Herzklabaster - B. H. Bartsch - E-Book

Herzklabaster E-Book

B. H. Bartsch

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Beschreibung

Kevin ist ein junger Student, der glücklich mit seinem Partner Manuel liiert ist. Als dieser wegen eines Stipendiums die Stadt verlassen muss, legen die beiden eine Beziehungspause ein. Nach Manuels Rückkehr kommen die beiden wieder zusammen, denn an den Gefühlen füreinander hat sich nichts geändert.   Es dauert allerdings nicht lange, bis Kevins Krankheit ihre Beziehung überschattet, da sich sein Zustand zusehends verschlechtert und alleine eine Operation sein Leben retten kann.   Die Angst ist von nun an Kevins ständiger Begleiter und er fragt sich, ob Manuel sein Wort halten und ihm wirklich in dieser schwierigen Zeit zur Seite stehen wird. Neben der Krankheit gibt es aber weitere Probleme, die den beiden das Leben schwer machen.   Hat ihre Liebe überhaupt eine Chance?   Diese Geschichte ist eine Sidestory zu "Aus der Spur". Sie kann jedoch unabhängig davon gelesen werden.

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B. H. Bartsch

Herzklabaster

Sidestory zu "Aus der Spur"

BookRix GmbH & Co. KG80331 München

Prolog

 

Herzklabaster

 

 

Prolog

 

„Du willst WAS?“ Ich glaube, ich bekomme gleich einen Herzklabster.

„Kevin … das ist eine einmalige Chance. Die bietet sich mir nie wieder. Ich weiß, dass es uns viel abverlangt, aber bitte … versuch mich doch zu verstehen. Vier Semester in Los Angeles. Das würde mich beruflich ungemein nach vorne bringen.“

„Manuel … vier Semester sind zwei Jahre. Wie sollen wir das schaffen? Ich meine, du bist nicht mal eben um die Ecke und wir können uns nicht mal kurz treffen. Das klappt noch nicht mal nur für ein Wochenende.“ Der Schock hat meine Stimme zu einem schrillen Ton werden lassen. Meine Hände habe ich zu Fäusten geballt und in meinen Hosentaschen vergraben.

„Ich weiß es nicht!“, flüstert er und ich sehe die Traurigkeit in seinen Augen.

Die Sache scheint entschieden.

„Wann?“ Leise kommt mir die Frage über die Lippen und ein riesen Knoten bildet sich in meinen Eingeweiden. Manu zögert und blickt starr einen imaginären Punkt hinter mir an.

„In drei Wochen.“ Die Antwort ist so leise, dass ich ihn kaum verstehe.

„Drei Wochen. Das heißt, ich feiere meinen Geburtstag ohne dich und in unseren Urlaub fahre ich dann auch allein?“

Er schmeißt unsere Pläne komplett über den Haufen.

„Kev, es tut mir leid.“ Er tritt auf mich zu und steht jetzt dicht vor mir. Ich kann ihn riechen. Seine Wärme spüren.

„Seit wann weißt du es?“ Meine Stimme versagt ihren Dienst, denn der Schock lähmt alle meine Körperfunktionen.

„Der Anruf kam gestern.“

Ich spüre, wie mein Blutdruck steigt. Mir wird heiß im Gesicht und ein Schwindel steigt mir zu Kopf. Übelkeit krabbelt in meinen Magen. Tränen füllen meine Augen, denn ich weiß, dass wir darüber nicht mehr weiter diskutieren brauchen. Ein Stipendium in den Staaten schlägt seine Liebe zu mir, eine dreijährige Liebe. Es schlägt unsere Pläne für die Zukunft. Zusammenziehen, unseren Urlaub, bevor ich mit meinem Studium beginne. Alles Schall und Rauch.

Seine Hand auf meiner Schulter reißt mich ins Hier und Jetzt zurück und ich sehe die Tränenspuren auf seinen Wangen. Aber sie ändern auch nichts an seiner Entscheidung.

Ich flüchte in seine Arme, denn es soll mir ja für eine lange Zeit verwehrt bleiben.

 

 

Die nächsten drei Wochen vergingen viel zu schnell und sie waren geprägt mit Diskussionen und vielen Tränen. Mein Verstand sagte mir, dass es die richtige Entscheidung war, aber mein Herz sah das ganz anders.

Unsere letzte Nacht vor seinem Abflug gehörte mir allein. Wir liebten uns bis in die frühen Morgenstunden und als ich wach wurde, war er weg.

Weg aus meinem Bett, weg aus Hamburg, weg aus meinem Leben.

Das war es dann wohl. Alles aus. Manuel und Kevin waren Geschichte. Wir waren allein. Jeder für sich.

 

Kapitel 1 (Kevin)

 

Kapitel 1 (Kevin)

Zwei Jahre später

 

„Was ist denn jetzt? Kommst du nun mit oder bleibst du zu Hause?“, pflaumt er mich beleidigt an. Tief durchatmen und ruhig bleiben.

„Ich komme vielleicht nach, okay? Fahr schon mal vor.“ Mir fällt es schwer die Fassung zu bewahren. Ich hatte einen scheiß Tag in der Uni und Jonathan, mein … ja was? Betthäschen …? Fickfreund …? Keine Ahnung, was er ist,… na ja, er merkt halt nicht, wann es besser ist, Ruhe zu geben.

Als die Haustür zuklappt und ich endlich allein bin, versuche ich mich zu beruhigen.

Endlich Ruhe.

Ich sehe auf das Foto, das auf meinem Schreibtisch steht. Na ja, eigentlich sollte es stehen, aber Jonathan hat es wieder einmal mit der Fotoseite auf die Tischplatte gelegt.

Er kann es einfach nicht ertragen, dass er Manu nicht ersetzen kann. Er reicht einfach nicht an meine erste große Liebe heran.

Bald sind es zwei Jahre, die er nun schon fort ist, und als er ging, haben wir beschlossen unsere Beziehung zu beenden, uns nicht zu schreiben, den Kontakt abzubrechen. Warum? Tja, das liegt daran, dass wir uns über alles geliebt haben. Zwei Jahre, in denen wir uns so gut wie nie sehen könnten. Immer nur skypen oder mailen …das überlebt keine Beziehung. Nicht auf die Dauer und nicht auf die Distanz. Ich wollte mir keine Gedanken machen müssen, dass er da einen Kerl oder auch mehrere kennenlernt. Dass er mir irgendwann eine neue Liebe gestehen wird. Dass er mir sagt, dass es einen anderen gibt. Nein. Das hätte ich nie verwunden. Dann lieber ein Ende mit Schrecken als ein Schrecken ohne Ende. Dafür liebte ich ihn zu sehr.

Und das tue ich heute noch.

Am Anfang war meine Sehnsucht nach ihm die Hölle. Ich vermisste ihn so unsagbar, dass ich mich in die Arbeit gestürzt habe und mich durch die Betten der willigen und hübschen Kerle gevögelt habe, um meinen Kummer zu vergessen. Aber nach so einer Nummer fühlte ich mich immer leer und schmutzig. Ich hatte ein schlechtes Gewissen Manu gegenüber. Aber es gab nichts zu bereuen, denn wir waren frei und ungebunden.

An dem Tag, an dem er ging, hat er etwas mitgenommen, nämlich mein Herz. Niemand kam an Manu heran. Nicht einer konnte mir das geben, was ich brauchte. Keiner war gut genug Lediglich Manu verstand es mir die Sicherheit zu geben, die ich brauchte. Er gab mir Liebe, die ich aufsog wie ein Schwamm. Nur er konnte mir bis auf meine Seele schauen. Tom, der Mann meines Onkels, sagte mir mal, als ich mich ganz am Boden befand, dass wir uns vier oder fünf Jahre zu früh kennengelernt hätten. Vielleicht hat er recht, ich weiß es nicht. Es vergeht jedenfalls kein Tag, an dem ich nicht an ihn denke. Es wurde leichter. Nach Monaten, die ich mich verkrochen hatte, hatte ich eine Phase, wo ich alles nahm, was ich kriegen konnte. Erst hat der Verlust unserer Liebe mich zu einem weinerlichen und depressiven Menschen gemacht und dann kam die Wut. Auf Manu, auf mich und unsere Unfähigkeit, diese Liebe aufrechtzuerhalten. Aber dann kann die Erkenntnis. Dass es besser so war. Wie hätten wir es wuppen sollen? Schon allein die Zeitzonen: Wir sind neun Stunden weiter. Uns trennen neuntausend Kilometer. Er ist unerreichbar.

 

Manu studiert Medizin. Erst hat er drei Jahre hier in Hamburg studiert und dann in Los Angeles.

Los Angeles … am anderen Ende der Welt, von hier aus gesehen.

Am Anfang habe ich alles in Frage gestellt, was meine Zukunftspläne betraf. Aber ein gutes Gespräch mit Marc, meinem Onkel, hat mir gezeigt, dass es auch weitergehen muss.

Wenn jemand weiß, dass Aufgeben keine Option ist, dann ist es Marc. Denn er hatte vor ein paar Jahren einen schlimmen Motorradunfall und hat sich mit viel Fleiß und Spucke wieder zurück gekämpft. Gut … Tom war an seiner Seite, aber letztendlich ist man ja immer sich selbst am nächsten.

Er sagte mir, was er an meiner Stelle getan hätte, und so machte ich mein Ding. Zog mit Boris, meinem besten Freund, in eine WG und begann zu studieren. So, wie ich es wollte. Boris war mein Anker. Wenn er nicht gewesen wäre, hätte ich den Anschluss nicht so schnell hinbekommen.

Das Studium verlangt viel ab. Es ist sehr zeitaufwendig und fordert volle Aufmerksamkeit.

Mal schnell ein Architekturstudium absolvieren … Ha … wer das denkt, der denkt auch, dass die Erde eine Scheibe ist.

Also klotzte ich nach ein paar Monaten ran wie ein Bekloppter und holte den Stoff nach, der mir durch meine Scheißegalphase entgangen war. Aber es gab wirklich keinen Tag, an dem ich Manu nicht vermisste. Ich schaute wieder und wieder unsere Lieblingsfilme. Fuhr an unsere Lieblingsplätze und setzte mich an die Alster unter unseren Baum. In den Sommermonaten verlegte ich sogar mein Lernen dorthin. Ich bildete mir ein, dass es mir leichter fiel. Es war, als sei er bei mir. Mir über die Schulter sieht und mir aufmunternd auf die Schulter klopft. Aber ich mied unseren gemeinsamen Freundeskreis und seine Kollegen. Ich wollte nicht ständig an Manu erinnert werden. Genauso wenig wollte ich von ihnen hören, dass er anrief oder sie geskypt haben. Wollte nicht ständig den Schmerz fühlen und so zog ich mich zurück und baute mir einen neuen Freundeskreis auf. Irgendwie schaffte ich es, mein Leben in den Griff zu kriegen. Im Nachhinein wurde mir erst klar, wie sehr ich an ihm hing. Ich meine, ich bin mit ihm von einem Jugendlichen zu einem Heranwachsenden geworden. Heute mit zweiundzwanzig denke ich, dass ich sagen kann, ich bin erwachsen geworden, das allerdings hab ich allein hinbekommen. Meine Eltern sagen, dass ich zu einem ernsten Menschen geworden bin und es mir gut täte, wenn ich wieder eine Beziehung eingehen würde. Aber darauf will ich mich nicht einlassen. Mein Leben ist okay, so, wie es jetzt ist.

Meine Eltern, meine Großeltern, mein Onkel Marc und sein Mann Tom ermöglichen mir ein Studium in Rekordzeit. Ich studiere und arbeite nebenbei im Büro meines Onkels, um mein Budget etwas aufzustocken. Marc hat das Büro letztes Jahr von Opa übernommen, nachdem er einen Herzanfall erlitten hatte. Die Ärzte haben ihm damals nahe gelegt, dass er sich aufs Altenteil zurückziehen sollte, wenn er noch was von seiner Rente haben will. Also hat er Marc das Büro überlassen und ich habe gute Chancen, irgendwann bei meinem Onkel einen guten Job zu bekommen. Meine Eltern finanzieren mir mein Studium, Oma und Opa geben mir was zum Lebensunterhalt dazu. Besser kann es mich gar nicht treffen. Noch vier Semester und dann das praktische Jahr. Dann bin ich fertig, so Gott will.

 

Irgendwann kommt Manu zurück. Zurück nach Hamburg. Vielleicht auch zurück zu mir.

Als er ging, beschlossen wir, dass er sich meldet, wenn er wieder in Hamburg ist. Eventuell unsere Beziehung wieder aufnehmen und dort weiter machen, wo wir aufgehört haben. Ob es funktionieren würde, weiß der Wind.

Aber die zwei Jahre ohne ihn haben mich geprägt. Ich fasse an meinen Hals und greife nach dem Anhänger, den wir uns zum Einjährigen gekauft haben. Ein silberner Freundschaftsanhänger. Er besteht aus zwei Teilen. Die andere Hälfte hat Manu. Ob er sie noch trägt? Ob er mich genauso sehr vermisst hat, wie ich ihn? Ob er mich noch will? Fragen über Fragen. Ob wir Antworten finden, oder noch besser … Lösungen? Ich weiß es nicht, und ob wir noch eine gemeinsame Zukunft haben, schon mal gar nicht.

Sein Ziel ist es, Kardiologe zu werden. Seinen Facharzt muss er noch hinten dranhängen, das heißt, er studiert noch, wenn ich schon fertig bin. Dabei habe ich drei Jahre später angefangen als er.

Manu hatte damals Glück. Er konnte ohne Wartezeit sofort nach seinem Abi anfangen zu studieren. Seinen Platz hier an der Uni hat er seiner Tante zu verdanken. Er begann sein Studium mit achtzehn und jetzt ist er fünfundzwanzig. Seit sieben Jahren ist er dabei und muss jetzt wohl noch zwei Semester, um sein Grundstudium abzuschließen. Tja, wer weiß schon, was noch kommt …

 

 

„Hey Kev, schön, dass du doch noch kommst. Was hast du denn mit Jonathan gemacht? Der sitzt seitdem er hier ist, nur an der Bar und kippt einen Tequila nach dem anderen.“

„Hallo Boris. Keine Ahnung. Als ich aus der Uni kam, saß er schon vor unserer Tür und hat auf mich gewartet. Er konnte es heute scheinbar nicht abwarten hierherzukommen.“

„Er meinte, du wärst komisch.“

„Mein Gott noch mal, ich hatte einen scheiß Tag. Er soll mich halt nicht immer nerven. Mann, ich weiß doch auch nicht. Manchmal geht er mir echt auf den Sender. Er weiß nie, wann er besser mal den Mund halten sollte.“ Boris sieht mich skeptisch an und greift nach meinem Anhänger, der über meinem Shirt liegt. Er betrachtet ihn und sieht mir an, wie meine Gefühle gestrickt sind. Er kennt mich einfach zu lange, ich kann vor ihm nichts verstecken.

„Ich denke, er weiß, dass er dir nicht genügt. Und die Fotos von Manu in deinem Zimmer machen die Sache für ihn auch nicht leichter. Wenn du keine wirklichen Gefühle für ihn hast, dann säg ihn ab.“

„Mann, Bo. Ich habe es ihm schon so oft gesagt, dass ich nichts Festes mit ihm will. Was meinst du, was er für ein Theater gemacht hat, als er mich vor drei Wochen mit diesem süßen Italiener aus dem Darkroom kommen sehen hat. Seitdem lief zwischen uns schon nichts mehr. Aber er benimmt sich, als seien wir verheiratet.“ Er lacht und klopft mir auf die Schulter.

„Du Herzensbrecher, du.“

„Na … lass mal. Ich rede noch mal mit ihm. Was ist? Ein Bier zum Warmwerden, bevor wir auf Cocktails umsteigen?“

„Immer doch.“ Er grinst mich an und schon sind wir auf dem Weg zur Bar.

Es ist Freitagabend, der Laden ist standardmäßig voll. Unsere Clique trifft sich immer im hinteren Bereich an der Tanzfläche. Von da hat man die beste Übersicht auf die heißen Typen, die sich für die Nacht ein kleines Stelldichein suchen. Fündig wird man hier immer. Zumindest wir haben keine Probleme was zum Vögeln zu finden. Unsere kleine Gruppe besteht aus Boris, meinem besten Freund, dann Luis und Vitali sowie Hannes und Peer. Boris kenne ich schon aus dem Kindergarten und die anderen vier habe ich während meines Studiums kennengelernt.

Unser Pärchen Luis und Vitali sind wie zwei Starkstrommagnete. Sie kleben aneinander. Hannes und Peer sind zwei Paradiesvögel, die keine Gelegenheit auslassen sich durch die Betten zu vögeln. Gut, ich nehme mich da auch nicht aus, aber ich bin ruhiger geworden. Im ersten Jahr, als Manu weg war, hab ich es ziemlich heftig übertrieben, so dass mich sogar mein Onkel ansprach, weil ihm da was zu Ohren gekommen ist. Aber die letzten Monate ist es besser geworden. Ab und zu mal was zum Druck ablassen und gut ist. Und so halte ich es auch mit Jonathan. Er ist ja süß, aber es passt irgendwie nicht.

An der Bar angekommen sehe ich ihn dort sitzen und beobachte, wie ein Grizzlybärverschnitt seine Hand um seine Schultern legt. Na, der sollte heute versorgt sein, denn er steht auf große und bärige Typen. Tja … das kann ich ihm auch nicht bieten. Bin nicht der Größte. Hallo??? Ich meine körperlich! Nicht das, was ihr schon wieder denkt. Ze ze …

Ich bestelle uns zwei Flens und dann suchen wir die anderen, die wir, wie immer, an unserem Stammplatz finden.

Wir tanzen, Boris reißt sich einen großen Typen auf, der scheinbar in meinem besten Freund ein Leckerli sieht, weil er ihn ständig ableckt, und unser Turteltaubenpärchen knutscht seit zwei Stunden. Man gut, dass Hannes und Peer noch da sind. Sonst wäre der Abend wahrscheinlich echt langweilig geworden.

Jonathan hat es sich nicht nehmen lassen, mit seiner bärigen Eroberung an uns vorbei zu flanieren, um mir damit zu zeigen, dass ich ihm wohl am Arsch vorbeigehe. Nun gut, ein Problem weniger, um das ich mich kümmern muss.

Gegen zwei mache ich mich auf den Weg nach Hause.

Als ich in der Bahn sitze, steigt ein mir bekanntes Gesicht zu. Er braucht einen Moment, bis er mich entdeckt. Oliver Bach. Manus bester Freund. Damals haben wir viel Zeit miteinander verbracht. Eigentlich konnten wir uns ganz gut leiden, aber nachdem wir uns getrennt haben, ist auch der Kontakt zu Olli abgebrochen. Als er mich sieht, werden seine Augen groß und ein Lächeln schleicht sich in sein Gesicht.

„Mensch, Kevin. Dich hab ich ja ewig nicht mehr gesehen. Wie geht es dir?“

„Hallo Oliver. Danke gut, und selbst?“ Er setzt sich zu mir auf die gegenüberliegende Bank.

„Gut … es geht mir gut. Danke.“ Er nickt und lächelt mich an.

„Mensch, was machst du denn so?“

„Studieren, jobben, eben alles, was man tut, um über die Runden zu kommen. Und du?“

„Ich bin mit meinem Informatikstudium fast fertig.“ Er räuspert sich und schaut mich ernst an.

„Hast du was von Manu gehört?“ Seine Tonlage klingt vorsichtig verhalten.

„Nein.“

„War schwer, nachdem er weg war, oder?“

„Ja.“

„Weißt du, für ihn war es auch nicht leicht. Neue Stadt, neues Umfeld, er hat alles zurückgelassen. Ganz besonders euer Beziehungsende hat ihm sehr zu schaffen gemacht. Er stand oft davor, alles hinzuschmeißen. Er wollte zu dir zurück. Aber seine Eltern und seine Tante haben ihn davon abgehalten.“

„Weißt du Olli, ich würde lügen, wenn ich sagen würde, es ging mir gut mit seinem Weggang. Er hat sich für sein Studium entschieden, also gegen mich. Ich hatte viel Zeit, darüber nachzudenken. Er hat mit seiner Entscheidung die komplette Planung für unsere Zukunft über den Haufen geworfen. Ich … ach, lass gut sein. Ich muss hier eh aussteigen. Schön, dich mal wiedergesehen zu haben. Mach‘s gut.“

„Warum hast du dich nie gemeldet, Kevin?“

„Kannst du dir das nicht denken?“ Mit dieser Frage lasse ich ihn stehen und steige aus der Bahn aus, denn meine Wohnung liegt gleich hier um die Ecke.

 

Mein Handy vibriert, als ich meine Haustür aufschließe und als ich es aus meiner Hosentasche ziehe, sehe ich, dass es eine SMS ist, die eingegangen ist.

>> War schön, dich mal wiedergesehen zu haben. Wenn er zurückkommt, gib ihm eine Chance und redet miteinander. Er hat sie verdient, denn er liebt dich. Bitte denke daran …Nicht nur du hast gelitten. Gruß Olli.<< Der hat meine Nummer tatsächlich noch gespeichert.

Ins Bett … ich will nur noch ins Bett. Ein fieser Kopfschmerz kündigt sich an.

 

 

Kapitel 2 (Manu)

 

Kapitel 2 (Manu)

 

Ich trete aus der Tür ins freie und hole tief Luft. Geschafft! Die letzte Prüfung für dieses Semester ist geschrieben und ein gutes Gefühl ergreift Besitz von mir. Wenn alles klappt, kann ich in zwei Wochen wieder nach Hause. Ein Stoß an meine Schulter holt mich aus meinen Gedanken.

„Hey Honey, fertig für heute?“ Gideon legt seinen Arm um meine Schultern, zieht mich die Treppe hinunter und dirigiert mich in Richtung der Wohnblocks, die für die Studenten als billige Alternative für ein Apartment zur Verfügung stehen. Dort bewohne ich ein kleines Zimmer, das eher einem Schuhkarton gleicht. Die Bezeichnung „Zimmer“ verdient diese Behausung jedenfalls nicht. Aber ich musste es nutzen, denn für ein Apartment hat mein Budget nicht gereicht. Eine bezahlbare Wohnung hier in der Nähe der Uni zu bekommen ist schier unmöglich. Selbst WGs sind nicht zu bekommen, da niemand so einen Glücksgriff aufgibt, wenn er denn mal in die Vollen gegriffen hat. Ich will mich ja nicht beschweren, es hat ja ausgereicht.

„Und? Was meinst du? Hast du bestanden?“, fragt er mich und hält an, um mich anzuschauen. Er ist so groß wie ich und daher auf Augenhöhe mit meinen und schaut mir intensiv in die Augen.

„Ich denke schon, in ein paar Tagen wissen wir mehr, aber es ist eh unerheblich, denn meine Zeit hier ist abgelaufen. Mein Stipendium läuft aus und ich gehe zurück nach Hause.“

„Du bist dumm, Manu, du hättest dein Studium hier zu Ende machen können. Warum nutzt du diese Chance nicht? Ich meine, ein Jahr mehr oder weniger macht den Kohl auch nicht mehr fett.“

„Gideon …“, tief Luft holend schaue ich ihn an.

„Ich möchte nach Hause. Wir haben so oft darüber gesprochen. Du weißt warum!“

„Ja“, antwortet er niedergeschlagen und senkt traurig den Kopf. Und schon hab ich wieder ein schlechtes Gewissen, dass ich mich auf ihn eingelassen habe.

„Du hast mir nie was versprochen, ich weiß, aber ich dachte, ich könnte dich überzeugen hierzubleiben. Ich dachte … ich dachte, ich bedeute dir was und dass es ausreicht, um da weiterzumachen, wo es jetzt enden soll. Du hast in mir nie mehr als eine Bettgeschichte gesehen, richtig?“

„Ich habe dir nie etwas versprochen, Gideon.“

„Nein, hast du nicht, aber glaubst du nicht, dass es jetzt mal an der Zeit wäre, mir den wahren Grund dafür zu nennen?“

„Besser nicht. Ich will das, was war, nicht kaputt machen. Verstehe mich nicht falsch, ich mag dich wirklich sehr, und das ist auch der Grund, warum ich mich auf dich eingelassen habe, aber für mehr reicht es einfach nicht. Mein Ziel war es immer zwei Jahre hier zu studieren und dann nach Hamburg zurückzugehen. Das war der Plan und so werde ich ihn verfolgen. Wir haben uns doch nie was versprochen. Weder du noch ich, was hat sich bei dir geändert?“

„Mann, Manu, ich bin mir meiner Gefühle für dich klar geworden. Je näher dein Weggang kommt, desto mehr habe ich über uns nachgedacht, wie es sein könnte, wenn du hierbleiben würdest. Ich habe echt gedacht, ich höre nicht richtig, als du die Verlängerung abgelehnt hast. Was hast du dir dabei gedacht? So eine Chance bekommt man nicht so oft.“

„Ich habe vor zwei Jahren eine Chance bekommen und sie genutzt und ich war dabei sehr egoistisch. Jetzt wird es Zeit, dass ich anderswo eine zweite Chance bekomme.“

Er schaut mich an und auch ohne Worte weiß ich, dass er verstanden hat, was ich meine. Gideon weiß nichts von Kevin und meinem Leben in Hamburg. Ich wollte es nicht. Niemand hier weiß viel Privates von mir. Daher hab ich auch den Namen Iceman weg, weil ich auf den einen oder anderen zu kühl wirke.

Mittlerweile an unseren Zimmertüren angekommen, dreht sich Gideon zu mir um und schaut mich mit feuchten Augen an.

„Ich fahre morgen für ein paar Tage zu meinen Eltern. Wenn ich wiederkomme, wirst du wahrscheinlich schon weg sein. Es war eine schöne Zeit mit dir. Weißt du, ich wollte dich eigentlich zum Essen einladen und … ach egal. Pass auf dich auf. Vielleicht meldest du dich mal. Lass uns Freunde bleiben, okay? Gott … dass ich so was mal sagen würde. Wie dem auch sei … Leb wohl, Manu.“ Er tritt auf mich zu und nimmt mich fest in den Arm. Drückt mich an sich und als er mich loslässt, senkt er sein Gesicht, öffnet seine Zimmertür und schließt sie, nachdem er eingetreten ist, ohne sich noch mal umzublicken.

„Du weißt, dass er dich liebt, oder?“ Erschrocken fahre ich herum und sehe Amy dort stehen.

„Ja, das hat er mir jedenfalls zu verstehen gegeben.“

„Lass uns reden, okay?“ Ich nicke und schließe mein Zimmer auf, sie tritt ein und setzt sich auf meinen Schreitischstuhl.

„In deinem Zimmer war ich, glaube ich, noch nie.“

„Nein, warst du nicht.“ Sie schaut sich um und bleibt mit ihrem Blick bei dem Foto auf meinem Nachtschrank hängen.

„Ist er der Grund, warum er keine Chance hat?“

Ich reibe mir mit meinen Händen übers Gesicht und merke, wie mich diese Art von Gesprächen anstrengt.

„Amy, ich hatte nie vor ihm wehzutun.“

„Wenn du ihm gesagt hättest, dass es einen anderen gibt, zu dem du zurückgehen willst, dann hätte er es vielleicht besser verstanden. Dann hätte er eventuell keine Gefühle investiert.“

„Ja, vielleicht, aber so einfach ist das nicht. Als ich herkam, hab ich Kevin verlassen. Wir hatten Pläne für die Zukunft. Gemeinsame Pläne, verstehst du? Ich habe ihm sehr wehgetan. Meine Entscheidung damals war sehr egoistisch, zumindest empfinde ich es heute so. Ich liebe Kevin nach wie vor. An meinen Gefühlen für ihn hat sich nichts geändert. Und daher kann ich Gideon nicht das geben, was er gerne möchte, denn das, was er haben will, ist niemals mit hergekommen.“

„Du sprichst von deinem Herzen, richtig? Du bist ja ein richtiger Romantiker!“ Mir bleibt nur ein Nicken, was ich ihr als Antwort geben kann. Eine Faust greift nach meinen Eingeweiden und drückt alles, was sie zu fassen bekommt, zusammen.

„Ich habe in Hamburg was gutzumachen, zumindest hoffe ich, dass ich die Chance dazu bekomme. Kevin lebt mit seinem besten Freund in einer WG und ab und an bekomme ich von ihm eine Mail, die mich über Kevin auf dem Laufenden hält. Er hat sehr gelitten nach unserer Trennung.“

„Ich kann mich an deine Ankunft hier erinnern. Erst sind die Mädels hier reihenweise in Tränen ausgebrochen, als herauskam, dass du schwul bist, und dann waren die Jungs hinter dir her. Aber du hast nie auch nur einen nah an dich herangelassen. Nur Gideon hat es scheinbar geschafft. Warum?“

„Keine Ahnung. Am Anfang wollte ich hier nur so schnell wie möglich wieder weg. Ich hatte Heimweh. Mein Gewissen Kevin gegenüber war so schlecht, dass es mir übel wurde. Ich vermisste ihn so sehr, dass es wehtat. Und ich wusste, was sich ihm angetan habe. Boris hat am Anfang kein Blatt vor den Mund genommen. Mir schonungslos Bericht erstattet, so wie ich es mit ihm abgesprochen hatte, aber er merkte recht bald, dass es an meine Substanz ging. Er war so wütend auf mich, dass er mir ein Foto von Kevin schickte, dass ihn total verheult, zusammengerollt auf der Seite liegend und schlafend zeigt. War es das, was du wolltest?, hat er darunter geschrieben. Es hat mich fast zerrissen. Aber meine Eltern, meine Tante und mein bester Freund Olli haben mir immer wieder gesagt, dass meine Entscheidung die richtige war. Aber auf wessen Kosten …!“

„Das ist eine Erklärung, aber keine Antwort auf meine Frage!“

„Warum Gideon? Kann ich dir nicht sagen. Wir haben uns verstanden. Als Freunde und im Bett. Er wusste immer, dass mein Aufenthalt hier eine Deadline hat. Und die ist bald abgelaufen. Ich werde nach Hause fliegen.“

„Zurück zu Kevin?“

„Ich hoffe es.“ Amy steht auf, kommt zum Bett rüber, wo ich Platz genommen habe. Sie setzt sich zu mir und nimmt meine Hand.

„Mensch, Iceman, ich wünsche dir von Herzen, dass dein Kevin dir verzeiht. Ich unterstelle dir ja nicht, dass du Gideon mit Absicht wehgetan hast, aber wenn du nur mal deinen Mund aufgemacht hättest, dann hättest du ihm den Schmerz ersparen können. Wann geht dein Flieger?“

„Eigentlich in vierzehn Tagen, aber ich werde abreisen, sobald ich meine Ergebnisse habe.“

„Und dann?“

„Na ja, in Hamburg sind noch keine Semesterferien. Ich muss mir ein Zimmer suchen und mich in der Uni zurückmelden. Aber vor allem werde ich mich um Kevin bemühen. Ich lasse das jetzt alles auf mich zukommen.“

„Mach das … Ich werde dich vermissen. Pass gut auf dich auf, okay?“

„Mach ich. Und Amy? Gib ein wenig acht auf Gideon. Schreib mir mal!“

„Werde ich tun.“ Mit dem Satz drückt sie mich an sich und verlässt dann ohne ein weiteres Wort mein Zimmer. Es wird Zeit meine Kisten zu packen. Das meiste sind Bücher, die ich mit nach Hause nehmen will, und es wird Zeit meinen Umzug zu planen.

Aber vorher sollte Gideon wissen, warum er mich nicht haben kann. Ich verlasse mein Zimmer und klopfe gegenüber an seine Zimmertür.

„Willst du wirklich wissen, warum ich zurückgehe?“, frage ich ihn, als er die Tür öffnet.

Misstrauisch schaut er mich an, lässt mich dann aber dennoch eintreten. Seine Augen sehen verheult aus. Mehr als alles andere wünschte ich, es hätte nie mehr als Freundschaft zwischen uns gegeben.

„Ein Bier?“, fragt er und geht zu seinem Kühlschrank, den er in diesem Zimmer zusätzlich noch untergebracht hat.

„Ja, gern. Wo soll ich anfangen?“

„Ganz am Anfang.“

„Nun, das wird dauern. Hast du Zeit?“

„Jede Menge.“

„Okay. Ich war in der dreizehnten Klasse. Ich hatte nur noch ein halbes Jahr bis zum Abi, da lernte ich auf einer Schulveranstaltung an unserem Gymnasium Kevin kennen. Tag der offenen Tür. Er ging damals in die zehnte. Mit ein paar anderen Schülern hatte er die Führung durch die Fachräume organisiert. Ich saß damals im Chemieraum und hatte ein Experiment vorbereitet, das den Neulingen vorgeführt werden sollte. Also kam er einmal pro Stunde vorbei und ließ die neuen Schüler meine chemische Reaktion bestaunen. Er war zierlich von der Statur her und er hatte die blauesten Augen, die ich je gesehen habe. Von Anfang an hatte er mich verzaubert. Als er das fünfte Mal vorbeikam, nahm ich mir meinen Mut zusammen und hielt ihn kurz auf. Ich wollte seine Telefonnummer. Keck, wie er war, nahm er einen Edding und schrieb mir seine Handynummer in großen Zahlen auf meinen linken Unterarm, dahinter setzte er einen Zwinkersmiley.“ Ein Lächeln zaubert sich in mein Gesicht, als ich mir das Bild vor Augen halte.

„Ich wusste, dass es seine letzte Führung für diesen Tag war und nahm mir vor, ihn noch am selben Tag anzurufen. Das tat ich dann auch und wir verabredeten uns für den darauffolgenden Tag.

Ich hatte keine Ahnung, ob er schwul war, aber mein Gaydar sagte mir, dass ich richtig liege. Mit jeder weiteren Führung sahen wir uns intensiver an. Es war der fünfzehnte Januar. Das Datum werde ich nie vergessen. Als wir uns tags drauf trafen, war es total um mich geschehen. Ich hatte mich mit einem Blick in den süßesten Jungen aus ganz Hamburg verliebt. Ich konnte mich gar nicht satt sehen. Er hat Indigoblaue Augen und hellblondes Haar, das sein Gesicht umrahmt. Aber er wurde man gerade fünfzehn Jahre alt. Ich war hin und her gerissen. Auf der einen Seite war er so verflucht jung und auf der anderen Seite schon so reif und er wusste, was er wollte. Er wollte mich. Anfangs haben wir unsere Beziehung geheim gehalten, aber wir wurden bei einem Kinobesuch beobachtet. Die Sache ging für uns nicht so gut aus. Die Typen waren aus meiner Parallelklasse. Nach der Vorstellung haben sie uns abgefangen. Kev hat ein paar Prellungen und eine kleine Platzwunde abbekommen, aber mir haben sie zwei Rippen gebrochen. Das war nicht so prall. Aber die Aktion tags drauf in der Schule hat ziemlichen Eindruck gemacht. Tom, der Ehemann von Kevins Onkel Marc, hat seine Jungs zusammengetrommelt. Wenn da eine Gruppe Rocker vor der Schule auf dich wartet, dann kann man es schon mal mit der Angst zu tun bekommen. Wir hatten jedenfalls nie mehr Probleme wegen unserer sexuellen Ausrichtung. Die Aktion hatte Eindruck hinterlassen.

Das erste Mal miteinander geschlafen haben wir an seinem sechszehnten Geburtstag. Ich meine, ich hatte schon zwei oder drei Mal das Vergnügen in einem Darkroom, aber das war nie mein Ding. Kevin ist ein echt cleveres Kerlchen. Er übersprang eine Klasse in der Grundschule, weswegen er auch der Jüngste in seiner Klasse war. Sein Abi hat er mit 1,4 bestanden. Er hat sie alle in die Tasche gesteckt. Immer zwei Jahre jünger und mindestens einen Kopf kleiner. Aber er war akzeptiert. Kevin ist hilfsbereit und großzügig und er hat das Herz am rechten Fleck. Aber leider kein gesundes Herz. Seine linke Herzklappe ist nicht gesund. Irgendwann im November waren wir bei Tom im Fitnessstudio, wo er einfach umgefallen ist. Ich wusste gar nicht, wie mir geschah. Er lag da auf dem Boden, war grau im Gesicht und seine Lippen waren blau angelaufen. Er hatte sich total übernommen. In der Klinik bekamen wir dann die Schockdiagnose Mitralklappeninsuffizienz. Er hatte nie etwas bemerkt. Nun … von da an wussten wir es und haben darauf geachtet, dass er sich nicht mehr übernimmt.“ Ein warmes Gefühl breitet sich in meinem Magen aus. Meine Hände kribbeln.

„Sein Abi konnte er dann nach der Zwölften machen. Das war das Jahr, als bei uns in Deutschland das sogenannte Turboabitur eingeführt wurde. Für Kevin … kein Problem.

Wir begannen Pläne für die Zukunft zu machen. Gemeinsame Wohnung, Urlaub, bevor er zu studieren beginnt. Seinen achtzehnten Geburtstag wollten wir groß feiern. Aber ich bekam ein paar Wochen vorher den Anruf aus den Staaten, dass ich ein Stipendium für vier Semester bekommen konnte. Damals sah ich es als eine riesen Chance. Und das war es ja auch, aber auf Kosten unserer Liebe. Ich habe zugesagt, ohne mit ihm darüber gesprochen zu haben. Und somit unsere Liebe verraten. Gideon … ich … bitte, du musst mir glauben, ich wollte dir nie wehtun. Aber ich konnte auch nicht über Kevin sprechen. Nicht mit dir oder mit Amy oder sonst irgendwem. Er sollte mein Eigen bleiben. Ich wollte die Gedanken an ihn nur für mich. Ich hoffe, du verstehst jetzt ein wenig, wie ich mein Herz verlor und es nicht wiederbekommen habe, weil ich es bei ihm gelassen habe.“

„Wie habt ihr diese zwei Jahre geschafft und weiß er von mir?“

„Wir haben sie nicht geschafft. Jedenfalls nicht gemeinsam. Wir trennten uns, bevor ich ging. Das war das Härteste, was ich je erdulden musste. Ich war so oft davor, hier alles hinzuschmeißen. Aber mit der Zeit wurde es leichter. Und dann kamst du. Du hast mir die Zeit verkürzt. Brachtest wieder ein bisschen Freude in mein Leben. Klingt blöd, ist aber so. Mit dir konnte ich wieder lachen und das Leben wieder als lebenswert betrachten. Unser Sex war toll. Aber ich wollte nie, dass es so endet. Ich kann dir nichts schenken, was ich schon lange nicht mehr besitze. Wir sind erwachsene Männer. Wir sind schwul. Der eine oder andere würde jetzt hier sitzen und würgen, weil ich von Monogamie und echter Liebe träume. Aber nur wer es wirklich mal erlebt hat, kann da damit reden.“ Um Verzeihung bittend schaue ich meinen Freund an und sehe dennoch die Traurigkeit in seinen Augen.