Die Eliteeinheit Noeh und Jerome - B. H. Bartsch - E-Book

Die Eliteeinheit Noeh und Jerome E-Book

B. H. Bartsch

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Beschreibung

Jérôme hat früh gelernt, dass das Leben kein bunter Teller ist, von dem er naschen kann. Vom Tellerwäscher zum Chef hochgearbeitet, ist er glücklich mit seinem Leben, wenn da nicht das drohende Ende seiner beruflichen Existenz und die voranschreitende Krankheit seiner Granny wären. Jedoch hat das Schicksal eigene Pläne und stellt ihn auf eine harte Probe. Seit der Löwenwandler Noeh den Menschen Jérôme in seinem Lieblingsdiner begegnet ist, setzt er alles daran, die Aufmerksamkeit des jungen Mannes zu erregen. Als er sich endlich dazu durchringt, den Mann um ein Date zu bitten, bricht für Jérôme nicht nur eine Welt zusammen. Auch für Noeh wird die Situation nicht einfacher, denn eine Bedrohung, die auch das Rudel betrifft, tritt in Erscheinung. Noeh wird gezwungen, seine Geheimnisse zu offenbaren, doch kann Jérôme damit umgehen? Das ist der zweite Teil der Eliteeinheit-Reihe. Die Geschichte ist in sich abgeschlossen. Allerdings zieht sich eine Nebengeschichte, die ihren Ursprung im ersten Band findet, durch die nächsten Bände. Jeder weitere Band der Reihe bezieht sich auf ein neues Paar und ist einzeln für sich lesbar. Diese Geschichte hat knapp 52.000 Wörter. Teil 1 – Die Eliteeinheit – Daniel und Tiago Teil 2 – Die Eliteeinheit – Noeh und Jérôme Teil 3 – Die Eliteeinheit – Benjamin und Kilian (Erscheint Ende 2021)

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B. H. Bartsch

Die Eliteeinheit Noeh und Jerome

Band 2

BookRix GmbH & Co. KG81371 München

Klappentext

 Jérôme hat früh gelernt, dass das Leben kein bunter Teller ist, von dem er naschen kann. Von Tellerwäscher zum Chef hochgearbeitet, ist er glücklich mit seinem Leben, wenn da nicht das drohende Ende seiner beruflichen Existenz und die voranschreitende Krankheit seiner Granny wäre. Jedoch hat das Schicksal eigene Pläne und stellt ihn auf eine harte Probe.

Seit der Löwenwandler Noeh den Menschen Jérôme in seinem Lieblingsdiner begegnet ist, setzt er alles daran, die Aufmerksamkeit des jungen Mannes zu erregen. Als er sich endlich dazu durchringt, den Mann um ein Date zu bitten, bricht für Jérôme nicht nur eine Welt zusammen. Auch für Noeh wird die Situation nicht einfacher, denn eine Bedrohung, die auch das Rudel betrifft, tritt in Erscheinung. Noeh wird gezwungen, seine Geheimnisse zu offenbaren, doch kann Jérôme damit umgehen?

Das ist der zweite Teil der Eliteeinheit-Reihe. Die Geschichte ist in sich abgeschlossen. Allerdings zieht sich eine Nebengeschichte, die ihren Ursprung im ersten Band findet, durch die nächsten Bände. Jeder weitere Band der Reihe bezieht sich auf ein neues Paar und ist einzeln für sich lesbar.

Diese Geschichte hat knapp 52.000 Wörter.

Teil 1 – Die Eliteeinheit – Daniel und Tiago

Teil 2 – Die Eliteeinheit – Noeh und Jérôme

Teil 3 – Die Eliteeinheit – Benjamin und Kilian (Erscheint Ende 2021)

Prolog Jérôme – 10 Jahre zuvor

Der Regen tropft von meiner Nasenspitze auf die schwarzen Schuhe, die ich zu meiner besten Jeans angezogen habe. Sie passen mir nicht mehr … drücken am großen Zeh. Besser einen Schmerz an den Füßen als den im Herzen. Ich muss jetzt für meine Granny stark sein. Sie klammert sich an meinen Arm und schluchzt leise in ihr Taschentuch. Der Pastor erzählt von Großvaters langem und arbeitsreichem Leben. Redet über die Liebe, die er für uns in seinem Herzen trug. Er macht es uns damit nicht leichter, hier zu stehen. Der Kloß in meinem Hals will einfach nicht rutschen. Sooft ich auch schlucke, im Gegenteil, er wird immer größer. Granny zittert, stemmt sich immer mehr auf meinen Unterarm, ihr Wehklagen wird lauter. Endlich kommt er zum Ende und hält den Mund. Doch dann kommen die vier Männer und lassen den Sarg in die Erde. Und da geht sie hin, meine Beherrschung. Tränen laufen mir wie Rinnsale aus meinen Augen, trüben meine Sicht und der Schmerz in meinem Herzen übernimmt die Kontrolle. Ich drehe mich zu meiner Großmutter und nehme ihren kleinen Körper in meine Arme und drücke sie fest an mich. Gemeinsam weinen wir um den Menschen, der der Zenit in unserem Leben war und uns plötzlich und unerwartet im Schlaf verlassen hat. Ganz sanft ist er auf die andere Seite gewechselt und hat uns zurückgelassen.

 

***

 

Leise schließe ich Tür zum Schlafzimmer meiner Großeltern und achte darauf, dass ich nicht auf die knarzende Diele trete, die mich immer verraten hat, wenn ich auf dem Weg nach unten war. Großmutter braucht ihre Ruhe. Sie schläft endlich. Der Tag war furchtbar. Großvater zu beerdigen war das Schwerste, was ich bisher machen musste. An die Beerdigung meiner Eltern kann ich mich nicht erinnern. Ich war noch zu klein, aber ich weiß, dass es meinen Großeltern damals das Herz gebrochen hat.

Mit einem heißen Tee setze ich mich an den Küchentisch und schaue mich um. Alles hier ist so vertraut und riecht nach zu Hause. Aber Großvaters Tod ändert jetzt alles. Das Geld wird knapp werden. Ich werde mir einen Job suchen müssen, damit Granny in ihrem Haus bleiben kann. Aber wer nimmt mich? Was kann ich und vor allem wo kann ich arbeiten, dass ich den finanziellen Verlust durch Großvaters Tod auffangen kann. Meine Pläne, aufs Community College zu gehen, werde ich wohl erst mal an den Nagel hängen müssen.

Die Last, die mir auf den Schultern liegt, fühlt sich an, als ob ich sie nicht tragen könnte. Der Stuhl neben mir ist leer. Großvater wird sich dort nie wieder niederlassen und mich nach meinen Plänen fragen. Gott, ich vermisse ihn so sehr, dass es mir die Luft zum Atmen nimmt.

Die Stille im Haus ist so ungewöhnlich. Sonst dudelt hier in der Küche immer leise das kleine Radio, das in der Ecke auf der Fensterbank steht, und im Wohnzimmer läuft der Fernseher. Meist der Sportsender, aber jetzt? Es scheint, dass mit Großvater etwas gegangen ist, das dieses Heim zu etwas Besonderem gemacht hat. Viele Dinge werden nicht mehr so sein, wie sie es bis vor einer Woche noch waren. Die liebevollen Frotzeleien zwischen meinen Großeltern, die Geräusche aus dem Keller, wenn Grandpa dort an irgendetwas gewerkelt hat, oder die Übertragung des Spiels der Leafs.

Die Küche ist wie immer tadellos aufgeräumt. Das Handtuch hängt feinsäuberlich über die Schranktür drapiert, auf der Spüle steht keine Tasse, der Boden ist gefegt und die Orchidee blüht auf der Fensterbank, seitdem Grandpa und ich sie beim Einkaufen entdeckt und einfach für Granny mitgenommen haben. Das dürfte vor fünf Jahren gewesen sein.

Mir wird bewusst, dass sich mit Großvaters Tod alles verändern wird. Er hat eine Lücke hinterlassen, die durch nichts und niemanden gefüllt werden kann. Und das sind nur meine Empfindungen. Wie es wohl in Granny aussieht? Wie groß ihr Schmerz sein muss, denn die beiden haben im letzten Sommer ihren fünfzigsten Hochzeitstag gefeiert. Wut gesellt sich zu meinem Schmerz im Herzen, denn mit knapp siebzig einfach zu sterben ist nicht fair. Großvater war erst ein paar Jahre in Rente, er hätte noch viele großartige Jahre mit Granny verdient. Das Schicksal ist ein Arschloch. Es fragt nicht, ob es zu früh war, oder dass Granny ab jetzt allein sein muss. Oder dass ich meine Pläne, aufs College zu gehen, verwerfen muss. Es fragt einfach nicht, ob die Konsequenzen aus Großvater Tod lebensverändernd sind. Es passiert einfach.

Morgen … morgen werden die Sorgen auch noch da sein. Dann werde ich mir Gedanken machen, wie es weitergeht. Aber heute bin ich zu müde, zu traurig und zu verbittert, um mir Gedanken um die Zukunft zu machen. Ich schiebe die Tasse mit dem inzwischen kalten Tee in die Mitte des Tisches und lege meinen Kopf auf meine Unterarme. Und diesmal tropfen Tränen von meiner Nasenspitze auf das Wachstischtuch. Ich lasse los und weine. Weine um unser verlorenes Glück.

Kapitel 1 – Jérôme - 10 Jahre später

 Leise öffne ich die Tür und sehe, wie die Pflegerin das Bett meiner Granny neu bezieht. Als sie mich erblickt, lächelt sie und deutet mit dem Kopf aufs Fenster. Ich trete ein und erblicke meine Granny, die dort in einem Sessel sitzt und nach draußen blickt.

»Hallo Mara, wie geht es ihr heute?«

»Sie hatte eine unruhige Nacht. Sie hat nach einem Richard und einer Melanie gerufen.« Die Namen versetzen mir einen Stich. »Wissen Sie, wen sie damit meint?« Ich muss schlucken und mir eingestehen, dass Granny immer weiter in die Vergangenheit zurückreist.

»Ja. Richard und Melanie waren meine Eltern. Sie starben, als ich noch ein ganz kleines Kind war. Es gab einen Lawinenabgang, der damals eine Gruppe von Skifahrern mitgerissen hat. Acht von ihnen haben es nicht geschafft. Meine Eltern waren unter ihnen.«

»Oh, das tut mir leid. Mein Beileid.«

»Es ist lange her. Aber wenn Granny an meine Eltern denkt, bedeutet dass, dass ihre Krankheit weiter voranschreitet?«

»Es ist eine Momentaufnahme. Ihre Granny spricht sehr wenig, was bedeutet, dass ihre Erkrankung bereits sehr weit fortgeschritten ist. Jérôme, so hart das klingt, aber Sie müssen sich damit auseinandersetzen, dass Ihre Großmutter irgendwann nicht mehr da ist. Gestern hat sie sich plötzlich sehr aufgeregt. Es brach aus ihr heraus und keine zwei Minuten später war sie wieder sanft wie ein Lamm. Vertrauen Sie uns. Ihre Entscheidung, sie hierher zu bringen, war richtig. Wir kümmern uns gut um sie. Menschen mit Alzheimer benötigen eine 24/7 Betreuung. Das können die wenigsten zu Hause leisten. Mal ganz abgesehen von der psychischen Belastung. Sie wissen es doch selbst, wie anstrengend die Betreuung war. Lassen Sie nicht zu, dass Ihr schlechtes Gewissen die Oberhand gewinnt.«

»Ich weiß, dass Sie recht haben, aber nach dem Tod meines Großvaters hatte sie nur noch mich. Vielleicht wollte ich anfangs die Anzeichen nicht wahrhaben, aber im Grunde war es ein Festhalten an Gewohntem. Erst als sie den Kamin anfeuern wollte und damit das Haus beinahe in Brand gesteckt hat, musste ich mir eingestehen, dass ich Hilfe brauche. Und das ist bereits zwei Jahre her.«

»Im Durchschnitt leben Menschen mit Alzheimer circa sieben Jahre. Ihre Großmutter hat die Krankheit nicht erst seit gestern. Fürs Erste ist sie hier gut aufgehoben und wenn Sie sich entscheiden, dass sie hierbleiben soll, dann ist das keine Entscheidung, die Sie sich vorwerfen sollten. Beginnen Sie an sich zu denken. Sie haben für Ihre Großmutter viel getan und länger durchgehalten, als viele andere es konnten. Bei Gott, es gibt viele, die ihre Lieben lieber früher als später ins Pflegeheim abschieben, das können Sie sich nun wirklich nicht vorwerfen. Und nun gehen Sie zu ihr.«

»Danke fürs Mutmachen.«

»Nicht dafür.« Sie dreht sich um und bezieht das Bett weiter.

»Hallo Granny, wie geht es dir heute?« Ich hocke mich vor sie und halte mich an der Sessellehne fest. Langsam blickt sie zu mir herunter und schaut mich lange an, bevor das Erkennen ihr Gesicht zum Strahlen bringt.

»Jerry, mein Liebling. Können wir jetzt nach Hause gehen? Ich muss das Essen noch vorbereiten. Dein Großvater kommt gleich von der Arbeit.« Dieser erwartungsvolle Blick schnürt mir die Kehle zu. Immerhin erkennt sie mich heute. Seit vier Wochen wohnt sie jetzt hier in der Pflegeeinrichtung. Ich konnte nicht mehr. Immer in der Angst, dass sie sich in ernsthafte Schwierigkeiten bringen könnte, weil sie einfach nicht weiß, was sie da tut. Wie die Sache mit dem Kamin. Es war reiner Zufall, dass ich zwischendurch schnell nach Hause gefahren bin, um nach Granny zu schauen. Sie war krank. Der Pflegedienst kam zwar zweimal am Tag, aber meine innere Unruhe hat mich angetrieben. Man gut. Das hätte auch übel enden können. Seit vier Wochen kämpfen der gute und der böse Engel auf meinen Schultern um mein Gewissen, das mal zu der einen und dann wieder zu der anderen Seite tendiert. Im Grunde weiß ich, dass es die richtige Entscheidung war, sie hierherzubringen, aber seitdem sie nicht mehr in ihrem – unserem – Zuhause wohnt, ist es sehr einsam in dem kleinen Haus geworden. Ich greife nach ihrer Hand, die sich leicht kühl anfühlt und knöchern. Ihre Haut ist hauchdünn und mit Altersflecken übersät. Ihre Nägel sind kurz und gepflegt. Sie kümmern sich hier um meine Granny. Das Zimmer ist ein Glücksgriff gewesen. Die tiefen Fenster lassen einen guten Blick in den Park zu, der zurzeit unter einer weißen Schneeschicht Kraft für kommenden Frühling sammelt. Ob sie den Frühling noch erleben darf?

Nach dem Tod von Grandpa hat sie nach und nach abgebaut. Mit ihm ist ihre Vitalität immer mehr und mehr verschwunden. Es waren harte Zeiten. Für uns beide.

Eine Katze schleicht durch den Schnee im Garten und sie erblickt sie.

»Schau. Sie wird verfroren sein, wir sollten sie hereinlassen.« Diese Krankheit hat ihr so viel genommen, aber den herzensguten Kern in ihrem Wesen nicht.

»Dann werde ich das mal tun. Hab dich lieb, Granny.« Ich stemme mich hoch und greife nach der Wolldecke, die die Pflegerin auf das Fußende ihres Bettes gelegt hat. Ich falte sie auseinander und lege sie ihr über ihre Beine, küsse sie auf die Stirn und verabschiede mich bis morgen. Die Arbeit ruft. Sie bemerkt gar nicht, dass ich gehe. Das tut sie schon lange nicht mehr. In ihrer Welt versunken starrt sie nach draußen und scheint mit sich im Reinen zu sein. Das hat mir der Arzt versucht zu erklären. Dass sie in ihrer Welt zufrieden, vielleicht sogar glücklich ist. Ein Widerspruch, wenn man bedenkt, wie sehr die Krankheit sie verändert und gezeichnet hat. Kurz bleibe ich in der Tür stehen und drehe mich noch mal um. Sie reckt sich und schaut nach der Katze, die noch immer dort draußen irgendwo ist. Ihr liebevoller Gesichtsausdruck verdrängt ein kleines bisschen meine Sorgen bezüglich der Entscheidung, die ich für meine Granny getroffen habe. Obwohl ihr Zimmer sehr geschmackvoll eingerichtet ist und viel Licht hineinflutet, das Personal immer sehr nett und zuvorkommend ist, bleibt ein Funken Zweifel, dass ich einen Fehler gemacht haben könnte. Hoffentlich bereue ich dies alles hier nicht.

 

Auf dem Weg zum Diner zwinge ich mich, mich an die guten Zeiten zu erinnern. Damals, als Grandpa noch da und alles gut war. Aber war es das auch? Alles gut? Nur insofern, dass wir uns hatten, um uns gegenseitig zu unterstützen. Mitnichten, wenn ich an die Verantwortung denke, die ich ab dem Tag hatte, all das zu erhalten, was meine Großeltern gemeinsam aufgebaut hatten. Denn nach seinem Tod wurde es schwierig. Und doch haben wir es geschafft. Ich fand den Job im Diner. Anfangs nur, um das Geschirr zu spülen und abends zu putzen. Zu dem Zeitpunkt hatte ich noch zwei Jobs, die ich zwischendrin und nachts erledigt habe. Aber als Joe mir die Frühstücksschicht anvertraut hatte, bin ich erleichtert gewesen und konnte die anderen beiden Jobs kündigen. Zu der Zeit habe ich manchmal weniger als vier Stunden Schlaf am Tag bekommen. Granny hat sich damals sehr um mich gesorgt und war erleichtert, dass ich nun geregeltere Arbeitszeiten hatte. Nicht, dass die Zeit ein Zuckerschlecken war. Im Leben nicht, aber ich habe eine Menge gelernt und mir das Vertrauen meines Chefs erarbeitet. Die Ausbildung zum Koch habe ich bei ihm gemacht und er war ein strenger Lehrherr, aber gerecht. Ich mochte den alten Mann, der mit Vorliebe seinen Gästen Speisen aus seiner alten Heimat vorgesetzt hat. Er war Deutscher und hieß eigentlich Johann. Er kam mit knapp neunzehn Jahren nach Kanada und ließ sich hier nieder. Er eröffnete den Diner und hat ihn über vier Jahrzehnte geführt. Dieser Laden war und ist eine Institution und die Gäste kommen gern. Das tun sie heute noch, denn ich habe an der Speisekarte nichts geändert. Als Joe uns vorletztes Jahr mitteilen musste, dass er Krebs hat und keine Chance auf Heilung bestand, sind wir aus allen Wolken gefallen.

Ich sehe die Szene vor Augen, als sei sie gestern gewesen. Olivia, Ivy, Chester und ich saßen am Tisch, als Joe uns verkünden musste, dass er es nicht mehr schaffen würde. Angestrengt haben wir nach Lösungen gesucht, um ihn zu entlasten. Wir wollten, dass er sich ausruhen kann. Ich übernahm seinen Part, Chester die Frühstücksschicht und die Mädels das Putzen und Spülen des Geschirrs. Es ging irgendwie und wir spielten uns ein. Doch eines Morgens kam er nicht wie gewohnt in den Laden. Das war kein gutes Zeichen. Und es sollte sich bewahrheiten. Joe war in dieser Nacht von uns gegangen und hat mir eine Überraschung hinterlassen.

Mit dem Auto braucht man ungefähr zehn Minuten vom Pflegeheim bis zum Diner. Seit vier Wochen fahre ich täglich zweimal hin. Morgens, um meiner Granny einen schönen Tag zu wünschen und abends, um zu sehen, ob sie wirklich auch einen guten Tag hatte. Nun stehe ich vor dem Laden und schaue dem Treiben im Innern zu. Das Frühstücksgeschäft ist gerade in vollem Gange, aber ich weiß, dass Chester es schafft. Er hat sich, genauso wie ich, in die Aufgabe hineingefuchst. Der Block besteht aus vier Läden. Meinem Diner, einem Friseur, einem Nagelstudio und einem etwas größeren Laden für Heimwerkerbedarf. Aus dem Nagelstudio werden Möbel getragen. Das erste Opfer der Mieterhöhungen, die der Verwalter für den neuen Inhaber durchgesetzt hat. Ich steige aus und halte auf die Frau zu, die den kleinen Laden aufgibt.

»Hey Ruby. Ist es so weit?«

»Hi Jerry. Ja. Ich pack das nicht mehr. Im letzten Monat habe ich meine Reserven für meinen Ruhestand anfassen müssen, um die laufenden Kosten zu decken. Die Miete ist doppelt so hoch wie vor einem halben Jahr noch. Was soll ich machen? Hoffen, dass sie die Miete wieder senken werden? Da warten wir bis zum Sankt-Nimmerleins-Tag. Ich habe ein kleines Studio auf der anderen Seite von Kingston gefunden. Ich hoffe, dass ich noch mal auf die Beine komme. Und du? Schaffst du es? Ich meine, es ist ja gut was los bei dir.«

»Schaffen? Gute Frage. Auch meine Miete ist verdoppelt worden. Außerdem haben sie uns das Weihnachtsgeschäft genommen, indem sie uns Wasser, Strom und Gas abgestellt haben. Und das zwischen den Feiertagen. Gerade da, wo ich hätte Umsatz machen können. Sie ließen nicht mit sich reden. Angeblich gingen die Reparaturarbeiten nur zu diesem Zeitpunkt. Wenn du mich fragst, war das Bullshit und absolutes Kalkül.«

»Sie wollen uns raushaben, das ist eindeutig. Na ja, bei mir haben sie es ja geschafft.«

»Es tut mir sehr leid. Ruby, ich wünsche dir alles Gute. Und komm mal auf einen Kaffee rein, wenn du in der Nähe bist.«

»Das werde ich ganz bestimmt. Pass auf dich auf, Süßer. Du schaffst das schon.« Wir umarmen uns kurz und dann wendet sie sich ab und geht in ihren ehemaligen kleinen Laden zurück, um zu erledigen, was nötig ist.

Ivy wirbelt zwischen den Tischen hin und her und versorgt die Gäste mit Kaffee und ihrem bestellten Frühstück. Es herrscht der typische morgendliche Andrang. Die Leute bestellen Pancakes, Eier mit verschiedenen Gemüsesorten, Speck und Bratkartoffeln, literweise Kaffee und seit Neuestem auch Latte macchiato, Espresso und Cappuccino. Die neue Maschine habe ich kurz nach Joes Tod angeschafft. Genauso wie ich eine neue Spülmaschine gekauft habe, um uns das Leben zu erleichtern. Auch der große Fernseher, der gerade die neuesten Nachrichten verkündet, ist neu. Wenn die Leafs spielen, ist der Laden rappelvoll und ich mache guten Umsatz. Das hat uns in den letzten Monaten geholfen, die doppelte Miete aufzubringen, die unser Vermieter verlangt.

»Moin Chef. Die Bestellung von gestern kommt gleich, Olivia kommt später, sie muss mit ihrem Hund zum Tierarzt, ach, und da ist ein Einschreiben für dich. Ich glaube, vom Verwalter. Sieht jedenfalls wichtig aus.« Ivys kurzes Briefing bringt mich auf den neuesten Stand. Doch Post vom Vermieter ist etwas, das ich nicht gern höre. Der Brief liegt hinter der Theke neben dem Telefon. Ich bleibe stehen, als ich den Stapel mit den Briefen erblicke. Das Einschreiben obenauf. Wie eine giftige Viper betrachte ich den Umschlag und will eigentlich gar nicht wissen, was sie sich jetzt schon wieder ausgedacht haben, um mich zu schikanieren.

Kapitel 2 – Noeh - Essen mit Freunden

Grummelnd warte ich darauf, dass der Typ endlich aufsteht und meinen Stammplatz im Diner freigibt. Normalerweise macht es mir nichts aus, auf der Lauer zu liegen und auf meine Gelegenheit zu warten. Nur dass ich jetzt nicht im Tarnanzug auf irgendeinem Hügel liege, vor mir mein Scharfschützengewehr und das Zielobjekt durch das Fadenkreuz im Zielfernrohr beobachte. Nein. Ich sitze in meinem Wagen und warte. Jérôme hat den Laden vor zwei Stunden betreten und ist dann in die Küche verschwunden. Mein Dank geht an den Architekten, der dem Laden eine große Fensterfront verpasst hat. Die Gäste kommen und gehen, aber der Typ sitzt da wie festgetackert. Liest seine Zeitung und hat inzwischen die sechste oder siebte Tasse Kaffee intus. Ist keiner von hier. Ich schätze, dass er ein Trucker ist, der hier seine Pause macht. So langsam könnte ich auch was zu essen vertragen. Aber ich will mich unbedingt auf diesen Platz setzen, denn von dort aus kann ich den Süßen in seiner Küche beobachten. Das habe ich in den letzten Tagen immer wieder gemacht.

Ich war versucht, Tiago seinen Background checken zu lassen, aber irgendwie fühlt sich das nicht richtig an. Mein Kopf ist wahnsinnig neugierig, aber mein Bauch sagt mir, dass ich das hier erstens langsam und zweitens richtig angehen sollte. Persönliches sollte mir der Mann, der meinen Löwen wie eine Herde Antilopen anzieht, lieber selbst erzählen.

Endlich. Der Typ faltet die Zeitung zusammen. Wer liest heute eigentlich noch Papierzeitungen? Hat der Kerl kein Tablet? Egal, wenn er nur endlich verschwinden oder sich wenigstens einen Tisch weiter setzen würde. Ja, ich bin egoistisch. Aber nur, wenn es um Jérôme geht. Aus dem Augenwinkel sehe ich einen kleinen schwarzen Flitzer auf den Parkplatz fahren. Na, die verkleidete Zündkerze kenne ich doch! Tiago, der Gefährte meines Alphas, fährt sportlich in die Parklücke, wo auch wirklich nur ein Mini reinpasst. Er steigt aus und ich sehe, dass die Beifahrertür auch aufgegangen ist. Mich laust der Affe. Da pellt sich mein zwei Meter und vier Zentimeter großer Alpha aus dem Wagen. Na – das lasse ich mir doch nicht entgehen. Ich steige aus und gehe rüber. Breit grinsend steht Tiago da, als er mich entdeckt, und hält die Hand auf.

»Du schuldest mir einen Zehner.« Ich komme noch dazu, zu sehen, wie Daniel seine Beine aus dem Wagen schiebt und sich bemüht, beim Aussteigen die Tür nicht an den anderen Wagen zu donnern. Als er endlich neben dem Auto steht, schaut er finster zu, wie ich Tio seinen Wetteinsatz übergebe.

»Wettschulden sind Ehrenschulden. Außerdem war es das wert.« Daniel klappt den Mund zu und schließt die Tür. Das leise »Wittwitt« der Alarmanlage erklingt. Der viel kleinere Mann steht ziemlich unbeeindruckt da und wartet ab, was seine bessere Hälfte zu der Wette zu sagen hat. Daniel kommt um das Auto herum auf uns zu. Er sagt nichts. Nur das leichte Zucken seines Mundwinkels beweist, dass er gar nicht so sauer ist, wie er vorgibt zu sein.

»Ja, ja. Komm, du Brummbär. Du bist nicht du, wenn du hungrig bist. Lass uns reingehen und dir was zum Essen besorgen.« Tiago ist großartig. Er nimmt unseren Alpha an die Hand und zieht den Hünen hinter sich her zum Eingang des Ladens, den ich seit beinahe drei Stunden observiere. Kurz vor der Tür bleibt Daniel stehen und zieht Tio an sich.

»Den Wetteinsatz habe ich ja gesehen, aber weswegen habt ihr gewettet?« Argh … Er macht wieder dieses Ding mit seiner Macht. Das verpasst mir immer eine höllische Gänsehaut. Tio scheint sie immens anzumachen. Man riecht sofort seine Erregung.

»Mann, Leute, nicht hilfreich. Echt nicht«, beschwere ich mich.

»Selbst schuld. Also? Um was ging’s?« Jetzt grinst Dan höhnisch.

»Ich habe mit deinem Schatz gewettet, dass du in dieses Auto nie einsteigen würdest. Gut, ich habe mich getäuscht und Tio hat zehn Mäuse gewonnen. Das war alles.« Dan schaut zu Tio runter, der gerade versucht, ganz unschuldig aus der Wäsche zu schauen.

»Du hast nicht zufällig gewusst, dass Noeh hier heute wieder rumlungert?« Das verschlagene Grinsen von Tio gilt erst Dan, dann mir. Ich fasse es nicht. Dieser kleine Kobold hat uns ausgetrickst, um die Wette zu gewinnen.

»Moment mal. Ich lungere hier nicht rum. Ich observiere.«

»Na klar. Können wir jetzt endlich was essen gehen? Mein Großer hier hat Hunger. Komm, Schatz. Magst du einen Burger mit Pommes und Chili-Cheese-Soße?« Somit dreht sich Tio um und öffnet die Tür zum Diner. Fassungslos schauen wir ihm nach und schütteln beide den Kopf.

»Oh, dafür bekommt er nachher die Quittung.« Seine Worte und das tiefe Brummen in Daniels Stimme kündigen wieder einen Liveporno für heute Nacht an, wo wir wieder Ohrenzeugen werden dürfen. Unser Zuhause ist nicht besonders gut schallisoliert. Alles schon erlebt.

»Ja, mein Freund. Bestrafung muss sein.« Ich kann das Glucksen nicht aufhalten, das sich in mir aufstaut und herausdrängelt.

Endlich sitzen wir an dem Tisch, auf den ich es seit Stunden abgesehen habe. Mein erster Blick geht durch die große Durchreiche zur Küche. Der Mann meiner nächtlichen Träume arbeitet konzentriert. Das T-Shirt ist weiß und hebt sich somit von seiner dunkleren Haut ab. Die Muskeln seiner Oberarme sind wohldefiniert und seine Brust füllt das Stück Stoff ansehnlich aus. Aber er hat einen verkniffenen Gesichtsausdruck um seinen Mund. Irgendwas scheint ihn zu beschäftigen. Unsere Bedienung kommt an den Tisch und begrüßt uns.

»Willkommen zurück, die Herren. Was darf es denn heute sein? Kaffee?«

»Hallo Ivy. Geht es Ihnen gut? Ich hätte gern das Tagesgericht und ein großes Glas Eistee, ohne Eis, dafür aber mit einem Minzblatt, wenn es geht?«

»Na klar geht das. Wie immer. Mache ich Ihnen gleich fertig.« Sie schreibt meine Bestellung auf und schaut dann zu Tio und Dan, die uns aufmerksam zugehört haben. »Was darf es für Sie sein?« Ivy ist freundlich und aufgeschlossen. Ich schätze, dass sie uns recht schnell durchschaut hat, denn ihre Flirtversuche hat sie am Anfang gleich eingestellt, als niemand aus unserem Rudel auf ihre subtilen Versuche eingegangen ist. Keiner von den Jungs wollte ihr falsche Hoffnungen machen. Ein flüchtiger Blick über ihre Schulter lässt mich stocken. Jérôme blickt zu uns herüber und schaut mir direkt in die Augen. Das lässt meinen Puls in die Höhe schnellen. Dieser Mann ist atemberaubend schön. In mir rebelliert mein Löwe. Wie gern würde er jetzt aufstehen und in die Küche marschieren. Doch Jérôme löst den Blick und konzentriert sich wieder auf seine Arbeit. Ivy geht zurück hinter die Theke und gibt unsere Bestellung in die Küche weiter.

»Hey Kumpel, alles okay bei dir?« Daniel legt seine Hand auf meine Schulter und beugt sich zu mir rüber.

»Ja. Ja, alles okay. Er hat hergeschaut und …« sogar mir fällt auf, dass meine Worte irgendwie falsch verstanden werden könnten.

»Warum fragst du ihn nicht einfach, ob er mal mit dir was trinken gehen würde?«

»Wenn das so einfach wäre. Er kommt so gut wie nie aus der Küche. Ich kann da ja schlecht einfach reinmarschieren.«

»Pass ihn abends ab, wenn er den Laden verlässt. Geh die Sache an, dann wirst du wissen, woran du bei ihm bist.« In dem Augenblick kommt Ivy zurück und bringt uns unsere Getränke.

»Essen ist in fünf Minuten fertig«, informiert sie uns und rauscht von dannen.

Das Essen hier schmeckt wirklich gut und die Portionen machen satt. Das war schon zu Joes Zeiten so. Daran hat Jérôme nichts geändert. Es gibt die klassischen Gerichte wie Sandwiches, Burger, Suppen sowie Snacks und Desserts, aber hier sind die Tagesgerichte auch mal außergewöhnlich. Es gibt Wiener Schnitzel, Gulaschsuppe, Spaghetti bolognese oder ab und an auch Königsberger Klopse. Einmal in der Woche hebt sich das Tagesgericht ab und wenn man nicht frühzeitig da ist, hat man Pech gehabt. Aber heute scheine ich Glück zu haben, denn Ivy stellt mir einen Teller mit Spaghetti bolognese und eine kleine Schüssel mit frisch geriebenem Parmesan hin. Mein Magen knurrt schon, seitdem ich den Laden betreten habe. Wir bedanken uns und beginnen zu essen. Mein Geschmackssinn feiert eine Party, als die Gabel mit der Soße und den Nudeln in meinen Mund wandert. Ich schließe die Augen und genieße das Aroma von fruchtigen Tomaten, süßen Karotten, italienischen Kräutern und den herben Geschmack vom Parmesan. Ein leises Stöhnen entweicht mir, bevor ich beginne zu kauen. Als ich die Augen öffne, schauen mich Dan und Tio an, als ob ich Tomatensoße am Kinn hätte. Ihr eigenes Essen ist noch unberührt, weil sie mit Starren beschäftigt sind.

»Das ist lecker. Ihr solltet eure Burger essen, bevor sie kalt werden. Die Chili-Cheese-Soße ist übrigens großartig.« Mein Versuch, von mir abzulenken, scheint von Erfolg gekrönt zu sein. Sie schauen sich an, ohne was zu sagen. Dann lächeln sie und beginnen ebenfalls sich ihren Burgern zu widmen.

Gerade als ich den letzten Rest Eistee austrinke, kommt Ivy an unseren Tisch und stellt uns jedem einen Apfelkuchen garniert mit einer Kugel Vanilleeiscreme vor die Nase.