"Heute beginnt mein Leben!" - Cornelia Dürkhauser - E-Book

"Heute beginnt mein Leben!" E-Book

Cornelia Dürkhauser

0,0
5,99 €

-100%
Sammeln Sie Punkte in unserem Gutscheinprogramm und kaufen Sie E-Books und Hörbücher mit bis zu 100% Rabatt.
Mehr erfahren.
Beschreibung

Nach "'Der Himmel ist hier anders blau ...' - Erfahrungen einer Ärztin in der Flüchtlingshilfe" präsentiert Cornelia Dürkhauser mit "'Heute beginnt mein Leben!' - Reflexionen einer Ärztin in der Flüchtlingshilfe" ihr zweites Buch mit autobiographischen Erlebnissen rund um die Flüchtlingsarbeit, die ihr längst zum Lebensinhalt geworden ist. Auch diesmal geht es wieder um die Schicksale geflüchteter Menschen, jedoch nimmt die Auseinandersetzung der Autorin mit ihren eigenen Gedanken und Gefühlen deutlich mehr Raum ein. So ist ihr auch mit dem vorliegenden Buch ein sehr persönliches Werk gelungen, in dem sie den Leser bisweilen nachdenklich bis ratlos zurücklässt. Wie im ersten Band rundet wieder eine Sammlung von Zitaten, alle von Flüchtlingen gegenüber der Autorin persönlich geäußert, das Buch ab. WICHTIG: Alle Begebenheiten sind real, sämtliche Namen jedoch geändert. Die Details sind so bearbeitet, dass ein Rückschluss auf die tatsächliche Person nicht möglich ist.

Sie lesen das E-Book in den Legimi-Apps auf:

Android
iOS
von Legimi
zertifizierten E-Readern

Seitenzahl: 86

Bewertungen
0,0
0
0
0
0
0
Mehr Informationen
Mehr Informationen
Legimi prüft nicht, ob Rezensionen von Nutzern stammen, die den betreffenden Titel tatsächlich gekauft oder gelesen/gehört haben. Wir entfernen aber gefälschte Rezensionen.



Über die Autorin

Geboren 1971, erlangte Cornelia Dürkhauser 1996 die Approbation als Ärztin. 2002 folgte die Facharztanerkennung im Fach Anästhesiologie. Von Kindheit an interessierte sie sich für fremde Kulturen, insbesondere für Ethnologie Südostasiens, und bereits im Studium engagierte sie sich für Waisenkinder in aller Welt. Von 2002 bis 2007 leitete sie den Aufbau eines Krankenhauses in Kambodscha. Seit 2015 arbeitet sie ehrenamtlich mit Geflüchteten und erlangte 2016 die Zusatzqualifikation „Interkulturelle Kompetenz im Gesundheitswesen“. Die Autorin ist Mutter eines Kindes und angestellt in Sachsen.

Wichtig:

Alle Namen sind geändert. Sollten Namensgleichheiten oder -ähnlichkeiten zu real existierenden Personen auftreten, so sind diese zufällig, unbeabsichtigt und stehen in keinem Bezug zum Inhalt dieses Buches. Auf Orts- und Straßenangaben wurde ganz bewusst weitgehend verzichtet. Sofern diese jedoch zwingend nötig sind, wurden auch sie geändert. Die Details der geschilderten Sachverhalte sind so bearbeitet, dass ein Rückschluss auf die tatsächliche Person nicht möglich ist. Der besseren Lesbarkeit halber wird im gesamten Buch, unabhängig von deren Status, von „Flüchtlingen“ gesprochen.

„Man kann nicht allen helfen, sagt der

Engherzige – und hilft keinem.“

(Marie von Ebner-Eschenbach)

Für Alexander

Inhaltsverzeichnis

1 – Die Relativität der Armut

2 – Das wird man doch sagen dürfen!

3 – Menschen erster und zweiter Klasse?

4 – Wenn du anders bist

5 – Fehl am Platz

6 – Wir schaffen das?

7 – Ja, aber …

8 – Berührungsängste

9 – Mama

10 – Puzzleteile

11 – Eine Weihnachtsgeschichte

12 – Die falsche Antwort

13 – Illegal

14 – Von Stolz und Nationalstolz

15 – Fragen ohne Antworten

16 – Du

17 – Integration – was ist das eigentlich?

18 – Kein Tadel ist Lob genug

19 – Das Foto

20 – Die Bombe

21 – Wenn Liebe Leben rettet

22 – Empörung

23 – Kriminelle Machenschaften

24 – Nicht nur eine Sprachbarriere

25 – Beklemmung

26 – An meine Familie

27 – Eine persönliche Bilanz

Zitate

Danksagung

1 – Die Relativität der Armut

Oder: Wenn Deutsche meinen, arm zu sein - Erfahrungen aus Kambodscha und was Flüchtlinge damit zu tun haben

Ich war einige Jahre in Kambodscha und habe dort, von staatlichen Stellen und Geldern unabhängig, den Aufbau eines Krankenhauses geleitet. Kambodscha war (und ist immer noch) eines der ärmsten Länder der Erde.

In Kambodscha wurde nach der Niederschlagung der Roten Khmer (1979) ein Bürgerkrieg entfacht, in dem es noch bis Ende der 1990er Jahre regelmäßige Kampfhandlungen gab, vereinzelte noch bis 2002, 2003. Ich besuchte Kambodscha zum ersten Mal im Jahre 2001 und begann mein Krankenhausprojekt ein Jahr später, ich war vor Ort bis 2007.

Ich weiß also sehr genau, wie ein kriegszerstörtes Land aussieht. Ich weiß sehr genau, wie es Menschen geht, die nichts, aber auch gar nichts mehr haben. Menschen, die hungern, die nicht wissen, ob sie morgen etwas zu Essen haben werden oder ob eines ihrer Kinder übermorgen auf eine Landmine tritt und sie es nicht zum Arzt bringen können, weil es keinen gibt oder er so viel Geld verlangt, dass selbst das ganze Dorf die Summe nicht aufbringen kann. Menschen, deren einzige Kleidung die ist, die sie am Körper tragen, und sich auch keine neue kaufen oder nähen können, weil es einfach nichts gibt und sie überdies auch kein Geld haben, selbst wenn es etwas gäbe. Menschen, die ohne jegliche medizinische Versorgung und ohne noch so kleine soziale Sicherung leben. Menschen, die kein Einkommen haben und keine Bildung, weil die Schulen zerstört sind und die Lehrer tot oder weil, sofern es beides gibt, das Schulgeld nicht bezahlt werden kann. Menschen, die zu alledem in einer Region leben, die regelmäßig von Naturkatastrophen heimgesucht wird; insbesondere fordern Überschwemmungen jedes Jahr Opfer: 2004 hat der Mekong über 20 Ortschaften und Siedlungen an seinen kambodschanischen Ufern dem Erdboden gleichgemacht, es gab mehrere Hundert Tote.

Ich weiß ebenso gut, wie es ist, in einer fremden Kultur anzukommen und sich dort zurechtfinden zu müssen. Ich weiß auch ganz genau, wie es ist, wenn man am Anfang nur nichtssagende Laute hört und genauso nichtssagende Buchstaben sieht. Ich weiß, wie es ist, wenn der bisherige Alltag von heute auf morgen anderen Gesetzmäßigkeiten folgt. Ich weiß, wie es ist, wenn von heute auf morgen hinterfragt werden muss, ob das, was gestern noch richtig war, heute immer noch richtig ist oder nun vielleicht falsch ist. Ich weiß es nicht von Augenzeugen oder von Berichten aus der Presse, nein, ich weiß es aus eigener Erfahrung. Vielleicht kann ich mir deshalb so gut vorstellen, wie es in Syrien oder Afghanistan aussieht und wie es den Menschen im Innersten geht, die zu uns kommen. Vielleicht kann mich deshalb so gut in sie hineinversetzen. Und ich weiß noch etwas, auch aus eigener Erfahrung.

Wir leben in einem der reichsten Länder der Welt mit einem der besten Sozialsysteme der Welt. Uns geht es verdammt gut, und doch sind wir unzufrieden und jammern – jammern auf hohem Niveau. Niemals habe ich einen der Ärmsten der Armen in Kambodscha jammern hören. Im Gegenteil: Die Menschen hatten nichts – nichts außer einer positiven Einstellung. Man war nicht betrübt darüber, dass es heute keine warme Mahlzeit gab, sondern freute sich, zwei Fische gefangen zu haben, wovon man einen gegen eine Handvoll Reis eingetauscht hat, von der morgen, zusammen mit dem anderen Fisch, fünf Personen essen können.

Es gibt sicher Besseres als Essen von der Tafel und Kleidung aus dem DRK-Laden, aber die Sorgen, dass man keine Mahlzeit oder nichts anzuziehen hat oder dass sein krankes Kind keine ärztliche Versorgung bekommt, muss hier niemand haben. Auch das Kind aus der ärmsten Familie geht in die Schule, bekommt die Bücher kostenlos und sogar einen staatlichen Zuschuss zur Klassenfahrt. Die, die bei uns arm sind, sind reich im Vergleich zu Menschen aus Kriegsländern. Die übergroße Mehrheit derer, die meinen, dass Flüchtlinge ihnen etwas wegnehmen, hat niemals Krieg am eigenen Leib gespürt, hat niemals erlebt, wie es Menschen geht, die viel, viel weniger haben als sie selbst.

Muss es für Menschen aus Kriegsländern nicht geradezu absurd wirken, wenn Deutsche sich darüber beschweren, wie schlecht es ihnen geht?

Ich habe im unmittelbaren Nachkriegskambodscha ein Krankenhaus aufgebaut. Vielleicht mache ich ja dasselbe in ein paar Jahren in Syrien, Afghanistan, Irak oder Eritrea? Das ist mein Traum. Aber bis dahin bin ich für die Menschen da, die aus diesen Ländern hier sind. Und für alle anderen natürlich auch ...

2 – Das wird man doch sagen dürfen!

Oder: Wenn die eigene Meinung von der der Mehrheit abweicht

Ich bin für uneingeschränkten Familiennachzug, weil die Sorge um zurückgebliebene Angehörige jegliche Integration erschwert oder unmöglich macht. Ich bin gegen die Residenzpflicht, weil es kontraproduktiv ist, jemanden in einer Gegend, in der er keine persönliche, soziale, berufliche, integrative oder wie auch immer geartete Perspektive hat, festzuhalten. Ich bin gegen die Abschiebung nach Afghanistan, weil Afghanistan ein Kriegsland ist und in keinem Landesteil sicher. Ich bin dafür, Menschen, die eine Ausbildung oder eine Arbeitsstelle haben oder die in binationaler familiärer Bindung leben, grundsätzlich nicht abzuschieben.

Ich bin für eine deutschlandweite umfassende Gesundheitsversorgung vom ersten Tag an, weil das Recht auf Gesundheit und körperliche wie seelische Unversehrtheit eines der grundlegendsten Menschenrechte überhaupt ist. Mit der derzeit in Sachsen und anderen Bundesländern üblichen Notfallregelung der ersten fünfzehn Monate werden Menschenleben gefährdet und Kosten in die Höhe getrieben, denn wiederholte Notfallbehandlung ist teurer als reguläre medizinische Versorgung.

Ich bin für eine uneingeschränkte Arbeitserlaubnis vom ersten Tag an und das parallele Erlernen der deutschen Sprache, weil das Gelernte dann sofort angewendet werden kann und muss und weil die Euphorie der Ankunft und die Übertragung von Eigenverantwortung ein großes Potential darstellen, das durch die überbordende Bürokratie ungenutzt verpufft und später in Frust, Wut und Depression umschlägt.

Ich kenne aus eigenem Kontakt keinen einzigen Flüchtling, der nicht arbeiten will. Ich kenne aus eigenem Kontakt viele Flüchtlinge, die sich auf Sozialleistungen ausruhen müssen, weil sie aufgrund der deutschen Asylregeln keine andere Möglichkeit bekommen. Es will kein einziger, den ich persönlich kenne.

Ich bin davon überzeugt, dass die deutsche Gesetzgebung und Bürokratie das Leid vieler Flüchtlinge noch verschärft, statt es zu lindern.

Das werde ich doch wohl sagen dürfen, ohne dass morgen meine Autoreifen zerstochen sind und Hakenkreuze an meiner Tür prangen? Das werde ich doch wohl sagen dürfen, ohne dass jetzt ein rassistischer Shitstorm über mich hereinbricht? Meine Erfahrung lehrt mich leider anderes. Aber ich sage es trotzdem!

3 – Menschen erster und zweiter Klasse?

Oder: Der Unterschied zwischen einem obdachlosen Deutschen und einem Flüchtling

Der Obdachlose

Wenn ein unterernährter obdachloser Deutscher aufgrund eines schweren Asthmaanfalles bewusstlos zusammenbricht und wiederbelebt werden muss, dann ist, sofern das Geschehen jemand bemerkt und die 112 wählt, innerhalb kurzer Zeit ein Rettungsteam vor Ort.

Der Patient wird leitliniengerecht behandelt, innerhalb weniger Minuten ins Krankenhaus gebracht, liegt im (künstlichen) Koma auf der Intensivstation, er bekommt alle nötige Diagnostik und Therapie.

Der Sozialdienst wird im Moment der Krankenhausaufnahme über den Patienten informiert, es wird per Eilantrag vom Gericht ein Betreuer bestellt. Der Betreuer wird im Falle eines Obdachlosen normalerweise ein Berufsbetreuer sein und für seine Arbeit bezahlt.

Sozialdienst und Betreuer kümmern sich gemeinsam um eine Krankenversicherung. Meistens liegt innerhalb von drei, vier Tagen die Aufnahme- und damit Mitgliedsbescheinigung einer Krankenkasse vor, und in fast allen Fällen auch die Bestätigung der Kostenübernahme vom Zeitpunkt der Krankenhauseinlieferung an. Wenn der bedauernswerte Patient seinen schlimmen Zustand überlebt, dann wird ein Antrag auf (Früh-)Rehabilitation gestellt, der im Falle einer erfolgreichen Wiederbelebung praktisch immer gewährt wird.

Der Patient kann in diesem Stadium oftmals keine zwanzig Meter gehen, nicht alleine essen, und manchmal noch nicht einmal alleine atmen. Er kommt in eine Reha-Einrichtung, in der er sich erholt, Alltagskompetenzen (wieder-)erlernt, im Umgang mit seiner Krankheit geschult und auf ein selbständiges Leben vorbereitet wird.

Diese Reha dauert manchmal Monate. Sein Betreuer kümmert sich in der Zeit darum, wo er nach der Entlassung unterkommen kann (z.B. ein Obdachlosenwohnheim oder eine WG, gar eine eigene Sozialwohnung ist möglich, wenn die Voraussetzungen gegeben sind), schreibt Anträge auf Sozialhilfe, Wohngeld, Zuzahlungsbefreiung etc. pp., er sucht einen weiterbehandelnden niedergelassenen Arzt, zu dem der Patient gehen und sich seine Medikamente, die einen erneuten Asthmaanfall verhindern, verschreiben lassen kann.