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Major Dr. Joschi Bernauer, Leiter der Mordkommission Salzburg, ermittelt auf zwei völlig gegensätzlichen Ebenen, in der Welt des Reichtums und der der Armut. Diese diffizile Gratwanderung wird nicht nur durch den Widerstand dieser ungleichen Gesellschaftsschichten erschwert, auch ausländische Hochfinanzen setzen Major Bernauer bei seiner schwierigen Tätigkeit massiv unter Druck.
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Seitenzahl: 244
Veröffentlichungsjahr: 2016
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Autorin:
Ingeborg Mistlberger ist Verfassungsjuristin und begeisterte Bridgespielerin. Sie studierte Rechtswissenschaft und Katholische Theologie in Linz/Donau. Bekannt wurde sie mit der Vorstellung ihres ersten Romans „Mörderischer Kontrakt, Die Fälle des Major Joschi Bernauer“ auf der Leipziger Buchmesse 2016, die das Interesse von Fernsehen und Presse nach sich zog.
Alle in diesem Buch vorkommenden Personen, Schauplätze und Handlungen sind frei erfunden. Etwaige Ähnlichkeiten mit lebenden Personen oder Ereignissen sind rein zufällig.
Major Dr. Joschi Bernauer, Chef der Mordkommission Salzburg
Hofrat Dr. Sassmann, Polizeipräsident
Fritz Kronberg, Besitzer eines Dorfes bei Salzburg
Hedda Dahlbach, Mutter Fritz Kronbergs
Peter Neumann, Verwalter des Dorfprojektes Kronbergs
Dr. Takimoto, Anwalt japanischer Investoren
Anna Neumann, Ehefrau Peter Neumanns
Primaria Dr. Iris Adler, Mit Major Bernauer befreundet
Marie-Christine Albach, Lebensgefährtin Fritz Kronbergs
Arthur Kendler, Privatdetektiv
Franz Xaver (FX) Bauer, Bekannter und Mitarbeiter des Privatdetektivs
Dr. Ferdinand Staller, Rechtsanwalt
Rosi Bauer, Kellnerin im Bahnhofsbuffet
„Mutter, ich habe soeben ein Dorf gekauft.“
„Trifft sich ja großartig“, gab Hedda Dahlbach gedehnt zur Antwort und drückte ihr Handy zwischen Schulter und Kinn, „denn gerade vorhin hat der Prince of Wales um meine Hand angehalten.“
„Lach nicht“, sagte ihr Sohn. „Dies ist kein Witz, ich habe es wirklich getan.“
Hedda drückte den Pinsel ihres Nagellacks in das Fläschchen zurück und richtete sich auf: „Was soll das heißen, bist Du verrückt geworden?“
„Nein, Mutter, ich besitze jetzt eine Kirche, eine Brauerei, drei Häuser und einen Bauernhof und habe eben das Geschäft meines Lebens abgeschlossen, Du solltest beeindruckt sein“, erklärte Fritz Kronberg.
„Fritz“, sagte Hedda verstört, „Du wirst Dich doch nicht ruiniert haben, seit wann hast Du denn Interesse am Landleben, davon verstehst Du doch gar nichts.“
„Und ich habe auch gar nicht den Wunsch danach, da kannst Du sicher sein“, bekräftigte er. „Hör zu, es ist ganz einfach: Das Dorf ist verlassen, liegt auf einem wunderschönen Fleckchen Erde am Abhang eines Berges ganz in der Nähe Salzburgs und ich werde es aus seinem Dornröschenschlaf holen. Ich habe bereits die besten Fachleute an der Hand und bin riesig aufgeregt.“
Kronberg überschüttete sie, in Eifer geraten, sofort mit den Plänen für sein neues Projekt.
„Verschiebe all das unwichtige Zeug in Linz, setz Dich ins Auto und komm nach Salzburg. Du wirst sprachlos sein, wenn Du siehst, was ich gekauft habe.“
„Ich werde kommen“ sagte Hedda, „wenn ich meine Sprache einigermaßen wieder gefunden habe.“
„Das schaffst Du doch in null Komma nichts. Lass Dich überraschen.“
Hedda Dahlbach konnte sich nicht konzentrieren. Ihre Bridgepartnerin hatte bereits einige Male missbilligend den Kopf geschüttelt und dies nicht zu Unrecht. Hedda verlor unsinnigerweise Stiche und vergaß ihre Atout-Karten zu zählen, sodass der Gegner immer wieder unverdient zu Erfolgen kam.
„Hedda“, fragte ihre Freundin Marlene, „was treibst Du denn heute? Man müsste fast annehmen, Du kämst aus dem Anfängerkurs.“
„Ich kann erst reden, wenn ich mich gestärkt habe“, brummelte Hedda.
„Aha.“
Das kannte Marlene, da lag ein Problem vor. Sie winkte dem Kellner und schon standen zwei Gläser Prosecco auf ihren Beistelltischen.
„Jetzt lösen wir erst einmal die Zunge und dann das Problem“, grinste sie. „Flott jetzt das Glas und ex. Dann leg los, bevor es weitergeht.“
„Fritz macht mir Sorgen, er hat ein Dorf gekauft.“
„Ein Dorf? Wieso? Will er Bürgermeister werden?“
„Blödsinn. Es soll ein Riesengeschäft sein, sagt er und ich soll nach Salzburg kommen und mir die Sache anschauen, was sagst Du denn dazu?“
„Hinfahren, sofort. Ist ja toll. Da muss ich dabei sein, wann fahren wir?“
„Wenn Du mitkommst, jederzeit.“
„Ich fasse es nicht“, lachte Fritz, „das Duo der Neugierigen.“
Natürlich hatte er gewusst, dass er seine Mutter würde überzeugen müssen, und ihren Besuch hatte er daher auch sehr bald erwartet, aber nun kam sie mit Verstärkung an und beide würden ihn und sein Projekt gnadenlos unter die Lupe nehmen.
Wie konnte er da effektvoller beginnen, als die Mutter und deren Freundin zu einem eleganten Mittagessen in seinem Lieblingsrestaurant Ikarus im Hangar 7 einzuladen?
Genau der richtige Rahmen, um eine so gewichtige Sache zu besprechen, fand er.
„Herrgott noch mal, Fritz“, sagte Marlene. „Wenn Du uns schon vor dem Besuch deiner Latifundien in diese Luxusbude lockst, versuchst Du uns da einzulullen oder ist es der Dank dafür, dass wir solchen Anteil an Dir und Deinen Geschäften nehmen?“
„Hast Du vielleicht schon das Wort ‚standesgemäß‘ gehört?“, stöhnte er und kniff dabei übertrieben affektiert die Augen zu.
„Angeber“, sagten Hedda und Marlene wie aus einem Mund.
Fritz beteuerte scherzhaft: „Eigentlich hatte ich ja nur vorgehabt, Euch an die nette neue Würstlbude am Salzachkai zu führen, aber wenn ihr schon so viele Mühe aufgewendet habt, um eine halbwegs gute Figur zu machen, was soll’s.“
„Aha“, sagte daraufhin Hedda boshaft zu dem eleganten Ober, der die Speisekarten bereithielt. „Dann bringen Sie jetzt bitte die Weinkarte und sagen mir dann noch, welche die teuerste Sorte ist, die in Ihrem Keller liegt.“
„Ich bin untröstlich, Gnädige Frau“, entgegnete anstatt des Obers der Geschäftsführer, der an den Tisch gekommen war, um Fritz Kronberg zu begrüßen. „Aber bedauerlicherweise ist dieser Keller heute geschlossen“, und zwinkerte Fritz amüsiert zu.
„Du bist ein wahrer Freund, Heinz. Jetzt hast Du bei mir etwas gut. Diese gefährliche Dame ist übrigens meine Mutter Hedda mit ihrer kongenialen Freundin Marlene.“
„Es ist mir eine Ehre.“
Die servierten Speisen waren allesamt vorzüglich und da Fritz die Vorliebe seiner Mutter für Prosecco kannte, wurde während der gesamten Mahlzeit nichts anderes getrunken.
„Ich mache mich dadurch natürlich hier unmöglich“, sagte er.
„Aber was tue ich nicht alles, um Dich glücklich zu machen.“
„Von dieser Sorte hättest Du wenigstens einen heiraten sollen, Hedda“, stellte Marlene fest. „Dann hätte ich wesentlich ruhigere Zeiten hinter mir.“
„Jammere nicht. Bei mir waren es drei Fehlentscheidungen, Betty Woolworth hatte neun, wenn ich nicht irre.“
Marlene ruderte anschaulich mit den Armen: „Vielleicht, aber die hatte wenigstens genug Geld, um ihren Spaß im Luxusbettchen zu genießen. Bei aktiven Hähnen bleibt auch die Henne schlank.“ Hedda richtete sich kämpferisch auf und fuchtelte mit den Armen.
„Schlank?“, fragte sie. „Was soll das heißen?“
„Mit Euch beiden ist es wirklich leicht, überall einen bleibenden Eindruck zu hinterlassen“, grinste Kronberg. „Gott sei Dank, dass ich nicht mit Euch in den Ring steigen muss samt meinem armen, schon ziemlich ramponierten Rücken.“
„Du wirst eben auch nicht jünger, mein Sohn“, stellte Hedda giftig fest.
Sie wechselten nun vom eleganten Restaurant über den geschwungenen Steg in die kleine Bar, die wie ein Vogelnest an der Kuppe des Hangars klebte und einen wundervollen Ausblick über die mit Flugzeugen und anderen technischen Raritäten bestückte gläserne Halle bot. Während der nächsten Stunde breitete Fritz dann seine fast zu Ende gediehenen Vorstellungen seines neuesten Projekts vor ihnen aus.
„Bleibt mein Dorf unbeschädigt, wenn ich Euch jetzt zu einer Besichtigung einlade?“, fragte er schließlich.
„Bleib ganz ruhig, Fritz“, sagte Hedda. „Folklore ist ganz sicherlich nicht unser Ding.“
Das „Dorf“ war noch romantischer, als sie es sich hatten vorstellen können und wenn ihnen verfallene oder verkommene Gebäude vorgeschwebt hatten, so waren sie einem groben Irrtum erlegen. Alles wirkte gepflegt, aber so unwirklich wie Dioramen.
„Wahrscheinlich liegt es daran“, sagte Hedda, „dass keine Menschenseele zu sehen ist.“
„Und so merkwürdig es klingen mag, man erwartet auch keine“, vollendete Marlene den Satz.
„War auch mein erstes Gefühl“, sagte Fritz. „Seht Euch zum Beispiel die Kirche und das alte Brauhaus an, wie aus dem Museumsführer, wird sich aber alles gründlich ändern, das sage ich Euch.“
„Eigentlich schade“, meinte Marlene. „Gibt es hier auch eine Krypta? Ich liebe mysteriöse Orte.“
Fritz öffnete eine widerstrebende Türe und sie traten über mehrere buckelige Stufen in einen rechteckigen, feuchtkalten Raum, der aber, bis auf einiges Gerümpel, leer stand. Von einem schiefen Mauerhaken hing lose ein zweiarmiger Kerzenleuchter, den Hedda scharf ins Auge fasste.
„Den könnte ich für meinen Weinkeller gebrauchen“, sagte sie, achtete nicht auf den Fußboden und verlor das Gleichgewicht. Ihre hohen Absätze hatten sich in ein Bodenbrett gebohrt, wobei der rechte in einem Astloch stecken geblieben war und ein Brett aufgerissen hatte, an dem der Schuh nun festsaß.
„Fritz“, rief sie erschrocken. „Tu etwas, aber ruiniere mir um Gottes willen nicht das Leder. Der Modergeruch allein ist schon deprimierend genug.“
Nach diesem Abenteuer war Hedda bestenfalls noch bereit, die Braukessel anzusehen, aber an weiteren Besichtigungen hatte sie die Lust verloren.
„Ich glaube, wir haben jetzt genug gesehen, es ist wirklich beachtlich, Dein Dorf, aber lass vielleicht zu allererst die Fußböden reparieren“, sagte sie. „Machen wir uns jetzt auf in die Getreidegasse?“
Fritz und Marlene lächelten einander wissend zu.
„Du bist im Irrtum, Marlene“, sagte Kronberg leise, als Hedda bereits vorausgeeilt war. „Ihr letzter Ehemann war ein gutmütiger Trottel wie ich. Deshalb vermisst sie ihn auch nicht.“
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Major Dr. Joschi Bernauer sichtete seine Post. Zuoberst lag ein ungeöffneter Briefumschlag aus cremefarbigem Büttenpapier, handschriftlich an ihn adressiert. Außerdem war er mit einer Nachricht versehen, dass Hofrat Dr. Sassmann, sein Chef, ihn zu sprechen wünsche.
Bernauer suchte auf seinem Schreibtisch nach einem passenden Instrument, um den Brief zu öffnen, entdeckte in einer Lade eine Schere und schnitt das widerspenstige Kuvert auf.
Zutage kam eine Karte, mit der er am kommenden Wochenende zu einer Bridgerunde im privaten Rahmen in einem höchst eleganten Hotel am Fuschlsee geladen wurde.
„Wie komme ich zu der Einladung eines japanischen Handels-Attachés?“, fragte er sich. „Ich bin doch keine bekannte Persönlichkeit, um für Repräsentationszwecke tauglich zu sein.“
Kopfschüttelnd machte er sich auf den Weg zu seinem Chef, vielleicht würde sich hier eine Klärung der Geschichte ergeben.
„Ja“, sagte Hofrat Sassmann. „Ich habe diese Sache eingefädelt, eine äußerst diffizile Angelegenheit, ein Mann ist verschwunden, ein Mitglied einer bedeutenden japanischen Investmentgruppe.“
„Ein Mann ist verschwunden?“, fragte Bernauer. „Wieso kommt man damit zu uns? – Wir sind die Mordkommission?“
„Natürlich sind wir das, aber man hat sich an mich gewandt, privat sozusagen, es darf keinerlei Aufsehen geben. Ich habe gedacht, dass Sie, inoffiziell vielleicht, sich das Ganze einmal anhören könnten, bevor irgendwelche voreiligen Schritte unternommen werden. Die Sache ist wirklich sehr heikel und ich habe versprochen, meinen besten Mann damit zu betrauen. Darf ich für Sie zusagen? Sie würden mir einem riesigen Gefallen damit tun.“
„Als ob ich hier noch eine Wahl hätte“, dachte Bernauer und nickte zustimmend.
„Bitte, im Abendanzug“, sagte Sassmann. „Es lässt sich nicht vermeiden.“
Bernauer wurde bereits vor dem Eingang des beeindruckenden Hotels am See empfangen. Ein Angestellter des Hauses begrüßte ihn formell mit der Würde des Managers, sprach ihn sogar mit Namen und Titel an und erbat Bernauers Autoschlüssel, den er einem herbeigeeilten Hausdiener übergab, welcher den Wagen auf den Parkplatz zu chauffieren hatte.
„Darf ich vorausgehen?“
„Bitte sehr“, sagte Bernauer und fragte sich insgeheim, ob man hier jedermann auf diese zuvorkommende Weise empfangen würde oder ob diese Ehrerbietung aus irgendeinem Grunde nur ihm selbst zuteilwerden sollte.
Ehe er sich noch eingehend mit diesem Gedanken befassen konnte, betraten sie schon einen überwiegend in Blau gehaltenen Salon, in dem sich bereits mehrere Herren im Dinner-Jacket oder Smoking aufhielten.
Hofrat Sassmann unterbrach sein Gespräch mit einem sehr kleinen, vierschrötigen Mann, dessen tadellos sitzender Abendanzug vermutlich höchste Schneiderkunst erfordert hatte und den Bernauer eindeutig als Asiaten einstufte. Welcher Nationalität ein Asiate angehörte, hatte er noch nie feststellen können, sie sahen für ihn alle gleich aus.
Dieser vermutlich sehr wichtigen Persönlichkeit wurde nun Joschi Bernauer durch Dr. Sassmann vorgestellt, wobei er dem ausdruckslosen, prüfenden Blick seines Gegenübers standzuhalten hatte, dann aber von diesem mit ausgesuchter Höflichkeit begrüßt wurde.
Eine zusätzliche Schwierigkeit ergab sich für Bernauer, der den sicherlich an Untertänigkeit gewöhnten, konservativen Mann körperlich weitaus überragte, dass er, wenn er höflich sein wollte, darauf achten musste, ihn nicht gewissermaßen von oben herab zu betrachten.
Tatsächlich handelte es sich um Ito Hayato, ein führendes Mitglied einer japanischen Investmentgruppe, der ihn dann wiederum unter dem gleichen Zeremoniell mit dem nebenstehenden Handels-Attaché der japanischen Botschaft bekannt machte.
„Sprechen Sie ihn nicht auf die Angelegenheit hin an, er wird später auf Sie zukommen“, flüsterte Sassmann.
Nach der offiziellen Vorstellung der weiteren Anwesenden – es handelte sich um zwanzig, Bernauer teils aus den Medien bekannte Personen – und der Eröffnung des vorzüglichen kalten Buffets, erfuhr Joschi Bernauer, dass er die nächsten vier Stunden mit Hofrat Sassmann als Spielpartner zu verbringen habe.
„Welcher Schicksalsprüfung steuere ich denn heute noch entgegen?“, fragte er sich, denn vor der Vision der jämmerlichen Spielerqualität von Hofrat Sassmann lief ihm bereits ein eisiger Schauer über den Rücken.
Dabei hatte er sich leider geirrt; Sassmann spielte noch um Klassen schlechter, als er es in Erinnerung hatte, schien sich dabei aber exzellent zu unterhalten.
„Man sollte wirklich öfter die Gelegenheit nutzen, wenn man sich schon die Mühe gemacht hat, diese Geistesakrobatik zu erlernen“, verkündete er freudig. „Sie spielen doch in einem ganz famosen Privatclub jede Woche, nicht wahr?“
Bernauer nickte erschrocken. Sassmann war ein Vorgesetzter, wie man ihn sich nur wünschen konnte, aber im Club mit ihm Bridge spielen zu müssen, und dies womöglich wöchentlich, überstieg die Grenzen seiner übelsten Vorstellung.
Hoffentlich vergaß er seinen plötzlichen Einfall ebenso schnell, wie er ihm gekommen war.
Nach dem Turnier wurde Bernauer endlich in einen der Seminarräume gebeten. Er hatte sich ohnedies schon die längste Zeit über gefragt, wann man nun eigentlich zur Sache kommen würde.
Zu seinem Erstaunen saß Ito Hayato alleine an einem riesigen Konferenztisch und sah nachdenklich auf seine Hände, die er über einen offenen Aktenordner gelegt hatte.
In ausgezeichnetem Deutsch bat er Bernauer, Platz zu nehmen, verschränkte dann seine Finger ineinander und kam ohne Umschweife zur Sache.
Es handle sich bei dem verschwundenen Japaner um einen Anwalt des Unternehmens, der das Vorfeld einer umfangreichen geschäftlichen Transaktion untersuchen sollte.
Vorderhand sei die Angelegenheit nur so weit gediehen, dass man in Erfahrung zu bringen versuchte, ob und in welchem Umfang noch weitere mögliche Investoren beteiligt wären und inwieweit das Projekt überhaupt einer Betrachtung würdig sei.
Seit mehr als einer Woche sei nun der beauftragte Anwalt unauffindbar und dies samt allen diesbezüglichen Unterlagen. Natürlich könne man unter den gegebenen Umständen nicht offiziell eine Abgängigkeitsanzeige erstatten, da eine Erklärung der näheren Bewandtnisse unabdinglich wäre und dies sei nicht nur rufschädigend, sondern könnte zu möglichen geschäftlichen oder rechtlichen Konsequenzen führen.
Hofrat Sassmann habe in Aussicht gestellt, dass, wenn er, Major Dr. Bernauer, sich mit der Sache befassen würde, die größtmögliche Schonung gewährleistet wäre.
„Ich verstehe“, sagte Bernauer. „Informieren Sie mich, um welches Projekt es sich handelt. Auch verschiedene Auskünfte in der Sache selbst sind erforderlich, wenn meine Ermittlungen effektiv sein sollten.
Wie Sie wissen, befasse ich mich sozusagen inoffiziell mit der Angelegenheit und versichere Sie jedenfalls meines Schweigens. Sollte Ihr Mann allerdings mit dem Gesetz in Konflikt gekommen sein, bin ich verpflichtet, es zu melden, dies wird Ihnen mein Chef ja bereits mitgeteilt haben, aber ich werde Ihre Firmeninterna nicht preisgeben.“
„Die Firma dankt Ihnen, Dr. Bernauer. Lassen Sie uns wissen, was Sie brauchen, mein Sekretär wird tun, was ihm möglich ist.“ Bernauer erhob sich.
„Davon bin ich überzeugt“, sagte er, deutete eine Verbeugung an und verließ den Raum.
„Sein Sekretär wird tun, was ihm möglich ist“, murmelte er. „Welche Arroganz.“
Sein Wagen wurde wieder vor den Hoteleingang gebracht und erst als in der Ferne die beleuchtete Festung Hohensalzburg auftauchte, kam ihm der Gedanke, dass er seinen Chef im Hotel nicht mehr gesehen hatte.
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Der Fall des verschwundenen Japaners bot dann allerdings keine wirklichen Ansatzpunkte für seine Auffindung.
Die Investmentgruppe erwog, wenn sich das Projekt als geschäftlich interessant herausstellen sollte, einen Kauf der Liegenschaft oder eine finanzielle Beteiligung am Ausbau eines verlassenen Dorfes in der Nähe Salzburgs.
Der Besitzer hatte das Areal erworben und beabsichtigte eine völlige Neuorientierung im Luxusbereich, allerdings unter Beibehaltung der ländlichen Struktur.
Nun waren aber Gerüchte aufgetaucht, dass erstens die Probleme mit der Sanierung durch den Erstbesitzer das Projekt bereits einmal lahmgelegt hatten und zweitens der gegenwärtige Besitzer auch mit russischen Investoren in Verhandlungen stehe. Diese Dinge einer unauffälligen Klärung zuzuführen, war also der Auftrag des verschwundenen Rechtsanwaltes des japanischen Konzerns gewesen. Zuletzt war er allerdings vor vier Tagen gesehen worden, als er mit dem Besitzer der Anlage, dessen Verwalter, einem Architekten für die Planungen der Gebäude, einem Landschaftsarchitekten und einem Brauerei-Sachverständigen an der Besichtigung des Dorfes teilgenommen hatte. Einer der Architekten hatte auch drei seiner Studenten, die er an der Universität Salzburg unterrichtete, mitgebracht, damit sie an diesem interessanten Experiment praktische Erfahrung sammeln konnten.
Der Japaner, der telefonisch von der japanischen Botschaft avisiert worden war, war im Dorf mit dem Taxi erschienen und wurde von Kronberg begrüßt, nahm aber vorerst mit niemandem Kontakt auf. Einer der Architekten glaubte sich zu erinnern, dass er mit dem Brauerei-Sachverständigen und dem Verwalter ins Gespräch gekommen war, sich aber abgesondert habe und sich nach der Besichtigung einzelner Objekte noch etwas aufgehalten hätte. Geachtet habe daher niemand wirklich auf ihn.
Kronberg, der ihm gelegentlich seine Pläne zu erläutern versuchte, hatte er zwar mit Interesse zugehört, war aber sehr zurückhaltend gewesen und so hatte sich auch kein wirkliches Gespräch ergeben, umso weniger, als Kronberg aus früheren geschäftlichen Verhandlungen die Aversion der Asiaten gegen das im europäischen Raum übliche Zugehen auf eine fremde Person kannte. Irgendwie musste der Japaner dann allerdings das Objekt verlassen haben, ohne sich zu verabschieden oder eine Nachricht zu hinterlassen.
Möglicherweise hätte ihn ja das Taxi später wieder abgeholt, aber er könnte auch mit einem der Anwesenden zurückgefahren sein.
Eine Befragung der Einzelnen ergab jedoch, dass ihn niemand mitgenommen hatte und alle zu unterschiedlichen Zeiten weggefahren seien. Ein Taxi für eine Rückfahrt habe niemand beobachtet, aber es bestand natürlich auch die Möglichkeit, dass er von einer Privatperson abgeholt worden sei. Vielleicht war er aber auch an einer anderen Stelle verabredet und hatte das Terrain zu Fuß verlassen.
Fest stand nur, dass er irgendwann von keinem mehr gesehen worden war.
Unstimmigkeiten irgendwelcher Art hatte es nicht gegeben, im Gegenteil, der Japaner hatte sich höflich und interessiert verhalten, meistens aber nur zugehört.
Bernauer ließ vorsichtshalber die Gebäude und das Gelände kontrollieren und stellte diskrete Nachforschungen im Hotel an, aber der Japaner war und blieb verschwunden.
Die japanische Delegation hatte inzwischen einen anderen Anwalt der Firma abgestellt, denn der vorige Firmenbeauftragte, Dr. Takimoto, erklärte man, hätte leider einen weiteren, unaufschiebbaren Termin wahrzunehmen. Unauffällig wie er gewesen war, bestand außer bei seinen Auftraggebern auch nirgendwo Interesse an ihm oder seiner Abwesenheit.
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Einige Tage später hatten die drei Studenten aus dem Seminar des zum Dorfprojekt beigezogenen Architekten die Erlaubnis erhalten, die Kirche und das nahe liegende Brauhaus der unbelebten Ortschaft für ihre Zwecke zu vermessen.
Gut gelaunt erschienen sie auf ihren Fahrrädern und machten sich daran, eine erste Erkundung der Lage und des Gesamtzustandes vorzunehmen. Sie einigten sich dann darauf, mit der Kirche zu beginnen.
„Wie wird denn das jetzt gehalten, wenn im Kessel kein Weihwasser steht, bringt man sich das neuerdings selber mit?“, alberte Dominik und imitierte einen Schluck aus einer imaginären Flasche.
„Na, klar“, bekräftigte der zweite, Klaus. „Wieso glaubst Du denn, steht nebenan die Brauerei?“
„Bier mag ich nicht“, stellte Bernhard, das dritte Mitglied der Studentenwohngemeinschaft und das umtriebigste dazu, fest.
„Aber sicher finden wir in der Sakristei noch einige Flaschen Wein.“
Übermütig schlossen sie eine Wette ab, wer es zuerst auf den Kirchturm schaffen würde, um dann wieder herunterzustürmen und auf die Krypta loszusteuern.
Als nun aber die lose in den Angeln hängende Türe klemmte, riss Bernhard derart ungestüm an der Klinke, dass er durch die aufspringende Türe mitgerissen wurde und mit dem Ärmel seines Pullovers an einem Holzspan hängen blieb. Als er sich endlich wieder befreit hatte, zierte ein unschönes Loch die ziemlich teure Neuerwerbung.
„Verdammt noch einmal“, schimpfte Bernhard. „Einen neuen kann ich mir so schnell nicht leisten.“
„Fluche nicht und lerne stopfen ohne zu klagen.“
„Ja, Dir das Mundwerk.“
„Schön sprechen“, grinste Klaus. „Bete und arbeite und Du wirst zur Sanftmut erleuchtet werden.“
„Wenn Du predigen willst, geh auf die Kanzel.“
„Versagt man so seiner Kirche den Respekt“, dozierte Klaus, „und verspielt sein Seelenheil für schäbige Klamotten?“
„Wer Dich mitnimmt, kriegt mein Seelenheil gratis dazu“, gab Bernhard ärgerlich zur Antwort.
„Dafür wirst Du braten und schmoren im höllischen Feuer, ebenso wie für Dein unflätiges Fluchen“, malte Klaus genüsslich und anschaulich die zu erwartenden Folgen aus.
„Sorge Dich lieber um Dich, Du Schwachkopf, ich komme schon selbst zurecht.“
„Vornehmtuer“, sagte Klaus. „Löcher im Pullover und den Messwein stehlen wollen, aber er kommt selbst zurecht, na logisch.“
„Er hat ja auch nichts zu befürchten“, stellte Dominik fest.
„Heutzutage können Schwachsinnige nicht mehr zur Rechenschaft gezogen werden.“ Er entging um ein Haar einem dicken Kerzenstummel, den Bernhard nach ihm geworfen hatte.
„Genug geblödelt“, mahnte jetzt Klaus. „Die Arbeit ruft!“ Sie verlegten sich den Rest des Nachmittags nur mehr darauf, die Aufmaße der Kirche zu ermitteln.
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„Haben wir von der Landesregierung schon einen Bescheid wegen der Abzugsgräben?“, erkundigte sich Kronberg bei Peter Neumann, seinem Verwalter, der eben im Begriff war, in seinen Wagen zu steigen.
„Nein, aber ich habe bereits urgiert.“
„Es ist jetzt gleich zehn Uhr und wenn Sie ohnedies hinunterfahren, könnten Sie vielleicht noch persönlich dort vorbeischauen, wir haben schließlich nicht Ewigkeiten Zeit. Schon nächste Woche werden die Vertreter der Russen die Anlage besichtigen und lassen Sie anschließend das lose Brett in der Krypta fixieren.
Gestern hat sich nämlich meine Mutter beinahe den Fuß verknackst und was noch schlimmer wäre“, fügte er lachend hinzu, „ein Lederabsatz ihrer High Heels von Prada wäre beinahe abgeschabt worden.“
„Ein absoluter Meilenstein am Untergang der abendländischen Kultur“, grinste der Verwalter.
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„Was tut sich eigentlich in der Sache mit dem Japaner?“, fragte Hofrat Sassmann, als ihm Joschi Bernauer am Gang vor seinem Büro entgegenkam.
„Nicht aufzufinden, es gibt aber auch keinerlei konkrete Ansatzpunkte. Der Mann ist von Japan herübergeflogen, in seinem Hotelzimmer befindet sich nichts als ein Anzug, schwarze Schuhe, zwei Hemden und diverse Unterwäsche. Außer seinem Pass und seinen Toilettegegenständen natürlich. Es gibt kein Handy, kein iPad, keine schriftlichen Unterlagen, nichts. Einmal ist er bei der Besichtigung der betreffenden Liegenschaft anwesend gewesen und mehr gibt es nicht über ihn zu wissen. Es kennt ihn ja auch niemand. Wird der Fall jetzt offiziell?“
„Das sollen die Japaner entscheiden.“
„Ich bin jedenfalls aus der Sache raus“, dachte Bernauer. „Eine Zumutung so etwas.“
Dann konzentrierte er sich wieder auf seinen gegenständlichen Fall.
Ein Detektiv namens Arthur Kendler war von der Hausvermieterin in seinem Büro tot aufgefunden worden. Die Frau hatte dem Angestellten der Firma, der die Heizröhrchen an den Radiatoren ablesen sollte, die Wohnung des Detektivs geöffnet, da Kendler selbst nicht anwesend und auch seit Tagen nicht mehr gesehen worden war, obwohl sein Auto im Innenhof des Hauses stand.
Sie schloss also die Wohnung auf und beide prallten bereits vor dem Geruch, der ihnen aus dem Zimmer entgegenschlug, zurück. Mit vorgehaltenem Tuch trat der Mann aber dann doch in den heruntergekommenen Raum und reagierte umgehend. Er verließ die Wohnung, schloss die Türe und rief sofort die Polizei.
Das Büro des Detektivs war schäbig und bestand nur aus einem Raum. Außer dem alten Schreibtisch mit Bürolampe und einem vorsintflutlichen Computer mit Drucker sowie einem Regal aus Metall, welches sich über die schmale Seite des Raumes hinzog, gab es nur einen Schreibtischsessel und einen Stuhl aus Holz, der offenbar für etwaige Besucher vorgesehen war.
Auf dem Boden, neben dem Schreibtisch, lag tot, in einer bereits eingetrockneten Blutlache, Arthur Kendler so, als ob er dabei gewesen wäre, den Raum zu verlassen.
Wie vorhersehbar, ging aus den sorgfältig sortierten Akten unzweifelhaft hervor, dass es um die von ihm bearbeiteten Aufträge ebenso trostlos bestellt war wie um das abgenutzte Inventar.
Da er ein Ein-Mann-Unternehmen geführt hatte, gab es leider auch keine Angestellten, die man hätte befragen können.
Der Mann lebte allein im Hinterzimmer seines Büros in der Nähe des Bahnhofs und auch da war nichts zu finden, das über ihn und sein Leben hätte Aufschluss geben können.
Unter den vorhandenen, armseligen Umständen kam als Ursache für die Tat eigentlich nur ein Ermittlungsergebnis des Detektivs infrage, aber was konnte er herausgefunden haben, das einen Mord zur Folge gehabt hätte? Die Mehrzahl seiner Fälle, deren Unterlagen sich in diversen Flügelmappen befanden, bestand aus der Überwachung von Seitensprüngen und kleineren Gaunereien, aber finanziell konnte ihm das alles nur wenig eingebracht haben und sein Konto erwies sich dann auch als überzogen.
Vermögenswerte würden also weder gesucht noch gefunden worden sein, nur eine halbleere Whiskyflasche fristete ein einsames Dasein auf einer Konsole nebst einem billigen Trinkglas über einer unsäglich schmutzigen Waschmuschel.
„Ein tristes Leben“, dachte Bernauer, „und dann ein ebensolcher Tod.“
Bernauer saß an seinem Schreibtisch und brütete über dem Obduktionsergebnis der Gerichtsmedizin, welches ihn dann aber irgendwie merkwürdig anmutete. Der tote Detektiv war sechsundvierzig Jahre alt gewesen, verwahrlost, aber in keinem schlechten körperlichen Gesamtzustand, sodass er nicht allzu leicht zu überwältigen gewesen wäre.
Erschlagen wurde er mit einem schweren, scharfkantigen Gegenstand, wodurch die linke Schädelseite weitgehend zertrümmert worden war, woraus die Gerichtsmedizin den Schluss gezogen hatte, dass es sich bei dem Täter um einen Rechtshänder gehandelt haben musste, der vor dem Opfer gestanden hatte.
Kendler hatte sich also ganz offensichtlich nicht gewehrt und dürfte daher auch mit einem Angriff nicht gerechnet haben.
Ehe Bernauer den Aktendeckel geschlossen hatte, meldete sich sein Telefon. Eine Frau, wurde ihm gesagt, sei in der Leitung, die den Herrn zu sprechen wünsche, der die Sache mit dem ermordeten Detektiv in Arbeit habe.
„Stellen Sie durch“, sagte Bernauer. „Dieser Herr bin ich.“
Am Ende der Leitung war noch das Kichern der Polizistin zu hören, dann meldete sich die resolute Stimme eines weiblichen Wesens, das sich als Hausherrin des ermordeten Detektivs erwies.
Vorwurfsvoll berichtete sie ihm, dass seit dem heutigen Vormittag an der Haustür ein Zettel klebe, der ihrer Meinung nach eine behördliche Zustellverständigung sei.
„Schicken Sie jemanden her, bevor er weg ist“, sagte sie. „Wir sind hier schließlich nicht gerade am Domplatz.“
„Haben Sie den Zettel vor sich?“, fragte Bernauer.
„Nein“, sagte sie. „Ich mische mich nicht in fremde Angelegenheiten.“
Bernauer atmete tief ein. „Wäre es zu viel verlangt, wenn ich Sie bitte, ihn zu holen?“
„Naja“, brummte sie. „Holen nicht, aber ich gehe hinunter, ich bin ohnehin am Handy.“
Nachdem Bernauer schon geglaubt hatte, sie hätte aufgelegt, schnaubte sie plötzlich in die Leitung: „Ich habe ihn, wollen Sie die Nummer wissen, die oben draufsteht?“
„Ich bitte darum.“ Sie las ihm laut und akzentuiert die Aktenzahl vor.
„Wann kommt das Zeug weg?“, fragte sie. „Ich habe Interessenten, die warten auf die Wohnung. Außerdem schuldet er mir noch eine Miete, wie geht das jetzt?“
„Ein wenig werden Sie sich da noch gedulden müssen.“
Ihre Stimme verstummte grußlos.
Die Strafanzeige war von der Bezirkshauptmannschaft Bruck-Mürzzuschlag ausgestellt worden und zeigte an, dass Kendlers Wagen vor einigen Wochen auf der Straße zwischen Steinhaus und der Ortschaft Semmering vom Radar erfasst worden war.
Bei einem Vergleich mit Kendlers Akten kam kein Fall zutage, der den Detektiv in diese Gegend geführt hätte. Auch Hinweise auf private Verbindungen in diese oder überhaupt irgendeine Richtung wurden nicht gefunden. Der Mann musste ohne Freunde gewesen sein und auch Verwandte waren nicht aufzufinden.
„Was kann der Mann am Semmering gewollt haben?“, überlegte Hofrat Sassmann. „Wir können doch nicht die ganze Umgebung mit seinem Bild abklappern und fragen, ob ihn dort irgendjemand gesehen hat.“
„Also, im Hotel Panhans würde ich damit sicher nicht beginnen. Die Preise sind da turmhoch über seiner Einkommensklasse, wahrscheinlich hätte sogar ein Zelt sein Budget weit überschritten“, meinte Bernauer in Erinnerung an das Elendsquartier des Detektivs, „und die Klientel war wohl auch nicht die seine.“
„Und sein Wagen, war der auch völlig unergiebig?“
„Im Wagen wurde außer einem Etui mit Führerschein und Waffenpass im Handschuhfach, Pfefferminzpastillen und Zigarettenstummeln nichts gefunden, auch kein Handy, obwohl er eines besessen haben muss bei seinem Beruf, denn Festnetz hatte er nicht. Ja und dann noch ein Prospekt eines Autohändlers über den neu erschienenen Touareg. Vermutlich hat er ihn als Jausenbrett verwendet, denn er war übersät mit seinen fettigen Fingerabdrücken.“
„Oder er hat ihn des Öfteren durchgeblättert“, folgerte Sassmann. „Vielleicht hatte er seiner Meinung nach doch Geld in Aussicht? Wäre nur so ein Gedanke.“
„Aber äußerst einleuchtend“, gab Bernauer zu, „und er trieb sich in einer eher gehobenen Gegend herum.“
„Versuchen wir es doch mit einer Amtshilfe bei den Kollegen vor Ort.“
„Auf deren Antwort freue ich mich bereits jetzt“, meinte Bernauer.
Am Nachmittag erreichte ihn erneut ein Telefonanruf der ärgerlichen Hausbesitzerin, die zu wissen verlangte, wohin der Wagen des Ermordeten gebracht worden sei. Schließlich sei dies der einzige Gegenstand, der für die Bezahlung der ausstehenden Miete zu verwerten sei. Außerdem habe dieser Säufer, mit dem Kendler gelegentlich verkehrt habe, mächtig angegeben, dass er das Erbe fest in der Hand habe.
„Mein Freund lässt mich nicht im Stich“, erklärte er jedem seiner Saufbrüder. „Den habt ihr alle unterschätzt, aber nicht mit mir, nicht mit Franz Xaver Bauer.“
„Was ist eigentlich mit einem Handy oder iPad?“, fragte sie aggressiv.
Für den Nachlass sei die Polizei nicht zuständig, klärte sie Bernauer auf, ihre Forderungen müsse sie beim zuständigen Notar einbringen, den sie über das Nachlassgericht erfahren könnte. Momentan gäbe es aber keinen Grund zur Beunruhigung, denn vor Abschluss der Ermittlungen würden keinerlei Gegenstände zu irgendeiner Verwendung freigegeben. Dies gelte allerdings auch für sie selbst.
Als er dann noch wissen wollte, wo er Franz Xaver Bauer finden könne, sagte sie, er möge sich im Café zwei Häuser weiter umsehen oder den Wirt nach ihm fragen.
„Wenn er vorgibt, ihn nicht zu kennen, dann sagen Sie einfach nur, Sie könnten beweisen, dass er Branntwein auch an Minderjährige ausschenkt. Dann wird er flüssig.
Und passen Sie mir nur ja gut auf die Sachen von dem Kerl auf, eine Hand wäscht die andere, nicht wahr?“
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