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Der Marathon des Sables gilt als der härteste Ultra Marathon der Welt Bei Temperaturen von 50° am Tag und nahe dem Gefrierpunkt in der Nacht, quer durch die Sahara, über Sand, Steine, Dünen, Felsen, Geröll, muss der Teilnehmer seine gesamte Ausrüstung im Rucksack mittragen. In diesem Buch schildert Lukas Gubler hautnah, wie sich dieses Abenteuer anfühlt.
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Seitenzahl: 40
Veröffentlichungsjahr: 2015
Ich sitze im Bus nach Madrid. Vor mir sieben Stunden Fahrt, neben mir ein alter Mann der ohne Punkt und Komma redet. Sein Dialekt lässt vermuten, dass er der letzte Angehörige eines ausgestorbenen Volksstammes ist, seine Aussprache, dass er den Mund voller Kartoffelbrei hat. Ich verstehe kein Wort und reagiere mit nichtssagenden Gesten und undeutbaren Geräuschen. Bei Albacete, so deute ich, mehr als dass ich das wirklich verstanden hätte, will er aussteigen.
Ich will nach Marokko. Will mir einen Traum erfüllen. Den Traum vom Marathon des Sables. Den härtesten Ultra-Trail der Welt. So jedenfalls rühmt sich das Ereignis. 250 Kilometer durch die Wüste. In sechs Tagen, plus einem Ruhetag, in denen jeder Läufer sein Essen, seinen Schlafsack, eine vorgeschriebene Pflichtausrüstung, wie Kompass, Schlangenbiss-Set, Not-Decke, Road-Book und so weiter, im Rucksack mittragen muss. 6,5 Kilo Mindestgewicht, 15 Kilo Maximum sind vorgeschrieben.
Die Gesten und Geräusche, mit denen ich auf das Gerede meines Busnachbarn reagiere werden knapper. Bis sie ganz verschwinden. Den Erzähler stört das wenig - er redet weiter.
In Albacete gibt`s eine Pause. Der alte Mann steigt aus. Endlich! Und als die Pause vorbei ist, steigt er wieder ein. Das Abenteuer hat begonnen. Jetzt schon.
Doch weil in diesem Universum nichts von ewiger Dauer ist, geht auch das vorbei.
Drei Stunden Zeit, um vom Bus ins Flugzeug zu gelangen müssten reichen. Lange. Aber da ist das Fehlen allen Weltmännischen in meiner Seele. Alle laufen hier zielstrebig durch die Hallen. Werfen einen kurzen Blick auf eine der Tabellen. Auf die richtige natürlich, wärend ich suchend und irrend durch die verkehrten Hallen, in die falsche Richtung laufe, auf die falsche Tabelle schaue, auf der alle Flüge - nur meiner - nicht stehen und ich mich immer wieder neu erkundigen muss. Und dann kommt noch dazu, dass die Terminals eins bis vier, vier Busstationen auseinander liegen. Ich bin im Vier, muss in die Eins. Mit der Gepäckaufgabe, den endlosen Zickzack-Schlangen, Pass- und Ticketkontrollen, Sicherheitskontrollen, den unendlichen Pinguinschrittchen, schaffe ich es gerade noch rechtzeitig in den Sog der drängenden Menge, in der alle scheinbar um ihre reservierten Plätze kämpfen.
Neben mir im Flieger sitzt ein Marokkaner. Er spricht fließend Spanisch und gibt mir viele nützliche Tipps, arabische Redewendungen, Preise, Tarife, rät mir dringend mit CTM Bussen zu reisen, nicht mit den anderen.
Noch ein wenig Einfuhrprozedere, Sicherheits- und Polizeikontrollen und schon stehe ich mitten im typisch arabischen Feilschen. Dieses Mal geht´s um den Taxipreis. Ich kenne den Tarif. Siebzig Dirham. Ich habe Zeit, der Taxifahrer auch. Und als ich endlich im Hotel mitten in Marrakech bin, muss ich feststellen, dass die Bude viel zu mondän ist für mich. Ich brauche keinen Schnickschnack. Ein Bett, ein Bad, sauber und wenns geht nicht mit dem Charme einer Gefängniszelle oder dem Ambiente eines Schlachthofes.
Der nächste Tag ist dem Besuch auf dem Place Jemaa el Fna, dem Geldwechseln, dem Kauf einer Busfahrkarte nach Ouarzazate, einigen Einkäufe, einem Besuch in der Altstadt, dem Judenviertel.... gewidmet.
Am übernächsten Tag stehe ich an der Bushaltestelle der CTM Gesellschaft und steige mit vier weiteren Fahrgästen in ein durchwegs modernes Gefährt, das uns nach Ouarzazate bringen soll. Schon aus Marrakech kann man im Hintergrund den Atlas sehen. Leuchtendweiß strahlen die schneebedekten Berge über dem Horizont. Je näher wir dem Gebirge kommen, desto strahlender heben sich die Berggipfel über dem satten Grün der weitgedehnten Flächen ab. Es soll so viel wie kaum je zuvor den Winter über geregnet haben. Ausgehöhlte Straßen und weggerissene Brücken zeugen von der Heftigkeit der winterlichen Güsse und das Blumen durchwirkte Grün der Wiesen gaukelt eine wenig arabische Welt hervor.
Über abenteurliche Serpentinen rauscht der Bus in einem furchterregenden Tempo in die Höhe. Der Blick hinunter in die steil abfallenden Hänge ist schwindelerregend. Überholen lässt es sich überall. So jedenfalls sieht das der Busfahrer. Auch der viele Schnee, der Mitte April noch auf der Bergen liegt sei absolut nicht normal. Über steile Felswände gießen Gischt versprühende Bergbäche in die Tiefe, sammeln sich in vielen Rinnsalen und Bächen zu blaugrünen Flüssen.
Ganz oben beim Tichka-Pass, auf 2260 Metern über Meer, hält der Bus an, entlässt seine Fracht zu einer Pinkelpause und findet es lobenswert, wie ich die wilde Landschaft mit meiner Kamera einfange.
Die Abfahrt auf der Südseite, die nicht weniger schneereich und vom Fahrer mindestens so abenteuerlich gestaltet wird, wie der eben zurückgelegte Weg nach oben, wird mit fast noch bunteren Wiesen geschmückt und von wasserreichen Flüssen durchzogen, an denen emsige Frauen unter Lehm- und Natursteindörfern ihre Wäsche waschen.
Die siebenstündige Fahrt vergeht im Flug. Nicht eine einzige Sekunde der Langeweile.
Ouarzazate, das Tor zur Wüste.