Viermal der Fürst und ich: 4 Romane - Eva Joachimsen - E-Book

Viermal der Fürst und ich: 4 Romane E-Book

Eva Joachimsen

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Beschreibung

Dieser Band enthält folgende Romane von Eva Joachimsen Prinz Hardy lässt sich nicht erpressen Betreten verboten Ich will aus Liebe heiraten Fürstlicher Standesdünkel Der musikalische Prinz Bernhard lernt während seines Wirtschaftsstudiums in den USA die angehende Sopranistin Sue kennen und lieben. Aus Sorge vor den Vorurteilen seiner Eltern verschweigt er ihnen, dass Sue Schwarzafrikanerin ist, damit Fürst und Fürstin von Bressen seine Freundin überhaupt erst einmal kennenlernen. Sue fürchtet, dass sie im standesbewussten und konservativen Fürstenhaus Bressen nie akzeptiert werden wird. Auf keinen Fall will sie einen Keil zwischen Bernhard und seine Eltern treiben. Aber die Fürstin macht es ihr nicht leicht.

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Eva Joachimsen

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Inhaltsverzeichnis

Viermal der Fürst und ich: 4 Romane

Copyright

Prinz Hardy lässt sich nicht erpressen

Betreten verboten

Ich will aus Liebe heiraten

Fürstlicher Standesdünkel

Viermal der Fürst und ich: 4 Romane

Eva Joachimsen

Dieser Band enthält folgende Romane

von Eva Joachimsen

Prinz Hardy lässt sich nicht erpressen

Betreten verboten

Ich will aus Liebe heiraten

Fürstlicher Standesdünkel

Der musikalische Prinz Bernhard lernt während seines Wirtschaftsstudiums in den USA die angehende Sopranistin Sue kennen und lieben. Aus Sorge vor den Vorurteilen seiner Eltern verschweigt er ihnen, dass Sue Schwarzafrikanerin ist, damit Fürst und Fürstin von Bressen seine Freundin überhaupt erst einmal kennenlernen.

Sue fürchtet, dass sie im standesbewussten und konservativen Fürstenhaus Bressen nie akzeptiert werden wird. Auf keinen Fall will sie einen Keil zwischen Bernhard und seine Eltern treiben. Aber die Fürstin macht es ihr nicht leicht.

Copyright

Ein CassiopeiaPress Buch: CASSIOPEIAPRESS, UKSAK E-Books, Alfred Bekker, Alfred Bekker präsentiert, Casssiopeia-XXX-press, Alfredbooks, Uksak Sonder-Edition, Cassiopeiapress Extra Edition, Cassiopeiapress/AlfredBooks und BEKKERpublishing sind Imprints von

Alfred Bekker

© Roman by Author /

© dieser Ausgabe 2022 by AlfredBekker/CassiopeiaPress, Lengerich/Westfalen

Die ausgedachten Personen haben nichts mit tatsächlich lebenden Personen zu tun. Namensgleichheiten sind zufällig und nicht beabsichtigt.

Alle Rechte vorbehalten.

www.AlfredBekker.de

[email protected]

Folge auf Twitter:

https://twitter.com/BekkerAlfred

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https://alfred-bekker-autor.business.site/

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Alles rund um Belletristik!

Prinz Hardy lässt sich nicht erpressen

Fürstenroman von Eva Joachimsen

Der Umfang dieses Buchs entspricht 112 Taschenbuchseiten.

Prinz Hardy von Barup kümmert sich aus Pflichtgefühl um seinen Großonkel, den Fürsten Friedrich von Barup. Der alte Herr ist unleidlich und vergrault nicht nur Verwandte und Bekannte sondern auch das Personal. Unglücklicherweise nimmt er keine Rücksicht auf seine angespannte finanzielle Lage. Seine Erben setzt er mit der Drohung, den Anlageberater Kevin Berthold zu adoptieren, wenn sie sich nicht besser um ihn kümmern, unter Druck. Ausgerechnet Hardys attraktive Kollegin Emma Fröhlich ist die Partnerin des berechnenden Kevin Berthold.

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Ein CassiopeiaPress Buch: CASSIOPEIAPRESS, UKSAK E-Books, Alfred Bekker, Alfred Bekker präsentiert, Casssiopeia-XXX-press, Alfredbooks, Uksak Sonder-Edition, Cassiopeiapress Extra Edition, Cassiopeiapress/AlfredBooks und BEKKERpublishing sind Imprints von

Alfred Bekker

© Roman by Author

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Die ausgedachten Personen haben nichts mit tatsächlich lebenden Personen zu tun. Namensgleichheiten sind zufällig und nicht beabsichtigt.

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Alles rund um Belletristik!

1

Prinz Eberhard Martin von Barup, genannt Hardy, fuhr mit seinem spritsparenden Fiat 500 über den holprigen Feldweg. Die Zeitschrift, für die er als Freiberufler ab und zu Artikel schrieb, hatte ihm eine Reportage über den neuen großen Biohof in Mecklenburg-Vorpommern in Auftrag gegeben. Besorgt musterte er den Weg und versuchte, den größten Schlaglöchern auszuweichen. Er ärgerte sich, dass er nicht seinen Jeep genommen hatte. Wer konnte auch ahnen, dass der Hof keine vernünftige Straßenanbindung besaß?

Endlich sah er ein heruntergekommenes Herrenhaus hinter Büschen auftauchen. Wohnte der Landwirt etwa wirklich in dieser Ruine? Hardy schmerzte der Anblick, so ein schöner Renaissancebau, aber seiner Einschätzung nach war das Gebäude nicht mehr zu retten. Er wusste aus eigener Erfahrung, wie teuer schon der alltägliche Unterhalt eines denkmalgeschützten Gebäudes war. Eine aufwändige Restaurierung war für einen normalen Gutsbesitzer nicht zu finanzieren.

Nach vorsichtiger Fahrt durch weitere Schlaglöcher erreicht er die Gebäude. Stall und Scheune waren in einem brauchbaren Zustand. Im Hintergrund stand ein kleines Schwedenhaus. Sicher wohnte der Landwirt darin und nicht im Gutshaus mit fließend Wasser durchs Dach.

Der Platz vor den Gebäuden war mit Schotter befestigt, und er stellte sein Auto neben zwei weiteren Wagen ab. Vorsichtshalber zog er gleich seine Gummistiefel aus dem Kofferraum an. Dann stapfte er los. In der Scheune wurde er fündig. Ein grauhaariger, stämmiger Mann unterhielt sich mit einer schlanken, langbeinigen Schönheit, die so gar nicht aufs Land gehörte. Sie trug eine enge Jeans, ein knappes Shirt, bunte Gummistiefel und hielt in ihren Händen einen Regenschirm.

„Guten Tag, sind Sie Herr Lohmann? Ich bin Hardy Barup.“ Und als sein Gegenüber nickte, meinte er: „Wir haben einen Termin vereinbart.“

„Ja, schön, dass Sie hergefunden haben.“ Er reichte ihm seine schwielige Hand. „Und das ist Frau Fröhlich von der Naturschutzorganisation.“

Erstaunt musterte Hardy die junge Frau. Sie wirkte nicht sehr bodenständig und naturverbunden mit ihrem städtischen Äußeren. Besser hätte sie mit ihrem langen roten Haar und den grünen Katzenaugen auf die Titelseite einer Illustrierten gepasst. Außerdem war er ihr noch nie begegnet, was ihn verwunderte, da er häufig mit der Naturschutzorganisation Kontakt hatte. Er lächelte und nickte ihr zu. Befremdet bemerkte er, dass sie sein Lächeln nicht erwiderte.

„Am besten führe ich Sie herum und erzähle von uns“, meinte Herr Lohmann ruhig und setzte sich in Bewegung. „Bisher habe ich den Betrieb konventionell geführt, aber mein Sohn will den Hof nur übernehmen, wenn wir ihn auf Biobetrieb umstellen. Ich mache mir Sorgen, dass wir den Übergang finanziell nicht überstehen. Aber er hat recht, unsere Möglichkeiten, auf konventionellem Weg Geld zu verdienen sind begrenzt, zudem setzen uns die neuen Auflagen sehr zu.“

„Sie liegen in der norddeutschen Tiefebene, wenn der Meeresspiegel weiter steigt, können Sie hier Fische fangen“, erklärte die junge Frau vehement.

Lohmann und Hardy schauten sich an. Lohmann zog die Augenbrauen hoch, Hardy bemühte sich, seine Gesichtsmuskeln nicht entgleisen zu lassen.

„Wir versuchen schon, umweltbewusst zu leben. Wir haben vor zehn Jahren eine Biogasanlage errichtet, außerdem sind unsere Dächer mit Solarmodule ausgestattet. Für Waschmaschine und Toilette verwenden wir Grauwasser. Aber wir können die Welt allein nicht retten und müssen auch noch von unserer Arbeit leben können.“

Da Lohmann sich gut selbst verteidigen konnte, hielt Hardy lieber den Mund, bevor es zu einem Streit kam. Das Mädchen schien gerade mit Idealen von der Uni zu kommen und hatte von der Praxis keine Ahnung.

Lohmann führte sie zu einer kleinen Anhöhe und zeigte auf sein Land. „Wir haben die Hochleistungskühe abgeschafft und halten jetzt zwei robuste Rassen. Aber ob es sich bezahlt macht, müssen wir noch abwarten. Wir versuchen, das Fleisch direkt an Restaurants zu vermarkten. Wir haben Weiden und bauen eigenes Viehfutter an.“ Dabei wies er auf einige Felder zur rechten Hand.

„Warum haben Sie keine Baumreihen dazwischen? Die würden das Wasser im Boden halten und Wildtieren Unterschlupf bieten.“

„Mit unseren Maschinen können wir kleine Felder nicht bewirtschaften. Ich habe da hinten ein Wäldchen angelegt und mein Sohn möchte am Haus eine Streuobstwiese pflanzen. Die lohnt sich wirtschaftlich natürlich nicht. Aber meine Schwiegertochter meint, Obst, Marmelade und Eier könnte sie in einem Hofladen gut verkaufen.“

Frau Fröhlich nickte zustimmend, während Hardy die Stirn runzelte. „Wo soll denn der Hofladen hin?“

„Tja, das ist halt das Problem, entweder wir vermarkten auf Wochenmärkten, oder wir mieten einen Laden in der Stadt an, oder wir beliefern andere Hofläden, die günstiger liegen.“

„Das heißt, das ist noch nicht richtig durchdacht“, murmelte Hardy.

„Das ist doch eine tolle Idee“, entfuhr es der jungen Frau.

Lohmann grinste. „Bis die Bäume gepflanzt sind und Früchte tragen, ist die Idee vielleicht ausgereift. Momentan weiden in dem ehemaligen Park nur ein paar Moorschnucken.“

„Ihr entwässertes Moor interessiert mich besonders“, erklärte Hardy. Er zeigte nach links. „Sie wollen es wiedervernässen?“

Lohmann schüttelte den Kopf. „Man ist an uns herangetreten, aber wir brauchen das Land, wir können es nicht einfach aufgeben.“

„Aber ohne die Wiedervernässung der Moore können wir den CO² Ausstoß nicht senken, denken Sie an Ihre Enkel“, meinte Fröhlich enthusiastisch.

Hardy schüttelte nur den Kopf. „Wissen Sie, wie viel Prozent unseres Landes ehemalige Moore sind? – Wie sollen die Bauern entschädigt werden? So viele Ländereien stehen nicht zum Tausch zur Verfügung. Oder sollen die Leute alle in der Altenpflege arbeiten? Woher bekommen wir dann unsere Lebensmittel? Nein, so einfach ist das nicht.“

„Wir sind mit einem Moorberater im Gespräch, wir wären auf einem Teil der Fläche mit dem Anheben des Wasserspiegels einverstanden. Wir bräuchten dann nur eine sinnvolle Nutzung der feuchten Wiesen.“

„An was haben Sie gedacht?“

„Reet oder Moose scheiden aus, da müsste es vernünftige Produkte geben und eine ausgereifte Anbaumethode. Vielleicht können wir Wasserbüffel halten.“

„Ihr Berater hat Ihnen sicher schon Modellversuche genannt. Ich habe einen Bekannten, der in Donaumoos Büffel hält. Wenn Sie möchten, stelle ich den Kontakt zwischen Ihnen her.“

„Sehr gern.“ Lohmann nickte zustimmend. „Auf der kleinen Moorfläche dahinten halten wir ein paar Moorschnucken, vielleicht kommen noch Moorziegen dazu. Falls der Hofladen meiner Schwiegertochter kein Strohfeuer ist.“

„Mit einer eigenen Käserei?“, fragte Fröhlich.

„Wir können nicht alles auf einmal machen. Vielleicht können wir jemand anderem die Ziegenmilch liefern oder das Ziegenfleisch. Ich habe noch keine Ahnung, was man mit Moorziegen wirklich machen kann.“

Sie liefen noch eine Weile herum und schauten sich das Land an. Während Fröhlich beschwingt und naiv alles Mögliche vorschlug. Aber die beiden Männer gingen nicht auf ihre Ideen ein.

„Planen Sie etwas mit dem Herrenhaus?“, fragte Hardy.

Lohmann schüttelte den Kopf. „Ich hatte, als wir damals das Land gekauft haben, gehofft, dass wir das Gebäude sanieren und Appartements vermieten können. Aber dazu hat uns immer das Geld gefehlt, außerdem liegen wir ungünstig. Die See ist zu weit weg.“

„Ein Wellnesshotel!“, schlug Fröhlich vor.

„Gibt es in der Nähe schon zwei, eins wechselt öfter den Besitzer, es lohnt sich nicht.“

„Flüchtlinge.“

„Dann würde ich regelmäßige Mieteinnahmen haben. Aber dazu müsste das Gebäude auch schon bewohnbar sein. Das kleine Schwedenhaus haben wir damals hingestellt, um erst einmal ein Dach über den Kopf zu haben, inzwischen ist es unser festes Domizil geworden.“

Lohmann entdeckte eine Kuh, die sich verletzt hatte und fragte, ob die beiden den Weg allein zurückfinden könnten, damit er sich um das Tier kümmern könne.

„Soll ich Ihnen helfen?“, bot Hardy an. Doch Lohmann schüttelte nur den Kopf. „Notfalls rufe ich den Tierarzt.“ Er klopfte auf seine Hosentasche, in der sich sein Smartphone befand.

„Ich melde mich bestimmt noch einmal bei Ihnen. Wenn mein Text fertig ist, schicke ich ihn, damit Sie ihn vorab lesen können.“

Dann eilte Lohmann zu der Kuh, Hardy lief mit Fröhlich zurück. Die junge Frau hatte mit ihren schicken, aber vermutlich unbequemen Gummistiefeln Probleme über die schlammige Wiese zu kommen. Dazu fing es auch noch zu regnen an. Schnell spannte sie ihren Schirm auf, doch der Wind nahm zu, sie musste den Regenschirm gut festhalten, außerdem klappte der kleine Taschenschirm immer wieder um.

Hardy stellte den Kragen seiner Wachsjacke hoch, bot der jungen Frau aber keine Hilfe an. Der Schirm war hier sowieso ungeeignet und würde demnächst zerbrechen. Kaum hatte er das gedacht, brachen die Speichen. Die roten Haare hingen Frau Fröhlich inzwischen strähnig herunter, die Jacke war durchweicht. Er hoffte, dass ihre Autoheizung wenigstens funktionierte.

„Sie hätten Herrn Lohmann zureden sollen, dass er das Moor wieder vollständig vernässt“, warf sie ihm vor, während das Wasser über ihr Gesicht lief.

„Wovon soll Familie Lohmann dann leben?“

„Aber die bekommen doch Ausgleichszahlungen.“

„Wie lange können sie davon leben? Was ist mit ihren Kindern und Enkeln? Die landwirtschaftliche Nutzfläche geht verloren. Damit die Arbeit, die die Familie jahrzehntelang in das Land gesteckt hat.“

„Haben Sie denn Ahnung?“, fragte sie spitz.

„Ich bin ebenfalls Landwirt und besitze auch eine Moorfläche. Deshalb interessiert mich dieser Betrieb persönlich. Ich bin gespannt, wie Lohmanns mit ihrem Moor umgehen werden. Vielleicht ist da etwas Brauchbares für mich dabei.“

„Dann sind Sie auch so ein Tierquäler?“

„Ich hoffe, dass meine Tiere nicht gequält werden. Aber ja, ich züchte Rinder und halte ein paar Hühner und Gänse.“

„In Masttierställen, wie können Sie nur!“

Hardy schaute von oben auf sie herab. Wie konnte jemand so vorschnell urteilen und unhöflich sein, ohne den Sachverhalt zu kennen? Die Frau sah zwar ganz niedlich aus, war aber eine entsetzliche Nervensäge.

2

Mürrisch schaute der alte Fürst Friedrich Otto von Barup seine Haushälterin an. „Können Sie nicht dafür sorgen, dass das Mädchen die Zimmer ordentlich sauber macht?“

„Wie soll die arme Frau das denn schaffen? Wir ackern hier zu zweit in diesem riesigen Schloss, das eigentlich eine ganze Armee an Dienstleuten bräuchte. Wir können nicht jeden Raum putzen. Nebenbei erwarten Sie auch noch, dass jeden Tag mindestens drei Gänge frisch gekocht auf den Tisch kommen, außerdem ein Frühstücksbüffet und ein reichliches Abendessen. Die Kaffeerunde nicht zu vergessen. Dazu muss ich einkaufen, kochen, den Tisch decken und servieren, abwaschen und die Küche reinigen. Da kann ich Beate nicht auch noch beim Putzen helfen. Beate wiederum hält den grünen Salon, das Rauchzimmer, das Speisezimmer, Ihr Schlafzimmer, das Foyer und Treppenhaus sauber und kümmert sich um die Wäsche. Acht Stunden täglich reichen da bei Weitem nicht. Und dann meckern Sie, dass der nicht benutzte blaue Salon und die restlichen Schlafzimmer staubig sind.“

Marion hatte sich richtig in Rage geredet. Der alte Stinkstiefel lag ihr schon seit Monaten im Magen. Sie ärgerte sich, die Stelle überhaupt angenommen zu haben. Aber der junge Prinz von Barup war so nett und sympathisch gewesen. Er hatte sie zwar vorgewarnt, aber wie schlimm es tatsächlich mit seinem griesgrämigen Onkel werden würde, hatte sie in ihren furchtbarsten Albträumen nicht erwartet. Und wenn der junge Prinz nicht immer wieder den Streit geschlichtet und ein gutes Wort für den leicht dementen Onkel eingelegt hätte, wäre sie schon gleich im ersten Monat verschwunden.

Inzwischen zweifelte sie, dass der alte Fürst wirklich senil war. Der war wahrscheinlich sein Leben lang ein Unsympath gewesen. Schon so geboren. Ihr reichte es auf jeden Fall. Selbst den Verwalter schnauzte er ständig an. Genauso seine Großneffen. Am schlimmsten war wahrscheinlich, dass der feine Herr nicht begriff, dass mit einem Titel allein heutzutage kein Staat mehr zu machen war. Immer wieder wiesen seine geduldigen Verwandten ihn darauf hin, dass er sparen und sich um den Erhalt des Schlosses kümmern müsste. Beate vermutete, dass schon im nächsten Winter der Schnee durch das marode Dach drücken würde. Nein, dann wollte sie wirklich nicht mehr hier arbeiten.

„Was nehmen Sie sich heraus! Das ist ja die Höhe, natürlich müssen Sie alle Räume sauber machen“, herrschte er sie jetzt an.

„Dann müssen Sie mehr Personal beschäftigen. Zwei Angestellte sind viel zu wenig.“

„Früher ging es auch.“

„Und wie viele Lakaien, Zimmermädchen, Köche und Chauffeure besaßen Ihre Eltern?“

„Rufen Sie das Mädchen, wenn Sie es ihr nicht selbst sagen können. Dann muss ich es eben tun. Und Sie sollten sich eine andere Stelle suchen. Solchen Widerspruchsgeist dulde ich nicht.“

„Gut, heute Abend komme ich nicht mehr weg. Aber ich packe meinen Koffer und ziehe morgen vor dem Frühstück aus. Das Zeugnis werde ich wohl vermutlich von Ihrem Neffen bekommen.“ Dann drehte sie sich um und verließ den Salon, ohne sich um ihren Chef zu kümmern und ohne Beate zu rufen. Stattdessen ging sie in ihr Zimmer, packte ihren Koffer, dann telefonierte sie mit dem Prinzen von Barup.

„Hat er Sie vertrieben? Das tut mir leid. Natürlich bekommen Sie den Monat bezahlt. Ich werde Ihnen eine Empfehlung schreiben. Sie waren wirklich sehr geduldig“, der junge Mann klang außerordentlich freundlich. Marion bedauerte, dass er keine Haushälterin benötigte. Hoffentlich war sie jetzt nicht monatelang arbeitslos.

Am späten Abend, als der Fürst sicher schon lange im Bett lag, klopfte sie an Beates Zimmertür.

„Hast du mitbekommen, dass mich der Alte rausgeschmissen hat? Ich habe mir für morgen früh ein Taxi bestellt. Es tut mir leid, dass ich dich so im Stich lasse, aber hier hält es ja kein vernünftiger Mensch aus.“

„Ich habe auch gekündigt, allerdings muss ich noch bis zum Quartalsende bleiben. Uns beide wollte er wohl doch nicht gleichzeitig verlieren.“

„Ich verstehe nicht, wie Herr Nöthe es schon seit Jahren mit ihm aushält.“

„Na, der Verwalter geht ihm doch nach Möglichkeit aus dem Weg und bespricht alles Wichtige mit seinem Neffen. Außerdem geht er bestimmt bald in Rente und will nicht noch für die letzte Zeit den Arbeitsplatz wechseln.“

„Der Alte kümmert sich überhaupt nicht um seinen Besitz. Alles verkommt hier.“

„Wenn das Geld fehlt.“

Sie umarmten sich, dann schlüpfte Marion in ihr Zimmer, immer in Sorge, ihrem Chef noch über den Weg zu laufen.

Am nächsten Morgen stand sie schon um fünf Uhr auf, zog die Bettwäsche ab und putzte noch schnell den Raum, damit Beate das nicht auch noch machen musste. Pünktlich um sechs Uhr verließ sie das Schloss durch den Kücheneingang. Einen Augenblick zögerte sie, sollte sie doch noch das Frühstück vorbereiten? Doch dann ließ sie es lieber bleiben. Danken würde es ihr höchstens Beate.

Als sie ins Taxi stieg, sah sie den Fürsten am Fenster stehen. Hatte er nicht geglaubt, dass sie wirklich wegfahren würde? Oder wollte er sich vergewissern, dass sie tatsächlich verschwand?

3

„Kann dein nichtsnutziger Sohn denn kein fähiges Personal einstellen?“, schimpfte er, als Prinzessin Evelyn von Barup das Telefon abnahm.

„Dir auch einen schönen guten Morgen“, erwiderte Evelyn amüsiert.

„Eberhard muss sich unbedingt um eine neue Haushälterin und ein neues Mädchen kümmern. Ich sitze hier und habe kein Personal mehr.“

„In der obersten Schreibtischschublade liegt eine Liste mit Firmen, die Essen anliefern. Rufe sie bitte an und bestell dir dein Essen. Beate wird nicht putzen, waschen, einkaufen und kochen können.“

„Eberhard soll sich sofort darum kümmern. Ich brauche dringend neue Leute.“

„Personal wächst nicht auf Bäumen. Man kann sie nicht mehr wie früher behandeln. Die Zeit der Leibeigenschaft ist lange vorbei.“

„Das wäre alles nicht so schlimm, wenn ihr euch um mich kümmern würdet.“

„Soll ich für dich kochen und putzen?“ Sie lachte perlend. „Eigentlich habe ich keine Zeit für dieses Telefonat, ich warte auf den Anruf meines Managers. Übermorgen fliege ich nach New York. Dort starte ich meine große Tournee.“

„Aber deine Söhne …“

„Können auch nicht für dich putzen. Außerdem haben sie es nicht nötig, sich von dir beschimpfen zu lassen.“

„Als meine Erben haben sie die Pflicht, sich um mich zu kümmern.“

„Wie häufig sollen sie dir denn neues Personal besorgen? Zu dir kann man doch nur noch Ausländer schicken, die kein Deutsch sprechen und deshalb noch nie von dir gehört haben.“

„Was fällt dir ein! Ich habe ja Johannes damals abgeraten, dich zu heiraten. Was kann man von vertriebenen angeblichen Großgrundbesitzern schon erwarten? Doch nur Erbschleicherei!“

„Immerhin haben wir unseren Lebensunterhalt immer selbst verdient, sowohl meine Eltern, als auch meine Geschwister und ich und nicht vom ererbten Vermögen gelebt.“ Evelyn lächelte ihrem Spiegelbild im blankgeputzten Fenster zu. Dann verabschiedete sie sich mit einer freundlichen Stimme. Sie hatte mit den Jahren mühsam gelernt, sich nicht mehr über den angeheirateten Onkel zu ärgern.

4

Gleich nach dem langen Gespräch mit dem Manager telefonierte Evi mit ihrem ältesten Sohn. Er tat ihr leid, weil er sich schon wieder um den undankbaren Großonkel kümmern musste. Da sie wusste, dass er in seinem eigenen Betrieb viel zu tun hatte, stellte sie ihr Üben hintenan, da sie in ihrem Herrenhaus nur ihre Söhne und das Personal belästigte, war es nicht so schlimm, wenn sie in die Abend- und Nachtstunden auswich.

„Hardy, es tut mir leid, aber du musst mit dem Fürsten sprechen, seine Haushälterin hat das Handtuch geworfen“, sagte sie. Ihre Stimme klang teilnahmsvoll.

„Schon wieder. Ich weiß, Marion hat mich angerufen. Aber ich habe es längst geahnt. Die Halbwertszeit wird immer kürzer. Sind wir getröstet, weil er nicht nur uns so mies behandelt oder gefrustet, weil wir ständig Personal suchen müssen?“, sinnierte er und stöhnte dann. „Er wird sich zwei Tage gedulden müssen, ich kann jetzt nicht alles liegenlassen, nur weil er rücksichtslos ist. Dann wollte ich sowieso zu ihm fahren, weil die Salzlecksteine geliefert werden.“

„Bezahlst du die wieder aus eigener Tasche? Lass dich von dem Alten nicht über den Tisch ziehen, wahrscheinlich erbst ihr sowieso nichts, so wie er seinen Hof bewirtschaftet.“

„Ich weiß, aber darunter sollen die Rinder nicht leiden. Wenn wir ihn bloß überzeugen könnten, in eine Seniorenresidenz zu ziehen, dann hätten wir ein Problem weniger.“

Seine Mutter lachte. „Dann beschweren sich nicht die Angestellten, sondern das Heim. Und du sorgst dich die ganze Zeit, dass er sich so unmöglich benimmt, dass sie ihn rausschmeißen.“

„Wahrscheinlich. Aber davon träumen darf man wohl noch. Nimm bloß kein weiteres Gespräch von ihm an. Du ärgerst dich nur über ihn. Ich werde Krischan und Fabi warnen.“

„Kommt ihr morgen Abend vorbei?“, fragte sie vorsichtig. Sie wusste, dass ihre drei Söhne sehr beschäftigt waren.

„Natürlich, du hattest uns doch schon vor zwei Wochen eingeladen. Hast du das vergessen? Müssen wir uns Sorgen machen, weil du vergesslich wirst?“

„Ich nicht, aber ihr. Ihr seid immer so im Stress, dass ihr sämtliche Termin verpasst.“

Hardy lachte. „Einmal, du übertreibst, einmal habe ich den Sonntagstee vergessen.“

„Ich habe immer noch den Verdacht, dass du nur nicht Freiherr von Nussigen begegnen wolltest. Dabei ist seine Frau so reizend.“

„Und ihre Tochter erst“, lachte Hardy. Freifrau von Nussigen war eine Schulkameradin seiner Mutter, die alte Dame war sehr warmherzig, wenn auch schlicht gestrickt. Anders hätte sie ihren aufdringlichen Ehemann nicht ertragen. Der gab nicht nur ständig Tipps, wie man sein Vermögen am besten anlegen sollte, sondern versuchte seit Jahren seine unattraktive und überhebliche Tochter mit einem der drei Barup-Söhne zu verheiraten.

„Ihr hättet wenigstens so ritterlich sein und mich vor diesem Mann retten können.“

„Was hätten wir deiner Meinung nach mit ihm machen sollen? Unsere Anlage nach seinen Wünschen umgestalten?“

„Nein, einfach über die Weiden laufen, ihn mit einem Vortrag über die Qualitäten deiner Rinderrassen überzeugen oder Krischan hätte ihm die Vorzüge seiner neuen Rettungsboote erklären können.“

„Und Fabi hätte ihn überreden sollen, zu dem neuen Konzert des frisch entdeckten Mongolen zu gehen.“

„Du hast es erfasst. Beim nächsten Mal verlasse ich mich auf euch.“

„Du musst üben und ich muss mich um den Tierarzt kümmern, der gleich kommt“, drängte Hardy, das Gespräch zu beenden.

„Dann bis morgen.“ Entsetzt schaute Evi auf die Uhr, jetzt hatte sie doch tatsächlich anderthalb Stunden wegen des Großonkels vergeudet. Sie eilte zum Steinway Flügel im Musikzimmer und fing mit einfachen Übungen an, dann folgten die Stücke von Schumann, Chopin und Brahms, mit denen sie auftreten wollte.

„Frau von Barup, Sie müssen essen und sich ausruhen“, schalt ihre Köchin. Evi zuckte zusammen und hörte mit einer Disharmonie auf. Sie hatte Yasmin gar nicht herantreten gehört, so vertieft war sie in ihr Spiel gewesen.

„Ich habe zu lange telefoniert“, entschuldigte sich Evi.

„Es ist schon neun Uhr, Sie sollten eine Kleinigkeit essen und sich dann ausruhen, Ihre Tournee wird anstrengend werden, und Sie sind nicht mehr die Jüngste.“

„Yasmin, jetzt reden Sie mir bloß nicht ein, alt zu sein.“ Sie verzog ihr Gesicht. „Auch wenn ich schon lange Witwe bin, fühle ich mich noch recht fit, sonst würde ich diese große Reise nicht unternehmen.“

„Achten Sie auf sich, sorgen Sie dafür, dass Sie spazieren gehen und ausreichend schlafen.“

Evi lachte. „Yasmin, Sie sind schlimmer als eine Mutter. Ich bin erwachsen und noch nicht dement. Ich kann meine Kräfte selbst ganz gut einschätzen.“ Dann fügte sie friedlicher hinzu. „Ich weiß aber Ihre Fürsorge zu schätzen. Ich bin froh, dass Sie bei uns arbeiten. So eine Perle findet man nicht so leicht.“

Yasmins rundes Gesicht rötete sich vor Freude. „Ich bin dankbar, so eine gute Stelle zu haben. So ein angenehmes Arbeitsklima findet man nicht oft. – Pia ist schwanger, sie wird hoffentlich noch ein paar Monate arbeiten können. Ich werde mit Prinz von Barup wegen einer Vertretung sprechen. Nur dass Sie sich nicht wundern, falls bei Ihrer Rückkehr hier ein neues Gesicht ist.“

Evi nickte. „Ja, Hardy kümmert sich immer um die Organisation des Gutshofs.“

„Schade, dass er noch keine Frau hat.“

Evi lächelte. „Ich hätte schon gern Enkel, aber ich möchte meine Söhne nicht drängen. Es hat früher schon viel zu viele unglückliche Ehen in der Familie gegeben, als die Kinder noch verheiratet wurden. Da möchte ich auf keinen Fall schuld dran sein.“

„Meine Kinder werden auch nicht mehr verheiratet, obwohl meine Schwiegereltern drängen, dass sie ihre Cousins und Cousinen aus der Türkei heiraten sollen.“

„Es ist sicher besser, wenn sie ihre eigene Wahl treffen. Die Welt ändert sich.“

Yasmin schien noch etwas auf dem Herzen zu haben.

„Sagen Sie es. Noch bin ich hier, übermorgen wird es schwieriger“, drängte Evi ihre Mitarbeiterin.

„Kann meine Dila Pia vertreten“, bat sie zögernd.

„Wollte Dila nicht Medizin studieren?“, fragte Evi erstaunt.

„Ja, aber sie hat keinen Studienplatz bekommen. Sie will es im nächsten Jahr erneut probieren und will solange jobben und Geld zur Seite legen.“

„Wenn Sie hier wirklich arbeiten will, dann gern. Hardy wird nichts dagegen haben. Ich werde ihm das morgen sagen.“

Sie schloss den Flügel, stand auf und dehnte sich. Sie musste darauf achten, ihre Gymnastik regelmäßig zu machen, um keine Verspannungen und Entzündungen zu bekommen.

5

Am nächsten Tag trafen die drei Brüder pünktlich bei ihrer Mutter im Herrenhaus Baruphausen ein. Seit Jahren war es ein Ritual, sich am Abend vor der Abreise zu einer Tournee zu treffen.

„Es tut mir leid, dass ihr wieder Kummer mit Fritz habt“, beklagte Evi bei der Suppe.

„Ich habe schon bei den Vermittlungen gefragt, ob ich einen Rabatt bekomme, weil ich sie so häufig in Anspruch nehme.“ Hardy zwinkerte ihr zu.

„Hat der alte Griesgram schon wieder jemanden weggejagt?“, fragte Fabi desinteressiert. „Warum kümmerst du dich eigentlich noch darum? Wenn er seine Wäsche und sein Essen selbst machen muss, sieht er es vielleicht ein, dass er endlich aus dem maroden Schloss ausziehen muss.“

„Der doch nicht, selbst wenn er hungern muss, kriegst du ihn nicht aus der alten Bude hinaus“, spottete Krischan.

„Was machst du eigentlich mit der Ruine, wenn du sie eines Tages erbst? Abreißen?“, fragte Fabi und schaute seinen Bruder neugierig an.

„Ich rechne nicht damit, dass ich irgendetwas erben werde. Wahrscheinlich wird Fritz hundertzweiunddreißig Jahre alt, stellt damit einen neuen Guinness-Rekord auf und überlebt uns alle. Oder er adoptiert tatsächlich einen nichtsahnenden Tölpel und der hat dann den Kummer damit.“

„Kinder, wie sprecht ihr von dem Erbe eurer Vorfahren? Es ist doch schade, wenn die Schätze nicht gepflegt werden. Einfacher wäre es natürlich, wenn Fritz Kinder hätte“, protestierte Evi mit leisem Bedauern. Ihre Söhne wussten, dass sie noch immer den schlesischen Besitzungen ihrer Familie hinterher trauerte, obwohl sie das Familienschloss und die Ländereien nie kennengelernt hatte. Aber ihre Eltern und Großeltern hatten viel davon erzählt.

„Genau“, sagten ihre drei Söhne gleichzeitig und lachten dann.

„Ich bin nur froh, dass ich nicht der Älteste bin“, meinte Krischan, und Hardy schaute ihn deswegen grimmig an.

„Hätten die Deutschen nicht nur die Demokratie einführen, sondern gleichzeitig alle Großgrundbesitzer enteignen können?“, knurrte er.

„Sagt ein Großgrundbesitzer, der nicht schlecht von seinem Gut lebt“, spottete Fabi.

„Das Gut allein trägt sich gerade eben, aber um die Gebäude zu erhalten, muss immer Geld von außerhalb hineingesteckt werden“, erklärte Hardy. Er war froh, dass er mit seinen Artikeln genug Geld verdiente, um den Lebensunterhalt zu finanzieren. Seine Brüder erwirtschafteten ebenfalls ihr eigenes Geld. Ihre Mutter steckte den größten Teil ihrer Einnahmen als international berühmte Konzertpianistin in den Unterhalt des stattlichen Herrenhauses. Aber das Stammschloss Barup des Fürsten von Barup war viel größer, dementsprechend waren die laufenden Kosten erheblich höher.

„Wenn die Werft gut laufen würde, käme da Geld herein, aber so bin ich froh, wenigstens unsere Mitarbeiter finanzieren zu können“, entschuldigte sich Krischan.

„Es kommen auch wieder bessere Zeiten. Für den Gutshof hoffe ich, mit weiteren Solaranlagen und der neuen Biogasanlage genug zu verdienen. Ganz schön hart, dass man von der eigentlichen Landwirtschaft kaum noch leben kann.“

Evi sprach noch Yasmins Vorschlag an und Hardy hatte, wie sie erwartet hatte, nichts dagegen.

Anschließend unterhielten sie sich über angenehmere Themen. Evi versprach, auf ihrer Reise viele Fotos zu machen.

„Du könntest einen Reiseblog machen und damit Geld verdienen“, schlug Fabi vor.

„Wann soll ich das noch machen?“

Er grinste. „Vielleicht hat Dila dazu Lust. Das Mädchen ist doch als Reinigungskraft überqualifiziert.“

Evi nickte. „Darüber habe ich mir auch schon Gedanken gemacht. Aber sie will Geld für das Studium sparen, daher wird sie sicher ein paar Monate durchhalten.“

6

Währenddessen besuchte Kevin Berthold, der Freund von Emma Fröhlich, Fürst Friedrich von Barup. Sie hatten sich bei einer Veranstaltung der Rotarier kennengelernt und Friedrich war gleich angetan von dem jungen Finanzberater gewesen. „Ich kann mir gern Ihre Finanzen anschauen, wenn Sie es wünschen, Hoheit. Sicher finde ich rentablere Anlageformen.“

„Das wäre gut, denn mein nichtsnutziger Neffe erklärt mir immer, dass ich sparen müsste. Aber ich will es doch in meinem Alter ein bisschen bequem haben und nicht darben müssen. Das habe ich alles schon in meiner Kindheit und Jugend erlebt. Jetzt möchte ich meine restlichen Jahre genießen.“

„Mit einer günstigen Kapitalanlage erhalten Sie sicher so viel Zinsen, dass Sie bequem davon leben können“, erklärte Kevin überzeugend. Er schaute sich betont im Salon um und meinte: „Ihr Schloss ist wirklich wunderschön, so gepflegt und elegant. Wenn Sie wollen, können Sie damit Geld verdienen.“

„Ich will es nicht verkaufen, und ich will auch kein Museum hier haben, denn ich will meinen Lebensabend in Ruhe verbringen und nicht zur Schau gestellt werden.“

„Oh, natürlich, ich verstehe. Dann schauen wir uns erst einmal Ihr Kapitalvermögen an.“

Der Fürst war damit einverstanden. Er war sehr von dem charmanten Mann angetan, deshalb rief er nach Beate. Erst nach einer Viertelstunde erschien seine Reinigungskraft.

„Wo bleiben Sie denn, ich habe schon dreimal geklingelt“, herrschte er sie an.

„Ich habe oben Ihr Badezimmer gereinigt und die Waschmaschine gefüllt.“

„Aber das soll doch immer schon am Vormittag erledigt werden“, knurrte der alte Mann.

„Da musste ich das Frühstück vorbereiten und hinterher wieder abräumen, das Essen kochen und die Küche putzen. Das Schloss ist viel zu groß, zu Zeiten Ihrer Eltern haben hier fünf Leute gearbeitet und vor dem ersten Weltkrieg waren es sogar zwanzig Angestellte.“

„Da wurde auch noch mit Pferden gepflügt und es gab weder eine Waschmaschine noch eine Zentralheizung.“

„Trotzdem ist das Haus für eine Arbeitskraft viel zu groß.“

„Mein Neffe sucht nach einer neuen Haushälterin. – Holen Sie mir erst einmal schnell den Ordner mit der Aufschrift Erträge Kapital und Erträge Reederei, ach und Erträge Landwirtschaft.“

„Entschuldigung“, stotterte Beate und schaute misstrauisch zu Herrn Berthold. „Sollten Sie das Gespräch nicht mit Ihrem Verwalter Herrn Nöthe oder Ihrem Neffen führen?“

„Sie tun jetzt, was ich Ihnen gesagt habe“, schrie Fürst von Barup Beate an. Die zuckte erschrocken zusammen.

„Ich kann nicht so viele Ordner hierhertragen. Ist es nicht besser, Sie führen das Gespräch in Ihrem Arbeitszimmer?“, fragte sie leise.

Bevor der Fürst erneut schrie, mischte sich Kevin ein. „Ich finde das eine gute Idee. Es macht doch keinen Sinn, ein paar Ordner zu holen und dann fehlt doch noch etwas und Sie müssen Ihre Mitarbeiterin wieder von ihrer eigentlichen Arbeit wegholen.“ Ohne eine Antwort abzuwarten, erhob er sich und reichte dem Fürsten eine Hand, um ihm aus dem Sessel zu helfen.

„Sie haben recht, im Arbeitszimmer ist es zwar nicht so gemütlich, aber bequemer“, murmelte der Fürst. Ohne Beate eines Blickes zu würdigen, schlürfte er an ihr vorbei. Die letzten Jahre hatten ihn sichtlich altern lassen, auch wenn er es nicht wahrhaben wollte.

Im Arbeitszimmer saß sein alter Verwalter Heinz Nöthe. Seit mehr als vierzig Jahren kümmerte er sich schon um die Verwaltung des Gutes und des Kapitals. Inzwischen war er nicht mehr auf dem neusten Stand und hatte auch mit dem Computersystem Probleme, doch dank Hardys Unterstützung lief es noch einigermaßen. Die Steuern und auch die Anträge für Fördermittel hatte inzwischen ein externer Steuerberater übernommen, obwohl Fritz jedes Jahr schimpfte, dass der Kerl zu viel kostete. Herr Nöthe hielt die Wutausbrüche und Marotten seines Chefs nur aus, weil er schon seit Jahrzehnten der Familie verbunden war. Obwohl er längst Rentner war, arbeitete er weiterhin, da er als Witwer daheim einsam war.

„Heinz, ich brauche die Unterlagen für die Betriebserträge“, befahl der Fürst.

„Darf ich erfahren, wer der Herr ist, Durchlaucht?“, bat Nöthe leise.

„Ein Bekannter, der mir von Freunden empfohlen wurde. Er ist Finanzberater, und ich denke, er kann mir helfen, meine Finanzen zu sanieren.“

„Haben Sie das mit Prinz Hardy abgesprochen?“, fragte Nöthe. Er hatte seit einiger Zeit das Gefühl, dass die Geisteskraft seines Chefs stark nachließ.

„Mein Neffe hat gar nichts zu sagen. Ich bestimme noch immer selbst über mein Geld und meine Betriebe.“

„Herr Hardy hat aber alles mit Ihrem Steuerberater und Ihrer Bank abgestimmt, das sollte bei einer Neuausrichtung berücksichtigt werden.“

„Herr Berthold will sich erst einmal nur einen Überblick verschaffen“, knurrte Fritz. „Geben Sie mir jetzt meine Ordner oder nicht?“

„Als Ihr Erbe hat Prinz Hardy bei größeren Veränderungen des Kernvermögens wirklich ein Mitspracherecht. So steht es im Hausgesetz und auch im Testament Ihres Großvaters.“

„Papperlapapp, das ist doch völlig überholt.“ Das Gesicht des Fürsten lief langsam rot an.

„Am besten rufe ich ihn an, und Sie besprechen alles gemeinsam“, schlug Herr Nöthe vor. Er wollte auf keinen Fall einen Herzinfarkt seines Chefs riskieren.

„Nein, nein, das ist nicht nötig. Wir können gern gemeinsam mit Ihrem Neffen alles besprechen“, beruhigte Kevin den Fürsten.

In dem Augenblick klingelte das altmodische Wahlscheibentelefon, Nöthe nahm das Gespräch an und war dadurch abgelenkt.

„Aber als erstes kann ich Sie doch unterstützen, indem ich Ihnen eine neue Haushaltshilfe besorge“, schlug Kevin vor.

„Würden Sie das wirklich für mich tun? Da wäre ich Ihnen sehr verbunden“, erklärte Fritz und ließ sich von dem jüngeren Mann zurück in den Salon führen.

Dort zog Kevin sein Smartphone aus der Tasche und notierte sich alles, was er für eine Personalsuche benötigte.

„Das wird kein Problem sein, es gibt genug arbeitslose qualifizierte Frauen, passen Sie auf, spätestens nächste Woche haben Sie eine neue Perle“, versprach er, bevor er sich verabschiedete.

7

Emma musste immer wieder an den gutaussehenden Bauern denken, mit dem sie zusammen den Hof im Moorgebiet besucht hatte. Eigentlich fand sie ihn nicht engagiert genug. Von einem Mitarbeiter ihrer Organisation, auch wenn es nur ein freier war, hatte sie mehr und strengeres Engagement beim Umweltschutz erwartet. Sie schätzte ihn auch intellektuell nicht besonders hoch ein. Er hatte nicht viel zu den Umweltthemen gesagt, sondern meistens mit Herrn Lohmann gefachsimpelt, dabei hatte sie sich ausgeschlossen gefühlt und es mit Arroganz bei Umweltfragen heimgezahlt. Jetzt kam ihr das Verhalten kindisch vor.

Ihr Chef äußerte in der Nachbesprechung seine hohe Meinung von Hardy Prinz von Barup. „Sehen Sie zu, dass Sie möglichst oft mit ihm zusammenarbeiten. Von ihm können Sie nämlich sehr viel lernen“, sagte er.

„Er ist Prinz?“, fragte sie, weil sie es sich nicht vorstellen konnte. Der Typ hatte mit Jeans, derben Gummistiefeln und einer Regenjacke nicht gerade sehr vornehm gewirkt.

Till Sturm lachte. „Lassen Sie sich von ihm nicht täuschen. Er ist nicht nur Prinz, auch wenn er es nicht heraushängen lässt, normalerweise benutzt er den Titel nicht, sondern auch Erbe des Fürsten von Barup.“

„Es gibt doch gar keine Titel mehr.“

„Stimmt, aber schauen Sie sich die Boulevardblätter an, da denken Sie, wir leben noch im neunzehnten Jahrhundert.“

Nein, nicht nur, wenn sie die Zeitungen aufschlug, hatte sie das Gefühl. Wenn sie an Barups selbstherrliches Auftreten dachte, empfand sie ihn als dummen, selbstgefälligen Adligen mit einem Anrecht auf die richtige Meinung, weil seine Familie schon seit Jahrhunderten die normalen Bürger unterdrückte.

„Haben Sie seine Artikel gelesen? Gestochen scharfe Analysen, hervorragende Sachkenntnis. Ich kenne Verleger, die ihn liebend gern vertraglich binden würden. Aber er muss nebenbei seinen Hof bewirtschaften und hat nicht so viel Zeit zum Schreiben. Leider, es ein Ärgernis, dass er sich seiner Familie verpflichtet fühlt, den Hof zu halten, statt ihn zu verkaufen.“

„Damit verdient er doch mehr als genug.“

Ihr Chef schaute sie tadelnd an. „Wissen Sie, was Landwirte heute verdienen? Warum geben wohl so viele ihre jahrhundertealten Höfe auf?“

„Er ist ja auch kein kleiner Bauer, sondern hat einen großen Betrieb und schöpft sicher alle Fördermöglichkeiten ab.“

„Er versucht einen Mittelweg zu finden. Den Boden nicht zu sehr auszubeuten, aber trotzdem ausreichend zu verdienen. Wahrscheinlich erwirtschaftet er damit auch ausreichend Geld. Aber nebenbei versucht er, das alte Herrenhaus zu restaurieren, die dazugehörende Kirche, die von der Gemeinde benutzt wird, vor dem Verfall zu retten und die Dörfer im Umkreis seiner Ländereien wirtschaftlich zu fördern. Ohne das Honorar für seine Artikel könnte er das alles nicht. Der Mann hat ein enormes Arbeitstempo. Ich würde das nicht durchhalten.“

Das Gespräch gab Emma zu denken. Hatte sie so viele Vorurteile, dass sie ihre Mitmenschen nicht richtig beurteilen konnte? Sie setzte sich daheim an ihren Laptop und suchte im Internet nach Hardy Barup und fand eine Reihe Reportagen und Artikel von ihm in angesagten Zeitschriften und Zeitungen. Ein paar überflog sie schnell. Ihr Chef hatte recht. Der Mann war ein hervorragender Journalist. Später suchte sie noch nach Prinz von Barup und fand ihn unter dem Namen Eberhard von Barup. Er hatte einen angesehenen Stammbaum, die Fürstenfamilie reichte bis ins Mittelalter und hatte eine Reihe bedeutender Männer hervorgebracht. Sie ärgerte sich, dass die Familiengeschichte anscheinend nur aus Kerlen bestand. Doch dann fand sie noch eine Freiheitskämpferin, die von ihrer ehrenwerten Familie verstoßen worden war. Und natürlich Hardys Mutter, die berühmte Pianistin, die allerdings unter ihrem Mädchennamen auftrat und dadurch erst nach gründlicher Suche mit ihm in Verbindung gebracht wurde.

8

Da sie den Auftrag erhalten hatte, sich bei Professor Martin Unger von der Universität Rostock nach Wiedervernässung der Moore zu erkunden, rief sie bei seiner Sekretärin an, um einen Termin zu vereinbaren.

„Oh, das sieht ganz schlecht aus, der Herr Professor fährt nächste Woche zu einem Kongress und danach ist er im Urlaub.“

„Wann wäre er denn wieder da?“, fragte Emma gefrustet.

„Im übernächsten Semester. Im nächsten macht er ein Sabbatical.“

„O nein, mein Chef möchte ein Interview mit ihm haben.“

„Hm, es gibt vielleicht noch eine Möglichkeit, ein Journalist hat übermorgen einen Termin, vielleicht ist er bereit, dass Sie gemeinsam mit Herrn Dr. Unger sprechen.“

„Ich bin damit einverstanden. Soll ich meinen Kollegen fragen?“, bot Emma an.

„Nein, ich frage an und melde mich dann wieder bei Ihnen.“ Schnell verabschiedete sich die Frau, im Hintergrund waren Stimmen zu hören. Hoffentlich vergaß sie Emma im Stress nicht.

Doch schon am Nachmittag rief die Sekretärin zurück. „Herr von Barup ist einverstanden, sich seinen Termin mit Ihnen zu teilen. Am besten setzen Sie sich gleich mit ihm in Verbindung, damit sie sich abstimmen können.“

Emma schluckte, schon wieder dieser Aristokrat! Bisher hatte sie noch nicht einmal seinen Namen gekannt und jetzt lief er ihr ständig über den Weg. Aber sie versprach alles, nur um den Professor zu treffen.

Kontakt zu Barup aufzunehmen erwies sich allerdings als unmöglich, obwohl sie es noch an diesem Nachmittag und auch am nächsten Tag versuchte, erreichte sie ihn nicht. Schließlich fand sie nach einigem Suchen eine Mailadresse seines Gutes und bat ihn um Rückruf.

Dann setzte sie sich hin und überlegte sich ihre drängendsten Fragen. Die Liste wurde länger, als sinnvoll war, trotzdem schickte sie sie dem Journalisten. Obwohl sie bis elf Uhr ihr Smartphone bewachte, erhielt sie keine Antwort.

Verärgert ging sie zu Bett. Wie sollte das Interview denn laufen, wenn sie sich nicht absprachen?

Am nächsten Morgen überhörte sie ihren Wecker und wachte spät auf. Nach einem Blick auf die Uhr sprang sie erschrocken hoch und beeilte sich, noch rechtzeitig fertig zu werden. Während sie frühstückte, schaute sie in ihr Postfach. Tatsächlich. Der ehrenwerte Prinz hatte ihr um ein Uhr nachts eine Antwort geschickt. Er wies darauf hin, dass er seine Fragen schon längst ausgearbeitet habe und sie dabei sein dürfe, auch wenn es sein exklusives Interview wäre. Zwei Punkte habe er von ihr in den Fragenkatalog aufgenommen, die anderen könne sie stellen, falls hinterher noch Zeit wäre.

Wütend setzte sie ihren Becher so energisch auf den Tisch, dass der Kaffee überschwappte. Was dachte sich dieser Schnösel denn? Dass sie nach Rostock fuhr, um ihre Zeit totzuschlagen? Sie war kurz davor, den Termin abzusagen, doch dann besann sie sich. Ihr Chef würde sie grillen, wenn sie nicht hinfuhr. Außerdem schien er den Prinzen persönlich zu kennen und zu schätzen. Da käme es nicht gut, wenn sie die beleidigte Leberwurst spielte.

Während der Autofahrt beruhigte sie sich zum Glück wieder. Ihr Chef hatte ihr den Professor empfohlen, damit sie etwas lernte, er erwartete sicher keinen Artikel von ihr. Konnte sie jetzt auch nicht, denn wenn sie dasselbe wie Barup schrieb, würde es bei ihr als Plagiat gelten. Selbst wenn ihr Text zuerst erschien, denn sicher erzählte irgendwer, dass sie sich zu dem Termin eingeschlichen hätte. Sie seufzte. Natürlich war es ihre eigene Schuld, sie war neu bei der Naturschutzorganisation und hatte sich noch immer nicht ausreichend schlau gemacht. Wie hatte ihr entgehen können, dass Barup ein bekannter Journalist war? Und wieso hatte sie nicht längst schon von Professor Unger gehört? Sie war wirklich unprofessionell.

Hardy Barup wartete bereits vor der Eingangstür auf sie, als sie endlich eintraf. Sie hatte noch eine Weile gebraucht, um einen Parkplatz zu finden.

„Wollten Sie sich nicht mehr mit mir absprechen?“, fragte der Prinz, nachdem er auf seine Uhr geschaut hatte. „Wir müssen jetzt sofort hinein und haben keine Zeit mehr dafür.“

„Entschuldigen Sie, ich hatte nicht mit diesem starken Verkehr gerechnet“, murmelte Emma. Ihr fiel siedend heiß ein, dass sie die Mail nur überflogen hatte, da sie gleich den Anhang geöffnet hatte. Da hatte noch etwas gestanden, was sie nicht gelesen hatte. Sie hätte sich in den Hintern beißen können.

„Herr Schäfer möchte, dass ich mehr über Moore und die Wiedervernässung erfahre. Natürlich ist es mir recht, wenn Sie das Interview führen.“ Und wieder hätte sie sich grün und blau ärgern können, weil sie nicht zu ihren Interessen stand und um ihre eigenen Fragen kämpfte.

Anscheinend sah Barup ihr den Ärger an. „Vergessen Sie nicht, dass das mein Termin ist. Ich hätte auch nein sagen können, als ich gefragt wurde, ob Sie dabei sein dürfen.“

Wütend blitzte Emma ihn an. Er wirkte so kühl, und auch nicht mehr so stoffelig wie neulich, als er wie ein Bauerntrampel dahergekommen war. Mit seinem enganliegenden Wollpullover und der knappen Jeans war er ein richtiger Leckerbissen für die Augen. Und wie sie vermutete, nicht nur für die Augen. Bei dieser Figur und den Muskeln war er sicher auch sonst ein Prachtexemplar.

Wahrscheinlich hatte er sich die Wartezeit damit vertrieben, die Örtlichkeit zu erkunden, denn er führte sie zielstrebig zu dem Zimmer von Professor Unger. Dann allerdings begrüßte er den Professor wie ein alter Bekannter.

„Es ist nett, dass Sie sich geeinigt haben und gemeinsam kommen. Denn ich bin längere Zeit nicht mehr erreichbar“, lobte Unger sie.

Hardy stellte seine Fragen gezielt, er fragte auch immer wieder nach einzelnen Projekten. Emma hatte das Gefühl, dass er die allgemeinen Dinge zur Wiedervernässung nur ihretwegen ansprach, denn der Professor wirkte manchmal etwas überrascht, antwortete aber trotzdem bereitwillig. Er betonte immer wieder, dass es ein Abwägen zwischen den ökonomischen und den ökologischen Problemen geben müsse.

„Schließlich bedecken die Moore 2879 qkm von Mecklenburg-Vorpommern, das sind 12,5% der Landfläche. In Niedersachsen sind es mit 3950 qkm 8 %, da geht es auch um die Nahrungsversorgung.“ Er blickte Emma an. „Schließlich werden in anderen Ländern die Umweltbedingung häufig weniger beachtet als bei uns, daher sind Lebensmittelimporte keine Lösung. Aber auch die ökonomischen Bedingungen für die Landwirte muss man beachten. Wir versuchen, den Wasserstand anzuheben, aber nur so weit, dass die Bauern ihr Land noch bewirtschaften können. Außerdem suchen wir nach Möglichkeiten, die Moore wirtschaftlich zu nutzen, sei es durch Wasserbüffel, durch neue Verwendungszwecke für Reet und die Nutzung von Moormoosen. Aber da stehen wir erst am Anfang. Bis die Landwirte davon leben können, wird es noch dauern, falls es sich wirklich als wirtschaftlich erweist.“

Hardy erzählte von dem Gespräch mit Herrn Lohmann. „Ich bleibe mit ihm in Kontakt und bin auf seine Erfahrungen gespannt. Möglicherweise schafft er sich Wasserbüffel an. Wenn er damit Erfolg hat, setze ich es vielleicht auch um. Allerdings ist meine Moorfläche recht klein.“

„Wie läuft es denn mit den Ziegen?“, fragte Dr. Unger.

Hardy zuckte die Achseln. „Sie kosten viel zu viel Arbeit, aber dafür können sie nichts. Ich traue mich nicht, sie nachts auf der Weide zu lassen, da es bei uns Wolfssichtungen gab.“

„Aber da gibt es doch gute Erfahrungen mit den Hütehunden“, mischte sich Emma ein.

„Wir können Hunde nicht tagelang allein mit den Ziegen oder auch Schafen lassen, die Tiere brauchen eine Betreuung und Aufsicht. Schließlich laufen bei uns immer wieder Ausflügler herum, die ihre Hunde freilaufen lassen. Da ist Stress vorprogrammiert.“

Die beiden Männer unterhielten sich. Mutig fasste Emma sich ein Herz und stellte ihre letzten Fragen, die der Professor jedoch nur kurz beantwortete, weil er in eine Vorlesung musste.

„Darf ich Sie zu einem Kaffee einladen? Immerhin haben Sie mir ermöglicht, Professor Unger noch kennenzulernen. Dafür bin ich sehr dankbar“, erklärte Emma und lächelte Hardy gewinnend an.

„Tut mir leid, aber ich muss nach Hause, da wartet eine Menge Arbeit auf mich. Trotzdem vielen Dank für die Einladung“, entschuldigte sich Hardy. Er nickte ihr zu, zog sein Handy aus der Tasche und vertiefte sich darin.

„Arrogantes Arschloch“, murmelte Emma leise, nachdem er sich entfernt hatte. Er hätte doch wenigstens ein paar Worte mit ihr wechseln können. Aber sicher wollte er sich schnell an seinen nächsten Artikel setzen. Gefrustet suchte sie ein Café am Hafen auf und gönnte sich ein Stück Käse-Sahne-Torte und einen Caffè Latte.

9

Erst vier Tage nach dem Gespräch bei ihrer Mutter besuchte Christian von Barup seinen Großonkel. Er hatte Erbarmen mit dem älteren Bruder gehabt, dem ein wichtiger Termin dazwischengekommen war, und versprochen, ihm zu helfen. „Hat die Personalagentur sich schon gemeldet?“, fragte er, bevor er losfuhr.

„Leider nein, der Markt ist leergefegt. Kein Wunder, wer wird heute schon Hauswirtschafterin auf einem Schloss?“

„Und dann muss sie auch noch unseren Onkel ertragen und jeden Mist machen, weil er nicht genug Personal hat. Ich finde, wir sollten ihn hängen lassen, vielleicht macht das ihm eine Seniorenresidenz schmackhafter.“

Hardy lachte. „Vielleicht, aber darauf verlasse ich mich nicht. Der alte Herr ist sehr hartnäckig.“

„Außerdem ziemlich dement. Können wir ihn nicht für unzurechnungsfähig erklären lassen?“

„Möchtest du, dass deine Enkel das eines Tages mit dir machen?“, fragte Hardy kopfschüttelnd.

„Nein, aber ich hoffe, ich werde nicht so rücksichtslos und verblendet sein. – Wir sollten mit unserem Rechtsanwalt darüber sprechen.“

„Habe ich schon, es gibt praktisch keine Möglichkeit. Dann müsste er sehr schlimm dran sein und viel Blödsinn anstellen. Nein, wir würden nur mit einem Skandal in der Presse landen.“

Krischan seufzte. „Wahrscheinlich hast du recht. Wer weiß, wie lange der alte Knabe noch lebt und uns quälen kann.“

Hardy zuckte nur mit den Achseln. „Jeder hat sein Päckchen zu tragen. Unseres ist der Großonkel.“

10

Bei Friedrich Fürst von Barup wurde Christina von einer Mittdreißigerin empfangen, die mit ihren rot gefärbten Haaren und dem stark geschminkten Gesicht recht billig wirkte.

„Was wollen Sie?“, fragte sie unfreundlich.

„Oh, ich wollte meinen Onkel besuchen“, erklärte er.

„Sie sind nicht angemeldet“, antwortete sie schnippisch.

„Doch, ich habe vorhin mit ihm telefoniert. Sie brauchen mir nicht den Weg zu weisen, den finde ich schon allein“, erklärte er, ging an ihr vorbei zum grünen Salon. Auf dem Weg dahin bemerkte er die Spinnweben am Fenster und einen großen braunen Fleck auf dem Steinfußboden.

„Ziehen Sie sich die Schuhe aus, ich kann hier nicht ständig den Dreck wegwischen, und außerdem leidet der kostbare Fußboden darunter“, schrie sie ihm hinterher.

Krischan wandte sich kurz um. Provokant musterte er den Steinboden im Foyer. „Haben Sie vielleicht diese Museumspantoffeln für mich?“, fragte er.

„Wo soll ich die denn herhaben?“, grollte die Frau.

„Na, wenn Sie hier die Wirtschafterin sind, ist das Ihre Aufgabe, dafür zu sorgen. Erkundigen Sie sich danach.“

Damit ließ er sie stehen und machte sich an ihr vorbei auf den Weg zum Großonkel.

Natürlich gab es nicht wie sonst Kaffee und Kuchen. „Soll ich uns etwas zu trinken aus der Küche besorgen?“, fragte er den Fürsten.

„Lieber nicht, meine neue Wirtschafterin muss sich erst einarbeiten. Sie stellt momentan Arbeitspläne auf, damit alles besser läuft.“

„Wie heißt sie? Bist du denn mit ihr zufrieden?“, fragte Krischan.

„Ja, Frau Lohse ist freundlich, und das Essen schmeckt hervorragend.“

„Was gab es denn?“, fragte sein Neffe.

Ausführlich erklärte der Fürst, welche leckere deutsche Küche die Neue kochte. „Ich bin Kevin dankbar, dass er so schnell Ersatz gefunden hat. Auf euch kann ich mich ja nicht verlassen. Hardy hatte mir versprochen, sich darum zu kümmern, aber ich habe bisher nichts von ihm gehört.“

„Ganz einfach, er hat niemanden gefunden. Der Markt ist leergefegt. Außerdem wird woanders besser bezahlt.“

„Das liegt nur daran, dass ihr euch keine Mühe mit der Suche nach dem Personal gebt.“

Demonstrativ fuhr Krischan über den kleinen Spieltisch am Fenster und schaute dann seinen staubigen Finger an.

„Kevin wird mir auch noch eine Reinigungskraft besorgen. Ich bin froh, wenn ich die Jetzige los bin. Die ist einfach zu langsam.“

„Findet er denn auch noch deutsche Kräfte?“

„Natürlich, ich will keine Ausländer im Schloss haben, denen kann man überhaupt nicht trauen.“

„Es gibt auch Deutsche, die klauen, betrügen und sogar morden“, meinte Krischan lakonisch. „Wie geht es denn Beate? Sie musste in den letzten Tagen alles ganz allein stemmen.“

Da sein Großonkel wieder einmal rot anlief, brachte er das Gespräch lieber schnell auf das Wetter und die voraussichtliche Weizenernte.

Erst nachdem sein Onkel sich etwas beruhigt hatte, schlug er vor, doch einen kleinen Spaziergang durch den Garten zu machen. Sie öffneten die Terrassentür und liefen ein paar Meter über den befestigten Weg. Nur direkt am Schloss wurden die Beete noch gepflegt, dahinter wuchsen die Bäume und Büsche im Wildwuchs, bevor sich Viehweiden und Felder anschlossen. Aber mehrere Gärtner waren vom Gut nicht mehr tragbar, also hatte Hardy beschlossen, dass ein paar Landfrauen sich nur ab und zu um die wenigen Rabatten kümmerten.

„Hast deine neue Perle dir Referenzen vorgelegt?“, fragte Krischan so nebenbei, während sie die Rosen bewunderten. Eine neue Züchtung der bekannten Gärtnerei des Ortes.

„Darum hat sich Kevin gekümmert, er hat sie angestellt.“

„Wer ist Kevin?“

„Ein Bekannter von den Rotariern. Er ist ein Freund von Dr. Daniel Stöhr. Den kennst du doch, der Direktor der Hamburger Privatbank.“

11

Leider hatte Krischan keine Gelegenheit, mit Beate oder auch nur Herrn Nöthe zu sprechen, denn als er ging und zu seinem Großonkel sagte, er bräuchte ihn nicht hinauszubegleiten – in der Hoffnung, die beiden unauffällig ausfragen zu können – erschien gleich Frau Lohse und überwachte ihn.

„Haben Sie sich hier schon eingelebt?“, fragte er. Doch die Frau schaute ihn nur missmutig an, ohne zu antworten. Leider hatte er dadurch nicht die Möglichkeit, sich im Schloss noch etwas umzuschauen.

Die neue Mitarbeiterin hinterließ bei ihm nicht den Eindruck, irgendetwas von Haushalt zu verstehen, eher wirkte sie wie eine verlebte Prostituierte. Daher googelte er daheim, was die umliegenden Gasthöfe in den letzten Tagen auf der Speisekarte gehabt hatten und wurde auch gleich im Dorfkrug fündig.

„Du hast recht, ich muss mit Herrn Nöthe sprechen. Mal sehen, wie ihr Arbeitsvertrag aussieht, was sie verdient und ob sie überhaupt passende Berufserfahrungen hat“, meinte Hardy. Er klang ziemlich genervt. „Schade, dass du nur ihren Familiennamen weißt.“

„Tut mir leid, dass du jetzt noch mehr Arbeit damit hast“, meinte Krischan entschuldigend.

„Na ja, solange der Alte mit ihr zufrieden ist, haben wir erst einmal Ruhe. Notfalls müssen wir hinterher halt eine Reinigungstruppe engagieren.“ Er lachte kläglich.

Trotz der geringen Informationen versuchten die Brüder, etwas über Frau Lohse zu erfahren, aber das war hoffnungslos.

„Wer weiß, ob die wirklich so heißt“, murmelte Krischan.

„Wenn es vielleicht nur eine einfache Reinigungskraft oder Fabrikarbeiterin ist, wird man auch mit vollem Namen nichts verfahren“, erklärte Hardy. Deshalb beschloss er, sobald er das Viehsalz hatte – durch Lieferprobleme hatte es sich verzögert – zu seinem Onkel zu fahren.

Leider hatte Hardy Pech, denn als er versuchte, Herrn Nöthe zu erreichen, nahm die Neue ab und meinte, Herr Nöthe hätte eine Grippe und wäre seit ein paar Tagen krank. Da Hardy den armen Mann nicht auch noch belästigen wollte, wenn er bettlägerig war, ließ er es bleiben. Er hielt es nicht für so dringend erforderlich.

Aber auch sein Onkel war schwer zu erreichen. Mal war er gerade beim Baden, ein anderes Mal ging er im Garten spazieren und da er noch ein altmodisches Schnurtelefon hatte, klappte es nicht.

Einmal gelang es Fabi, mit ihm zu sprechen, der Onkel klang gutgelaunt und meinte, alles wäre bestens.

12

Erst zwei Wochen später holte sein Mitarbeiter einige dringend benötigte Sachen mit dem Trecker vom Agrarhändler, darunter auch das Rinderlecksalz.

Hardy lud einen Teil davon gleich auf den Jeep und machte sich, mit Jeans, grobem Flanellhemd und den kräftigen Arbeitsschuhen auf den Weg zu dem Gut seines Onkels. Bei dem Laufstall hielt er und lud es mit Hilfe des Melkers ab.

„Das war jetzt auch wirklich nötig. Ich habe es schon vor zwei Wochen bestellt“, erklärte der Mann.

„Wem hast du es denn gesagt? Ich habe nichts davon erfahren, hatte nur durch meine Aufzeichnungen gewusst, dass eine neue Lieferung fällig ist. Leider gab es Lieferprobleme, deshalb gibt es das erst heute.“

„Eigentlich wollte ich es Heinz sagen, aber diese schnippische Frau hat das Telefon abgenommen und mir versprochen, es weiterzugeben.“

Hardy klopfte sich den Staub von der Kleidung. „Beim nächsten Mal ruf mich an. Du hast doch meine Telefonnummer?“

Der Mann kratze sich am Hinterkopf. „Ich glaube nicht, bisher hat Heinz das gemacht.“

„Ist der immer noch krank?“

Der Mann schüttelte den Kopf. „Ich glaube nicht, die neue Hexe sagt es zwar, aber meine Frau hat ihn beim Einkaufen getroffen. Aber er hatte es eilig und hat sie nur gegrüßt.“

Nachdenklich fuhr Hardy weiter zum Schloss. Er ärgerte sich, dass er den Auftrag für ein großes Magazin angenommen hatte, dadurch hatte er nicht sofort, nachdem Krischan ihm Bescheid gegeben hatte, seinen Onkel besuchen können. Nach dem Gespräch musste er unbedingt Herrn Nöthe aufsuchen und die mysteriösen Dinge mit ihm besprechen.

Vor dem Schloss stand direkt vor der Freitreppe ein Lamborghini mit Hamburger Kennzeichen. Wer besuchte denn seinen Onkel? Hardy wunderte sich, denn Fürst von Barup hatte sich doch inzwischen mit seinem gesamten Bekanntenkreis zerstritten. Da das Auto die Durchfahrt versperrte, musste Hardy hinter ihm parken, statt wie sonst bis zur Remise durchzufahren.

Da Krischan ihn vorgewarnt hatte, beschloss er, nicht den Haupteingang zu benutzen, sondern durch den Kücheneingang das Schloss zu betreten. In der Küche stapelte sich das schmutzige Geschirr und der Mülleimer quoll über. Der gesamte Raum sah aus, als wäre er schon seit Wochen nicht mehr gereinigt worden und roch muffig. Schnell lief er zum großen Kühlschrank und öffnete ihn. Da lagen abgepackte Aufschnitt- und Käsepackungen. In der Speisekammer herrschte gähnende Leere, auch die Gefriertruhe enthielt keine neue Ware. An der Beschriftung erkannte er, dass alles noch von Marion eingelagert worden war.

Noch einmal schaute er sich das dreckige Geschirr an. Teller, Tassen, Bestecke, aber keine Töpfe oder Pfannen. Krischan hatte wohl richtig vermutet. Die gute Frau besorgte alles vom Gasthof. Wie sollte sie da mit dem Wirtschaftsgeld zurechtkommen?

Seufzend machte Hardy sich auf den Weg in den grünen Salon. Schon vor der Tür hörte er eine laute Männerstimme. Sie kam ihm unbekannt vor. Er klopfte an und trat ein, ohne auf eine Antwort abzuwarten.

„Was unterstehen Sie sich? Können Sie nicht warten, bis Sie hereingerufen werden!“, fauchte ein fremder Mann ihn an.

Er war vom Tisch vor dem Fenster aufgestanden und kam ihm entgegen.

Hardy musterte ihn von oben bis unten. Der Mann sah aus wie ein Model. Dunkles volles Haar, gebräunte Haut, ein ebenmäßiges Gesicht mit einem kräftigen Kinn, eine athletische Figur. Was ihn aber am meisten störte, was sein arroganter Gesichtsausdruck, als er Hardy musterte.

„Nein, aber Sie dürfen sich gern vorstellen.“ Er drehte sich zu seinem Großonkel um. „Onkel Fritz, wer ist das?“

Erst jetzt bemerkte er die junge Frau, die seitlich vom Fürsten in einem Sessel saß. Emma Fröhlich. Er hatte nicht erwartet, sie bei seinem Onkel wiederzusehen. Er nickte ihr kurz zu, dann wandte er sich wieder dem Fürsten zu, der am gedeckten Tisch saß. Hardy registrierte gefrustet, dass diese Fremden sogar Torte bekamen, während seinem Bruder nicht einmal ein Glas Wasser angeboten worden war.

„Das sind liebe Freunde von mir. Kevin Berthold ist Anlageberater bei der Bank und hilft mir, meine Finanzen in Ordnung zu bringen. Ihr habt mich ja jahrelang schlecht beraten. Dadurch ist mir eine große Summe verloren gegangen.“

„Können wir das nicht ein anderes Mal unter vier Augen klären?“, bat Hardy.

„Wieso? Ich vertraue Kevin. Wenn ihr mich um Geld gebracht habt, kann ich es offen aussprechen.“

„Wir haben immer alles gemeinsam besprochen, und du warst mit uns der Meinung, dass riskante Finanzanlagen nicht in Frage kommen. Wenn du hoch spekulierst, besteht die Gefahr, dass du in Konkurs gehst. Viel Spielraum hast du nämlich nicht mehr. Weder deine Ländereien noch deine Reederei werfen so viel ab, dass du Verluste hinnehmen kannst.“ Er ärgerte sich, dass er sich gezwungen sah, vor diesen Fremden so viel zu verraten. „Da du mir nicht vertraust, möchte ich, dass ein Betriebsprüfer die Bücher kontrolliert. Diesen Vorwurf kann ich nicht im Raum stehen lassen.“ Hardy funkelte erst seinen Onkel, dann den Fremden wütend an.

Aus dem Augenwinkel sah er, dass die junge Frau ihr Gesicht spöttisch verzog.

„Irgendjemand muss sich um den armen Fürsten von Barup kümmern“, schaltete sich Kevin ein. „Sie scheinen ja keine Zeit zu haben. Vielleicht auch nicht die nötigen Kenntnisse. Sie können den bedauernswerten Mann doch nicht verhungern lassen. Dank meines Einsatzes hat er jetzt wieder eine neue Wirtschafterin.“

„Viel Spaß bei der Personalsuche, die gebe ich gern ab. Es ist die fünfte Haushälterin in drei Jahren, trotz des guten Gehalts. Bis auf die Neue habe ich alle gesucht. Verhungert wäre mein Großonkel schon nicht, Herr Nöthe ist durchaus in der Lage, Essen im Dorfkrug zu bestellen.“

„Aber selbst gekocht schmeckt doch viel besser“, erwiderte sein Onkel.

„Schau dir doch bitte einmal deine Küche an. Wer soll die eigentlich sauber machen? Beate hört in einer Woche auf.“ Er drehte sich zu Kevin um. „Am besten suchen Sie gleich zwei Reinigungskräfte. Allerdings sollten die nicht zu anspruchsvoll sein, das Geld ist hier knapp.“

„Nur weil du viel erben willst.“

„Auf das Erbe lege ich keinen Wert. Mal sehen, wie es weiterläuft. Vielleicht muss ich es sogar ausschlagen, weil ich die Schulden nicht bezahlen kann.“

Schon die ganze Zeit hatte der alte Mann missbilligend auf Hardys staubige Hose und Schuhe geschaut, jetzt äußerte er sich dazu, um abzulenken. „Wie erscheinst du hier überhaupt? Ein Prinz sollte am Nachmittag einen Anzug tragen“, tadelte Fürst von Barup. „Aber was kann man schon von einem hergelaufenen Schlesier erwarten?“

Hardy lachte. „Die andere Hälfte stammt aber aus dem Geschlecht derer zu Barup und wenn es dir weniger peinlich ist, pleite zu gehen, dann lasse ich es, dir zu helfen. Ich habe nur das Salz für deine Rinder vorbeigebracht, aber du kannst es dir ja auch gern liefern lassen. Ich brauche diese Extraarbeit nicht, die mache ich seit Jahren nur, damit du Kosten sparst.“

„Machen Sie sich keine Gedanken darüber. Ich werde einen günstigen Lieferanten finden und auch Reinigungspersonal. Am besten schließen wir einen Vertrag mit einer Firma, die Ihnen zwei- oder dreimal in der Woche jemanden schickt, dann brauchen Sie die Sozialabgaben nicht zu bezahlen. – Kommen Sie nächste Samstag zu dem Konzert, das die Rotarier organisiert haben?“

„Ich erreiche den Konzertsaal nicht. Hardy hat meinen Chauffeur gekündigt.“

„Der war auch schon fünfundachtzig. Das war unverantwortlich, den noch fahren zu lassen“, knurrte Hardy. Er ging zum Kaffeetisch und schenkte sich ein Glas Wasser ein, das er im Stehen trank.

„Kein Problem, ich hole Sie gegen achtzehn Uhr ab und fahre Sie hinterher auch wieder zurück. Sie vereinsamen doch sonst hier“, erklärte Kevin. „Du bist doch damit einverstanden, Schatz?“ Auffordernd schaute er Emma an.

„Natürlich, kein Problem“, erwiderte Emma.

Hardy wurde übel. Mussten die beiden sich so einschleimen? Ihm kam der Verdacht, dass sie Erbschleicher waren. Er musste unbedingt herausbekommen, wer Kevin war und ob er wirklich in einer Bank arbeitete. Er war enttäuscht, Emma war ihm zwar sehr idealistisch und unrealistisch erschienen, aber nicht berechnend. So konnte man auf ein hübsches Gesicht hereinfallen. Wie konnte ein intelligentes Mädchen bloß mit so einem armseligen Typ zusammen sein?

„Ich habe mit Heinz noch etwas zu besprechen, da du Gäste hast, schaue ich nicht mehr herein. Ich wünsche noch einen angenehmen Nachmittag.“ Mit diesen Worten drehte er sich um, nur um von der Stimme des Fürsten gestoppt zu werden.

„Heinz Nöthe arbeitet nicht mehr für mich. Ich vertraue ihm nicht mehr.“

Hardy schoss herum. „Hat das Herr Berthold veranlasst? Wie kannst du einen Mann, der seit vierzig Jahren zuverlässig für dich arbeitet, entlassen?“ Er war geschockt. „Dann schaue ich mir auf jeden Fall einmal die Bücher an.“

„Damit haben Sie nichts mehr zu tun. Durchlaucht möchte nur noch mir die Verwaltung anvertrauen.“

„Darüber hat mein Onkel nicht allein zu entscheiden. Wie Sie sicher in den Unterlagen erkannt haben, sind meine Brüder und ich bei der Reederei und auch bei den Ländereien zum Teil Mitbesitzer. Fürst von Barup hat weder seinen Bruder noch seine Neffen und Nichten ausgezahlt. Mein Vater hat seinerzeit seine Schwestern ausgezahlt, sich dafür aber einen Anteil im Grundbuch eintragen lassen.“

Er nickte den Dreien am Kaffeetisch zu und marschierte energisch hinaus. Im Arbeitszimmer fehlten mehrere Ordner, sodass er die Vorgänge nicht kontrollieren konnte.

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Wutentbrannt stürmte er aus dem Haus und ließ die Küchentür offen, sollte sich doch die neue Wirtschafterin darum kümmern. Auf der Auffahrt hatte er keine Lust, rückwärts zu fahren, sondern wendete auf dem gepflegten Rasen, um dann zu Heinz Nöthe aufzusuchen. Warum hatte der alte Mann ihm nicht Bescheid gesagt? Er war entsetzt. Wahrscheinlich musste er die Polizei einschalten und sehen, was noch zu retten war.

Bei Herrn Nöthe klingelte er vergebens. Der alte Mann war alleinstehend, seine Frau war schon vor zehn Jahren gestorben, deshalb hatte er auch über das Renteneintrittsalter hinaus gearbeitet. Von ihm kamen keine Vorschläge zu riskanten Geldanlagen, er arbeitete fleißig, zuverlässig und solide. Wenn Hardy Neuerungen einführen wollte, musste er häufig mit Heinz Nöthe kämpfen. Ihn zu überzeugen war schwer, aber er konnte sich auf ihn verlassen und das war ihm wichtiger. Außerdem konnte er doch keinen Menschen auf die Straße setzen, der sein ganzes Arbeitsleben in den Dienst der Familie Barup gestellt hatte. Hardy bewunderte schon seit Jahren seine Geduld mit dem unleidlichen Fürsten und war froh, jemanden auf dem Schloss zu haben, der ihm Mitteilungen machte, wenn etwas schieflief. Warum es diesmal nicht geklappt hatte, war ihm schleierhaft.

Nachdem er mehrmals Sturm geklingelt hatte, klingelte er bei der Nachbarin. „Ach, Herrn Nöthe, den habe ich auch schon zwei Tage nicht gesehen. Ob er verreist ist?“

„Hat er denn davon gesprochen?“, fragte Hardy. Doch die Nachbarin schien Herrn Nöthe nicht besonders gut zu kennen.

„Wissen Sie, was er nach Feierabend macht? Wo ich ihn antreffen kann?“

Die Frau schüttelte ihren Kopf.

Leider blieb Hardy nichts anderes übrig, als nach Hause zu fahren. Daheim versuchte er, Herrn Nöthe telefonisch zu erreichen. Vergeblich. Immer wieder rief er an. Auch am nächsten Tag probierte er es über den gesamten Tag verteilt. Umsonst. Langsam machte er sich große Sorgen. Krischan fuhr zweimal bei Herrn Nöthe vorbei, traf ihn aber auch nicht an. Schließlich beschlossen sie, Polizei, Krankenhäuser und Schlossangestellte abzutelefonieren. Sie teilten die Anrufe auf und setzen sich sofort ans Werk. Hardys Sorge um den alten Mitarbeiter wuchs. Er hatte seine Liste inzwischen vergeblich abtelefoniert. Hoffentlich war Heinz Nöthe nicht beim Wandern umgekippt und lag jetzt seit Tagen hilflos im Wald.

Endlich rief Krischan an. „Ich habe ihn gefunden. Er liegt mit einem Schlaganfall im Marienkrankenhaus und kann kaum sprechen. Zum Glück hatte er den Ausweis dabei, sodass sie wenigstens seinen Namen und Adresse wussten.“

„Puh, den hat wohl Kevin Berthold auf dem Gewissen.“ Hardy schaute auf die Uhr. Es war schon spät. Zu spät, um einen Krankenbesuch zu machen. „Ich werde ihn morgen im Krankenhaus besuchen. Hast du eine Ahnung, wer einen Schlüssel zu seinem Haus hat? Wen können wir ansprechen?“

„Leider nicht, du hattest doch am meisten Kontakt zu ihm.“

„Eigentlich weiß ich nur wenig von ihm. Ich war geschockt, dass seine Nachbarin nicht Bescheid wusste.“

Am Abend rief seine Mutter an. Sie war inzwischen in Toronto und wollte bald nach Tokio weiterfliegen. Als Hardy ihr von Heinz erzählte, meinte sie: „Er und seine Frau waren mit der ehemaligen Haushälterin befreundet. Wie hieß sie noch mal. Hm, Brigitte, ja Brigitte Vollmer. Sie hatten einen Sohn in Lübeck. Ich glaube, sie wollten in seine Nähe ziehen.“

„Dann werden sie keinen Schlüssel haben.“

„Aber vielleicht wissen, wer einen hat. Der Sohn hieß Massimo, wir haben uns immer amüsiert, dass der arme Kerl so einen unpassenden Namen hatte.“ Sie lachte in der Erinnerung. „Grüße Heinz bitte, wenn du ihn besuchst. Es tut mir so leid, wir hätten ihn längst in Rente schicken sollen.“

Hardy seufzte. „Hinterher ist man immer schlauer.“

Er setzte sich gleich hin und suchte im Internet nach Brigitte Vollmer und als er da nichts fand, nach Massimo Vollmer. Den fand er tatsächlich in Lübeck und rief ihn trotz der späten Stunde an.

„Guten Abend, vielleicht erinnern Sie sich noch an mich. Ich bin Prinz Hardy von Barup, der Großneffe des Fürsten von Barup.“

„Guten Abend, was wünschen Sie?“

„Erinnern Sie sich an Heinz Nöthe? Haben Ihre Eltern vielleicht noch Kontakt zu ihm? Meine Mutter meinte, sie wären befreundet gewesen. Herr Nöthe liegt im Krankenhaus, und ich suche jemanden, der einen Schlüssel hat und sich um sein Haus kümmern und ihm Sachen vorbeibringen kann.“

„Es ist schon spät, ich werde meine Mutter morgen fragen. Meine Eltern leben jetzt im betreuten Wohnen. Aber soviel ich weiß, treffen sie Heinz immer noch regelmäßig. Ich kümmere mich darum.“

„Vielen Dank, damit erleichtern Sie meine Sorge.“ Er verabschiedete sich. Es war schon halb elf Uhr. So spät führte er normalerweise keine Gespräche mit Fremden, und die Situation war ihm unangenehm gewesen, aber Heinz Nöthe war wichtiger als Rücksichtnahme.

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