Heute christlich glauben - Julia Knop - E-Book

Heute christlich glauben E-Book

Julia Knop

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Beschreibung

Katholische und evangelische Christen sind einander näher als gedacht, nicht nur im Alltag, auch in ihrem Glauben. Die Ökumene ist weit vorangeschritten. Uns eint weit mehr als uns trennt; und vieles, was noch trennt, ist weniger bedeutsam als das Gemeinsame. Das Buch macht ernst mit dieser Überzeugung: Die einzelnen Kapitel nehmen das Ganze des christlichen Glaubens in den Blick – zunächst und soweit möglich aus der gemeinsamen christlichen Perspektive. Konfessionelle Spezifika werden dem Gemeinsamen zugeordnet und in ihrer Bedeutung eingeordnet. Bibel und Credo, Rechtfertigung und Kirche, Kirchenjahr und Sakramente, Amt und Ethik werden so gut nachvollziehbar und pointiert aufgeschlüsselt. Die einzelnen Themenbereiche sind so konzipiert, dass sie auch zum Querlesen geeignet sind - so entsteht ein informatives Sachbuch zum christlichen Glauben, das auch als Nachschlagewerk dient.

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Julia Knop · Stefanie Schardien

Heute christlich glauben

Der Leitfaden für die Ökumene im Alltag

© Verlag Herder GmbH, Freiburg im Breisgau 2019

Alle Rechte vorbehalten

www.herder.de

Umschlaggestaltung: Designbüro Gestaltungssaal

Covermotiv: © DigitalStorm – istock

epub-Realisierung: wunderlichundweigand

ISBN Print 978-3-451-38468-4

ISBN E-Book 978-3-451-81638-3

Inhalt

Zur Einführung

Ökumene heute

Typisch katholisch – typisch evangelisch?

Das Konzept dieses Buches

A Glauben und Bekennen

1. Jesus Christus ist der Herr!

Jesus Christus ist der Herr – zur Ehre Gottes, des Vaters (Phil 2,11)

Wirklich und wahrhaftig

Jesus Christus: Heil aller Menschen

Das Wort vom Kreuz

Theologie und Mathematik

Und an den Heiligen Geist

Noch einmal: Theologie und Mathematik

Solus Christus

Die richtigen Worte finden – Gott beschreiben

Dominus Iesus

2. Die heilige Schrift

Vom Hörensagen

Das Buch der Bücher

Abfolge der Bücher des Alten Testaments

Abfolge der Bücher des Neuen Testaments

Wort Gottes

Bibelauslegung

Sola scriptura

Ein Wort – viele Übersetzungen

Schrift und Tradition

3. Für uns Menschen und zu ­unserem Heil … – Von der ­Gnade Gottes

Kann ich irgendwie helfen?

Gutmensch Gott? Die Begründung des Heils

Zwischen fauler Haut und Selbstgerechtigkeit – das Problem mit menschlichen Leistungen

Ökumenischer Meilenstein oder fauler Kompromiss? Die Gemeinsame Erklärung zur Rechtfertigung

Ein Meilenstein!

Reformatorische Hintergründe: Luthers Verzweiflung …

… und Entdeckung

B Gebet und Gottesdienst

1. Unser Gottesdienst

Erinnerung und Verheißung

So sollt ihr beten: Vater unser!

Gottesdienstliche Vielfalt

Psalmen, Hymnen und viele „ö“-Lieder

Es segne euch Gott!

Geteilte Verantwortung

Stabile Struktur und Gestaltungsmöglichkeit

Herzstücke: Predigt und Kirchenmusik

Vielfältig und farbenfroh

Rosenkranz & Co

„Bitte für uns!“

2. Die Sakramente

Getauft auf Christus Jesus

Bedeutsame Zeichen

Ein Leben lang

Tut dies zu meinem Gedächtnis

Zwei, sieben oder noch mehr? Kleine und große Sakramente

Auf Nummer sicher: Taufe und Abendmahl

Kindertaufe

Streit um das Abendmahl

Wandlung von Brot und Wein

Eine Frage des Charakters: Taufe, Firmung und Weihe

Ich verspreche dir die Treue: Das Ehesakrament

Höchstpersönlich: Die Beichte

Krankensalbung: Es helfe dir der Herr in seinem reichen Erbarmen!

3. Das Kirchenjahr

Feste, wie sie fallen

Ostern

Advent und Weihnachten

Pfingsten

Trinitatis, Erntedank und andere Themenfeste

Mehr als bloße Wiederholung – Rhythmisch leben

Namenstag und Patrozinium

Allerheiligen und Allerseelen

Maria voll der Gnade

Fronleichnam

Christus Sieger, Christus König, Christus Herr in Ewigkeit!

Reformationstag

Buß- und Bettag

Ewigkeitssonntag (Totensonntag)

C Kirche und Ökumene

1. Was ist Kirche?

Kirche im Kleinen und Großen

Verschiedene Konfessionen – verschiedene ­Kirchentypen?

Tempel Gottes

Kirchenräume – Gespiegelter Glaube

Herein!

Von Laien und Profis

Verkündigung, Taufe und Abendmahl

Reformation – „work in progress“

Kirche – im Singular oder Plural?

Schwierige Verwandtschaftsverhältnisse

2. Ordnung ist das halbe Leben – Kirchliche Strukturen

Der älteste „global player“ der Welt

Strukturen haben alle

Was bin ich: lutherisch, reformiert, uniert?

Leitung teilen – mit allen

Von der Gemeinde beauftragt: Amt auf evangelisch

Räte, Konferenzen, Konsistorien

Amt und Weihe

Männer!

Unfehlbar?

3. Dass alle eins seien – ­Ökumene und ihre Ziele

Wer bewegt die „Ökumenische Bewegung“?

„Christliche“ oder „katholische“ Kirche?

Was bewegt die Ökumene?

Heiße Eisen und offene Baustellen

Uneinheitliche Einheitsvorstellungen

Rückkehr oder Umkehr?

Versöhnte Verschiedenheit

Wohin soll die ökumenische Reise gehen?

D Glaube und Leben

1. Der Ort der Kirche in der ­Gesellschaft

Drinnen oder draußen? Kirche in oder gegenüber der Gesellschaft?

Staatskirchenrecht – Religion und Verfassung

Darf’s ein bisschen mehr sein? Streit um die Sichtbarkeit von Kirche und Religion

Kirche und Politik

Die kirchlichen Stimmen in ethischen Fragen

Gewissensfragen

Prinzipien und Enzykliken: Katholische Soziallehre

Die Barmer Theologische Erklärung

2. Ehe, Familie, Lebensformen

Lebensformen im Wandel – wie immer

Freiheit und Bindung – die Deutung von ­Beziehungen

Ja, ich will – das christliche Verständnis der Ehe

Zusammen ist man weniger allein – Familie

„Die Liebe aber ist die größte unter ihnen“ – Der Umgang mit Sexualität

Partnerschaft, Ehe und Familie

In Freiheit verbindlich

Die Ehe – ein weltlich Ding

Paarbeziehungen im Wandel

3. Menschenskind und Ebenbild

Bilder über Bilder – und doch keine ­abschließende Definition

Gestatten: Ebenbild Gottes! Christliche Anthropologie

Christliche Freiheit

Hoffen wider alle Hoffnungslosigkeit

Himmel, Hölle, Fegefeuer

Verantwortlich leben – mit Schuld umgehen

Zur Einführung

Ökumene heute

Im deutschsprachigen Raum gehören viele Menschen dem Christentum an. Das ist an sich noch nichts Besonderes. Besonders ist indes, dass es in unseren Landen, in denen die Reformation ihren Ausgang nahm, ungefähr gleich viele katholische und evangelische Christinnen und Christen gibt. Andere Länder und Regionen sind dagegen konfessionell homogener. Dadurch wird hierzulande deutlicher spürbar, dass es das Christentum nicht „neutral“ gibt, sondern immer in Gestalt eines konkreten Bekenntnisses und im Kontext einer konkreten kirchlichen Gemeinschaft.

Die „Konfession“ – auf Deutsch: Bekenntnis – beschreibt die jeweilige christliche Identität. Sie markiert damit auch Grenzen, die sich auf unterschiedlichen Ebenen zeigen können. Die lebenspraktischen Grenzen zwischen den Angehörigen verschiedener Konfessionen sind heute vielfach abgebaut. Das war allzu lang nicht so. Trotz eines zahlenmäßig ausgewogenen Mischungsverhältnisses der Konfessionen kamen Katholiken und Protestanten bis in die 1950er- und 1960er-Jahre kaum miteinander in Berührung. Jugendgruppen und Vereine, Schulen und oft auch Stadtteile waren entweder evangelisch oder katholisch. Fließende Grenzen gab es ebenso wenig wie eine echte Kenntnis, geschweige denn Wertschätzung der anderen Konfession. Wer in dieser Zeit aufgewachsen ist, wird sich an ganz alltägliche Beispiele konfessioneller Profilierung und gegenseitiger Verunglimpfung erinnern können: „Katholisches“ Fensterputzen am Karfreitag und „evangelisches“ Straßefegen an Fronleichnam sind da noch vergleichsweise harmlos. Weitaus leidvoller sind die Erfahrungen von Menschen verschiedener Konfessionen, die miteinander eine Ehe eingehen wollten. Was man heute „konfessionsverbindende Ehe“ nennt, wurde noch vor wenigen Jahrzehnten vonseiten beider Konfessionen als „Mischehe“ diffamiert und war oft mit familiären Tragödien verbunden. Vieles hat sich hier mittlerweile zum Guten gewendet. Katholische und evangelische Menschen kennen einander heute recht gut und nehmen die jeweilige Konfession eines Christen als konkrete Gestalt des gemeinsamen christlichen Glaubens wahr. In vielen Bereichen des Alltags hat die Konfessionalität der Kirchen und des Christseins ihre trennende Kraft verloren. Ökumenischer Dialog und ökumenische Verbundenheit finden heute – manchmal ganz unbemerkt – auf vielen Ebenen statt: in Familie, Freundeskreis und Nachbarschaft durch die gemeinsame Lebenswelt, in Gemeinden und Schulen durch gemeinsame Projekte und Aktionen sowie seit einiger Zeit im konfessionell-kooperativen Religionsunterricht, in Lehre und Forschung durch Kooperationen zwischen Theologinnen und Theologen der verschiedenen christlichen Konfessionen und kirchenamtlich als institutionalisierter Dialog zwischen den zuständigen Vertretern der Konfessionskirchen.

Ein wesentlicher Erfolg der „ökumenischen Bewegung“ des 20. Jahrhunderts ist die Selbstverständlichkeit, mit der heutige Katholiken und Protestanten einander und den Menschen anderer Konfessionen wie z. B. den evangelischen Freikirchen, den orthodoxen und anglikanischen Kirchen begegnen. Nie gab es in der Geschichte der beiden großen westkirchlichen Konfessionen, die seit dem 16. Jahrhundert eigene Wege gehen, und auch in der weiteren ökumenischen Landschaft so viel Gespräch, so viel Übereinstimmung, so viel Bewegung und so viel Alltäglichkeit wie in den vergangenen Jahrzehnten. Lebenswelten sind zusammengewachsen, Kirchenvertreterinnen und -vertreter der Konfessionen sprechen in bisher nicht dagewesenem Ausmaß miteinander und oftmals auch mit einer gemeinsamen Stimme in die Gesellschaft hinein. Evangelische und katholische Christinnen und Christen geben bereits jetzt gemeinsam Zeugnis von der Hoffnung, die sie erfüllt (1 Petr 3,15).

Die Ökumene der christlichen Kirchen ist im besten Sinn des Wortes selbstverständlich geworden – so sehr, dass viele Menschen unserer Tage, ob praktizierende Christen oder Männer und Frauen, die den Kirchen distanziert gegenüberstehen, die Trennung, ja schon die Unterscheidung der christlichen Konfessionen für ein Relikt vergangener Zeiten halten, das sie nicht (mehr) nachvollziehen können. Es herrscht Ungeduld in Sachen Ökumene, und das ist zunächst einmal eine gute Voraussetzung dafür, dass das Gespräch im Gang bleibt, dass alle Beteiligten – Gemeinden, Menschen aus Wissenschaft und Kirchenleitungen – spüren, dass sie in die Pflicht genommen sind: „Ökumene“ lautet das Gebot der Stunde, und „Einheit der Kirchen“ heißt das erhoffte Ziel.

An die Seite hoffnungsfroher Ungeduld gesellen sich bisweilen zwei unheilvolle Kameraden, die womöglich nur zwei Seiten ein und derselben Medaille sind: auf der einen Seite ein (mehr oder minder informierter) Aktionismus einzelner Gruppen, die vorpreschen, um „Fakten zu schaffen“, und darauf bauen, dass die Geschichte diesen Fakten schon recht geben wird; auf der anderen Seite die Resignation derer, die angesichts des langen und schwierigen Weges zur Einheit der Christen das Handtuch werfen und sich verbittert oder (vielleicht schlimmer:) gelangweilt im konfessionellen Nebeneinander einrichten.

Jenseits von Aktionismus und Resignation aber geht das ökumenische Gespräch auf den verschiedenen Ebenen weiter, so mühsam, kurven- und umwegreich sich der Weg aufeinander zu auch bisweilen darstellt. Auf eine Phase ökumenischer Euphorie ist in Theologie und Kirche eine Phase der Ernüchterung gefolgt. Eine „ökumenische Eiszeit“ zu beschwören scheint gleichwohl wenig hilfreich zu sein. Die Kirchen sind bereits große Schritte in eine gemeinsame Richtung gegangen, haben gegenseitig Respekt und Vertrauen aufgebaut. Sie haben heute eine recht klare Vorstellung davon, in welchen Bereichen Gemeinsamkeit herrscht, wo Kompromisse möglich und nötig sind, in welchen Fragen sich beide Kirchen bewegen können und bewegen müssen. Deutlich wurde zudem: In manch kontroverser Frage zeigt sich auch die Bedeutung des geschichtlichen Ortes der Reformation an der Schwelle von Mittelalter und Neuzeit. Bisweilen gehen konfessionell unterschiedliche Positionen auch auf unterschiedliche Denkformen zurück: Mit der Reformation beginnt in der Theologie die Moderne, doch zugleich greifen Vertreter beider Konfessionen in der eigenen Profilbildung auf Paradigmen und Begriffe mittelalterlicher und antiker Theologie zurück. Die ökumenischen Dialogpartner heute wissen um diesen Umstand und argumentieren historisch sehr viel sensibler. Nicht zuletzt haben sie Orte gefunden und Gesprächskulturen entwickelt, an denen und mit deren Hilfe offene Fragen konstruktiv angegangen werden können. Deutlich wurde auch, dass die beiden Konfessionen auf ein großes gemeinsames Fundament aufbauen können und dass „Einheit der Kirchen“ nicht zwingend Einheitlichkeit bedeutet. Die Basis darf nicht zu klein bemessen sein, doch wenn sie stimmt, zeigt sich die konfessionelle Besonderheit in einem anderen Licht: im Licht gegenseitiger Wertschätzung. Im Letzten ist die Basis Jesus Christus, dessen Namen die Christinnen und Christen gemeinsam tragen.

Typisch katholisch – typisch evangelisch?

Typisch katholisch oder typisch evangelisch: Das lässt sich nicht selten über bestimmte Formen des Gottesdienstes, über manche Frömmigkeitsübungen und Rituale, Feste und Feiertage, Kirchenausstattungen sowie manche Begriffe und Denkmuster sagen. Auch in theologischen Texten und Büchern, nicht zuletzt im vorliegenden, zeigt sich mal im Duktus, mal in der Themensetzung oder in der Auswahl von theologischen Zitaten eine konfessionelle Handschrift. Die Entdeckung von konfessionellen Profilen gehört sicherlich auch zur Aufgabe der Ökumene. Zum Glück erschöpft sie sich aber nicht darin, diese zu pflegen oder noch zu schärfen. Sie dient letztlich dazu, christliches Profil zu gewinnen, um gemeinsam ein hoffnungsfrohes Zeugnis geben zu können. Ökumene braucht sachkundige Information, einen gegenseitigen Vertrauensvorschuss und das Bewusstsein, was und wie viel die katholische und evangelische Kirche verbindet. Dazu soll dieses Buch einen Beitrag leisten: Es beansprucht nicht, die Breite der ökumenischen Dialoge zwischen den zahlreichen Konfessionen samt ihrer „offiziellen“ Papiere abzubilden. Es beschränkt sich darauf, sich in den vielgestaltigen ökumenischen Dialog zwischen dem katholischen und evangelischen Bekenntnis einzuschreiben, seine Fragen, Themen und Probleme aufzugreifen und für eine breitere Leserschaft in Gemeinde und Schule, Kirche und Gesellschaft zugänglich zu machen.

Dabei will das Buch nicht vom Dialog sprechen, sondern selbst ein lebendiger Teil dieses Dialogs sein. Darum stammt es aus zwei Federn: aus einer katholischen und einer evangelischen. Zwei Theologinnen derselben Generation – einer Generation, für die das strikte Gegeneinander der Konfessionen Geschichte und der ökumenische Dialog eine Selbstverständlichkeit ist – treten ins Gespräch. Gemeinsame Grundlage ist die Überzeugung, dass ein solcher Dialog dann fruchtbar und kein doppelter Monolog ist, wenn vor der Bestimmung dessen, was „typisch katholisch“ oder „typisch evangelisch“ sei, eine Vergewisserung über das gemeinsame Fundament steht.

Das Konzept dieses Buches

Diese Grundüberzeugung schlägt sich in der Konzeption des Buches nieder: Jedes Kapitel entfaltet zunächst, wie weit das gemeinsame christliche Bekenntnis reicht, das sich nicht in Formeln und Lehren erschöpft, sondern in Alltag und Gottesdienst lebendige Gestalt annimmt. Diese Darstellung geschieht, so sehr sich der Entstehungsprozess dieser Abschnitte dem reellen Gespräch verdankt, jeweils in der Verantwortung, d. h. aus der Perspektive und entsprechend der Einschätzung einer der beiden Autorinnen. Manche konfessionellen Färbungen sind wohl auch in diesen Teilen, die das Gemeinsame der Konfessionen ausloten wollen, zu erkennen, weshalb jeweils ausgewiesen wird, wer welches Kapitel verfasst hat. Bibelstellen werden ebenfalls nach konfessioneller Prägung zitiert: in den evangelisch verantworteten Teilen stammen sie aus der revidierten Luther-Übersetzung (2017), in den katholisch verantworteten Abschnitten aus der revidierten Einheitsübersetzung (2016).

Das intensive ökumenische Gespräch, aus dem die Teile zum gemeinsamen Bekenntnis hervorgegangen sind, verlief nicht ohne Reibungen: Es gab manche Überraschung über sich scheinbar doch erfüllende konfessionelle Klischees und manche Verwunderung über neu entdeckte Eigenarten und Empfindlichkeiten auf der anderen wie auf der eigenen Seite. Zugleich ist die gemeinsame Arbeit von einem hoffnungsfrohen und immer wieder mit Humor gesegneten Willen zur Ökumene vorangetrieben worden. Unermüdlich wurde darum gerungen, Worte zu finden, die das jeweils Gemeinte treffen und doch die andere Konfession nicht missverstehen oder gar verletzen.

Auf die Ausführungen zum gemeinsamen Glauben folgen jeweils zwei Abschnitte, in denen die römisch-katholische Autorin, Julia Knop, und die evangelische Autorin, Stefanie Schardien, Besonderheiten oder Schwerpunkte ihrer Konfession darstellen, Begrifflichkeiten und Begründungsmuster entfalten und bestimmte Aspekte in ihrer ökumenischen Tragweite diskutieren. Es beginnt jeweils die Autorin der Konfession, die nicht den gemeinsamen Teil verantwortet hat. Kontroverse theologische Fragen werden auf diese Weise nicht isoliert aufgegriffen, sondern in den großen Kontext des gemeinsamen Bekenntnisses, des gemeinsamen Christseins eingeordnet. Differenzen und Spezifika der Konfessionen liegen, wie sich in diesen Abschnitten zeigt, auf sehr unterschiedlichen Ebenen. Zunehmend weniger, aber doch noch manchmal, handelt es sich um ökumenisch problematische Divergenzen. Häufig sind es gewachsene kulturelle oder religiöse Akzente der Konfessionen, die unterscheiden, aber nicht trennen, und von der jeweils anderen Seite ohne Not respektiert werden können. Auch die Länge dieser Abschnitte gibt einen Eindruck davon, wie deutlich in den fraglichen Themen Konfessionsspezifika zum Tragen kommen; das bedeutet allerdings nicht automatisch, dass hier gravierende kirchentrennende Divergenzen vorliegen. Zur größeren Transparenz sind auch diese Kapitel namentlich gekennzeichnet. Die Farbe der Überschrift und des Fisches in der Fußzeile markieren in diesen Abschnitten die jeweilige Konfession: Gelb steht für katholisch, violett für evangelisch.

Über aller konfessionellen Trennung, damit auch über dem Interesse am eigenen konfessionellen Profil, steht das gemeinsame Bekenntnis zu Christus Jesus, dem Herrn, dessen Namen alle Getauften aller Konfessionen tragen und dessen Heil sie vor aller Welt bezeugen. Dieses Bekenntnis des Taufglaubens bildet den Auftakt des ersten Kapitels (A), das den Glauben der Christen seinem Inhalt (Credo), seiner Überlieferung (Bibel) und seiner Heilsbedeutung (Gnade und Rechtfertigung) nach zum Gegenstand hat. Das folgende Kapitel (B) thematisiert mit den Feldern von Gottesdienst, Sakramenten und Kirchenjahr die Glaubens­praxis der Kirchen. Die Kirchlichkeit des christlichen Glaubens ist Gegenstand von Kapitel C, das die institutionelle und geistliche Gestalt des konfessionsgebundenen Christentums aufgreift. Mit diesem Kapitel ist zugleich die Frage erreicht, die sich ökumenisch gegenwärtig am schwierigsten darstellt und letztlich bis in die jeweilige Zielbestimmung der Ökumene reicht. Kapitel D schließlich widmet sich der Bedeutung der christlichen und kirchlichen Stimmen in der Gegenwart. Es fragt nach Positionen und Aufgaben von Theologie und Kirche in einer pluralen, ausdifferenzierten Gesellschaft, nach den Perspektiven auf Lebensformen und nach den Inhalten und Konsequenzen eines christlichen Menschenbilds.

Erfurt und Fürth, im September 2018

Julia Knop und Stefanie Schardien

A Glauben und Bekennen

1. Jesus Christus ist der Herr!

Jesus Christus ist der Herr – zur Ehre Gottes, des Vaters (Phil 2,11)

In dieser kurzen Formel ist eigentlich alles gesagt. Hier finden sich alle Christen aller Konfessionen wieder. Das ist der Kern der christlichen Botschaft, der Glaube, der alle verbindet, die als Christinnen und Christen den Namen Jesu Christi tragen.

Dieses Bekenntnis ist Teil eines Hymnus, den der Apostel Paulus in den 50er- oder 60er-Jahren des 1. Jahrhunderts n. Chr. in seinem Brief an die Gemeinde von Caesarea Philippi zitiert:

Er war Gott gleich, hielt aber nicht daran fest, Gott gleich zu sein, sondern er entäußerte sich und wurde wie ein Sklave und den Menschen gleich. Sein Leben war das eines Menschen; er erniedrigte sich und war gehorsam bis zum Tod, bis zum Tod am Kreuz. Darum hat ihn Gott über alle erhöht und ihm den Namen verliehen, der größer ist als alle Namen, damit alle im Himmel, auf der Erde und unter der Erde ihr Knie beugen vor dem Namen Jesu und jeder Mund bekennt: „Jesus Christus ist der Herr“ – zur Ehre Gottes, des Vaters (Phil 2,6–11).

Das Lied besingt die Menschwerdung dessen, der Gott gleich ist, der sich erniedrigte und den Menschen gleich wurde, der im Gehorsam gegenüber Gott am Kreuz starb und zu Gott erhöht wurde. Ihm wird „der Name über alle Namen“ verliehen, ihn sollen alle Geschöpfe – Himmel und Erde, die sichtbare und die unsichtbare Welt – anbeten und verherrlichen, durch ihn soll alles, was lebt, Gott loben.

Wird jemand im jüdischen oder christlichen Kontext als „Herr“ verehrt und bekannt, wie es im Hymnus geschieht, so ist dies entweder Gotteslästerung oder aber Verehrung dessen, dem zu Recht Anbetung entgegengebracht werden darf, nämlich Gott selbst. Gott, der Herr, ist ein einziger Gott (Dtn 6,4). Es gibt keine Götter neben ihm (Dtn 5,7). Kein Geschöpf darf als Gott angebetet werden, und kein Geschöpf kann zu einem Gott werden. Als „Herr“ (Phil 2,11), der „Gott gleich“ (Phil 2,6) ist, kann nur der angesprochen werden, der von Beginn an Herr und Heiland ist. Das Bekenntnis zu Christus als „Herr“ setzt den strengen Monotheismus Israels, das Bekenntnis zum einen und einzigen Gott, also nicht außer Kraft. Es konkretisiert diesen Glauben: Jesus Christus ist das lebendige, irdische Antlitz Gottes. Der Evangelist Johannes überliefert diesen Anspruch Jesu so: „Wer mich gesehen hat, hat den Vater gesehen“ (Joh 14,9) – „Ich und der Vater sind eins“ (Joh 10,30).

Wirklich und wahrhaftig

Seit den ersten christlichen Jahrhunderten trifft das Christus-Bekenntnis auf vielfache Anfragen. Ist es Gottes würdig, in die Niederungen dieser Welt, sogar eines Menschenlebens, einzutreten? Gnostikern aller Zeiten ist ein solcher Gedanke zuwider: Gott und Welt seien unvereinbar, und es sei unter Gottes Würde, mit dem Materiellen in Berührung zu kommen. Wahre Gottesverehrung und wahre religiöse Existenz zielt im Verständnis eines Gnostikers darum darauf, alles Körperliche, erst recht das Schwache und Kranke, das Mittelmäßige und Unvollkommene der irdischen Existenz zu verlassen, es wenigstens mental zu überschreiten, um allein auf geistige Weise mit dem Göttlichen in Verbindung zu treten. Gegen diese gnostische Versuchung steht das urchristliche Bekenntnis von der Menschwerdung Gottes, genauer und drastischer gesagt: von der Fleischwerdung (Inkarnation) des Logos. Die „Mission“ des Mensch gewordenen Gottessohnes ist nicht die Vergeistigung der geschaffenen Welt, nicht die Überwindung unserer leiblichen Existenz, sondern ihre Heilung und Vollendung.

Die Konzilien der ersten fünf Jahrhunderte (Nicäa, 325; Konstantinopel, 381; Ephesus, 431 und Chalcedon, 451) haben das Christusbekenntnis der Bibel in die Sprache und das Problembewusstsein ihrer Zeit übersetzt. Hier wurden Leitlinien entwickelt, die jede christliche Rede von Jesus, dem Christus, prägen muss. Hier entstand das sogenannte „große Glaubensbekenntnis“, das „Nicaeno-Konstantinopolitanum“. Bis heute eint dieses Glaubensbekenntnis die Christen. Im Abschnitt über Jesus Christus heißt es:

Wir glauben … an den einen Herrn Jesus Christus, aus dem Vater geboren vor aller Zeit, Gott von Gott, Licht vom Licht, wahrer Gott vom wahren Gott, gezeugt, nicht geschaffen, eines Wesens mit dem Vater. Für uns Menschen und zu unserem Heil ist er vom Himmel herabgekommen, hat Fleisch angenommen durch den Heiligen Geist aus der Jungfrau Maria und ist Mensch geworden.

Wie das Christus-Lied des Philipperbriefes, so ist auch dieses Bekenntnis keine neutrale, distanziert vorgetragene Theorie, sondern gebeteter Glaube, verwurzelt im gemeinsamen Bekenntnis. Das Credo ist keine neutrale Information, sondern ein Glaubenszeugnis – ein Zeugnis allerdings, das durch harte gedankliche Auseinandersetzung gegangen ist und bis heute geht. Denn Christus-Glaube ist Logos-Glaube: Glaube, der das Verstehen, das Nachdenken, die intellektuelle Anstrengung sucht und fordert. Auch die Sprache von Gebet und Gottesdienst ist verständige Sprache, nicht Überschwang des Gefühls, das den Geliebten mit überbordenden Metaphern belegt und ihn „in den Himmel lobt“.

Jesus Christus: Heil aller Menschen

Christen verstehen ihr Christus-Bekenntnis nicht metaphorisch. Sie bekennen: Jesus Christus ist der Herr, der Erlöser aller Menschen aller Zeiten, und zwar wirklich und wahrhaftig. Er ist nicht nur ein religiöses oder moralisches Vorbild, sondern in ihm ist der wahre Gott wahrhaft Mensch geworden. In ihm hat sich Gott ein für alle Mal geoffenbart und ausgesagt. Es gibt kein Heil, das er nicht schenkt, und keine Erlösung, die nicht er vermittelt.

Gott will, dass alle Menschen gerettet werden und zur Erkenntnis der Wahrheit gelangen. Denn: Einer ist Gott, Einer auch Mittler zwischen Gott und Menschen: der Mensch Christus Jesus (1 Tim 2,4–5).

Das Wort vom Kreuz

Doch was hat es mit diesem „Evangelium vom Kreuz“ auf sich? Ist es nicht barer Unsinn, einen Gekreuzigten als Sohn des ewigen Gottes und als Retter der ganzen Welt zu verkündigen? Eine Zumutung für jeden denkenden Menschen?

Friedrich Nietzsche belegte das christliche „Wort vom Kreuz“ mit beißendem Spott und Verachtung. Eigentlich sei hier das Ressentiment der Schwachen, der Zukurzgekommenen, am Werk. Verlierer, die sich als gottgeliebte Opfer stilisierten und so ihre Situation schönredeten, seien religionsproduktiv geworden. In einem Punkt hatte er nicht Unrecht: Christusglaube ist tatsächlich zuerst Glaube der Verlierer, Glaube der Schwachen, denn sie sind es, die Gott erwählt hat (1 Kor 1,27). Und es stimmt: Das Wort vom Kreuz ist ein Skandal. Dies sagt bereits Paulus (1 Kor 1,23), der Apostel und Missionar des frühen Christentums, der allerdings alles gab, um genau dieses Evangelium vom Kreuz zu verkünden. Denn Paulus wusste auch: Ein Skandal ist es nur in den Augen derer, die verloren gehen. „Uns aber, die gerettet werden, ist es Gottes Kraft“ (1 Kor 1,18). Die große Einsicht dieses „ersten Theologen“ der Christenheit lautet: Im Kreuz ist Heil, Leben und Hoffnung. Das Wort vom Kreuz ist eine Heilsbotschaft. Der, der am Kreuz gestorben und auferstanden ist, ist der Grund unserer Hoffnung. In ihm hat Gott die Welt mit sich versöhnt (2 Kor 5,18f). Er ist die Gabe Gottes zur Rettung der Welt.

Theologie und Mathematik

1+1+1 ist nicht 1, sondern 3, zumindest nach den Regeln der Mathematik. Dass Gott „dreifaltig einer“ sei, gilt dem aufgeklärten Rechner als barer Unsinn. Doch christliche Trinitätstheologie ist keine Mathematik.

Dass Gott existiert, könne jeder erkennen, meinte Thomas von Aquin im 13. Jahrhundert. Wie er aber ist und dass er Vater, Sohn und Geist, eben „dreifaltig einer“ ist, sei nur durch die Offenbarung ersichtlich. Denn von Gott können wir nur das „wissen“, besser gesagt: bekennen, was er von sich zeigt, v. a. in Jesus Christus. Im Theologenjargon gesagt: Trinitätstheologie wurzelt, was den Weg des Verstehens angeht, in der Christologie. Gott als dreieinen bekennen kann nur, wer Jesus Christus als Selbstoffenbarung Gottes glaubt. Das Nachdenken über das Wesen Gottes setzt also beim Nachdenken über das Bekenntnis an, dass Jesus Christus der Herr ist. Gott als dreieinen zu bekennen ist nur dann wahrhaftig – nicht metaphorisch, keine Lästerung und keine ungedeckte Begriffsakrobatik – wenn Jesus von Ewigkeit her Gott ist (vgl. Joh 1,18); wenn, wer ihn sieht, den Vater sieht.