Highland-Melodie - Susanna Drake - E-Book

Highland-Melodie E-Book

Susanna Drake

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Beschreibung

Ein berührender historischer Liebesroman in den Highlands. Schottisches Grenzland zu England 1193: Malcolm MacKenzie ist gemeinsam mit seinem Bruder und seinem Schwager mit König Richard von England ins Heilige Land gezogen. Als die Nachricht von seinem Tod und dem seiner Gefährten Schottland erreicht, wird die Burg von Männern, die in ihr eine leichte Beute sehen, angegriffen und der Sohn Malcoms entführt. Als Spion entsenden sie den scheinbar harmlosen Troubadour John Feather, der nicht nur Informationen sammelt, sondern auch Seana, die Tochter des Laird, betört… Der schottische Troubadour: Er greift zur Laute und nach ihrem Herzen. »Highland-Melodie« ist ein eBook von feelings –emotional eBooks*. Mehr von uns ausgewählte romantische, prickelnde, herzbeglückende eBooks findest Du auf unserer Facebook-Seite: www.facebook.de/feelings.ebooks. Genieße jede Woche eine neue Liebesgeschichte - wir freuen uns auf Dich!

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Seitenzahl: 397

Veröffentlichungsjahr: 2014

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Susanna Drake

Highland-Melodie

Er greift zur Laute – und nach ihrem Herz

Knaur e-books

Über dieses Buch

Ein berührender historischer Liebesroman in den Highlands.

Schottisches Grenzland zu England 1193: Malcolm MacKenzie ist gemeinsam mit seinem Bruder und seinem Schwager mit König Richard von England ins Heilige Land gezogen. Als die Nachricht von seinem Tod und dem seiner Gefährten Schottland erreicht, wird die Burg von Männern, die in ihr eine leichte Beute sehen, angegriffen und der Sohn Malcoms entführt. Als Spion entsenden sie den scheinbar harmlosen Troubadour John Feather, der nicht nur Informationen sammelt, sondern auch Seana, die Tochter des Laird, betört …

Der schottische Troubadour: Er greift zur Laute und nach ihrem Herzen.

Inhaltsübersicht

Kapitel 1Kapitel 2Kapitel 3Kapitel 4Kapitel 5Kapitel 6Kapitel 7Kapitel 8Kapitel 9Kapitel 10Kapitel 11Kapitel 12Kapitel 13Kapitel 14Kapitel 15Kapitel 16Kapitel 17Kapitel 18Kapitel 19Kapitel 20Kapitel 21Epilog
[home]

Kapitel 1

Nicht mehr lange und sie fallen über uns her.«

Sie lauschten durch das im Burgfried herrschende Halbdunkel hinaus und hörten die Stimmen der Männer, die die Burg verteidigten. Flüche und Schreie wechselten sich mit ohrenbetäubendem Poltern ab, wenn die Belagerer mit dem Rammbock gegen das Tor donnerten. Sie zuckten dabei zusammen, als wären sie selbst getroffen.

»Sie werden uns alle töten.« Die Frauenstimme klang tränenerstickt. »Ach, wenn nur der Herr hier wäre.«

»Der Herr ist tot«, brummte der Knecht. Er war so alt, dass man ihn, weil er zum Kampf nicht mehr taugte, mit einem Spieß zu den Frauen in den Turm gesperrt hatte, damit er ihnen ein – wenn auch gebrechliches – Gefühl von Schutz gab.

»Mein Vater ist nicht tot«, sagte Iain trotzig. »Er ist bestimmt ganz nahe und wird uns helfen.«

Er hockte an der Wand und starrte zu dem gegenüberliegenden schmalen Fenster empor. Das trübe Tageslicht fiel in dünnen Streifen durch die Holzlatten, mit denen man es verschlossen hatte, seit ein brennender Pfeil der Belagerer seinen Weg bis hierher gefunden hatte. Ein weiterer Pfeil war vor wenigen Stunden im Holz steckengeblieben, aber es war den Frauen gelungen, das glimmende Holz zu löschen.

Iains Mutter legte die Arme um ihren Sohn und zog ihn an sich. »Er wird uns in jedem Fall helfen. Er ist jetzt bei Gott.«

»Er ist nicht bei Gott«, widersprach Iain heftig. »Er kommt und wird uns retten! Er wird sie alle töten!«

Niemand, am wenigstens die Burgherrin, hatte den Mut, ihm zu widersprechen. Dabei hatten die Nachrichten, die vor zwei Monaten von einigen Händlern und einem durchreisenden Barden gebracht worden waren, keine Zweifel an Malcolm MacKenzies Tod gelassen, und die Berichte stammten aus London selbst, wo einige vom Kreuzzug zurückgekehrte Ritter eingetroffen waren. Sie hatten neben ihm gekämpft und gesehen, wie er, von zwei sarazenischen Pfeilen getroffen, vom Pferd stürzte und von mehreren Männern gleichzeitig angegriffen wurde. Seine Gefährten, sein Bruder Alasdair und John of Klensey, der Bruder der Burgherrin, waren ihm zur Hilfe geeilt und dabei selbst in dem Kampfgetümmel untergegangen. Sicherlich waren sie alle drei getötet worden, andernfalls wären sie schon längst mit den anderen Rittern heimgekehrt.

Iains Schwestern, die sich an der anderen Seite ihrer Mutter zusammendrängten, begannen leise zu weinen, und auch Iain wäre am liebsten in Tränen ausgebrochen. Aber nicht aus Schwäche! O nein! So hätte sich der neunjährige Nachfolger des Burgherrn niemals gehen lassen! Seine Tränen kamen vom hilflosen Zorn.

Seine Mutter drückte ihr Gesicht in seinen dunklen Schopf, und er streichelte unbeholfen über ihre Hand. Sie war in den letzten Wochen so schmal, so blass geworden. Man sah ihr die Angst, die Sorge um die Burgbewohner und noch viel mehr die Trauer um den Burgherrn an.

Aber wenn sein Vater wirklich tot war, dann war Iain sein Nachfolger, und als solcher sollte er die Verantwortung für die Burg und die Frauen übernehmen! Stattdessen hatten sie ihn jedoch wie ein Kind zu den Weibern in den Turm gesperrt. Er presste zornig die Lippen aufeinander.

»Wenn dein Vater noch lebt«, flüsterte seine Mutter, »wird er auch kommen. Das weiß ich.«

Die Belagerung allein war nicht das Problem, da es den Männern, die sich vor drei Wochen vor der Burg versammelt und frech die Übergabe verlangt hatten, noch lange nicht gelingen konnte, sie auszuhungern. Sie hatten genügend Vorräte eingelagert, und auch das Wasser in der Zisterne reichte noch für gut zwei, drei Wochen, auch wenn man es nicht verschwenden durfte. Wenn es regnete, konnten sie wieder frisches auffangen. Die Burg besaß Regenrinnen, die im Hof zu Fässern geleitet wurden, wo man das Regenwasser speicherte. Dass die Burg auch sonst gut mit Vorräten ausgestattet war, dafür hatte schon Patrick gesorgt, der älteste und vertrauenswürdigste Ritter des Herrn, unter dessen Obhut Malcolm MacKenzie seine Familie und sein Heim zurückgelassen hatte.

Die kleine Feste befand sich auf einer Anhöhe, und der Haupteingang war durch eine etwa drei Meter breite, natürliche Felsspalte gesichert, über die eine Zugbrücke führte. Die Burgbewohner hatten die Brücke natürlich hochgezogen, aber die Angreifer hatten sie in Brand gesetzt und dann selbst eine neue Brücke gebaut, mit der sie die relativ schmale Spalte überwanden. Sie hatten einen Rammbock herangeschleppt; einen großen, schweren Baumstamm, mit dem sie trotz des Hagels aus Steinen und Pfeilen, den die Verteidiger auf sie hatten herabprasseln lassen, gegen das innere Burgtor angerannt waren.

Ein Teil der Belagerer griff noch von einer anderen Seite an. Zwar hatte der Burgherr noch vor seinem Zug ins Heilige Land Sorge dafür getragen, dass die Mauern an den gefährdeten Stellen verstärkt und erhöht wurden, aber die Angreifer hatten offenbar sehr schnell die Schwachpunkte der Burg und der Befestigungsanlagen erkannt. Fast so, als würden sie sich hier auskennen.

Patrick hatte sogar davon gesprochen, die Feinde würden versuchen, einen Tunnel zu graben, um die Mauer und die Palisaden zum Einsturz zu bringen. Er hatte nur sehr leise geredet, aber Iain hatte es trotzdem gehört. Seitdem lauschte der Junge nicht nur auf jedes Geräusch von draußen, sondern horchte auch auf den Boden unter seinen Füßen. In seiner Vorstellung unterminierten die Feinde das Fundament der Burg wie ein Rudel bösartiger Maulwürfe. Manches Mal, im Halbschlaf, träumte er davon, wie sie sich durchwühlten und plötzlich auf die Bewohner stürzten.

Plötzlich ertönte ohrenbetäubendes Geschrei von draußen. Hatten die Angreifer die Mauer überwunden? Aufgeregte Stimmen. Flüche. Frauen und Kinder lauschten mit angehaltenem Atem.

Jemand rief vor der Tür nach dem alten Knecht. Der Alte humpelte hin und öffnete, als er John Feathers Stimme erkannte. Der Eingang zum Bergfried befand sich zwei Mann hoch über dem Innenhof. Sie hatten die Holztreppe zerstört, und der Knecht schob die Leiter hinunter.

Der Barde kletterte herein und sah sich um. Sein Haar und sein Gesicht waren von Schmutz und Schweiß verklebt, und auf der Wange hatte er eine blutige Schramme. Sein Blick suchte besorgt Iains Mutter. Mit drei Schritten war er bei ihr und kniete vor ihr nieder. »Ist bei Euch alles in Ordnung, Herrin?«

Iain sah stirnrunzelnd, wie der Barde nach der Hand seiner Mutter fasste. Er verstand zwar nicht viel von den geheimnisvollen Dingen, die zwischen Männern und Frauen vor sich gingen, aber er hatte vor einiger Zeit getuschelte Bemerkungen über John Feather aufgeschnappt. Angeblich sei dieser in die Burgherrin verliebt. Iain hatte ihn seitdem sehr scharf beobachtet. Der Sänger trieb sich tatsächlich immer in Mutters Nähe herum, und wenn er sang, dann sah er dabei nur sie an, und seine Worte schienen nur ihr zu gelten. Das sei so üblich, hatte seine ältere Schwester einmal mit der Weisheit ihrer zwölf Jahre erklärt. Der Burgherrin huldigen hatte sie es genannt und blöde und mit zum Himmel verdrehten Augen dabei geseufzt. Er zog verächtlich die Mundwinkel nach unten.

Adela entzog John Feather zu Iains Genugtuung ihre Hand. »Gewiss. Aber was ist draußen geschehen, John Feather?«

Der Blick des Sängers ruhte auf ihrem Gesicht, als wäre er daran festgewachsen. »Sie haben wieder mit dem Rammbock angegriffen, aber wir haben heißes Öl und Feuer auf sie gegossen, sodass ihre neue Brücke endlich zu brennen begann. Das sollte sie eine Weile aufhalten.«

Iain nickte grimmig. Das hatten sie schon einmal versucht, aber die Angreifer hatten das Feuer löschen können, und dazu war noch Regen gekommen. Manchmal war ihm so, als hätte Gott selbst den Untergang der Burg beschlossen.

»Sollten sie eindringen, so schickt Patrick zwei Männer zu Euch, die diesen Turm verteidigen werden«, fuhr John Feather fort. »Und ich selbst werde ebenfalls kommen. Wenn die Leiter hochgezogen ist, kann ein Mann alleine die Stellung eine Weile halten.« Bis die Übermacht zu groß würde, dachte Iain, aber John Feather sprach auch das nicht aus. Die Augen aller ruhten voll Hoffnung auf ihm. John Feather, seines Zeichens Barde, obwohl er sich lieber mit dem klingenden Namen Troubadour schmückte, war ein schlanker, aber kräftiger Mann, der in John of Klenseys Begleitung auf die Burg gekommen war. Als die Ritter ins Heilige Land gezogen waren, war er hier geblieben, und die Burgleute hatten sich gefreut. Seine angenehme Stimme und fantasievollen Erzählungen hatten ihnen so manchen Abend verkürzt und die trübe Wartezeit auf den Burgherrn und dessen Freunde erleichtert.

Jetzt aber hatte er wie alle anderen zu Schwert und Rüstung gegriffen. Iain, der bis dahin gedacht hatte, der Troubadour könnte nicht einmal ein Schwert halten, war verblüfft gewesen, Patrick aber hatte ihn ausgelacht. John Feather war wie jeder andere Ritter zuerst in Pagen- und Knappendiensten gestanden, ehe er zur Laute gegriffen hatte. Und er sei – so erzählte man sich – sogar ein recht guter Kämpfer.

»Achtet auf Euch, Herrin.« John Feathers Stimme klang gepresst, als er abermals nach Adelas Hand griff und sie an seine Lippen zog, ehe er aufstand und zur Tür ging. Der Alte verriegelte sie hinter ihm, und die zurückbleibenden Frauen seufzten. Zwei Kinder weinten.

Adela zog ihren Sohn an sich. »Dein Vater wird kommen, wenn er kann«, flüsterte sie, und es war, als müsse sie sich selbst Mut zusprechen. »Er wird kommen. Und mit ihm mein Bruder.«

Iains Augen leuchteten auf. Er hatte kaum sechs Sommer gezählt, als der Bruder seiner Mutter, John of Klensey, gemeinsam mit Iains Vater zum Kreuzzug aufgebrochen war, und er hatte den Jungen zutiefst beeindruckt. Der Mann mit dem ernsten Gesicht, dem freundlichen Lächeln, dem scharfen Witz, auch wenn Iain diesen nicht immer verstand, war für den Jungen das Inbild eines Ritters. Einer jener Recken, von denen John Feather erzählte und sang. Von dem Moment an, in dem John of Klensey in seinem glänzenden Kettenhemd, den mit Eisen geschützten Stiefeln, dem langen Schwert, dem kürzeren, dem Helm, dessen Dellen man ansah, dass er schon in vielen Schlachten getragen worden war, in den Burghof einritt, hatte er in seinem Neffen einen so treuen Anhänger gefunden, dass er ihm gutmütig den Spitznamen »Klette« gab.

Iain war nicht im Geringsten beleidigt gewesen. Im Gegenteil, er war stolz auf diesen Namen, der von einem Mann stammte, dessen Ruf als Ritter nicht nur in England verbreitet war, sondern bis nach Schottland und – wie seine Mutter und andere behaupteten – sogar bis ins Normannische, ins Anjou und das Land der Franken vorgedrungen war.

Es war so üblich, dass man die Knaben im Alter von sechs bis sieben Jahren an den Hof eines Lehnsherrn gab, wo sie zum Ritter erzogen wurden, oder ins Haus eines Verwandten, meist dem Bruder der Mutter. John of Klensey hatte noch keine eigene Burg, war jedoch der Erbe des Earl of Klensey, der schon nachgefragt hatte, wann sein Enkelsohn endlich zu ihm käme, um bei ihm zu leben und ausgebildet zu werden. Und John, Mutters Bruder selbst, hatte Iain vor seiner Abreise versprochen, ihn nach dem Kreuzzug mitzunehmen und einen echten Ritter aus ihm zu machen. Einen Mann des Schwertes, der auch alle Tugenden besaß, von denen der Barde John Feather und seine Mutter sprachen.

Inzwischen war Iain, bedingt durch den Kreuzzug, zwar schon weit über die sieben Jahre hinaus, mit denen er zu John of Klensey hätte ziehen sollen, aber er hatte seitdem kaum etwas anderes im Sinn gehabt, als ein großer Ritter zu werden, und trennte sich selbst im Schlaf nicht von seinem Holzschwert. Die Geschichten, die man Iain von seinem Oheim erzählte, beflügelten seine Fantasie. Sehr zum Missfallen der Schotten auf der Burg, die es lieber gesehen hätten, wenn Iain bei einem von ihnen erzogen worden wäre. Besonders Patrick hob immer wieder hervor, dass der Bursche zu seinem schottischen Großvater väterlicherseits in die Highlands geschickt werden sollte.

»Vielleicht sind sie alle tot«, murrte eine der alten Mägde, »alle im Heiligen Land gestorben, um das Grab unseres Herrn zu befreien. Sonst wären sie doch schon zurück.«

»Schweig«, fuhr der alte Knecht sie an. »Wenn Rettung kommt, dann vonseiten des alten Earls of Klensey.«

»Ja, falls der Bote überhaupt den Weg zu ihm gefunden hat und nicht von dem Gesindel da draußen abgefangen worden ist«, biss die Magd zurück.

»Er ist durchgekommen«, sagte die Burgherrin mit fester Stimme. »Er wird meinen Vater erreichen, und dieser wird uns zur Hilfe eilen.« Die Burg ihres Vaters lag drei knappe Tagesritte südwestlich von hier, der Bote war jedoch zu Fuß und würde gut eine Woche brauchen, bis er den Earl erreichte, selbst wenn er bis zur Erschöpfung lief.

»Der Earl ist krank«, meinte eine der Frauen.

»Der alte Earl kommt bestimmt, und wenn er sich auf einer Bahre hertragen lassen müsste«, brummte der Knecht.

Iain rutschte unruhig hin und her. Er hatte seinen Großvater, den Earl of Klensey, niemals gesehen, oder zumindest nicht, seit er sich erinnern konnte, aber er hatte gehört, dass er an einer Krankheit der Beine litt, die es ihm fast unmöglich machte, zu reiten und zu kämpfen. Wie sollte der alte, kranke Mann ihnen helfen?

Um nichts unversucht zu lassen, hatte Patrick auch einen Boten nach Schottland geschickt, um Iains Großvater zur Hilfe zu holen. Allerdings hatte der junge Knecht, der sich heimlich hinausgeschmuggelt hatte, wenig Glück gehabt: Die Belagerer hatten zwei Tage später seine verstümmelte Leiche vor die Burgmauer geworfen.

Iain hatte ja bereits versucht, mit einem der kleineren, leichteren Schwerter, die er mit beiden Händen halten konnte, hinaus und auf den Wehrgang zu laufen, aber der alte Patrick hatte ihn erwischt und ihn wieder zu den Frauen gesteckt. Er hielt es kaum noch aus. Was würde sein Onkel John of Klensey tun? Hinausgehen und kämpfen, das Burgtor weit öffnen, mit seinem schweren Hengst hinausstürmen und die Angreifer wie Heu niedermähen! Ihn würde ganz bestimmt niemand zwingen, sich beschämend hinter Weiberröcken zu verkriechen!

In diesem Moment ertönte ein Krachen, die Gemäuer erbebten: Poltern von Steinen, in das sich Schreckens- und Schmerzensschreie vermengten. Iain sprang erschrocken auf, und seine Schwestern verkrochen sich näher bei ihrer Mutter. Von draußen hörte man Patricks kräftige Stimme, die Befehle über den Burghof donnerte.

»Mein Gott«, sagte der alte Knecht. »Mein Gott, das war die Burgmauer! Der Tunnel! Sie haben es geschafft, und die Mauer ist eingestürzt!«

Vor der Tür stand ein Page, dessen junge Stimme sich fast überschlug. »Herrin, die Mauer ist gefallen! Die Angreifer dringen durch die Bresche ein! Wir sollen Euch schützen!«

»Der Herr steh uns bei!« Die Frauen bekreuzigten sich.

Der alte Knecht war so bleich wie die anderen und atmete schwer, als er die dicke Holztür öffnete und die Leiter hinunterreichte. Ein junger Bursche kletterte herein, hinter ihm ein anderer.

Es war also so weit. Iain starrte gebannt auf die offene Tür. Nicht mehr lange, und die Angreifer waren im Hof. Diese Tür würde ihnen nicht lange standhalten. Und dann würden sie alle töten, so, wie sie es am ersten Tag der Belagerung angedroht hatten. Die Feinde hatten versprochen, sie am Leben zu lassen, wenn die Burgherrin ihnen alles Gold und Silber, Teppiche und sonstige sämtliche Kostbarkeiten aushändigte. Iains Mutter hatte stolz abgelehnt. Daraufhin hatten die Angreifer geschworen, die Burg zu stürmen und alle zu töten, die Männer abzuschlachten und die Frauen zu vergewaltigen. Iain wusste nicht, was vergewaltigen bedeutete, aber es schien etwas Schwerwiegendes zu sein, denn die Mägde seiner Mutter und alle anderen Frauen hatten zu weinen und zu zittern begonnen.

Er sah sich um. Dicht neben ihm stand der alte Knecht und hielt seine Waffe in den knotigen Händen, während die beiden jungen Männer sich daran machten, die Leiter einzuziehen. Iain überlegte nicht lange. Wenn sein Vater wirklich tot war, so war er nun der Herr der Burg, und es war seine Aufgabe, die Frauen vor was auch immer zu beschützen. Er sprang hinzu, riss einem der jungen Männer mit beiden Händen das Schwert aus der Hand und drängte sich, ehe man ihn fassen konnte, vorbei. Er warf das Schwert hinab und sprang nach. Wendig wie eine Katze, kam er leichtfüßig auf, obwohl er dann doch stolperte, aber im nächsten Moment war er auch schon wieder auf den Beinen und griff mit beiden Händen nach dem Schwert. Plötzlich stand John Feather vor ihm. Iain wich aus, achtete nicht auf die Schreie der Frauen, nicht auf die entsetzten Rufe seiner Mutter oder das Gezeter des Alten, sondern hetzte los.

Im äußeren Burghof herrschte Chaos. Steine flogen, Staubwolken stiegen auf, Männer stürmten zur Rückseite der Burganlage, wo die Mauer zusammengebrochen war. Iain rannte ihnen nach. Dort rangen Freund und Feind miteinander, wilde Gestalten kletterten über die Bresche und wurden von verzweifelten Männern aufgehalten, die auf sie einschlugen. Einer kam durch, Iain hob sein Schwert mit beiden Händen, konnte kaum die Spitze emporreißen, und stieß, als der andere ihn nicht beachtete, auf seine Beine ein. Die Schwertspitze kratzte über dessen Beinschiene, und die Waffe wurde Iain aus der Hand geschlagen. Der Mann blieb stehen, lachte grimmig und hob seine eiserne Streitaxt.

Iain duckte sich und tastete im Staub nach seiner Waffe. In diesem Moment zischte ein Schwert durch die Luft und fraß sich tief in den Arm des Eindringlings. Der schrie auf. Ein weiterer Schlag folgte, ein Stoß direkt durch den Hals. Blut spritzte aus Mund und Kehle. Der Feind brach zusammen.

»Iain!« Patricks Stimme war heiser vor Anstrengung. »Geh zurück in den Turm! Sofort!«

»Ich will kämpfen!«

Der alte Mann packte Iain und zerrte ihn mit sich. Plötzlich taumelte er. Er gab Iain noch einen letzten Stoß. »Lauf!«, dann stürzte er. Iain sah erschrocken, dass ein Pfeil aus seiner Schulter ragte. Lautes Pferdewiehern ertönte von der anderen Seite der Bresche. Iain warf sein Schwert fort und lief los. Es gelang ihm, über die zusammengebrochene Burgmauer zu klettern. Der Bote, der seinen schottischen Großvater, Arthur MacKenzie, hätte holen sollen, war getötet worden, aber er, Iain, konnte es in dem Durcheinander vielleicht schaffen, nach Schottland zu reiten, auch wenn er zu schwach war, um zu kämpfen!

Ein reiterloses Pferd bäumte sich vor ihm auf, und Iain rannte darauf zu. Plötzlich verdichtete sich das Geschrei der Angreifer. Sie kamen alle in seine Richtung gerannt. Ein Mann im Kettenhemd und mit einem Helm tauchte vor ihm auf. Das Visier verbarg den Blick auf das Gesicht, aber zwei derbe Hände griffen nach Iain und drückten seine Kehle zu, bis die Welt um den Jungen herum schwarz wurde.

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Kapitel 2

Zerlumpte Kinder, magere Frauen, hinkende, verletzte Männer, angesengte Mauern, eine hastig zusammengezimmerte Brücke. Es war kein fröhlicher Empfang, den man John of Klensey bei der Ankunft auf der Burg seines Schwagers bereitete, auch wenn die Wachen das Tor weit für ihn aufrissen und ihm jubelnd entgegenliefen, als er sein Pferd über die provisorische Zugbrücke lenkte. Als er in den Burghof einritt, konnte John die Trauer, die Angst und den Zorn, die sich in den zerstörten Mauern eingenistet hatten, förmlich riechen. Von allen Seiten drängten die Bewohner der Burg heran, jeder wollte ihn begrüßen, viele hatten Tränen in den Augen, einige griffen nach seinem Gewand, wie um sich davon zu überzeugen, dass er auch leibhaftig vor ihnen stand. Andere fassten nach seinen Händen.

Patrick, der alte Ritter und Hüter der Burg, beugte ungewohnt schwerfällig das Knie. »Herr, dass Ihr hier seid. Gott sei dafür gesegnet.«

Die Burgherrin kam gelaufen, ehe John überhaupt abgestiegen war. Als sie sein ernstes Gesicht sah, blieb sie wie angewurzelt stehen, und der schüchterne Ausdruck von Freude wich Hoffnungslosigkeit. Aber im nächsten Moment stürzte sie los und fiel ihm um den Hals. Hätte John nicht fest zugegriffen, wäre sie zusammengesunken.

»Du lebst! Der Herr sei gepriesen! Aber Malcolm, er ist tot. So stimmt es, was man sich erzählt! Sonst wäre er jetzt bei dir.« Die letzten Worte gingen in einem heftigen Schluchzen unter, das ihren ganzen Körper schüttelte.

»Aber nein, dein Gatte lebt.« John klopfte seiner Schwester beruhigend den Rücken. »Er wurde jedoch schwer verwundet, deshalb kommen wir so spät. Er musste erst genesen, sodass er die Reise überstehen konnte. Ich habe ihn, nachdem wir mit dem Schiff den Kanal überquert haben, in London zurückgelassen, um schneller bei euch zu sein. Es war sein Wunsch, damit ihr beruhigt seid. Er kommt dann mit den anderen langsamer nach. Alasdair ist bei ihm geblieben. Wer hat denn behauptet, er wäre tot?«

»Händler, die vor einigen Monaten hier vorbeizogen«, erwiderte einer der alten Knechte. »Und ein fahrender Sänger, der aus dem Süden kam und Nachrichten vom Kreuzzug mitbrachte.«

»Nun, zum Glück ist er ziemlich lebendig«, sagte John. Malcolm hatte tatsächlich tagelang zwischen Leben und Tod geschwankt und dann lange gebraucht, um wieder zu Kräften zu kommen. Sie waren nur sehr langsam heimgereist, um ihm immer wieder längere Pausen zu gönnen. Kein Wunder, dass man sich erzählte, er wäre längst tot.

»Und er ist unerträglich ungeduldig, seine Frau wiederzusehen.«

»Dem Herrn sei Dank!«, stammelte die Burgherrin und konnte doch nicht aufhören zu weinen.

John streichelte ihr beruhigend über den schmalen Rücken. Sie war noch zarter, als er sie in Erinnerung hatte. Malcolm hatte sie während der Reise oft seine englische Fee genannt, und John hatte es bei dem liebevollen Ton jedes Mal einen neidvollen Stich versetzt. Es kam nicht oft vor, dass Männer wie Malcolm MacKenzie, Herr über Dörfer und etliche Hufen Wald und Ackerland, aus Liebe heirateten. Noch dazu eine Engländerin. Sie hatten sich bei Grenzverhandlungen, an denen König William von Schottland und etliche englische Adelige teilgenommen hatten, kennengelernt. Einander sehen und lieben war eins gewesen. Und als Malcolm MacKenzie dann vom König diese Burg im Grenzgebiet als Lehen überlassen worden war, hatte er keine Sekunde gezögert, bei Adelas Vater um die Hand der damals erst vierzehnjährigen, aufblühenden jungen Frau anzuhalten und ein Jahr später den Bund fürs Leben zu schließen.

Der schottische König William hatte, als sich viele der Vasallen und sogar die eigenen Söhne und die Gattin gegen König Heinrich von England auflehnten, eine gute Chance gesehen, ehemaliges schottisches Land zurückzuerobern. Er war gescheitert, gefangen genommen und nur unter demütigenden Bedingungen wieder freigelassen worden. Und danach hatte er versucht, zumindest das zu halten, was er noch besaß. William von Schottland hatte gewusst, weshalb er einem seiner besten und treuesten jungen Männer diese Burg gab. Malcolm MacKenzie und seine Schotten waren die Garantie dafür, dass dieser Teil der Grenze zu England sicher war und Frieden gehalten wurde.

Als Adela jedoch, statt Erleichterung darüber zu zeigen, dass ihr Gatte bald wieder mit ihr vereint sein würde, nur noch heftiger weinte, schob John sie etwas von sich fort. Er liebte seine Schwester, und es war klar, dass sie aus Erleichterung weinte, aber heulende Frauen waren ihm ein Gräuel.

»Was ist hier geschehen?«

Da Adela nicht zusammenhängend sprechen konnte, antwortete Patrick. Er trug einen dicken Verband um den rechten Arm und die Schulter. »Sie haben uns vor einigen Wochen überfallen, Mylord, bald, nachdem die Nachricht vom Tod des Herrn eingetroffen war. Sogar das Dorf haben sie abgebrannt. Und dann haben sie uns belagert, aber wir konnten standhalten, bis es ihnen gelang, eine der Mauern zum Einsturz zu bringen. Aber das war nicht das Schlimmste. Das Schlimmste war, dass sie …«

»Iain entführt haben«, stieß Adela erstickt hervor.

John gefror das Blut in den Adern. Jetzt erst verstand er Adelas Gram. Iain war ihr drittes Kind, Malcolms Glück und Freude, der erste Sohn nach zwei Mädchen. Malcolm hatte fast ununterbrochen auf dem Weg von ihm geredet und von seiner Familie fantasiert, als er fiebernd auf dem Krankenlager gelegen hatte.

»John! Zeit wird es, dass du kommst! Höchste Zeit, mein Junge!«

Die Stimme war laut und kräftig. Als John sich umdrehte, sah er einen Mann in der Tür zum Wohntrakt stehen, den er hier nicht erwartet hätte. Froh, einen Grund zu finden, seine weinende Schwester sich selbst zu überlassen, ging er rasch auf den alten Mann zu. Er war auf einen Stock gestützt, das Gesicht gleichermaßen vor Schmerz wie auch vor Freude verzerrt. John wollte ihn ehrerbietig begrüßen, wie es dem Earl of Klensey zustand, aber sein Vater warf den Stock fort, umarmte ihn und klopfte ihm auf den Rücken, sodass das Kettenhemd klirrte.

Endlich löste sich sein Vater von ihm, seine Augen waren tatsächlich feucht und sein Mund, in dem Bemühen, nicht zu zittern, zu einem grimmigen Lächeln verzogen. »Jetzt, wo mein Sohn da ist, werden die Entführer meines Enkels nichts mehr zu lachen haben! Ha! Wärst du nur zehn Tage früher gekommen, hätte das nicht geschehen können!«

»Es ist nur zehn Tage her?«

»Ja, da gelang es ihnen, die Mauer zum Einsturz zu bringen. Aber davon später. Zuerst musst du hereinkommen und Kräfte sammeln. Adela! Weißt du nicht, wie man einen Mann des Kreuzes begrüßt? Nicht mit Tränen! Mit Freude!« Er hielt seinen Sohn an den Schultern etwas weg, um ihn voller Stolz von oben bis unten betrachten zu können. »Hast du einige ehrenwerte Narben vom Kreuzzug mitgebracht?«

John hätte beinahe spöttisch den Mund verzogen. Er beherrschte sich nur aus Respekt vor seinem Vater. »So einige.«

Am tiefsten gingen jene, die man nicht sehen konnte, und auf jede einzelne davon hätte er ebenso gerne verzichtet wie auf den ganzen Kreuzzug. Aber diese Meinung behielt er besser für sich; der alte Earl war immer ein loyaler Vasall Heinrichs von England gewesen und hatte diese Treue dann auf dessen Erben Richard übertragen. John dagegen hatte Heinrich geschätzt, brachte diesen Respekt aber keineswegs auch dessen Sohn entgegen.

»Vater, Malcolm lebt!«

Johns Schwester kam herangelaufen. Die Tatsache, dass ihr Mann lebte und ihr Bruder zurückgekommen war, weckte ihre Lebensgeister. Sie wusste, dass ihr Bruder keine Sekunde zögern würde, den Jungen zu suchen und den Überfall zu rächen.

»Dem Himmel sei Dank!«, brummte der Earl. »Aber jetzt komm herein, mein Sohn. Adela, du vernachlässigst deine Pflichten! Dieser Ritter sieht aus, als könnte er einen guten Bissen und einen großen Krug gewürzten Weines gebrauchen.«

John stützte seinen Vater unauffällig, als sie die Halle betraten, und dieser nahm die Hilfe zu seiner Überraschung sogar an. Der alte Earl war vor einigen Jahren mit dem Pferd gestürzt und hatte sich dabei einen Beinbruch zugezogen. Die Verletzung war zwar verheilt, schien jedoch ein wesentlich hartnäckigeres Leiden hervorgerufen zu haben, das seine Beine anschwellen ließ, und seitdem hatte er – besonders bei kaltem und feuchtem Wetter, wie es jetzt herrschte – unerträgliche Schmerzen. Und weil er seine Lahmheit und Schwäche nicht ertrug, die seinen Stolz zutiefst verletzten, terrorisierte er seine gesamte Umgebung. »Seit wann bist du hier, Vater?«

»Genau seit dem Tag, als sie in die Burg eindringen konnten«, stieß der alte Earl grimmig hervor. »Nur Stunden früher, vielleicht sogar nur eine Stunde, und wir hätten sie erschlagen, ehe sie den Jungen mitnehmen konnten!«

Er stützte sich jetzt stärker auf seinen Sohn und biss die Zähne zusammen, bis sie knirschten. John war es unvorstellbar, wie sein Vater es geschafft hatte, in den Sattel zu kommen und die vielen Meilen hierher zu reiten. Aber Sturheit und Härte zu sich selbst waren immer schon die hervorstechendsten Eigenschaften seines Erzeugers gewesen. Er führte ihn zu einer der Bänke, und sein Vater ließ sich aufatmend darauf sinken. Die Knechte waren bereits dabei, Tischböcke aufzustellen und Holzplatten darüberzulegen. John sah sich kurz um. Auch die Halle spiegelte das Unglück wider, das den Burgleuten widerfahren war. Die Teppiche waren von den Wänden verschwunden; das Stroh auf dem Boden war zwar sauber, aber die duftenden Kräuter, die Adela sonst einstreuen ließ, fehlten. Über allem lag der feuchte, kalte Geruch von Winter und Entbehrung.

Die beiden Töchter des Burgherrn, die eine elf, die andere zwölf, und ein junger Page eilten heran, um John dabei behilflich zu sein, sein Rüstzeug abzulegen. Das Schwert übergab er den beiden Mädchen, die es stolz entgegennahmen, und das Kettenhemd ließ er mit einem kaum unterdrückten Seufzer der Erleichterung in die Hände des Pagen gleiten. Er sehnte sich danach, Schweiß und Rost vom Körper zu waschen, aber vorerst musste er hören, was geschehen war. So wie es aussah, würde er seine Waffen wieder eher benötigen als gehofft.

»Deine Schwester hat einen Boten zu mir geschickt«, erzählte der Earl weiter, als John sich neben ihn setzte. »Er war halb tot, als er bei mir ankam, ist wohl fast ohne Pause unterwegs gewesen. Wir brachen sofort auf und kamen just in dem Moment, als sie die Mauer zum Einsturz brachten.« Er nickte grimmig. »Und wir standen vorne, wie blöde Ochsen vor einem verschlossenen Stall. Standen glotzend vor der brennenden Brücke und konnten nicht helfen und nichts weiter tun.« Seine Faust ballte sich. »Der Angriff auf das Tor war nur Ablenkung gewesen, von einigen wenigen durchgeführt, die wir bald erledigt hatten. Die Masse dieser Schufte, die in der Hölle schmoren sollen, drang von hinten durch die Bresche ein. Aber allein unsere Anwesenheit hatte diese Hundsfotte schon feige gemacht. Sie waren zwar mehr als wir, aber bei Gott, ich kann dir sagen, mein Junge, wir waren zehnmal wütender.« Sein Gesicht, eben noch von grimmiger Kampflust erfüllt, die seine Wangen belebte und die Augen glänzen ließ, wurde bei seinen nächsten Worten düster. »Wie ich hörte, war Iain mit einem Schwert bewaffnet in den Hof gestürmt, keiner konnte ihn aufhalten. Der kleine Kerl«, brummte er, halb gerührt, »kaum zehn. Mehr Mut als Verstand.«

Patrick ließ sich auf der anderen Seite der Tafel nieder. »Er war plötzlich da. Und die Angreifer sprangen über die Bresche wie die Ratten. Ich wollte ihn ins Haus zurückbringen, aber da trafen mich Pfeile, und ich stürzte. Ehe ich wieder auf die Beine kam, war der Junge fort.« Er wischte sich über die Stirn und über die Augen. Seine Stimme schwankte etwas, als er weitersprach. »Zuerst dachten wir, wir fänden ihn bei den anderen Leichen, aber gottlob war dies nicht der Fall. Dann haben wir die Umgebung der Burg abgesucht, weil wir fürchteten, er wäre hinausgelaufen und getötet worden. Und endlich sagte einer unserer Burschen, dass zwei Männer ihn weggeschleppt hätten.« Er fuhr sich abermals über die Augen. »Ein alter Narr bin ich, weiter nichts. Der Herr täte gut daran, mir den unnützen Kopf vom Körper zu schlagen.«

»Es ist nicht Eure Schuld.« Johns Stimme klang scharf. »Malcolm wird ebenso wie ich wissen, dass Ihr alles getan habt, um die Burg und deren Bewohner zu schützen. Der Junge war eigensinnig und wild – wie die meisten in diesem Alter.«

»Wie auch du«, warf der alte Earl voller Stolz ein. »Da kommt das Klensey-Blut durch.« Er schlug mit der flachen Hand auf den Tisch, sodass die Krüge sprangen, und setzte den Bericht fort. »Meine Männer nahmen die Verfolgung auf. Einige der flüchtenden Schurken fielen uns in die Hände, aber entweder waren sie so stur oder sie wussten wirklich nichts von dem Jungen.« Der alte Earl schwieg, und John konnte sich vorstellen, welchen Torturen man die Männer ausgesetzt hatte, um sie zum Reden zu bringen. »Alles nur Abschaum, John. Keine Ritter, sondern nur Gesindel, wie es sich zwischen England und Schottland herumtreibt. Und von dem Jungen keine Spur, bis Sir Donnavan kam.« Johns Vater nickte zu einem Mann, der bisher bescheiden im Hintergrund gestanden hatte und jetzt vortrat, um sich neben Patrick zu setzen. »Er erzählte, einer seiner Bauern hätte gesehen, wie zwei Männer einen Jungen in Richtung Schottland verschleppten.«

John kannte Donnavan, Malcolms nächsten Nachbarn auf englischem Gebiet, nur flüchtig. Er ergriff die narbige Hand des weitaus älteren Mannes und drückte sie. »Und es war sicher Iain?«

»Der Mann beschwört es«, bekräftigte Donnavan.

»Seine Frau war Iains Amme«, fiel Adela ein, die soeben an den Tisch kam. »Er war oft bei uns auf der Burg, während sie ihn stillte, er kannte Iain gut.«

Zu der Zeit von Iains Geburt hatte man im Dorf keine Frau gefunden, die ihn stillen konnte, und die zarte Adela hatte zu wenig Milch, also hatte Malcolm Donnavan gebeten, eine Frau vom Land zu schicken.

»Sir Donnavan kam vor zwei Tagen an, als er von unserem Unglück hörte«, sagte der alte Klensey. »Und mit ihm mehrere Männer, die beim Aufbau helfen, und ein ganzer Wagen mit Lebensmitteln.«

John wandte sich Donnavan zu. »Mein Schwager wird es Euch bestimmt zu danken wissen, dass Ihr seinen Leuten zu Hilfe geeilt seid. Mir selbst ist nicht viel geblieben.« Er griff bei diesen Worten nach dem mageren Beutel an seinem Gürtel. »Aber bis er zurückkommt, werde ich Euch …«

Er war sich sicher, dass Malcolm diese Hilfe nicht unvergolten lassen würde. Donnavan of Malmerby würde zweifellos ein hübsches Sümmchen erhalten, das den Wert der Nahrungsmittel, die er gebracht hatte, überstieg. Aber wie John so oft erkannt hatte – und besonders während des unseligen Kreuzzuges – war selbst ein kleines Stück Brot oftmals kaum mit Gold aufzuwiegen.

Entschieden schob Donnavan Johns Hand, die ihm den Beutel reichte, zurück. »Nein. Nein, nur nicht. Ihr habt mir nichts zu danken. Ihr seid mir nichts schuldig. Es … tut mir leid, was geschehen ist.«

Ein Mädchen hatte auf Adelas Anweisung, die bestrebt war, ihrem Bruder ein gefälliges Mahl zu bieten, sogar ein sauberes Leinentuch über die Tafel gebreitet, und nun stellte eine weitere Magd Krüge, Brotlaibe, Bratensaft und Platten mit kaltem Fleisch vor John und die anderen Männer hin.

»Ihr seht aus, als könntet Ihr alle ein herzhaftes Mahl brauchen, Vater«, sagte John, als er die alten Waffenträger betrachtete, die sich um den Tisch scharten. Sie sahen ausgezehrt aus und übermüdet, die meisten hatten Wunden davon getragen. John griff nach dem Becher mit heißem, gewürztem Wein und nahm einen tiefen Schluck. Dankbar schmeckte er der wohltuenden Wärme des kräftigen Getränks nach. Er fühlte sich müde und ausgelaugt wie diese Männer hier. Der Winter war zwar vorüber, aber der Frühling ließ sich dieses Mal Zeit, das Land und dessen Menschen mit seiner Rückkehr zu erfreuen. Es war an trüben Tagen kalt und unfreundlich, und die Feuchtigkeit des vergangenen Winters durchzog die Gemäuer und machte Glieder und Kleidung klamm.

»Und wer waren diese Schurken?« John nahm noch einen weiteren Schluck. Heiß und vollmundig floss der Wein in seine Kehle.

»Schotten«, sagte sein Vater grimmig.

»Schotten?« John ließ den Becher sinken.

»Gesindel, das von Schotten angeführt wurde«, korrigierte der alte Patrick in seiner bedächtigen Art.

»Aber wir werden sie und den Jungen finden, John«, fiel sein Vater ein, »jetzt, wo du hier bist.« Er ließ seine Hand schwer auf Johns Arm fallen. »Und nun erzähle, Sohn. Was ist mit Malcolm? Und wo sind die anderen? Wo ist dein Knappe?«

John starrte in seinen Becher. Scharmützel und Feindseligkeiten waren hier im Grenzgebiet zwar immer an der Tagesordnung, aber eine richtige Belagerung war außergewöhnlich. Da schien Malcolms angeblicher Tod jemanden herangelockt zu haben, der in der herrenlosen Burg eine leichte Beute sah. Er brannte darauf, mehr zu hören, aber vorerst musste er von den Gefährten berichten, die mit ihm geritten waren. »Brian wurde verletzt, ich habe ihn bei Malcolm in London zurückgelassen, weil ich schneller hier sein wollte. Er kommt nach. Bei ihm ist Gisberth, der seinen linken Arm verloren hat, aber es geht ihm gut. Er redet schon wieder davon, ins nächste Turnier zu ziehen.« Er lächelte leicht, und die alten Männer am Tisch nickten beifällig.

»Den jungen Matthew habe ich bei ihm gelassen, du kannst seinem Vater sagen, dass er sich tapfer geschlagen hat. Nicht wie ein Knappe, sondern wie ein Ritter. Er wird ihn bald wiedersehen. James und Duncan sind tot.«

Sein kaum merkliches Lächeln verschwand.

»Im Kampf vor Akkon gefallen. Edward starb in der Schlacht von Arsuf.«

»Im Heiligen Land gefallen«, flüsterte der alte Earl. »Gewiss bringt sie das direkt an die Seite Gottes.«

John hätte gerne höhnisch aufgelacht, aber sein Vater hätte das nicht verstanden, deshalb nahm er einen großen Schluck Wein, um sein Gesicht zu verbergen und die harschen Worte, die ihm schon auf der Zunge lagen, hinunterzuspülen. Wäre sein Vater dort gewesen, hätte er jetzt eher daran geglaubt, dass auf ihn und die anderen, die das Kreuz genommen hatten, nur noch die Hölle wartete. Er hatte nicht reiten wollen, aber sein Vater war so feurig dabei gewesen, hatte in ihn gedrungen, an seiner Stelle, den seine Krankheit und sein Alter daran hinderten, loszuziehen. Und er hatte es auch aus Freundschaft zu seinem Schwager getan, der aus Pflicht folgte. Aber bei Gott, er verfluchte den Tag, an dem Richard von England die Idee gehabt hatte, ins Heilige Land zu ziehen.

Er wandte sich ab. Sieben hervorragende Ritter und Freunde waren an seiner Seite ins Heilige Land gezogen, und drei davon waren tot. Auch zwei Knappen. Einer der Knechte war in einem Lagerstreit durch ein Messer ums Leben gekommen, einen anderen hatte das Fieber niedergestreckt. Zwei waren geflohen. Vielleicht waren sie klüger gewesen als diejenigen, die in die Schlacht geritten waren.

Und Malcolms Leuten war es nicht besser ergangen.

Johns Schwester setzte sich neben ihn und ergriff seine Hand. Sie sah so blass und unglücklich aus, dass er den Arm um ihre Schultern legte und sie an sich zog. Er hatte sich so sehr danach gesehnt, hier auszuruhen, Frieden zu finden, die Gesellschaft seiner Schwester und deren Lieben zu genießen, bevor er nach Klensey Castle zog, aber nun war das alles in weite Ferne gerückt.

Seine Gedanken waren bereits mit den nächsten Tagen beschäftigt, mit den Chancen, den Knaben aufzuspüren. Dass sie keine Spur von ihm gefunden hatten, machte ihm Mut. Die Belagerer hatten kein Glück gehabt, sondern ohne Beute abziehen müssen. Vielleicht waren sie auf die Idee gekommen, den Jungen als Geisel zu nehmen und Geld für seine Freilassung zu verlangen? Das war nicht unüblich. Auch bei den Turnieren verdiente ein geschickter Ritter ein schönes Sümmchen, wenn er von dem Unterlegenen Lösegeld und dessen Waffen forderte. Und so mancher ungeschickte Ritter war dadurch schon in die Armut getrieben worden. Aber hätten die Entführer nicht schon längst einen Boten schicken müssen?

»Der Herr sei gesegnet, dass Ihr heil heimgekehrt seid«, unterbrach eine Stimme vom Eingang her Johns Überlegungen. Alle drehten sich um, und Johns Gesicht erhellte sich, als er John Feather sah. Er kannte den Barden seit vielen Jahren, genau genommen waren sie sich bereits zu Johns Knappenzeit begegnet. Allerdings hatte John Feather – den Namen hatte er erhalten, weil er im Gegensatz zu den meisten Rittern auch des Schreibens kundig war und oft mit einer Schreibfeder in der Hand gesehen wurde – eines Tages das Schwert gegen die Laute getauscht.

John deutete auf eine verheilende Narbe im Gesicht des Barden. »Ihr habt wohl nicht nur mit der Laute gekämpft, John Feather?«

»Da könnt Ihr sicher sein, John of Klensey«, sagte der Barde grimmig. »Ich hoffe, Ihr habt bessere Nachricht aus dem Heiligen Land als wir hier.«

Er kam mit festem, energischem Schritt heran und ergriff Johns Hand, um sie herzlich zu drücken, bevor er sich neben Patrick am Tisch niederließ.

»Wie man’s nimmt«, erwiderte John. Er langte nach dem Messer in seinem Gürtel, schnitt sich eine kräftige Scheibe Brot ab und bediente sich dann auch reichlich bei dem geräucherten Fleisch. Seine Schwester nahm ihm das Messer und den Braten aus der Hand und schnitt alles liebevoll in mundgerechte Stücke, die sie ihm reichte.

»Das ist mir abgegangen«, meinte er, mit vollem Mund kauend.

»Was, gab es keine Weiber, dort, wo ihr wart?«, fragte sein Vater erstaunt.

»Die gewiss, aber wohl keine edlen Damen, die sich auf höfische Kultur verstehen«, mischte sich John Feather ein. »Und keine, die unserer Herrin gleichkämen.«

Der Barde sprach zwar in einem leichten Ton, aber John bemerkte, dass sein Blick dabei mit Wärme auf Adela ruhte. Das war kein Wunder. Adela war zwar blass, und die Trauer hatte ihre Spuren in ihr Gesicht geschrieben, aber sie war – soweit er das als Bruder beurteilen konnte – immer noch eine anziehende Frau.

»Nein, viele edle Damen habe ich tatsächlich nicht getroffen.«

Dirnen hatten sich im Lager reichlich den Männern angeboten, und in den Dörfern hatten sie auch genügend Bauersfrauen gefunden, die sich lieber durch Bereitwilligkeit ein Geschenk sicherten, als mit Gewalt genommen zu werden. Er selbst hatte einige Zeit eine junge Frau im Gefolge gehabt, bis sie sich für einen wohlhabenderen Ritter entschieden hatte. John war schnell über den Verlust hinweggekommen. Er hatte sich anderweitig getröstet, und die körperliche Nähe hatte ihn den Kriegszug, das Töten und Plündern, seinen Ekel davor, vergessen lassen. Sein Vater würde zweifellos erpicht darauf sein, ihm jetzt, wo er zurückgekehrt war, eine passende Gattin zu suchen, und er war bereit, eine gute Frau zu nehmen, die seinem Haus vorstand, aber er wollte sich Zeit lassen und erst über den Krieg hinwegkommen.

»Ihr habt gewiss schon gehört, dass mein Gatte bald heimkehren wird?« Adela lächelte John Feather glücklich an.

Dessen Stirn rötete sich leicht. »Ich hörte davon, kaum dass ich durch das Burgtor ritt.«

Johns Blick glitt von John Feather zu seiner Schwester. Ob sich da etwas in den Jahren von Malcolms Abwesenheit entwickelt hatte? Nein, sie strahlte regelrecht, sodass ihre zuvor so blassen Wangen eine sanfte Röte angenommen hatten, und als sie ihm ihren Blick zuwandte und nach seinem Arm griff, um ihn zärtlich zu drücken, war ihr Blick offen und hoffnungsvoll. Das war keine Frau, die die Rückkehr ihres Gatten mit Scham erwartete.

Aus der Schüssel, die Adela drängend vor ihn hinschob, duftete es verlockend nach Weizenmehl und Honig, vermischt mit Ei. Sein Lieblingsbrei, als er und Adela noch Kinder gewesen waren. Gerührt, weil seine Schwester sich daran erinnerte, wollte er soeben einen ordentlichen Löffel voll herausholen, als sein Blick auf zwei blasse Mädchen fiel, die ihm gegenüber auf dem Boden im Stroh hockten und ihn unverwandt anstarrten. Er warf seiner Schwester einen fragenden Blick zu. »Ihr habt doch noch genügend zu essen, oder?«

»Vater hat seine Männer, nachdem die Burg gesichert war, in die umliegenden Dörfer geschickt, um dort Essen zu kaufen. Zum Glück hatten wir noch Silber genug, wenn auch nicht mehr viel.« Sie wies auf die kahlen Wände. »Wir haben auch die Teppiche eingetauscht. Und dann kam ja auch unser guter Nachbar Donnavan.«

»Dafür wird Euer Gatte Euch ganze Kisten mit Schätzen mitbringen«, erhob einer der Ritter, die mit Donnavan gekommen waren, seine Stimme. »Man hört die unglaublichsten Dinge von den Reichtümern, die unsere Leute erobert haben.«

»Unglaublich könnte stimmen«, erwiderte John trocken. Ja, jene, die am rücksichtslosesten geplündert und die Kämpfe überlebt hatten, waren wohl vollgepackt heimgekehrt, aber ihn und Malcolm hatte diese Gier angewidert. Er winkte die Kinder heran und hielt ihnen die Schüssel hin. Zuerst sahen sie zögerlich darauf, aber dann, wie auf ein geheimes Kommando, rissen sie ihm die Schüssel fast aus der Hand und waren auch schon damit auf und davon. Nicht lange darauf hörte er sie draußen mit anderen heftig darum streiten, bis eine energische Stimme dazwischenfuhr. Durch die Tür sah er in den Hof hinaus, wo eine der älteren Mägde den Brei unter den Kindern aufteilte. Adela protestierte leise, aber er grinste nur, tätschelte ihre Hand und wandte sich den Männern und vor allem Donnavan zu. »Der größte Reichtum, den die meisten von uns retten konnten, war ihr Leben und ihre Gesundheit. Und nicht einmal das war vielen von uns vergönnt. Aber lasst uns jetzt von wichtigeren Dingen reden, Jerusalem ist viele Monate weit weg.« Er nickte Adela dankend zu, die ihm Wein nachschenkte. »Seid Ihr völlig sicher, dass es Schotten waren, die angegriffen haben? Eher hätte ich gedacht, dass einige englische Raubritter versuchen würden, einzufallen, nachdem der Herr dieses Landes in den Krieg gezogen war.«

»Es kann kein Zweifel bestehen.« Der Earl sah auf John Feather. »Unser Barde hier meinte, er hätte sogar die Farben des Clans erkannt.«

»Nicht völlig erkannt«, schränkte John Feather ein. »Aber Ihr wisst, ich bin viel herumgekommen, bevor ich hier sesshaft wurde. Mir scheint, es waren die Farben eines Clans aus den Highlands. Sogar ähnlich jenen der MacKenzies, sodass ich schon glaubte, einige unserer Leute hätten sich auf ihre Seite geschlagen.«

Die Schotten unter den Männern widersprachen lautstark, aber John horchte auf. Der Barde mochte vielleicht lieber zur Laute als zum Schwert greifen, aber er war ein kluger Kopf und sagte nichts, was nicht Hand und Fuß hatte.

»Ihr meint, die Bastarde kamen von so weit oben? Könnte es sein, dass ein Clan Malcolms Abwesenheit dazu genutzt hat, eine alte Fehde aufzugreifen?« Die letzte Frage war an Patrick gestellt, der schon seit vielen Jahren in Malcolms Diensten stand.

»John Feather ist ihnen nachgeritten«, sagte Patrick, »weil ich zu schwer verwundet war.«

Der Barde nickte: »Die Spur verlor sich jedoch.«

Er presste die Lippen zusammen, als sein Blick auf Adelas blasse Wangen fiel. Ein Zucken ging über sein Gesicht, und John sah, wie sich seine Hand zur Faust ballte. Es war, als müsse er seinen Blick gewaltsam von Adela losreißen, und als er weitersprach, klang seine Stimme rau. »Ich bin dennoch überzeugt, dass sie in die Highlands geritten sind. Wenn sie wirklich Lösegeld wollen, dann werden sie sich vom Clan Chief der MacKenzies einiges erwarten.«

»Lösegeld für einen kleinen Jungen«, der alte Earl spie diese Worte verächtlich aus.

»Sie ritten nach Norden«, bekräftige Donnavan. »Zumindest einige davon. Zwei meiner Bauern haben die Entführer ebenfalls gesehen, als sie vom Markt zurückkamen. Bei den anderen hat es sich wohl nur um das übliche Gesindel gehandelt, das mitmacht, weil es sich Beute erhofft.«

Er erhob sich schwerfällig. »Verdammtes Pack. Ich wollte, ich könnte Euch begleiten, aber meine alten Beine wollen nicht mehr so recht. Ich kann keine langen Strecken mehr reiten. Und außerdem muss ich daheim nach dem Rechten sehen. Nicht, dass dieses Gesindel es sich einfallen lässt, jetzt bei mir sein Glück zu versuchen.«

»Sind so viele entkommen?«, fragte John. Er erhob sich, um Donnavan hinauszubegleiten.

Sein Vater stemmte sich ebenfalls hoch. »Mehr als die Hälfte. Aber es findet sich überall genügend weiterer Abschaum, der sich ihnen anschließen könnte.«

Er humpelte mit Donnavan und den anderen hinaus. Die kleine, ramponierte Gruppe von Burgleuten versammelte sich um den Ritter, um ihm noch einmal zu danken.

Als sich das Burgtor hinter Donnavan schloss, sagte Patrick: »Ein guter Nachbar, dieser Donnavan. Aber sein Sohn Cedric ist ein Faulpelz und Tunichtgut. Immer nur unterwegs auf Turnieren, bei denen er ohnehin nichts gewinnt, sondern noch seine Waffen verliert und Lösegeld bezahlen muss.« Er schüttelte den Kopf. »Er wird Donnavan noch an den Bettelstab bringen. Ein junger, nichtsnutziger Narr.«

John hatte Donnavans Sohn zuletzt bei der Hochzeit von Adela gesehen. Da war Cedric gerade siebzehn Jahre alt gewesen, damals schon ein aufbrausender junger Mann, der ständig in Streit mit den anderen Knappen geraten war, weil er sich etwas Besseres dünkte.

Nachdenklich stieg er die schmale Holztreppe zum Wehrgang hinauf und sah Donnavan nach. Donnavan ritt mit zwei Waffenträgern voran, gefolgt von dem nun leeren Karren, der auf dem unebenen und steilen Weg hinabrumpelte.

Als John wieder in den inneren Burghof kam, rief er Patrick zu sich.

»Ja, Herr?« Patrick hinkte heran. John führte ihn ein wenig zur Seite.

»Schickt meinem Schwager einige gut bewaffnete Männer entgegen, so viele, wie hier an halbwegs gesunden und kräftigen Männern zu entbehren sind. Mir haben die Worte von Donnavans Mann nicht gefallen. Es könnte sein, dass noch andere auf die Idee kommen, Malcolm kehre mit Reichtümern beladen zurück. Ich möchte nicht, dass unsere Leute auch noch in der Heimat mit Wegelagerern kämpfen müssen.«

»Das tue ich, Herr.«

 

Etwas später ging John in Begleitung seines Vaters, der verbissen mit seinem Stock dahinhumpelte, herum, um sich die Verwüstung anzusehen. Sein Blick glitt über die Mauer auf der Rückseite der Burg. Der Tunnel war wieder aufgefüllt worden, und jetzt arbeiteten mehrere Männer und Frauen daran, die Mauer wieder aufzubauen.