Herzroman Doppelband 1015 - Eva Joachimsen - E-Book

Herzroman Doppelband 1015 E-Book

Eva Joachimsen

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Beschreibung

Dieses Buch enthält folgende Romane: Ich will aus Liebe heiraten (Eva Joachimsen) Isabella oder der Schatz im Klavier (Konrad Carisi) Prinz Philipp lebt mit seinen Eltern Fürst und Fürstin von Dannenfeld auf dem Jagdschloss der Familie und bewirtschaftet das Landgut. Nach seinem landwirtschaftlichen Studium hatte er die Leitung übernehmen müssen, weil sein Vater gesundheitlich nicht mehr in der Lage war. Außerdem hatten seine Fehlinvestitionen und schlechten Ernten die Familie an den Rand des Ruins gebracht und man befürchtete, den jahrhundertealten Familiensitz verkaufen zu müssen. Nur eine reiche Schwiegertochter würde die von und zu Dannenfelds vor dem Konkurs retten. Es ist auch schon eine Erbin in Sicht: Cindy Borchert, die Tochter des erfolgreichen Fleischfabrikanten. Beide Eltern sind sich einig, aber die Kinder wollen sich auf keinen Fall zu einer Ehe zwingen lassen ...

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Konrad Carisi, Eva Joachimsen

Herzroman Doppelband 1015

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Inhaltsverzeichnis

Herzroman Doppelband 1015

Copyright

Ich will aus Liebe heiraten

Isabella oder der Schatz im Klavier

Herzroman Doppelband 1015

Eva Joachimsen, Konrad Carisi

Dieses Buch enthält folgende Romane:

Ich will aus Liebe heiraten (Eva Joachimsen)

Isabella oder der Schatz im Klavier (Konrad Carisi)

Prinz Philipp lebt mit seinen Eltern Fürst und Fürstin von Dannenfeld auf dem Jagdschloss der Familie und bewirtschaftet das Landgut. Nach seinem landwirtschaftlichen Studium hatte er die Leitung übernehmen müssen, weil sein Vater gesundheitlich nicht mehr in der Lage war. Außerdem hatten seine Fehlinvestitionen und schlechten Ernten die Familie an den Rand des Ruins gebracht und man befürchtete, den jahrhundertealten Familiensitz verkaufen zu müssen. Nur eine reiche Schwiegertochter würde die von und zu Dannenfelds vor dem Konkurs retten. Es ist auch schon eine Erbin in Sicht: Cindy Borchert, die Tochter des erfolgreichen Fleischfabrikanten. Beide Eltern sind sich einig, aber die Kinder wollen sich auf keinen Fall zu einer Ehe zwingen lassen ...

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Ein CassiopeiaPress Buch: CASSIOPEIAPRESS, UKSAK E-Books, Alfred Bekker, Alfred Bekker präsentiert, Casssiopeia-XXX-press, Alfredbooks, Uksak Sonder-Edition, Cassiopeiapress Extra Edition, Cassiopeiapress/AlfredBooks und BEKKERpublishing sind Imprints von

Alfred Bekker

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© dieser Ausgabe 2023 by AlfredBekker/CassiopeiaPress, Lengerich/Westfalen

Die ausgedachten Personen haben nichts mit tatsächlich lebenden Personen zu tun. Namensgleichheiten sind zufällig und nicht beabsichtigt.

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Ich will aus Liebe heiraten

Fürstenroman von Eva Joachimsen

Der Umfang dieses Buchs entspricht 115 Taschenbuchseiten.

Prinz Philipp lebt mit seinen Eltern Fürst und Fürstin von Dannenfeld auf dem Jagdschloss der Familie und bewirtschaftet das Landgut. Nach seinem landwirtschaftlichen Studium hatte er die Leitung übernehmen müssen, weil sein Vater gesundheitlich nicht mehr in der Lage war. Außerdem hatten seine Fehlinvestitionen und schlechten Ernten die Familie an den Rand des Ruins gebracht und man befürchtete, den jahrhundertealten Familiensitz verkaufen zu müssen. Nur eine reiche Schwiegertochter würde die von und zu Dannenfelds vor dem Konkurs retten. Es ist auch schon eine Erbin in Sicht: Cindy Borchert, die Tochter des erfolgreichen Fleischfabrikanten. Beide Eltern sind sich einig, aber die Kinder wollen sich auf keinen Fall zu einer Ehe zwingen lassen ...

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Ein CassiopeiaPress Buch: CASSIOPEIAPRESS, UKSAK E-Books und BEKKERpublishing sind Imprints von Alfred Bekker

© by Author

© dieser Ausgabe 2018 by AlfredBekker/CassiopeiaPress, Lengerich/Westfalen in Arrangement mit der Edition Bärenklau, herausgegeben von Jörg Martin Munsonius.

Die ausgedachten Personen haben nichts mit tatsächlich lebenden Personen zu tun. Namensgleichheiten sind zufällig und nicht beabsichtigt.

Alle Rechte vorbehalten.

www.AlfredBekker.de

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1

Prinz Philipp von und zu Dannenfeld fröstelte. Trotz des grauen Himmels zog er die schweren Samtvorhänge vor das Fenster. Sie bewegten sich leicht im Luftzug. Immerhin hielten sie einen Teil der Kälte zurück. Da er weiter fror, zog Philipp seine dicke Wolljacke über. Die schlecht schließenden Fenster im Schloss waren sein geringstes Problem.

Zum Glück hatte sein Urgroßvater genug Weitsicht gehabt und sich auf das alte Jagdschloss zurückgezogen, das erheblich kleiner und daher im Unterhalt günstiger war. Das große Residenzschloss diente jahrzehntelang als Museum. Leider deckten die Einnahmen aus den Eintrittsgeldern nicht einmal den Unterhalt, sodass Philipps Vater, Karl Fürst von und zu Dannenfeld, es vor ein paar Jahren an einen Hotelier verpachtet hatte.

Philipp starrte die Zahlen an. Es war zum Haareraufen, das Minus wurde immer größer. Die Ernte im letzten Jahr was so schlecht wie noch nie gewesen und auch in diesem Jahr sah es nicht gut aus. Dafür war der Frühling viel zu lange zu trocken gewesen und bewässern konnten sie nur einen Teil der Flächen, die anderen besaßen keinen Wasseranschluss. Woher auch, wenn seit Jahren das Geld für Investitionen fehlte? Jetzt goss es zwar in Sturzbächen, aber das verschlimmerte die Lage nur, weil der Boden mit den vertrockneten Pflanzen weggeschwemmt wurde. Er seufzte. Wohin er auch blickte, überall sah es hoffnungslos aus.

Jemand betrat den Raum. Philipp schaute von seinen Unterlagen auf.

Vor ihm stand ihr Buttler Martin, seine grauen Haare waren stark gelichtet. Aber er hielt sich trotz seines Alters stets aufrecht. „Durchlaucht, im grünen Schlafzimmer ist die Decke feucht. Es sieht so aus, als wäre es schon seit ein paar Tagen so. Da der Raum aber nicht benutzt wird ...“

„Ist es die einzige feuchte Stelle im Schloss?“

Martin nickte. „Ich habe alles kontrolliert. Es sind keine weiteren Stellen hinzugekommen.“

„Gut, dann rufen Sie den Dachdecker.“

„Ich habe mir erlaubt und mich schon darum gekümmert. Aber Peter Dirks will erst kommen, wenn die letzte Rechnung bezahlt worden ist.“ Martin ließ sich keine Gefühlsregung anmerken. Dabei schmerzte ihn der Zustand des Hauses sicher genauso sehr wie der Fürstenfamilie. Schließlich arbeitete er seit fast vierzig Jahren bei ihnen.

Philipp suchte den richtigen Ordner im Schrank und schlug ihn auf. Die Rechnung von Dirks war fein säuberlich abgeheftet, genauso wie die drei Mahnungen. Zwölftausend Euro für Reparaturarbeiten am Dach und den Regenrinnen. Er seufzte. Sein Vater hatte in den letzten drei Jahren alle Rechnungen ignoriert. Philipp selbst hatte nach dem Landwirtschaftsstudium erst bei Bekannten auf einem Gut gearbeitet und gelernt, wie man höchst effektiv eine moderne, gut gehende Landwirtschaft führt. Später hatte er dann einen gut bezahlten Posten auf einer großen amerikanischen Farm bekleidet.

Was half es ihm jetzt? Hier konnte er nur Notstände verwalten. Für jegliche Veränderung fehlte das Geld. Kein Wunder, dass seine Eltern seit Jahren auf eine gute Hochzeit drängten. Es schien keinen anderen Ausweg aus dieser misslichen Lage zu geben.

Noch während des Studiums hatte seine Mutter ihm eine adlige Dame aus einer uralten Familie vorgestellt. Das Mädchen war furchtbar hässlich und dazu strohdumm.

„Sie weiß sich zu benehmen. Und sie kennt den gesamten Hochadel. Als Kind hat sie mit den schwedischen Königskindern gespielt.“

„Und mit den Enkeln der Queen“, hatte Philipp hinzugefügt.

„Das kann ich mir vorstellen.“

„Mama, sicher waren die Königskinder froh, wenn sie nach den Ferien wieder nach Hause fahren musste.“

Kurz darauf wurde ihm eine Bankierstochter vorgestellt, obwohl sie fünf Jahre älter war als er und zum Entsetzen ihrer Eltern für die Armen der Welt auf der Straße demonstrierte.

„Du hast sicher einen guten Einfluss auf sie“, meinte seine Mutter.

„Ach so, damit Geld fließt, wenn ich die Tochter wieder auf den rechten Weg bringe“, lästerte Philipp.

Ausgerechnet seine Mutter setzte ihm immer wieder zu. Dabei legte sie doch sonst so großen Wert auf ihre alte Familie. Er hatte es nicht verstanden und sich möglichst selten blicken lassen.

Statt zu heiraten, strengte er sich beim Studium an, um einen guten Abschluss zu machen. Mit Erfolg. Er war so gut, dass sein Professor ihn gern behalten hätte. Doch Philipp wollte lieber praktische Erfahrungen in erfolgreichen Betrieben sammeln, bevor er das eigene Gut verwalten musste.

Philipp blickte hoch. Mit seinen braunen Augen schaute er Martin an. „Es gibt sicher noch andere Dachdecker in der Gegend“, meinte er und schlug den Ordner zu.

„Der Vorgänger kam nicht mehr, weil die Rechnungen zu langsam bezahlt wurden.“

„Ich kümmere mich selbst darum.“ Philipp entließ Martin mit einem freundlichen Nicken.

Er musste unbedingt Geld auftreiben. In den Unterlagen fand er einen Kostenvoranschlag für ein neues Dach. Er war schon ein paar Jahre alt. Trotzdem war er von der Höhe geschockt. Die Summe konnten sie unmöglich aufbringen.

Bevor er weiterplante, schaute er sich noch einmal die Bücher der kleinen Pferdezucht seines Vaters an. Eine reine Hobbyzucht mit ein paar Zuchtstuten und einem Hengst. Die Pflege kostete viel zu viel Geld. Sie würden die beiden Jährlinge, die sein Vater zur Zucht behalten wollte, verkaufen müssen, damit sie die allerdringendsten Instandhaltungsarbeiten erledigen konnten. Hoffentlich erhielten sie für die beiden gute Preise. Die letzten Pferde waren mit Verlust verkauft worden.

Erst einmal wollte er sich den Schaden persönlich anschauen. Leichtfüßig eilte er durch den Empfangsraum zur Eingangshalle und sprang dann die marmorne Treppen, immer zwei Stufen auf einmal nehmend, hoch. In der zweiten Etage betrat er das grüne Schlafzimmer. Der Fleck an der Decke sah aus, als wäre er schon länger dort. Er bückte sich. Auch der Holzfußboden war feucht, der Teppich war zum Trocknen über einen Stuhl gelegt worden.

Er ging weiter und stieg die kleine Treppe zum Dachboden hoch. Früher standen hier alte Möbel und Truhen. Jetzt war er leer, bis auf die Eimer, die an diversen Stellen verteilt waren und das Regenwasser auffingen. Warum hatte er nie davon erfahren? Die Reparatur konnte nicht sehr gründlich gewesen sein. Er schaute zum Dach. Die Fläche war riesig. Die Dachpfannen sahen alt und rissig aus. Es war nur eine Frage der Zeit, bis die nächste Stelle undicht wurde.

2

„Cindy, wir haben eine Einladung zum Empfang beim Grafen von Gatow.“ Manfred Borchert strahlte über sein rundes, stets gerötetes Gesicht.

„Sicher arbeite ich an dem Tag.“ Cindy hoffte es aus ganzem Herzen. Sie teile die gesellschaftlichen Ambitionen ihres Vaters nicht. Ihr war es peinlich, wenn im Bekanntenkreis über die Fabrik gesprochen wurde. Sie wollte keine herausgehobene Stellung haben, nur weil ihr Papa reich war. Vor Jahren traute sie sich nicht mehr in die Schule, weil ihr Vater nach einer Spende für die Sporthalle eine bessere Behandlung seiner Tochter gefordert hatte. Er hatte sich sogar mit dem Sportlehrer angelegt, da er die Vier im Zeugnis für seine kleine pummelige und unsportliche Tochter nicht akzeptieren wollte. Das Ende vom Lied war, dass sie vom Gymnasium auf die Realschule wechselte und ihre Mutter sorgte dafür, dass sich ihr Vater dort im Hintergrund hielt.

„Papperlapapp. Du nimmst dir frei. So eine Einladung ist viel wichtiger als deine karitative Arbeit. Schließlich ist es eine gute Gelegenheit, endlich Prinz Philipp kennenzulernen“, polterte Manfred.

„So interessiert scheint er an einer Hochzeit mit mir nicht zu sein, sonst hätte er sicher längst eine Gelegenheit gefunden mich zu treffen.“ Cindy hoffte, dass es so blieb. Papas Bemühungen konnten nur zu Peinlichkeiten führen. Sie wollte nicht verschachert werden, sondern aus Liebe geheiratet werden.

„Dafür sind seine Eltern sehr interessiert. Kein Wunder, die Familie ist pleite, da kommt eine reiche Schwiegertochter gerade recht. Und wenn du dich nicht traust, deinem Chef die Meinung zu sagen, und um ein freies Wochenende zu bitten, dann mache ich es.“

„Bloß nicht, Vater. Ich verdiene meinen Lebensunterhalt im Krankenhaus. Und ich bezeichne deine Arbeit in der Fabrik doch auch nicht als Hobby.“

„Geht gar nicht, schließlich lebst du sehr gut von dem Geld.“ Manfred klopfte sich vor Spaß auf die feisten Schenkel.

„Seit ich ausgelernt habe, lebe ich von meinem eigenen Geld!“ Vater übersah immer geflissentlich, dass sie daheim längst ausgezogen war und das Geld, das er ihr großzügig auf ein Konto überwies, nicht anrührte.

Sie lächelte ihn an. „Ich weiß doch, du willst das Beste für uns. Aber weder die Fabrik noch das vornehme Leben ist mein Ding. Dafür hast du doch Kevin.“ Sie war ihren Eltern unendlich dankbar, zwei Kinder zu haben. Ihr jüngerer Bruder Kevin hatte Betriebswirtschaftslehre studiert und anschließend bei der Konkurrenz mehrere Praktika absolviert. Seit Kurzem durchlief er im väterlichen Betrieb sämtliche Abteilungen. Dadurch hatte sie ihren Traumberuf ergreifen dürfen. „Ich bin so gern Krankenschwester, da tue ich etwas Nützliches, die Patienten mögen mich und meine Kollegen schätzen mich als zuverlässige und erfahrene Kraft. Mehr will ich gar nicht.“ So ganz stimmte es nicht. Ihr fehlte ein Partner mit dem sie gemeinsam etwas unternehmen konnte, mit dem sie lachen und ihre Sorgen teilen konnte. Aber das behielt sie lieber für sich, sonst hätte ihr Vater ihr gleich wieder von den Vorteilen einer Heirat mit diesem Fürsten sowieso vorgeschwärmt. Wenn er bloß nicht diesen Tick hätte, dann wäre er der allerbeste Papa der Welt.

Um ihn abzulenken, erzählte sie von ihrer selbst gewählten Aufgabe. Sie hatte sich einem Verein angeschlossen, der ein Kinderhospiz aufbauen wollte. Dank der großzügigen Spende von Papa und seiner Bekannten, die sich ihren Bitten ebenfalls nicht verschlossen hatten, stand das Haus jetzt kurz vor der Eröffnung.

„Du kommst doch zur Einweihung? Der Bürgermeister, der Landtagsabgeordnete, der Chefarzt des Krankenhauses und eine Reihe Sponsoren haben schon zugesagt. Ich soll eine Rede halten.“

„Dann komme ich auf jeden Fall. Ich muss dich doch dabei unterstützen. Soll ich dich abfragen, so wie früher, als du noch zur Schule gingst?“

„Das hat meistens Mama gemacht.“ Wehmütig dachte Cindy an ihre warmherzige Mutter, die die Betreuung der Kinder vollständig übernommen hatte, da ihr Vater täglich zwölf und mehr Stunden arbeitete. Gemeinsamen Urlaub gab es nur ein bis zwei Wochen im Jahr. Ansonsten fuhr ihre Mutter mit ihnen oder sie nahmen an einer Jugendreise teil. Ihre Mutter war vor fünf Jahren an Krebs gestorben. Da ihr Vater genug Geld besaß, war die Betreuung daheim durch Privatschwestern geregelt gewesen. Doch Cindy hatte am eigenen Leib erlebt, wie problematisch die Versorgung einer Sterbenden war. Daher war sie mit Feuereifer bei der Hospizbewegung dabei.

Ihr Vater zog sein Smartphone hervor und trug den Termin ein. „Gut, ich komme. Ich spende euch sogar noch etwas, sagtest du nicht, ihr benötigt noch ein Familienhaus, in dem die Eltern und Geschwister des kranken Kindes längere Zeit wohnen können?“

„Ja, bisher kann nur ein Elternteil bei uns übernachten. Aber für viele ist die Anreise weit und die Geschwister können nicht bei uns untergebracht werden. Die wollen ihre Eltern doch auch einmal für sich haben.“

„Gut, dann ist das für den Grundstein. Sicher findest du weitere Unternehmer, die großzügig sind. Aber du bekommst es nur, wenn du mit mir in die Oper gehst.“

„Was gibt es denn?“

„Keine Ahnung, das Programm liegt auf dem Schreibtisch.“

Seit Jahren besaß ihr Vater ein Abonnement für die Oper, auch wenn er keinerlei Interesse an Musik hatte und Mozart nicht von Wagner unterscheiden konnte. Trotzdem legte er großen Wert auf den regelmäßigen Besuch. Schließlich wollte er in der Welt nicht als neureicher Banause gelten. Und seit ihre Mutter tot war, mussten Cindy oder ihr Bruder ihn begleiten. Manchmal überließ er ihnen auch beide Karten, dann konnten sie Freunde mitnehmen. Das war Cindy am liebsten, denn ihr Vater konnte sehr direkt sein und wenn ihm ein Stück nicht gefiel, lästerte er so laut darüber, dass es die Sitznachbarn mitbekamen. Einmal hatte sich ein elegant gekleideter Herr beschwert und ihm empfohlen, doch lieber ins Musical zu gehen, dass wäre leichter und schmeichelte den Ohren.

Cindy lief zu dem modernen Glastisch und schaute in das Opernprogramm. Tristan und Isolde von Richard Wagner. Nicht gerade ihr Lieblingskomponist. Aber sie würde mitkommen. Vielleicht ließe sich dann das Familienhaus schneller realisieren.

3

Prinz Philipp steuerte höchstpersönlich den alten Traktor vorsichtig auf den Hof, vorbei an dem roten Cabrio von Charlotte Gräfin von Gatow. Schade, dass er heute so wenig Zeit für sie hatte, aber da mehrere seiner Landarbeiter an Grippe erkrankt waren und das Geld hinten und vorne fehlte, hatte er kurz entschlossen selbst das Feld gepflügt. Das Getreide war verkümmert, es hatte keinen Sinn, es stehen zu lassen. Für die Nachsaat wurde es höchste Zeit. Für Weizen war es schon zu spät. Mit Glück brachte der Mais etwas Geld in die Kasse. Seinen Verwalter hatte er losgeschickt, Saatgut zu besorgen. Eigentlich war es nicht dessen Aufgabe, doch jetzt musste jeder sehen, wie er das Gut retten konnte.

Er fuhr den Traktor in die Scheune, dort ließ er ihn im Eingang stehen, rangieren traute er sich nicht zu, dafür fuhr er zu selten damit. Für das Pflügen hatte er sicher die doppelte Zeit gebraucht wie ein Bauer. Es war auch schon Jahre her, dass er das letzte Mal selbst gepflügt hatte und auch damals war er nicht besonders gut dabei gewesen. Seine Furchen sahen immer etwas windschief aus. Aber besser als gar nichts ... Dabei war ihm zugutegekommen, dass der uralte Museumstrecker einfach zu bedienen war. Der moderne, den sein Vater vor ein paar Jahren angeschafft hatte, war kaputt und für die Reparatur fehlte natürlich das Geld.

Als er aus der Scheune trat, lief eine schlanke Frau mit schulterlangen brünetten Haaren auf ihn zu. „Ich habe schon auf dich gewartet“, begrüßte ihn Charlotte und fiel ihm um den Hals.

Philipp schob sie sanft von sich. „Vorsicht, ich bin verschwitzt und staubig.“

„Seit wann pflügst du selbst?“ Ihre dunkelblauen Augen funkelten vor Überraschung.

„Seit wir uns keine Leiharbeiter mehr leisten können. Meine Leute sind diese Woche alle beschäftigt, aber wenn der Mais jetzt nicht in den Boden kommt, ist es zu spät. Der Weizen war vertrocknet, ich muss unbedingt etwas anderes anbauen.“

Charlotte nickte. „Vater schimpft auch. Aber wir haben nur wenig Getreide. Die Milchpreise sind viel zu niedrig. Ohne Mutters Kunsthandel wären wir längst Konkurs.“

„Schade, dass wir keine weitere Einnahmequelle haben. Könnten wir gebrauchen. Ich weiß nicht, ob wir diesen Sommer überstehen können.“ Er strich sich müde über die Augen. Seine Hand hinterließ eine helle Spur im verstaubten Gesicht.

„Steht es so schlecht?“ Charlotte kannte die prekären Verhältnisse ihrer Freunde. Allerdings schien es schlimmer zu stehen, als ihr bekannt war. „Findet ihr keinen neuen Pächter für das Schloss?“

Der Pächter hatte sich leider übernommen und sein Unternehmen wurde von einem Konkursverwalter geführt.

„Solange die juristische Seite nicht geklärt ist, können wir keinen neuen Pächter suchen.“ Philipp schüttelte müden seinen Kopf.

„Und das Gut?“

„Schlimmer. Meine größten Befürchtungen sind übertroffen worden. Vater hat seit Jahren den Kopf in den Sand gesteckt.“ Philipp klang bitter. Seit ein paar Wochen arbeitete er auf dem Gut und wurde immer wieder von Hiobsbotschaften überrascht. Dabei hatte er sich, nach den Berufserfahrungen in den letzten Jahren, so viele Ideen gehabt, wie er den Betrieb modernisieren und in die Gewinnzone führen wollte. Doch jetzt überrollten ihn die Schulden und fälligen Reparaturen am Maschinenpark und an den Gebäuden.

„Ich war bei den Pferden. Die beiden Jährlinge sind wirklich Prachtburschen. Kein Wunder, wenn dein Vater sich von ihnen nicht trennen will.“

„Hat deine Mutter noch Interesse an ihnen?“

„Willst du sie etwa gegen seinen Willen verkaufen?“ Charlotte lachte ihn an. „Das würdest du niemals machen. Er liebt die Tiere und hat so viel vor. Es hat ihm schon geschmerzt, die beiden Hengste zu verkaufen.“

Philipps offenes Gesicht verschloss sich. Finster blickte er vor sich, dann führte er Charlotte in den Pferdestall.

Groß, hell und modern war er. Das letzte Gebäude, das sein Vater umgebaut hatte. Den Kredit für den Umbau konnte er nicht mehr abtragen. Mit viel gutem Zureden hatte die Bank akzeptiert, dass er nur die Zinsen zahlte.

„Ich habe mit der alten Gurke gepflügt, der neue Traktor ist kaputt und wir können die Werkstatt nicht bezahlen. Das Dach des Schlosses muss neu gedeckt werden, doch wir können nicht einmal Ausbesserungsarbeiten finanzieren. Wer weiß, wie lange die alte Heizung durchhält. Unsere Haushälterin schimpft, weil der Herd nicht mehr richtig funktioniert. Eine Köchin können wir uns nicht leisten. Zum Glück sind unsere Mitarbeiter schon so lange bei uns und fühlen sich als Familienmitglieder, sodass sie die schlechten Arbeitsbedingungen und die miserable Bezahlung hinnehmen.“ Er trat an die Box. Der Hengst näherte sich und streckte den Kopf heraus. Philipp fuhr ihm mit der Hand über den Hals und tätschelte ihn.

„Er hatte eine Kolik, wir brauchten wieder einmal den Tierarzt. Der Schmied muss auch kommen. Und alle müssen bezahlt werden.“

Sie schlenderten die Boxengasse entlang. Eine Stute mit Fohlen stand in der Box, die anderen Tiere befanden sich auf der Weide.

„Ich bin kein Pferdeliebhaber. Trotzdem würde ich es meinen Vater nicht zumuten, wenn ich andere Wege sehen würde.“

„Ich möchte dir so gern helfen, aber ich habe selbst kein Geld.“ Charlotte sah bekümmert aus.

„Ich weiß. Nein, das Problem ist hausgemacht. Das müssen wir lösen. Die Pferdezucht aufzulösen, ist das kleinste Übel. Wir werden uns wohl auch noch von anderen Teilen trennen müssen. Nur bekomme ich momentan für nichts, was wir verkaufen könnten, einen vernünftigen Preis.“

„Ein Immobilienmakler wollte das Seegrundstück kaufen.“ Charlottes Eltern waren mit Philipps Eltern befreundet, daher hatte sie davon erfahren.

„Vater hat zu lange gezögert. Er wollte nicht verkaufen. Inzwischen hat der Makler ein anderes Objekt gefunden.“

Charlotte seufzte. „Dein Vater mag sich nicht trennen. Ich kann es verstehen.“

„Wenn er diese verdammte Pferdezucht nicht begonnen hätte, ständen wir jetzt nicht ganz so schlecht da. Die Landwirtschaft läuft zwar nicht besonders gut, hat sich aber, dank ein paar guter Jahre, selbst getragen.“

„Und das Schloss?“

„Ist jahrelang von Mutters Erbe finanziert worden. Aber das Geld ist inzwischen verbraucht.“

„Deshalb drängen deine Eltern so auf eine gute Heirat.“

Philipp nickte. „Ich soll für Vaters geschäftliche Unfähigkeit bezahlen“, sagte er bitter. Sein schönes Gesicht verfinsterte sich.

Auf der Weide vor ihnen grasten die Pferde. Zwei Stuten hatten ihre Fohlen dabei. Auf der Koppel daneben standen die beiden Jährlinge, um die es ging.

„Ach, Philipp“, sagte Charlotte unglücklich. „Wenn ich dir helfen könnte. Aber selbst wenn ich Erfolg habe und Karriere mache, brauche ich Jahre, bis ich so viel verdiene, um dich zu unterstützen.“

„Du kannst mir helfen, indem du deine Mutter fragst, ob sie die Jährlinge haben will. Damit könnte ich den Traktor reparieren lassen.“ Er drehte sich zu Charlotte.

„Und euer Dach?“

„Muss warten. Der Traktor ist wichtiger. Am liebsten würde ich alle Pferde verkaufen. Ich weiß nur nicht, was ich mit unserem Pferdepfleger mache. In seinem Alter findet er keine neue Stelle.“

„Das würde deinem Vater das Herz brechen.“ Charlotte schüttelte den Kopf.

„Und wie sieht es aus, wenn wir das ganze Gut, einschließlich Schlösser, verkaufen müssen?“

Charlotte schluckte und schwieg eine Weile. Schließlich sagte sie: „Mehr als die beiden Jährlinge kann auch Mutter nicht bezahlen.“ Selbst die beiden Pferde wären eigentlich schon zu viel. Aber das behielt Charlotte lieber für sich. Ihr Bruder würde sich freuen. Er war genauso wie seine Mutter ein begeisterter Dressurreiter und wollte die Tiere ausbilden. „Vielleicht finden wir einen anderen Weg.“ Charlotte umarmte Philipp. „Lass den Kopf nicht hängen.

4

In der Woche vor dem Operntermin brach eine Grippewelle aus. Eine Krankenschwester nach der anderen steckte sich an und fehlte. Die restlichen Gesunden mussten die gesamte Arbeit erledigen. Damit die Patienten überhaupt noch versorgt werden konnten, machten sie Überstunden und arbeiteten auch an ihren freien Tagen.

„Papa, ich bin so erschöpft, ich muss mich ausschlafen, sonst werde ich auch krank.“ Müde verhandelte Cindy mit ihrem Vater.

„Blödsinn. Daheim putzt du doch nur oder schreibst Briefe für diesen Förderverein. Nein, du kommst mit. Denk an die Spende. Die mache ich nur, wenn du mitkommst.“

Ihr Vater hatte eine Pferdenatur. Kein Wunder, als ehemaliger Schlachter, der seine Schlachterei vergrößert hatte und inzwischen einen fleischverarbeitenden Betrieb mit mehreren hundert Mitarbeitern besaß, war er körperliche und psychische Anstrengungen gewohnt.

Als sie am Abend nach Hause kam, war sie völlig übermüdet. Sie legte sich hin und hoffte, den Wecker in zwei Stunden nicht zu überhören.

Sofort versank sie in einen tiefen Schlaf. Natürlich hörte sie den Wecker nicht. Erst als der Nachbar an ihre Wohnungstür bollerte, schreckte sie hoch. Verschlafen taumelte sie zur Tür. Im Hintergrund quakte noch immer der Wecker.

„Stellen Sie das Getröte endlich aus. Es weckt mein Baby auf“, fauchte er. Wütend hob er die Arme.

Erschrocken prallte Cindy zurück. „Entschuldigung, ich schalte ihn aus“, murmelte sie und warf die Tür lauter als beabsichtigt zu.

Sie hastete zum Wecker. Gleich würde ihr Vater vor der Tür stehen. Wo war nur ihre schwarze Hose? Ganz hinten hing sie. Sie schlüpfte hinein. Doch die dazu passende Seidenbluse hängte sie zurück. Wenn sie müde war, fror sie leicht. Deshalb griff sie sich den erstbesten dicken Pulli, es war der bunte Wollpullover, den ihr Vater ihr zu Weihnachten geschenkt hatte. Als nächstes stellte sie fest, dass sie nicht in ihre Pumps passte, da ihre Füße von dem langen Arbeitstag geschwollen waren und schmerzten. Also zog sie ihre Turnschuhe an.

Langsam wurde sie wach. Vielleicht hatte ihr Vater recht und etwas Ablenkung würde ihr guttun. Die langen, feuerroten Haare steckte sie mit einem Kamm hoch. Sie sah blass aus. Ihre Sommersprossen hoben sich auf der weißen Haut ab. Normalerweise waren ihre Wangen leicht gerötet. Doch heute ...

Zum Schminken reichte die Zeit nicht mehr. Außerdem hätte das Abschminken sie nachher noch länger vom Schlafen abgehalten, also nahm sie nur ihre dicke Jacke vom Haken, als ihr Vater Sturm klingelte.

Gleich nachdem sie im Auto saß, nickte sie ein. Erst als ihr Vater sie schüttelte, zuckte sie zusammen.

„Wir sind da.“

Ihre Füße brannten, während sie hinter ihren Vater hereilte. Sie waren spät dran. Die anderen Besucher saßen schon. Froh, den Stammplatz zu erreichen, ließ sie sich erschöpft fallen. Schon während der Ouvertüre fröstelte sie. Gut, dass sie den Wollpulli angezogen hatte. Jetzt zog sie auch noch die dicke Wolljacke über. Ob sie sich angesteckt hatte? Die Musik schmerzte in ihren Ohren. Wagner mochte sie nicht besonders. Aber so schrecklich hatte sie ihn trotzdem nie empfunden.

5

„Gut, dass du Zeit hattest mitzukommen. Allein würde ich mir Wagner nicht zumuten“, meinte Charlotte Gräfin von Gatow. Mit einer Handbewegung warf sie ihr schulterlanges, brünettes Haar zurück.

„Hatte dein Bruder keine Lust?“ Philipp steuerte den Wagen durch den Berufsverkehr der Großstadt.

„Der meinte nur, wenn es eine Karte für das Hurricane Festival oder Wacken Open Air wäre, gern. Aber bloß keine Oper und erst recht kein Wagner. Na ja, in ein Musical wäre er wohl auch noch mitgegangen.“

Philipp lachte. „Nein, ich glaube, diese Festivals sind nichts für mich. Bei Regen und Hitze mit Tausenden anderen im Freien zu stehen.“ Er schüttelte sich gespielt.

„Da ist die Oper wärmer. Auf diesen Kälteeinbruch kann ich verzichten.“

Philipp seufzte. „Damit die Ernte völlig ruiniert ist. Erst war es zu trocken, dann diese Regengüsse und jetzt auch noch Kälte.“

„Bekommst du dadurch Probleme?“, fragte Charlotte. Sie musterte Philipp besorgt. Seit Monaten zerbrach sie sich ihr Gehirn, wie sie ihm irgendwie helfen könnte.

„Das weiß ich noch nicht. Es hängt davon ab, wie früh der Winter einsetzt. Die nachgesäten Felder brauchen viel zu lange zum Keimen.“

„Ob das mit der globalen Erderwärmung zusammenhängt?“

Philipp zuckte die Achseln. Ehrlich, momentan war es ihm egal. Hauptsache, er konnte vernünftige Ernten einfahren.

Da er das Geld für das Parkhaus sparen wollte, fuhr er mehrmals im Kreis, bevor er eine kleine Parklücke entdeckte und in mühevoller Kleinarbeit einparkte.

Charlotte sagte nichts dazu.

Im Foyer der Oper trafen sie Henriette von Bukow und ihre Freunde. Henriette war Charlottes Cousine und vor einem Jahr aus dem Internat zurückgekommen. Da sie unentschlossen war, was sie studieren wollte, trieb sie sich seitdem hauptsächlich auf Partys herum. Philipp und Charlotte unterhielten sich bis zum Klingeln mit ihnen. Auf dem Weg zu ihren Plätzen nickte Henriette jemanden zu, dann wandte sie sich zu ihnen: „Der Wurstfabrikant Borchert und seine Tochter. Angeblich sucht er einen Adligen für sie. Geld genug hat er, jetzt will er auch noch einen Titel.“

„Und die Tochter?“, fragte Charlotte.

„Keine Ahnung. Wahrscheinlich jettet sie von Saint Tropez, nach St. Moritz und Miami, verprasst das Geld ihres Vaters und ist strohdumm.“

„Kennst du sie?“, fragte Philip. Henriette kannte Gott und die Welt und lästerte über sämtliche Bekannte. Zum Glück war sie dabei amüsant.

„Nein, aber sie ist selten in Gesellschaft ihres Vaters. Er ist schon eine ziemlich Zumutung. Laut und ungebildet, dafür reich und deshalb immer öfter gelitten.“

Von ihren Plätzen konnten Philipp und Charlotte den Fleischfabrikanten und seine Tochter beobachten. Nach leichtfertiger Geldverschwendung sah das Mädchen nicht aus. Sie war untersetzt und trug dazu einen unmöglichen leuchtend grünen und dicken Pullover. Sicher kein Designerstück. Ihre feuerroten Haare waren locker hochgesteckt. Hier und da fielen Strähnen herunter. Ihr Gesicht wirkte trotz der Sommersprossen bleich und ungesund. Die Augenbrauen und Wimpern waren gar nicht zu erkennen. Sicher war sie ungeschminkt. Das viele Geld schien sie nicht für Äußerlichkeiten, weder für teure Kleidung noch für Kosmetikerinnen und Coiffeure auszugeben.

„Ein Fall für eine Modeberatung“, flüsterte Charlotte, als ob sie seine Gedanken erraten hätte.

„Juckt es dir in den Fingern?“

„Ja, Geld dafür müsste doch da sein. Vielleicht stellen wir uns vor und du erwähnst unauffällig, dass ich mein Modedesign-Studium als Modeberaterin verdient habe.“

Das Licht ging aus und das Orchester fing an zu spielen.

Als es in der Pause wieder anging, wirkten beide Borcherts nicht sehr begeistert. Philipp schien es sogar, als ob das Mädchen geschlafen hätte. Orientierungslos sah es sich in Saal um, als Manfred Borchert es anstieß. Schließlich stand es unsicher auf und ging schwerfällig hinaus.

Cindy Borchert wirkte nicht sehr elegant, weder im Aussehen noch in den Bewegungen. Doch Philipp wollte nicht vorschnell urteilen. Er kannte sie nicht. Vielleicht fühlte sie sich nicht oder hatte Muskelkater vom Joggen. Es konnte viele Gründe geben. Trotzdem stand er den Heiratswünschen seiner Eltern ablehnend gegenüber.

Er besorgte für Charlotte ein Glas Sekt und für sich eine Cola. „So solide?“, stichelte Charlotte.

„Ja, ich bin heute Morgen schon um fünf Uhr aufgestanden und habe vor dem Frühstück drei Stunden im Stall geholfen. Anschließend habe ich mich durch die Bücher gekämpft.“

„Durchlaucht steht selbst im Stall?“, spottete Charlotte, die ihre Pferde normalerweise auch selbst sattelte und nicht zu schade war, den Stall auszumisten.

„Ein Landwirt muss alle Arbeiten können. Aber bei uns ist ein Helfer erkrankt. Bis wir Ersatz gefunden haben, springe ich halt ein. Ein bisschen Bewegung tut mir ganz gut.“ Er nahm einen Schluck Cola. „Bevor ich auf der Heimfahrt einschlafe, trinke ich lieber einen Wachmacher.“

Beim Klingeln gingen sie wieder zu ihren Plätzen zurück. Es war eine fantastische Aufführung. Philipp entspannte sich und genoss sie sogar. Er war Charlotte dankbar, dass sie ihn mitgenommen hatte. Er selbst würde sich in den nächsten Jahren solche Vergnügungen nicht mehr leisten können. Es sei denn ... Aber daran mochte er nicht denken. Er wollte seine Wünsche verfolgen, statt sie aufgeben.

Als das Licht wieder anging, stellte er amüsiert fest, dass wohl beide Borcherts schliefen. Das Mädchen war zusammengesunken und schreckte hoch, als sein Sitznachbarn versuchten, sich an ihm vorbeizuschieben. Herr Borchert half ihm auf und stützte es auf dem Weg zum Ausgang. Vielleicht war es tatsächlich krank.

„Wie Penner gekleidet in die Oper gehen und dort schlafen. Wie kann man nur“, lästerte Henriette, die sie an der Garderobe trafen.

„Hier ist es wenigstens warm und trocken“, spottete ihr Begleiter.

„Na, die besitzen doch eine große, hässliche Villa“, erklärte Henriette. Nach einem Blick in den Spiegel zupfte sie ihre blonden Locken in Form.

„Kennst du sie?“, fragte Charlotte.

„Nein, aber meine Cousine war einmal bei ihnen eingeladen. Der Reichtum ist sehr zur Schau gestellt.“

„Bei dem Mädel wohl kaum“, meinte ihr Begleiter.

Philipp half Charlotte in ihren Mantel, dann verabschiedeten sie sich. Froh, Henriettes Bemerkungen zu entfliehen, schob er seinen Arm unter Charlottes und führte sie zum Auto.

6

Trotz Cindys Opfer fing ihr Vater gleich am nächsten Tag von dem Empfang bei dem Grafen an.

„Kannst du nicht Kevin mitnehmen?“ Sie ärgerte sich wieder einmal, dass ihr Bruder sich bei vielen gesellschaftlichen Anlässen davonschlich, während sie ihren Vater begleiten musste. Dabei würde Kevin die Firma übernehmen. Er knüpfte auch zielstrebig seine sozialen Netze. Aber die befanden sich eher auf dem Golfplatz und bei den Rotariern und weniger in Adelskreisen.

„Kevin hat zu tun“, sagte ihr Vater auch prompt. „Außerdem brauche ich doch eine Dame als Begleitung.“