, doch die Stiefmutter will die Heirat nicht, sie unterbleibt. Neue Freier treten auf. Die auf die Schönheit ihres Stiefkindes stolze Frau von Medem sucht das Herz des Mädchens zu lenken – sie soll einen reichen und bedeutenden Mann nehmen und eine »galante Weltdame« werden; Frau von Medem sammelt Anträge für das Mädchen, um eine große Auswahl zu haben. Und aus all den ständigen Herzensnöten sehnt Elisa sich immer wieder nach ihrem geliebten Igelströhm. Zuletzt nimmt sie, siebzehnjährig, und »gelenkt« von ihrer Stiefmutter, den Herrn von der Recke und wird tief unglücklich. Noch ehe sie von ihm wegen Verweigerung der ehelichen Gemeinschaft verstoßen ist, und gleich danach um so mehr, wird ihr Herz von neuen und den so zahlreichen alten Verehrern abermals in stürmische Unruhe versetzt, und Herr von der Recke bemüht sich zweimal vergeblich, sie als seine Frau wieder auf sein Wasserschloß zurückzuführen.

Schließlich schlägt sie den Antrag des heftig geliebten Herrn von Holtei aus und bringt damit ein nutzloses Freundschaftsopfer. Diese entsagende Liebe erfüllt ihr Herz fortan so völlig – Holtei nahm sich eine andere Frau – daß Elisa, die damals vierundzwanzig Jahre zählte, und noch oft geliebt hat und zum Weibe begehrt wurde, doch keinem Bewerber ihr Jawort geben konnte: Holteis Bild drängte sich in ihrer Seele stets wieder zwischen sie und den anderen.

Um alle diese Herzenserlebnisse dreht sich der Inhalt des Buches, und man darf wohl sagen: es gibt kein deutsches Werk, das mit so eindringlicher Gewalt ohne jede Künstelei zur Seele spricht und so tiefe Einblicke in das innerste Wesen einer edlen Frau und Edelfrau tun laßt, wie dieses. Eine wahrhaft vornehme, bezaubernde Persönlichkeit, in der Seelengröße und Güte sich mit einer erstaunlichen sittlichen Kraft der Entsagung und Reinheit paaren, tritt uns aus diesen Blättern entgegen.

Elisa von der Recke gehört mit ihren Freunden und Freundinnen, die alle ein Band innigster, aber oft überschwänglicher Seelengemeinschaft verband, zu den »Empfindsamen«. Die »süßen« Gefühle der gegenseitigen Zuneigung, die Schwärmerei bei Mondschein und dem Schluchzen der Nachtigallen, die häufige Todessehnsucht, um mit allen Geliebten für ewig vereint zu sein, Elisas werthermäßiges Liebesverhältnis zu dem Dichter Hartmann, dessen Tränen sie verstohlen als junge Frau von ihrer Hand küßt, während er die Spitzen ihres aufgelösten Haares mit den Lippen berührt, – das alles ist typisch für die Seelenrichtung einer Zeit, wo Goethe seinen Werther erlebte. Auch die dreieckigen Verhältnisse, die wir in den Briefen kennen lernen, mit ihren aufgeregt und unklar zwischen Freundschaft und Liebe, zwischen Seele und Sinnen hin und her wogenden Gefühlen, kennzeichnen die Zeit der Empfindsamkeit. In dieser Hinsicht gibt das Buch dieselben wertvollen Aufschlüsse, wie die Lebensgeschichte des Mönches Franz Xaver Bronner, einem der vorzüglichsten Werke der Memoirenbibliothek, ja der deutschen selbstbiographischen Literatur überhaupt.

Neben jener allgemeinen Empfindsamkeit gewahren wir bei Elisa von der Recke einen stark religiösen Hang, vor allem hervorgerufen durch das viele Leid, das sie zu erdulden hatte. Wenn sie am verzweifeln ist, so wirft sie alle Not des Herzens auf Gott; wenn sie von ihrem Manne gequält wird, so leidet sie mit einer Art Inbrunst, in der Gewißheit, daß Gott ihr diese Leiden auferlegt, um sie selbst sittlich zu läutern und außerdem ihren Mann durch ihr demütiges Dulden zu einem edleren Menschen zu machen, worum sie auch Gott in häufigen Gebeten anfleht. Dabei ist sie nicht ohne Selbstgerechtigkeit, wie so viele Frommen: wenn sie unter der schlechten Behandlung ihres Mannes leidet, so kommt ihr nie der Gedanke, daß sie selber auch Fehler, nämlich in der Behandlung ihres Mannes, gemacht haben könnte. Im Bewußtsein, das Rechte gewollt zu haben, glaubt sie stets, sie hätte das Rechte auch getan, und beruft sich auf Gott, der ihr ins Herze schaut und ihr recht geben wird. Bei ihrer seelischen Verlassenheit auf Reckes »wüstem« Schloß nimmt ihre Religiosität allmählich unter dem Einfluß mystisch-schwärmerischer Schriften eine Wendung zu einem sentimentalen Mystizismus: sie glaubt sich ständig umschwebt von den Geistern ihr teurer Toten und sehnt sich nach Verkehr mit ihnen. In diesen Boden warf später Cagliostro seine Saat, wo sie üppig aufschießen mußte. Wir erleben ja Ähnliches in unseren Tagen, wo unter der Qual eines nie enden wollenden fürchterlichen Krieges, der so vielen ihr Liebstes entrissen hat, die Gemüter sich einem in den verschiedensten Formen auftretenden Okkultismus zuwenden; und ich frage mich oft, in welcher Gestalt einmal unser Cagliostro erscheinen wird, um zu säen und – zu ernten.

Nicht ohne Reiz ist es für den Beobachter, in Elisas Selbstbiographie und Briefen zu sehen, wie zwei Welten gegeneinanderstoßen, die alte und die neue Zeit. Die alte vertreten durch ungebildete, robust-derbe, in Ton und Umgang oft ganz wachtmeistermäßige Männer und Frauen, wie insbesondere die Großmutter Starostin von Korff und Recke; die neue Zeit verkörpert in der zart empfindenden Elisa, ihrer den feinen Weltton pflegenden Stiefmutter, in Männern wie Holtei, Taube und Brinck, die mit Bildung des Herzens und Verstandes feine Formen und Sinn für edle Geselligkeit verknüpften. Man fühlt sich bei der Starostin Korff, bei Recke und anderen ähnlichen unwillkürlich an den Vater Friedrichs des Großen erinnert, den König Friedrich Wilhelm I., der seine ängstlich vor ihm davonlaufenden Untertanen mit dem Stocke verprügelte und dazu schrie: »Was, ihr habt Angst vor mir? Lieb haben sollt ihr mich!« Das jüngere kurische Männergeschlecht, in dem bereits die Humanität gegen die leibeigenen Letten erwacht, ließe sich dagegen mit dem menschenfreundlichen, zur Milde neigenden Joseph II. vergleichen.

Elisas Mann Georg von der Recke war 1739 geboren und stammte aus einem der ersten kurischen Adelsgeschlechter. Aufgewachsen »mit Hunden und Dienstboten«, ohne Bildung, kam er in preußische Dienste und machte den Siebenjährigen Krieg mit. Zurückgekehrt auf seine Güter, vergrub er sich in seine Landwirtschaft und seine Wälder, ein tüchtiger Ökonom und leidenschaftlicher Jäger. Feine Geselligkeit oder gar höfisches Wesen waren ihm, der in einer altmodischen Tracht mit hohen Schaftstiefeln einherkam, und sich selbst gern einen »alten Buschklepper« nannte, zuwider. Er war eine Herrennatur, auf seinen Höfen schaltete er »wie ein Sultan«, nicht nur mit den Männern, sondern auch mit den Weibern. Mit der Starostin Korff ist er der Ansicht, daß das Lesen die Frauen zu Närrinnen mache – und Elisas Leidenschaft war Lesen! Von einer kurischen Adelsfrau verlangt er, sie solle eine tüchtige »Landfrau« sein, und Elisa, zu Tanz und höfischer Geselligkeit erzogen, aber nie zu irgend einer Art von praktischer Arbeit angehalten, versagt trotz guten Willens vollständig, zumal Recke keine Geduld mit ihr hat. Nach kaum geschlossener Ehe bereute er daher, in eine »hübsche Larve sich vergafft« zu haben, und spricht das offen zu Elisa aus. Diese, die das Schwergewicht der Ehe im seelischen Zusammenleben erblickt, fühlt sich abgestoßen von einem Manne, der kein Verständnis für ihr oft überzartes Wesen hat und in der Ehe, seiner stark sinnlichen Natur gemäß, vor allem die Freuden des Bettes suchte. So schreit seine junge Frau einmal in einem der Briefe auf: »Sind wir Weiber denn nur ein Stück Fleisch? Haben wir nicht auch eine Seele?« Elisa hat in reiferem Alter sehr treffend über ihn und sich selbst geschrieben: »Er wollte feurige sinnliche Liebe, die konnte ich ihm nicht äußern, da ich in seinen Annäherungen nur Herzensangst empfand. Ich machte auf innige Seelenliebe Anspruch, die konnte er mir nicht geben, weil er für diese keinen Sinn hatte. So forderten wir beide im Herzen Dinge voneinander, die wir nicht zu geben vermochten.«

Man sieht: die beiden Menschen paßten ausgesucht schlecht zusammen. Die weitaus größere »Schuld« lag aber auf seiten des Mannes. Er vergaß in seiner Enttäuschung und Ungeduld, daß er, der reife Mann, ein siebzehnjähriges Kind zur Frau genommen, und er versäumte es, dieses Kind mit Behutsamkeit zu lenken, es aus seinen seelischen Verstiegenheiten mit zarter Hand zur Erde zurückzuführen. Statt dessen höhnte und spottete er über sie, verbat sich roh das »Plärren«, wenn sie in ihrem Unglück weinte, und trabte mürrisch und verdrossen über seine Zugbrücke davon.

Zu alledem kam noch, daß Recke von dem durchaus berechtigten Mißtrauen erfüllt war, Elisa sei von ihrer Stiefmutter angehalten worden, ihren Mann zu beherrschen. Frau von Medems Frauenweisheit, die sie ihrer Stieftochter mitgab, gipfelte darin: den Mann recht verliebt machen und so erhalten, selber keine tiefe Liebe zu ihm in sich entstehen lassen und sollte es doch geschehen, sie niemals zeigen, denn eine liebende oder gar verliebte Frau kann ihren Mann nicht beherrschen! Solche Grundsätze waren zwar völlig gegen Elisas Natur, aber der in seinen Wäldern und Feldern hausende Recke, der die Menschen mied, war ein zu schlechter Menschenkenner, um das zu sehen. Er hält sich an die Tatsache, daß die Frau von Medem ihre drei Männer wirklich beherrscht hat, und tritt nun eingebildeten Versuchen zu diesem Ziele von seiten Elisas mit brutaler Härte entgegen, um sie im Keime zu ersticken.

Bei alledem ist nicht zu verkennen, daß Elisa durch ihr stets demütiges Dulden und »Plärren« den Mann bald reizte, bald langweilte, wogegen ein gewisser Widerstand sicher auf Recke Eindruck gemacht haben würde. So lebten die Gatten nebeneinander hin, und Recke nimmt wieder seine Gewohnheiten aus seiner Sultanszeit auf und knüpft Verhältnisse mit seinen Bauernmädchen an. Nicht aus diesem Grund – Elisa fühlt sich dadurch wenig berührt – sondern weil sie Angst vor ihm und Widerwillen gegen den empfindet, der ihre Seele so oft gekränkt, entzieht sie sich ihm. Es ist erstaunlich, wie diese »empfindsame« junge Frau ihrer kaum älteren unverheirateten Freundin gerade hierüber immer wieder schreibt – ein Beweis, daß neben aller Schönseligkeit ein wohltuender Mangel an Prüderie, eine selbstverständliche Natürlichkeit sich geltend machen konnte.

Da alle seine Annäherungsversuche abgewiesen wurden, verstieß Recke seine Frau: 1776 mußte sie, binnen drei Tagen, auf seinen Befehl sein Schloß verlassen; erst 1781 erfolgte die Scheidung.

Recke scheint später eine gewisse Verfeinerung seines Wesens entwickelt zu haben. Er fing, als es zu spät war, an, seine Frau besser zu begreifen, trat auch aus seiner Abgeschiedenheit heraus und beteiligte sich lebhaft an den öffentlichen Angelegenheiten des Herzogtums Kurland. Er ist in Elisas Armen gestorben.

Die Geschichte dieser unglücklichen Ehe in Elisas Briefen ist reich an erschütternden Abschnitten, niemand wird sie lesen können, ohne im Innersten von diesem Frauenschicksal ergriffen zu werden, das sich gleich einem Verhängnis vor unsern Augen vollzieht. Neben den fesselnden Bildern aus dem Leben des kurischen Adels, dessen geistige Zusammenhänge mit Deutschland uns in diesem Buche so deutlich entgegentreten, liegt sein Hauptwert in dem Reiz der seelischen Vorgänge, in der Enthüllung eines hochedlen, tieferregten Frauenherzens, das in der schweren Kunst des Leidens und Entsagens besonders bewährt, gleich einem schönen Stern in dunkler Nacht prächtig vor unserm Auge steht.

1. Weniger ausführlich hatte Elisa bereits im Jahre 1786 im Mai-Heft der »Berlinischen Monatsschrift« ihre Verirrung bekannt und vor Cagliostro gewarnt als einem »Betrüger, der weitaussehende Pläne hat, welche durchzusetzen er Welt- und Menschenkenntnis genug besitzt und sie dazu auf die unwürdigste Art mißbraucht«.

2. Im Jahre 1810 schrieb sie in ihr Tagebuch: »Von meiner Kindheit an war es mir das höchste Bedürfnis, mit Innigkeit zu lieben und geliebt zu werden.«

Erstes Kapitel

Inhaltsverzeichnis

Geschichte der Großeltern

Anmerkung. Die Verfasserin verbürgt sich in der 1795 geschriebenen Einleitung zu ihrer Selbstbiographie mit folgenden Worten für deren Richtigkeit: »Da diese Blätter erst nach meinem Tode und nach dem Tode aller derer, die hier genannt sind, öffentlich bekannt werden sollen, so werde ich über andere ebenso wahr als über mich selbst urteilen und meine Erfahrungen so treu darzustellen suchen, als sie noch meiner Seele vorschweben.« E.

Etwas von meinen Großeltern, als Skizze alter kurländischer Sitten, die noch aus dem siebenzehnten Jahrhundert in das achtzehnte hinüberkamen.

Meine Großmutter mütterlicher Seite hat auf mein ganzes Schicksal zu großen Einfluß gehabt, als daß ich nicht bis zur Geschichte ihrer Heirat zurückgehen sollte. Diese wird es erklären, wie natürlich es war, daß die Frau von Kindern und Enkeln unbedingten Gehorsam forderte, da sie ihrem Vater den allerstrengsten geleistet hatte.

Mein Großvater, der reiche Starost Korff, faßte erst in seinem vierundvierzigsten Jahre den Entschluß, zu heiraten. Schön und sanft sollte die künftige Gefährtin seines Lebens sein. Er hatte gehört, daß einer seiner guten Bekannten, der Herr von Ganskau und Graventhal, schöne Töchter haben solle, und so kündigte er diesem, da sie zum Johannistermin3 in Mitau beisammen waren, seinen Besuch nach geendigten Geschäften in Graventhal mit dem Ausdrucke an, daß er, falls ihm eine seiner Töchter gefiele, diese heiraten wolle, ohne einen Heller Mitgift zu nehmen.

Herr von Ganskau ritt hocherfreut mit dieser glücklichen Aussicht heim, teilte sie seiner Frau und seinen Töchtern mit und lud zu dem bevorstehenden Besuche auch noch ein paar alte Tanten ein. Alles war in Graventhal voll Erwartung und der schönen Aussicht voll, mit dem reichen Starosten Korff in nahe Verbindung zu kommen. Am buntesten ging es in den Köpfen und Herzen der schönen Fräuleins her. Jede von diesen nährte Wünsche und Hoffnungen, machte schöne Pläne, wie sie als reiche Starostin Korff leben, sich ihres Glückes freuen wolle. Der Tag erscheint, wo der gewünschte Gast eintreffen soll; die schönen Fräuleins schmücken sich aufs beste; alles im Hause wird zierlich angeordnet, Eltern, alte Tanten und sogar das ganze Hausgesinde setzen sich in Feierkleider. –

Mein Großvater, von dessen originellem Charakter ich viele interessante Züge gehört habe, hat für seine Person sehr einfach gelebt. Bis zum Schlusse seiner Tage soll er, so prachtvoll es auch in seinem Hause zugegangen ist, für sich immer nur einen einzigen, sehr einfachen Rock, einen Diener, einen Kutscher und nur zwei Pferde gehabt haben. So ist er auch bis in sein hohes Alter nie anders, als in einer zweispännigen, mit Matten behangenen Kübitte4 gefahren. In solchem prunklosen Aufzuge wollte er sich auch seine Frau holen. An einem heißen Julitage unternahm er die Reise von Mitau nach Graventhal. In der Zeit wurde in Kurland, sowohl in der Stadt als auf dem Lande nach der Mittagsmahlzeit zwischen der dritten und vierten Mittagsstunde im häuslichen Familienkreise Kaffee getrunken, und dann hatte jedes Familienglied das Recht mitzusprechen. Gerade zu solch einer festlichen Stunde wollte mein Großvater in Graventhal eintreffen, um alle die Schönen besser in Augenschein nehmen zu können.

Da Graventhal acht oder neun Meilen von Mitau entfernt ist und mein Großvater solche Reisen gerne in einem Tage machte, so mußte er nicht nur sehr früh ausfahren, sondern sogar, was ihm viel beschwerlicher war, in der brennenden Sonnenhitze die Reise fortsetzen, um seine Absicht zu erreichen. Ein Grundsatz dieses Sonderlings soll gewesen sein, sich nie Zwang anzutun, sobald kein andrer darunter litte, wenn er sich gütlich täte. Da ihn also die brennende Hitze in seiner Kübitte zu sehr plagte, entschloß er sich, in dieser dergestalt zu liegen, wie Vater Adam vor dem Sündenfalle, der Sage nach, im Paradiese umhergewandelt ist. Seinem Diener gab er den Befehl, daß er ihn kurz vor Graventhal wecken möge, denn er wolle sich im Kruge5 wieder ankleiden. Nach dieser Abrede ließ der Diener den Vorhang der Kübitte nieder, nahm seinen Platz neben dem Kutscher ein, vergaß aber, diesem den Befehl des Herrn zu sagen, und wurde von der drückend schwülen Tageshitze so übermannt, daß er sanft einschlief.

In Graventhal war man mit Zubereitung des Kaffees beschäftigt. Alles, bis auf die Pfeife und den schmackhaften Knaster, war da mit größter Sorgfalt in Ordnung gebracht, als die Nachricht erscholl, man könne nun schon die Kübitte des Starosten in der Ferne sehen. Da begab sich voll Ungeduld die ganze Gesellschaft vor die Haustüre und harrete dort des erwünschten Gastes. Alle Schönen, unter welchen mein Großvater sich sein Liebchen wählen sollte, standen in zierlichstem Putze da. Eltern und Tanten erwarteten mit ihnen voll Ungeduld den Augenblick, wo sie meinen Großvater sehen und seinen Blicken abmerken würden, welche der Schönen ihm die Schönste sei. Endlich fährt der Kutscher vor, die Kübitte hält in diesem prunkvollen Kreise still, der schlafende Diener erwacht, reißt noch halb schlafend den Vorhang der Kübitte weg, mein Großvater erwacht auch, und da er im Kruge zu sein glaubt, so springt er wie im Stande der Unschuld hinaus und greift nach seinem Mantel, den er umwerfen will; indem er aber die Augen aufschlägt, sieht er die ganze Prunkversammlung erstaunt vor sich, erschrickt und ruft voll Unmut aus: »Nein! nun hole ich mir hier keine Frau!« – So wirft er sich schnell, ohne ein Wort zu sagen, wieder in seine Kübitte hinein und sagt dem Kutscher: er möge nur nach Brücken zu seinem alten Freunde Wahlen fahren. Die ganze Gesellschaft bleibt erstaunt und mißvergnügt stehen, die schönen Fräuleins, die sich geputzt und auf einen reichen und angesehenen Mann gefreut hatten, bekamen nun bloß einen eben nicht schönen Mann einige Augenblicke nackt zu sehen.

Dieser fuhr indessen voll Unmut zu seinem alten Freunde, den er seit einigen Jahren nicht gesehen hatte und der ein Nachbar von Graventhal war. Jetzt aber kleidete mein Großvater sich zuerst im nächsten Kruge an und traf ganz unerwartet bei dem alten Freiherrn von der Wahlen ein, der seinen lieben Korff recht herzlich bewillkommnete und von ihm viel über dessen Fehde mit dem reichen polnischen, sehr angesehenen Magnaten hören wollte: aber mein Großvater war von seiner neusten Begebenheit zu voll, und so erzählte er seinem Freunde sein böses Fatum, das ihm nun die Heiratslust vertrieben habe. Indessen trat ein schönes, wohlgewachsenes Frauenzimmer mit majestätischem Ansehen zum alten Wahlen, und sagte diesem mit ehrfurchtsvoller Freundlichkeit etwas ins Ohr. Mein Großvater fragte seinen Freund, was dies für ein schönes, junges Frauenzimmer sei. »Es ist meine einzige Tochter, welcher ich tanzen, rechnen und etwas lesen und schreiben gelehrt habe,« erwiderte der alte Wahlen. Mein Großvater sah die junge Schöne mit Wohlgefallen an und fragte nach dem Taufnamen dieses langen, schlanken Mädchens. – »Sie heißt Constanzia und ist die Freude meines Alters,« antwortete sein Freund. – »Bruder Wahlen, willst du mir deine Constanzia zur Frau geben?« – »Von Herzen gerne,« sagte mein Ältervater (Urgroßvater) erfreut.

Meine Großmutter zitterte bei dieser Äußerung, denn sie liebte einen jungen, schönen Mann – der aber dem alten Wahlen zum Schwiegersohn viel zu neumodisch und nicht reich genug war. Als sie ihre Augen gegen ihren Vater bittend aufhub, fand sie den zornig drohenden Blick, der Gehorsam ohne Widerrede von ihr zu erzwingen wußte. Ängstlich schlug sie ihre Augen nieder und gefiel meinem Großvater um so besser. Dieser erhob seine Stimme mit der Beteuerung, daß das schöne Constanzchen ihm sehr wohlgefalle, aber er müsse doch noch sehen, ob sie folgsam und geduldig sei, denn er wolle eine fromme Frau haben. Mit diesen Worten holte er aus seinem Stiefel ein Pfeifenrohr, aus der Tasche einen Pfeifenkopf und einen schmutzigen Tabaksbeutel und sagte: »Da, Constanze, stopfe mir diese Pfeife, denn wenn du meine Frau wirst, so mußt du dies immer tun.« Constanzchen stopfte mit inniger Betrübnis die Pfeife, wünschte, diesem barschen Herrn zu mißfallen, durfte aber aus Furcht vor ihrem Vater nichts versehen; und sie gefiel durch ihre Verlegenheit dem reichen Starosten umso mehr. Die schöne Constanze überreichte die gestopfte Pfeife und das Licht. Mein Großvater zündete seine Pfeife an, sprach dabei mit meinem Ältervater über die närrische Geschichte in Graventhal, die ihn nun aber, seit er das schöne Constanzchen gesehen habe, minder ärgere. Er rief sie zu sich, nahm ihre Hand und sagte zu ihr, seine künftige Frau müsse auch mit fröhlichem Sinne Schmerzen aushalten können – und so stopfte er seine brennende Pfeife ganz kaltblütig mit ihrem Finger zurechte. Meine Großmutter zuckte aus Furcht vor ihrem Vater kaum mit der Hand, verzog keine Miene. Nun sagte mein Großvater: »Wahlen, deine Constanze ist ein braves Mädchen; sie soll meine Frau werden; ich will sie recht glücklich machen.«

Das schöne Fräulein Constanzia von der Wahlen wurde des reichen Starosten von Korff Frau, und der biedere Mann hielt redlich sein ihr gegebenes Wort.

Mein Großvater starb vor meiner Geburt; er hatte den Ruf eines sehr redlichen, wohltätigen und originellen Mannes; er blieb immer bei seinem einfachen Auf- und Anzuge, in welchem er sich seine Frau geholt hatte. Da meine Großmutter aber Pracht liebte, so hielt er für diese nicht nur zwölf Livreebediente, vier Gespann schöner Pferde, einen Chor von zwölf Musikanten, Haushofmeister, Sänger und Läufer und was nur zur größten Eleganz damaliger Zeit gehörte: er ging noch weiter, und mit Freuden gestattete er es, daß sein Haus, sei es in der Stadt oder auf dem Lande, der Sammelplatz der elegantesten Gesellschaft wurde. Beträchtliche Summen setzte mein Großvater zur Haushaltung seiner Gemahlin aus, er aber lebte bei aller Pracht, die in seinem Hause herrschte, sehr einfach und nahm an alle dem, was in seinem Hause vorging, gerade so viel Anteil, als ein Fremder. Oft soll er seine Freude daran gehabt haben, wenn Fremde, die ihn nicht kannten, sich darüber wunderten, daß ein so schlecht gekleideter Herr in solch einer Prunkgesellschaft erscheinen und wohl gar zuweilen mit einem plötzlich entscheidenden Worte einen Fremden, der sich etwas herausnehmen wollte, niederdonnern dürfe. Für seine Untertanen soll er ein sorgsamer Vater gewesen sein. Meine Großmutter ist von ihm bis zu seinem Tode innig geliebt worden: jeden ihrer Wünsche hat er auszuspähen und zu erfüllen gesucht. So hat er ihr auch nach seinem Tode sein ganzes großes Vermögen mit dem Ausdrucke hinterlassen: »Meine Constanze soll mein ganzes Vermögen haben, denn das liebe Geld macht in der Welt alles, und ich will, unsre Kinder sollen ihre Mutter auch nach meinem Tode auf den Händen tragen. Alte Leute haben auch das Geld nötiger, als die Jugend; es ist gut, wenn diese es sich in der Welt sauer werden läßt! Daher setze ich für meine Kinder, so lange ihre Mutter lebt, nur ein geringes Vermögen aus; aber meine Constanze soll auch in ihren alten Tagen daran mit Dank und Freude denken, daß sie mich zum Manne hatte.«

Meine Großmutter war eine Frau von ausgezeichnetem Charakter: sie besaß edle, große Eigenschaften, aber auch ebensoviele Schwächen. Ihr Verstand war durchdringend, doch ungebildet und daher so manchen Vorurteilen unterworfen; ihre Leidenschaften blieben bis ins hohe Alter heftig, denn sie hatte in so günstigen Verhältnissen gelebt, daß sie ihren Willen jedesmal zur Tat machen konnte. Ihr Reichtum gab ihr Ansehen, weil sie ihn zu genießen wußte: sie war mit Überlegung wohltätig, und ihr Haus war der Sammelplatz der besten Gesellschaft. Jeder, dem sie Zutritt verstattete, fand mittags und abends eine angesehene, seinem Geschmacke angemessene Unterhaltung und Platz an ihrer wohlbereiteten Tafel.

Alle, die sich ihr nahten, spielten ehrfurchtsvoll um ihre Winke, weil es ein anerkannter Vorzug war, im Hause der Starostin Korff freien Zutritt zu haben, und nur diejenigen, die ihr zu gefallen wußten, fanden diesen. Fremde und Einheimische strebten nach dem Vorzuge ihrer Gunst. – Wem sie das Recht entzog, ihr Haus zu besuchen, war wie mit einem Banne belegt. Selbst der Fürst des Landes bemühte sich, ihr Wohlgefallen zu erlangen, da sie bei Landesverhandlungen den größten Einfluß hatte, denn durch ihre vielen Güter galt ihre Stimme bei Landtagen in mehreren Kirchspielen.6 Ihre Art zu loben gab ihr Gewalt über Handlungen und Gemüter ihrer Landsleute; und so kann man sagen, daß sie, weil sie ihre glückliche Lage zu benutzen wußte, von ihrem zwanzigsten bis zu ihrem sechsundneunzigsten Jahre ununterbrochen befohlen und den Kreis, in welchem sie lebte, beherrscht hat. – Diese Herrschaft über so viele Gemüter gab meiner Großmutter, die noch im Alter eine majestätisch schöne Frau war, in ihrem ganzen Wesen etwas so Gebietendes, daß ihr erster Anblick allen Fremden Achtung und Ehrfurcht einflößte. Aber ihr Charakter erhielt auch eben dadurch eine grenzenlose Herrschsucht. Sie war milde und gütig, wenn man nach ihrem Willen lebte oder ihre Schwächen zu benutzen wußte: doch wurde sie hartherziger als der starrsinnigste Mann, wenn jemand ihr zu widerstreben wagte. Nie sah ich mehr Ordnungsgeist, als bei dieser Frau, die kaum lesen und schreiben konnte, nie mehr Sorgfalt bei Hausgenossen und Untertanen, als bei ihr! So war sie auch eine wahre Mutter aller Armen und Bedrückten. In Kurland hat noch niemand gelebt, der in allen Ständen solches Ansehen besessen hätte, als sie. Ihr Blick, ihr ganzes Wesen gebot Furcht und Hochachtung. Von ihrem zwanzigsten Jahre bis zum letzten Tage ihres Lebens hielt sie offenes Haus und lebte auf einem glänzenderen Fuße, als der Herzog. Sie starb mit aller Lebhaftigkeit des Geistes und ungeschwächtem Gebrauche ihrer Sinne; ob zwar sie sechzehn Kinder geboren hatte, so genoß sie doch bis an ihr Ende einer vollen Gesundheit und war blühend schön. Auch trug sie ihre hohe Gestalt immer fort mit majestätischer Anmut. Ihr Tod wurde als ein Verlust für das Publikum angesehen, und bis zum Schlusse ihres Lebens hat sie beinahe jeden zu beherrschen gewußt, der sich ihrer Atmosphäre nahete. Nur meine älteste Mutterschwester7 und deren älteste Tochter8 wußten diese wirklich große Frau durch List, Geschmeidigkeit des Charakters und Verleumdung anderer zu beherrschen; denn für Plaudereien hatte diese in so vielen Rücksichten vortreffliche Frau ein immer offenes Ohr.

3. Zu Johannis ist die Zeit des Geldumsatzes in Mitau, dann versammelt sich der ganze Adel und jeder, der Geldgeschäfte hat, in dieser Hauptstadt. (Anm. der Verf.)

4. kibitka, der russische Planwagen. E.

5. So werden in Kurland die ländlichen Wirtshäuser genannt. (Anm. der Verf.)

6. Jeder Gutsbesitzer hatte in seinem Kirchspiele das Recht, einen Deputierten zum Landtage zu wählen, und die Mehrheit der Stimmen in jedem Kirchspiele bestimmte die Wahl des Deputierten und die Instruktion, die jeder Deputierte erhielt. (Anm. der Verf.)

7. Frau von Kleist. E.

8. Constanze von Kleist, später Frau Starostin von der Ropp. E.

Zweites Kapitel

Inhaltsverzeichnis

Bruchstücke aus dem Leben und Sterben meiner Mutter.

So wie ich nur das von einem sehr schlechten Pinsler dargestellte Bild meiner Mutter besitze, so habe ich auch nur von schwachen Beobachtern Züge des Geistes und Charakters dieser seltenen Frau einsammeln können: und wie aus dem schlecht gemalten Bilde der teuren Seligen dennoch hohe ideale Schönheit hervorstrahlt, so leuchtet auch aus allen unvollständig hingeworfenen Zügen ihres Geistes und Charakters eine Seele hervor, die eine Güte und Reinheit verrät, welche nur das Eigentum seltner Menschen ist. Meine Mutter war von sieben erwachsenen Kindern das sechste und ihrer Schönheit, ihres sanften, ihres wahren und zuverlässigen Charakters wegen seit frühester Zeit der Liebling ihres Vaters. Meine älteste Mutterschwester, ein weiblicher Tartüffe, voll Geist, Geschmeidigkeit und anscheinender Sanftmut, hatte sich vorzüglich die Liebe meiner Großmutter zu erwerben gewußt. Nächst deren Tochter war der dritte Sohn der Liebling meiner Großmutter. Roheit des Charakters, Schadenfreude, Geiz, Neid und ein ungeschliffenes Wesen zeichneten meinen Oheim, Niklas von Korff, Besitzer der großen Creutzburgschen Güter, bis zu seinem Tode aus.

Eine Geschichte aus der Kindheit meiner Mutter, welche dies Geschwisterpaar sich noch sechs Jahre nach dem Tode meiner Mutter mit höhnischer Freude als Beweis dessen zurückrief, daß die selige Louise schon von Kindesbeinen an sehr einfältig gewesen sei, empörte mich, da ich diese Geschichte als achtjähriges Kind von jenem Oheim und der Tante mit Schadenfreude erzählen hörte. Mein Oheim gestand frei, er habe die kleine Louise durchaus nicht leiden können, weil der Vater dies schöne achtjährige Kind zu sehr geliebt hätte. Er sei sieben Jahre älter als Louischen gewesen und habe berechnet, daß wenn die Schwester immer fort so viele Geschenke vom Vater bekommen würde, dies dem andern Geschwister Abbruch tun könnte: daher wäre auch Louischen von ihm und Schwester Lenorchen bei der Mutter oft verklagt worden. Um sie dieser nun als einfältig und als Lügnerin darzustellen, habe ihm ein im Hause neu angelangter Friseur, der die beiden ältesten Schwestern wunderschön frisiert hätte, eine treffliche Gelegenheit gegeben. Louischen, die mit der jüngsten Schwester nach damaliger Kinderart noch eine drap d'orne Zobelmütze getragen habe, sah mit sichtbarem Wohlgefallen die schönen Frisuren der beiden Schwestern unter den Händen des Friseurs entstehen. Auf die Frage meines Oheims, ob Louischen nicht auch eine so schöne Frisur haben möchte, habe die Kleine: o ja! gesagt, und Bruder Niklas, als Liebling der Mutter, versprach dem achtjährigen Kinde, eine dergleichen zu machen; doch forderte er von der Kleinen zuerst ihr Ehrenwort, daß sie sagen wolle, sie habe sich selbst frisiert. Das Ehrenwort soll diesem Kinde etwas Unverbrüchliches gewesen sein. Nachdem Bruder Niklas das Ehrenwort hatte, nahm er die kleine Schwester, ehe sie zu Bette ging, vor, sagte, er wolle ihr Haar verschneiden und in Papilotten legen. Louischen hielt den Kopf hin, und Niklas schor ihr die eine Hälfte der schönen Haare von ihrem Kopfe, führte sie so zum Spiegel und sagte: »Siehst du, so werden eitle, naseweise Kinder gestraft! Ich habe dein Ehrenwort, du mußt sagen, daß du dich selbst hast frisieren wollen.« Da nur Bruder Niklas und Schwester Lenorchen um dies Geheimnis wußten, so versicherte das weinende Louischen, sie würde ihr Ehrenwort nicht brechen, aber Niklas habe sie sehr unglücklich gemacht. Nun lief Louischen zur Französin, deren Liebling sie war, sagte dieser, sie möchte Erbarmen mit ihr haben, denn sie hätte sich frisieren wollen und habe sich unglücklicherweise die Haare so verschnitten, daß sie nun nicht wüßte, was zu machen sei. Die Französin forschte nach Mitschuldigen, aber Louischen blieb steif und fest in der Aussage, daß sie keine habe. Die Französin brachte das Kind zu Bette und versprach, darauf zu sinnen, wie den andern Morgen die Sache vorgetragen und die Strafe zu vermindern sein würde. Der Morgen erschien; die Mutter kam als Richterin; sie versprach, die Strafe zu erlassen, wenn Louischen die Mitschuldigen nennen wolle. Louischen bekannte nichts und wurde umso härter gestraft. Als die Strafe vorüber war, trat Bruder Niklas hinzu, bat die Mutter um Verzeihung, daß er auf eine etwas derbe Manier habe zeigen wollen, daß Louischen eine dumme, eitle Lügnerin sei. Louischen rief ihm entgegen: »Bruder, ich konnte mein Ehrenwort nicht brechen!« Louischen wurde nun wieder für ihre Lüge gestraft, und über ihre Einfalt lachten Schwester Lenorchen und Bruder Niklas, da sie diese Geschichte erzählten, noch sechs Jahre nach dem Tode der lieben Seligen recht herzlich. Auch wenn meine Großmutter von dieser Tochter sprach, pflegte sie zu sagen, Louischen habe weniger Geist, als ihre andern Kinder gehabt; oft hätte sie sie sogar für stockdumm gehalten, aber dafür sei Louischen auch ihr schönstes, sanftestes und ihr folgsamstes Kind gewesen. Auch habe sie sich immer mit allen Menschen zu vertragen gewußt.

Von der Dienerschaft und fremden Personen, die meine Mutter gekannt haben, hörte ich folgende Charakteristik: Sie sei sehr schön gewesen, aber habe sich aus ihrer Schönheit nichts gemacht; sie habe sich von ihrem Taschengelde niemals Putz gekauft, dies habe sie für Notleidende aufbewahrt. Nie habe sie von irgend einem Menschen Böses gesprochen, noch jemand etwas zu leide getan. In der Familie sei durch sie niemals eine Plauderei entstanden, sie wäre unter ihrem Geschwister immer still für sich gewesen, und daher hätte man sie für einfältig gehalten. Sie habe in der Familie bloß ihre Eltern, ihren zweiten Bruder, dessen Frau und die jüngste Schwester geliebt. Wem sie einmal gut gewesen sei, der habe auf ihre Liebe und Freundschaft fest bauen können. Auch hätte sie kein Fünkchen Stolz besessen und oft behauptet, daß wir vor Gott alle gleich seien; der Bauer wie der Vornehme werde einst vor Gottes Richterstuhl erscheinen, denn alle Menschen seien Brüder. Auf ihr Wort hätte man wie auf einen Felsen bauen können. Böse hätte niemand sie gesehen! In gesunden Tagen sei sie immer vergnügt gewesen und habe viel Spaß zu machen gewußt. In kranken Tagen sei sie einem jeden, der sie gesehen, ein Beispiel der Geduld gewesen. Meinen Vater habe sie sehr geliebt, und dennoch sei sie, da ihre Todesstunde erschienen, im zweiundzwanzigsten Jahre ihres Alters heiter gestorben. Sie hatte durchaus verlangt, in schlechtem Leinen und einem ganz einfachen hölzernen Sarge ohne Gepränge begraben zu werden; aber reichlich sollte man die Begräbniskosten anrechnen und das Geld den Armen des Ortes geben. Ihrer Schwester Lenorchen Kleist habe sie den Tag vor ihrem Tode sehr zugeredet, sich gegen das andre Geschwister besser, als gegen sie zu betragen. Sie verzeihe ihr all den Kummer, den sie ihr gemacht; doch zu ihrer Besserung müsse sie es ihr sagen, daß sie so manchen Nagel zu ihrem Sarge geschmiedet habe. Wenn sie mich nach ihrem Tode gut behandeln würde, dann wollte sie Gott bitten, ihr all ihr bisheriges Unrecht zu verzeihen, wie sie ihr alles vergäbe. Meine Tante Kleist hat mit tiefbewegter Seele geschworen, daß sie gegen mich als Mutter handeln wollte. Aber dieses Schwures erinnerte sie sich in der Folge nicht, denn sie unterdrückte und verfolgte mich sehr. Meinem Oheim und meiner Tante Korff aus Nerft hat die liebe Sterbende mich mit dem Ausdrucke empfohlen: »Ich weiß, Ihr, meine Lieben, werdet meine Waisen wie Eure Kinder lieben und, wo Ihr könnt, für mein Lottchen sorgen. Mein kleiner Fritz wird wahrscheinlich nicht lange menschliche Sorgfalt bedürfen, der wird seiner Mutter bald folgen, aber meine Lotte! meine Lotte!« Da soll die Sterbende mich unter Tränen an ihre Lippen gedrückt, ihre beiden Kinder in die Arme genommen und ihren Mann und ihre Mutter haben rufen lassen.

Meinem Vater hat die Teure mit rührender Beredsamkeit für alle Liebe und für die guten Tage gedankt, die sie durch ihn gehabt hat. Sie hat ihn gebeten, bald wieder zu heiraten, ihr Andenken aber immer in ihren Kindern fortzulieben, und ihr Lottchen (die sie meiner Großmutter auf den Arm gegeben) nicht von einer Stiefmutter, sondern von der Großmutter erziehen zu lassen, und diese Mutter zu lieben, als wäre sie die seinige. Für ihren Sohn tat sie den Wunsch, daß er ihr bald nachfolgen möge, weil sie ihrem Gatten nicht gern durch ein kränkliches Kind ein trauriges Andenken von sich zumuten lassen möchte. Meine Großmutter hat sie gebeten, mir die Liebe zu schenken, die sie besessen hat, und meinen Vater auch nach ihrem Tode als ihr Kind zu betrachten; dann hat sie von allen Leuten Abschied genommen, jedem gedankt, daß er ihr so viel Liebe bewiesen, sie so treu und unverdrossen vier Monate hindurch gepflegt habe. Alles ist an ihrem Sterbebette tief bewegt und in Tränen gewesen, sie hat alle zu ermuntern gesucht, gesagt, sie hätte zwar nicht lange, aber sehr glücklich gelebt. Der Tod wäre uns schon bei unsrer Geburt gewiß, sie ginge nur voraus, und alle würden ihr nachfolgen. Sie hoffe auch dort, wohin sie Gott jetzt rufe, glücklich zu sein. Dann hat sie gegen meinen Vater den Wunsch geäußert, daß er alle diejenigen, die sie in ihrer Krankheit gepflegt haben, reichlich belohnen möge; sie hat meines Vaters Hand genommen, diese festgehalten und ihn gebeten, sich auf ihr Bett zu setzen. Meine Großmutter hat zu ihrem Haupte, mit mir auf dem Schoße gesessen, neben ihr meine Tante aus Nerft, diese geliebte Gespielin der Kindheit meiner Mutter. Mein Oheim aus Nerft und die Tante Kleist haben auf der anderen Seite zum Haupte meiner Mutter gesessen, und mein Bruder hat zu ihren Füßen auf einem Kissen geschlummert. Nun bat meine Mutter, daß sie alle bei ihr bleiben möchten, bis sie einschliefe, denn sie fühle Hang zum Schlaf.

So ist die Liebe, Teure, unter munteren Gesprächen, unter Erinnerungen ihrer Jugendfreuden und des Tages, wo sie meinen Vater zuerst gesehen und ihre Liebe zu ihm geahnet habe, sanft eingeschlafen. Vor diesem Schlafe hat sie noch allen Anwesenden liebevoll die Hand gedrückt, mit himmlischem Feuer in ihren schönen, großen, blauen Augen so munter die letzte Stunde vor ihrem Tode gesprochen, daß alle gehofft haben, ihre Jugend und ihre sonst so gute Natur würden sie durchbringen. Die erste Stunde ihres Schlafes ist anmutsvolle Schönheit über ihr hageres Gesicht verbreitet gewesen. Bald aber sind ihre Atemzüge schwerer geworden, doch soll selbst die kalte Hand des Todes ihre holde Anmut nicht entstellt haben. Mein Vater hat zuerst die veränderten Züge der Sterbenden bemerkt, ihre starrwerdende Hand geküßt. Meine Mutter ist erwacht, hat dann unter schweren Atemzügen gesagt: »Gott segne euch, meine Lieben! Gott erbarme sich meiner Kinder! nehmt diese jetzt von mir! Entfernet meinen Mann, meine Mutter und meine Schwägerin! die sollen meinen Todeskampf nicht sehen.« Trostlos ist mein Vater auf die Brust seiner Gattin gesunken, meine Mutter hat ihn an ihr Herz gedrückt und mit erhobener Stimme gesagt: »Liebe meine Kinder, auch wenn dein zweites Weib dir Kinder bringt! – Mutter! Meine Lotte sei Ihnen empfohlen! – Nun laßt mich mit meinem Bruder und meiner Schwester allein!« – Meine Großmutter hat mich meiner Mutter dargereicht, zum letzten segenvollen Kusse; dann hat sie selbst mit stummem Schmerze ihre Lippen auf den Mund der Sterbenden gedrückt, meinen Vater von der geliebten Kämpfenden mit den Worten weggerissen: »Medem! bleiben Sie mein Sohn, erhalten Sie sich Ihren Kindern!« Meiner Tante aus Nerft hat sie geheißen, ihr meinen zu den Füßen meiner Mutter schlafenden Bruder nachzutragen, und so hat diese starke Frau das Sterbebette der geliebten Tochter verlassen, meinen Vater, meine Tante und ihre Enkelkinder in ein entferntes Zimmer gebracht; sie hat meinen Vater und meine Tante getröstet, bis mein Onkel im Ausdruck des tiefsten Schmerzes hineingetreten ist und mit erstickter Stimme gesagt hat: »Ich bringe euch unserer Louise letzten Gruß! Sie hat nun glücklich ausgekämpft, und ist nun Engel am Throne Gottes!«

Gleich nach der Beerdigung nahm meine Großmutter mich zu sich, mein Vater mußte sie zu ihrem Gute begleiten und die ersten acht Tage bei ihr bleiben. Mein Bruder wurde in das Haus eines geschickten Arztes gegeben, und nach allen diesen Anordnungen machte meine Großmutter das Gesetz, daß meiner Mutter Name in ihrer Gegenwart nie genannt werden möchte, außer wenn sie selbst wieder von ihr zu sprechen anfinge: denn es war der Grundsatz der Vernunft bei dieser originellen Frau, jeden unabänderlichen Schmerz soviel als möglich aus der Seele zu vertilgen, kein Übel wiederzukäuen und sich, wenn das Herz durch Kummer weich werden wolle, in Geschäfte und Beschäftigung zu stürzen. Sie sagte oft, Tränen verderben die Augen und den Magen; Kummer untergrabe die Gesundheit, der vernünftige Mensch müsse sich beiden nicht überlassen, er müsse durch Gutestun vergnügt zu sein suchen, auch wenn es nicht nach seinen Wünschen geht. Mit dieser aus ihrer eignen Seele geschöpften Philosophie erreichte sie ein gesundes Alter von sechsundneunzig Jahren, überlebte ihre mehresten Kinder, Enkel und Urenkel und betrug sich bei jedem Sterbefalle, wie bei dem Tode meiner guten Mutter.

Drittes Kapitel

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Die ersten Jahre meiner Kindheit.

Meine Großmutter hatte die älteste Tochter meiner Tante Kleist seit ihrem zweiten Jahre zu sich genommen und sie erzogen. Diese war, als ich zweijährige Waise von meiner Großmutter ebenfalls aufgenommen ward, nun schon ein schönes, blühendes, junges Mädchen von sechzehn Jahren, eine liebliche Gestalt voll Geist und Leben. Sie hatte den Charakter ihrer Mutter, nur war sie noch heimtückischer und im Umgange noch interessanter. Diese sehr schöne, aber so intrigante Enkelin beherrschte unsere Großmutter durch List und Schmeichelei. Sie gewann über die würdige Matrone eine grenzenlose Gewalt. Ich wurde dieser Cousine ein Dorn im Auge, denn sie fürchtete, meine Großmutter würde mir ihre Liebe schenken, und so könnten in der Folge nicht nur die Geschenke für sie vermindert, sondern ihr Einfluß könne auch geschwächt werden, wenn meine Großmutter mich lieb gewönne. Daher wurde ich von meiner zarten Kindheit an vom schönen Constanzchen Kleist verfolgt. Seit ich denken kann, fürchtete ich die Ruten und die spitzigen Reden von »Großschwester«, denn mit diesem Namen wurde die nachmalige Starostin Ropp von allen jüngeren Enkeln meiner Großmutter genannt, obzwar die schöne Constanze nur von mittler Größe war.

Ich mochte ungefähr ein Mädchen von fünf Jahren sein, als meine Großmutter auch noch die andern beiden erwachsenen Töchter meiner Tante Kleist zu sich nahm. Diese drei Schwestern und deren Mutter sprachen immer von der Einfalt meiner Mutter, und da hieß es denn, ich wäre noch einfältiger, als die selige Tante; ich sei ganz »von Gott versäumt«. Meine Tante aus Nerft sagte, indem sie ihre Blicke liebevoll auf mich heftete: »Lottchen9 scheint doch einige Ähnlichkeiten von meiner seligen Louise zu haben.« Großschwester erwiderte: »So schön, als die selige Tante, wird Lottchen nie werden, aber sie ist noch ungleich einfältiger, sie ist ganz stockdumm.« Meine gute Tante heftete ihre Augen auf mich, dann wieder auf das schlecht gemalte Bild meiner Mutter, einige Tränen entfielen ihren Augen, sie küßte mich, und ich bekam dann von Großschwester Arrest und Seitenstöße, mit dem Ausdrucke: »Da stehe für dein unartiges Weinen im Arrest! Du eitles, eigensinniges, dummes Ding!« Meine Großmutter kam hinzu, fragte, was geschehen sei; Großschwester erzählte die Geschichte nach ihrer Art, ich bekam Ruten, und meine mich liebende Tante durfte nichts zu meiner Rechtfertigung sagen, falls die Strafe nicht noch verstärkt werden sollte.10

Diese Sache machte tiefen Eindruck auf mich; Liebe, Haß und Unwillen keimten still in meiner jungen Seele. Meine Tante, das Andenken meiner Mutter und deren schlecht gemaltes Bild wurden von mir im Stillen geliebt, wie Großschwester gehaßt und Großmama gefürchtet wurde. Alle meine Gedanken und Gefühle mußte ich in mir verschließen, teils weil jedes Wort, das ich sagte, von den drei Schwestern belacht und mit dem Ausdrucke lächerlich gemacht wurde, meine Einfalt grenze nahe an Albernheit. Oft bekam ich auch von den drei Schwestern für jede Äußerung Schläge, sobald ich etwas gesagt hatte, das einer mißfiel. Ich verschloß mich daher in mich selbst und sprach immer weniger. Nur mit meiner Wärterin, die ich sehr liebte, und mit dem Bilde meiner Mutter unterhielt ich mich, wenn ich allein war. Dieses Bild liebte ich, seit ich denken konnte, mit heiliger Vergötterung.

Aus diesem meinem kindischen Gefühle kann ich mir die Liebe der gläubigen Katholiken zu ihrer heiligen Jungfrau erklären. Denn meine seligsten Stunden als Kind hatte ich vor dem schlechtgemalten Bilde meiner guten Mutter.

So flossen die ersten Jahre meiner Kindheit traurig und einsam dahin. Ohne Gespielin, ohne Spielzeug wurde der lange Tag mir zur Last, den ich mehrenteils am Lehnstuhl meiner Großmutter ohne alle Beschäftigung zubringen mußte. Da stand ich steif und fest geschnürt; je gerader ich meinen Kopf in die Höhe richtete, je besser ich die Schultern zurück hielt, desto zufriedener war meine Großmutter mit mir. Von zehn bis elf Uhr vormittags hatte ich die Erlaubnis, im Zimmer meiner Großmutter umherzuspazieren. Der Nachmittag hatte mehr Abwechselung für mich, denn da legte sich jene gleich nach Tisch eine Stunde schlafen, und ich mußte in dieser Zeit, wenn die Großschwester eine männliche Gesellschaft hatte, die ihr gefiel und mit der sie dann gerne allein sprach, im Vorzimmer auflauern und, sobald ich einen seinen Fußtritt hörte, dies durch starkes Husten andeuten. Ich stand so sehr unter der Rute dieser Großschwester, daß sie meiner Verschwiegenheit gewiß sein konnte. Doch hatte ich meine Freude daran, bisweilen umsonst zu husten, um von Großschwester ein ängstliches: Wer kömmt? zu hören. Dann sagte ich: »Das ging zur Treppe hinauf, aber ich dachte, man würde hereinkommen.« – »Schon gut, huste nur immer, wenn du jemand gehen hörst, auch wenn er nicht ins Vorzimmer kömmt.« Das war immer des schönen Constanzchens Befehl, den ich dann mit freundlicher Stimme erhielt. Sobald meine Großmutter vom Mittagsschlafe aufstand, wurde Kaffee getrunken, und obzwar ich auch den ganzen langen Nachmittag nichts zu tun hatte und entweder bei der Großmutter oder der Großschwester die Stunden stehend oder sitzend zubringen mußte, so war den Nachmittag doch ungleich mehr Abwechselung und ich fühlte die Hölle des Nichtstuns minder.

Mein bestes Fest war, wenn einer unserer Nachbarn, der alte Starost Igelströhm, mit seiner jungen Frau bei uns zum Besuch kam. Dieser Greis baute mir Kartenhäuser und erklärte mir einige biblische Geschichten. Denn das eine Zimmer war voll biblischer Bilder des Alten und Neuen Testaments. Alle die Geschichten, die der alte Igelströhm mir erzählte, brachten mir einen stillen Haß gegen Gott bei, der die Menschen so plagte: doch wagte ich diesen gegen niemand zu äußern. Wenn ich den schön gebauten Turm zu Babylon sah, dann schalt ich in meinem Herzen den neidischen Gott, der die Sprachen der Babylonier verwirrte, weil er es diese nicht habe wissen lassen wollen, was er dort oben in seinem Himmel mache. Sah ich Christus am Kreuze, dann schalt ich Gott in meinem Herzen, daß er ein Teufel sei, er wäre doch allwissend und hätte dem nicht vorgebaut, daß Eva und Adam von dem Baume gegessen hätten, der alle Menschen um ihre Seligkeit gebracht habe, und ließe den lieben, guten Jesum dafür hinrichten. Diesen an das Kreuz gemalten Jesum küßte ich oft mit kindischer Andacht und sagte dann: »Ich habe dich so lieb als meiner Mutter Bild.« Züge aus dem Leben meiner Mutter und aus Jesu Leben zu hören, erfüllte mein Herz mit unbegrenztem Vergnügen.

Die Wunder Jesu wurden, seit ich von diesen sprechen gehört hatte, mein stiller Zeitvertreib, wenn ich in den Morgenstunden neben dem Stuhle der Großmutter stehen mußte. Der alte Igelströhm, der uns so sehr oft besuchte war, meine Wärterin ausgenommen, der einzige, gegen den ich zu sprechen wagte; denn die Ausrufungen, daß ich totdumm, von Gott versäumt, fast albern sei, kränkten mich bitter und wurden von Tante Kleist gegen mich und alle Fremden, die zum Besuch kamen, oft wiederholt. Eines Tages hatte der alte Igelströhm mir viel von meiner Mutter erzählt, und gleich darauf führte er mich zur blauen Kammer, erklärte mir wieder einige Bilder aus der Geschichte Jesu; da sagte ich zum guten Alten, daß, wenn meine Mutter nur Wunder hätte tun können, so wäre sie noch besser als der liebe Herr Jesu gewesen. Mein alter Igelströhm erwiderte, dieser Gedanke sei sehr sündlich, und so etwas möchte ich mir nie mehr in den Sinn kommen lassen; ihm aber sollte ich es sagen, wie ich zu solch einem Gedanken käme. Ich versetzte, von meiner Mutter habe er mir erzählt, wie nie irgend ein Mensch sie bös gesehen hätte, und der sonst so liebe Jesus habe sich über den unschuldigen Feigenbaum geärgert und den ganz zu nichts gemacht, da doch Gott nur allein schuld daran sei, daß der arme Baum keine Früchte gehabt hätte. Diesem guten Alten sagte ich alles, was ich dachte, weil ich sicher war, daß er nichts wieder erzählte, und weil er mich immer ein liebes, gutes, recht unterhaltendes Kind hieß.

Meinen Vater, der wieder geheiratet und von seiner Frau schon zwei Kinder hatte, sah ich selten. Wenn er alle sechs Wochen auf zwei Tage zu meiner Großmutter kam, so war es viel. Mein guter Vater war sehr kalt und ernsthaft gegen seine Kinder, aber dennoch liebte ich den Teuren und sah ihn mit unaussprechlichem Vergnügen an, weil er ein schöner Mann war, aber ich wagte es nicht, zu ihm zu sprechen, denn sein Ernst machte mich schüchtern, und ich fürchtete, etwas Dummes zu sagen. Meine Stiefmutter war ein paarmal bei meiner Großmutter gewesen; sie hatte sich liebevoll mit mir zu tun gemacht, mir kleine Geschenke gegeben, und zärtlich hing mein junges Herz an ihr. Unter andern hatte sie mir ein paar schöne, große, silberne Münzen geschenkt, die wurden mir sehr lieb; ich sah bisweilen ganze Stunden vorzüglich die eine Münze an, die einen Schiffbruch darstellte. Zu dieser Münze hielt ich allerlei Selbstgespräche und schloß dann immer mit der Ausrufung: »O! du bist eine liebe, gute Münze, du lachst nicht über mich, daß ich dumm spreche.« So unterhielt ich mich, außer mit meiner Wärterin und Igelströhm, nur mit mir lieben, leblosen Dingen. Meine beiden mir so lieben Münzen gefielen der schönen Constanze, und ich mußte sie ihr schenken, wenn ich nicht Ruten haben wollte. Dies tat bitter weh, aber dennoch gab ich die lieben Münzen freundlich hin. Was mich noch mehr als dieses schmerzte, war, daß ich meine liebe, gute Stiefmutter sehr oft von dieser meiner Zuchtmeisterin in Gebärden, Gang und Ton der Stimme mit Spott nachgeahmt sah. Dies zerriß mein Herz, und auch diesen Unwillen mußte ich in mich verschließen, denn meine Großmutter hatte in Stunden der langen Weile ihr Vergnügen daran, daß das schöne Constanzchen die ganze Reihe ihrer Bekannten spottend nachahmte; in dieser Kunst hatte sie vorzügliche Fertigkeit.

Eine der mir bittersten Geschichten aus dieser Epoche meiner Kindheit war folgende: Eines Abends, als meine Wärterin mich auskleidete und zu Bette bringen wollte, band sie mir meine Nachthaube so ungeschickt um, daß sie mir eine Haarnadel tief in den Kopf hineinstach. Ich tat unwillkürlich einen Schrei; Blut floß von meinem Gesichte hinunter, meine Großmutter eilte hinzu, fragte, was da wäre; schnell stürzte ich mich zu ihren Füßen, bat um Verzeihung und sagte, ich hätte mich an den Kopf gestoßen. Denn die Gefahr, daß meine von mir so inniggeliebte Wärterin bitter gestraft werden könnte, schwebte mir so lebhaft vor, daß ich mich gedrungen fühlte, diese Unwahrheit zu sagen. Jetzt bekam ich von meiner Großmutter ein paar derbe Maulschellen und die Anweisung, in Zukunft vorsichtiger zu sein. Unaussprechlich fühlte ich mich glücklich, meiner geliebten Wärterin, die eine Leibeigene war, eine gewiß harte Strafe abgenommen zu haben. Als meine Großmutter sich entfernen wollte, trat die sogenannte Großschwester, die Augenzeuge von allem gewesen war, hinzu und sagte jener: ich und meine Wärterin, wir hätten beide eine tüchtige Strafe verdient, denn das, was ich vorgegeben habe, sei erlogen; die Unvorsichtigkeit meiner Wärterin habe mir eine Haarnadel in den Kopf getrieben. Nun fuhr meine Großmutter meiner Wärterin in die Haare, zerprügelte sie und schickte sie nach einem Bündel Ruten, um auch mich zu züchtigen. Meine Wärterin, die aus Liebe für mich in Tränen zerfloß, mußte mich halten und sehen, wie meine Großmutter mich mit Ruten strich; als dieses vorüber war, mußte ich wieder Augenzeuge dessen sein, wie meine Wärterin niedergestreckt wurde und sie zwanzig Hiebe bekam. Mein Herz wurde schmerzhaft zusammengepreßt; ich zitterte an allen Gliedern, durfte aber keinen Laut von mir geben, wenn ich nicht die Strafe meiner mir nun noch lieber gewordenen Wärterin verdoppeln wollte. Nach dieser Exekution brachte meine Wärterin mich zu Bette; ich küßte ihre Hände, sie die meinigen; wir baten uns gegenseitig um Verzeihung und versicherten uns, daß die Schläge nicht geschmerzt hätten. Von dieser Stunde an herrschte zwischen mir und meiner Wärterin die innigste Zärtlichkeit, die auch bis zu ihrem Tode, der vor zehn Jahren erfolgte, fortgesetzt wurde und in meinem Herzen jetzt noch für die Kinder der guten Seligen fortdauert.

Des andern Morgens erzählte Constanze ihrer Mutter und dem Onkel aus Creutzburg die Geschichte auf die Art, daß, obzwar ich dumm wie ein Stock sei, ich dennoch heimtückisch genug wäre, um schnell Lügen zu erfinden. Mein Onkel aus Creutzburg sagte lachend, daß dies ihm seine Geschichte mit meiner seligen Mutter zurückriefe, wie er ihr den halben Kopf abgeschoren und sie die zweifachen Ruten so schafsmäßig ausgehalten habe. Hier hörte ich zum ersten Male die Geschichte aus der Kindheit meiner Mutter erzählen, die von mir im zweiten Kapitel angegeben ist.

Meiner jungen Seele wurde das Andenken meiner guten Mutter dadurch noch lieber. – Oft wenn mein kleines Herz, von kindischen Sorgen gepreßt, von der Großschwester gemißhandelt wurde, dann trat ich zu dem Bilde meiner Mutter, blickte dies mit heiliger Liebe an und versprach es der toten Leinewand, so gut als die liebe Selige zu werden; denn die ganze Dienerschaft und alle Freunde, die meine Mutter gekannt hatten, flossen vom Lobe der Teuren über. Es wirkte sonderbar auf mich, daß alle diejenigen, welche von der Dummheit meiner Mutter sprachen und mich mißhandelten, von jedem im Hause meiner Großmutter gehaßt wurden, obzwar man ihnen äußere Ehrfurcht bewies. Die schöne Constanze hieß bei allen Leuten der lebendige Teufel, und meine Wärterin sagte mir immer: »Wenn Sie böse sein und mit Ihren Nebenmenschen schlecht verfahren werden, dann wird man Ihnen, wie der Großschwester, fluchen; Ihren Namen wird man mit Abscheu nennen, alle Menschen werden Sie hassen und Ihr Andenken verwünschen. Werden Sie aber so gut, als die selige Mama, dann wird man Sie auch, wie diese lieben.« – So lernte ich in meiner zarten Kindheit durch Gespräche, die ich über meine selige Mutter hörte, die Tugend lieben und durch das Böse, welches die sogenannte Großschwester mir zufügte und verursachte, früh das Laster hassen.

9. Ihr Rufname ist Charlotte. Erst seitdem sie mit ihren Dichtungen an die Öffentlichkeit getreten, nannte sie sich nach ihrem zweiten Vornamen Elisa. C.

10. Ungefähr im fünften Jahre meines Alters, als wir in Mitau waren, sollte ich für eine Unart, deren ich mich nicht mehr erinnere, bestraft werden; indem kamen Fremde, die Strafe unterblieb, doch sagte meine Großmutter: »Warte nur, die Rute wird dir schon gegeben werden, sobald die Fremden fort sind.« Angst ergriff mich, ich sah umher, niemand war da, schnell kroch ich unter das mit schweren Falbeln besetzte Damastbette meiner Großmutter und freute mich, der Strafe entkommen zu sein. Als der Besuch fort war, rief meine Großmutter mich zur Züchtigung. Unbeweglich still blieb ich unter dem Bette liegen, ich wurde gesucht, man fand mich nicht. Ein paar Leute der Dienerschaft behaupteten, ich sei vor der Tür gewesen, als einzelne russische Soldaten der damals in Mitau stehenden Truppen am Hause vorbeigegangen wären, von denen die Rede ging, daß sie Kinder stehlen. Die Angst meiner Großmutter stieg. Der Entschluß wurde gefaßt, daß ich ausgetrommelt werden solle. Ich wurde als ein schönes Kind mit großen, dunkelblauen Augen, dunklen Augenbrauen, lichtbraunem, schlichtem Haar bezeichnet. 100 Dukaten wurden dem versprochen, der die erste sichere Nachricht von diesem verlorenen, sehr schönen Kinde gäbe; wer das Kind unversehrt wiederbringen würde, der sollte 1000 Taler erhalten. Ich freute mich unter dem Bette der Angst meiner Großmutter; als ich die Trommel rühren hörte, die Worte »schönes Kind« vernahm – denn das Schlafzimmer meiner Großmutter lag nahe an der Straße, wo nach dem Trommelschlage die Worte »schönes Kind« laut ausgerufen wurden – freudig schlug da mein Herz. – Bis zum anderen Morgen um acht Uhr hielt ich still unter dem Bette aus; als meine Großmutter aufstand, kroch ich hervor, und da sie mich erblickte, rief sie: »Die Rute her!« Diese war sogleich da, ich erhielt auf der Stelle tüchtige Ruten, und eine mir sehr viel schmerzlichere Strafe erfolgte noch. Auf einem Bogen Papier schrieb meine Tante Kleist meine Unart auf; dieser Bogen wurde um meine Zobelmütze, die ich trug, gesteckt; so mußte ich mit diesem Bogen Papier den ganzen Morgen bis nach der Tafel bleiben. Um elf Uhr wurde ich an die große Uhr gestellt, die im Besuchzimmer nahe dem Eßzimmer stand; alle die Gäste, die zur Tafel kamen, sahen sogleich die kleine Sünderin da wie am Pranger stehen; alle baten meine Großmutter um meine Befreiung; mit kaltem Ernste erwiderte sie: »Acht Tage soll das unartige Kind, das einen solchen Schreck machte, bei Wasser und Brot Schildwache stehen!« – Die Bitten der Gäste änderten den Ausspruch nicht.

Viertes Kapitel

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Die erste Freude meiner Kindheit. Noch einige Züge von Großschwester, und wie die Nachricht des Todes meiner Stiefmutter auf mich wirkte.

Die erste lebhafte Freude, deren ich mir bewußt bin, hatte ich, als meine Großmutter zum erstenmal mit mir mein väterliches Haus besuchte. Da war ich ungefähr im achten Jahre und drückte zuerst meinen leiblichen Bruder Fritz, meine zweijährige Schwester und meinen einjährigen Bruder aus der zweiten Ehe meines Vaters an meine Brust. Meine Stiefmutter hatte auch aus ihrer ersten Ehe mit dem Herrn von Nolde eine Tochter, die zwei Jahre älter, als ich, war; zwischen dieser und mir entstand eine herzinnige Freundschaft. Ich fühlte mich nun so glücklich und reich, hatte zwei Schwestern – zwei Brüder! Und das Gefühl von Liebe und Anhänglichkeit durchschauerte sanft mein ganzes Wesen, verdoppelte die Schläge meines Herzens und goß eine nie gefühlte Heiterkeit in mein Gemüt. Meine Stiefmutter sah, wie innig meine Seele an ihren Kindern hing und dies verdoppelte noch ihr liebevolles Betragen gegen mich. Die zwei Tage, die wir in Mesothen11