Hochbegabt oder hochsensibel - Manon Garcia - E-Book

Hochbegabt oder hochsensibel E-Book

Manon Garcia

4,8

Beschreibung

Dieser Ratgeber hilft erwachsenen Menschen, Selbstvertrauen und Selbstbewusstsein zu entwickeln, um ihre Hochbegabung oder Hochsensibilität zu leben: selbstbestimmt, aktiv und individuell. Das Buch ist eine Einladung, sich mit der wichtigsten Person in Ihrem Leben auseinanderzusetzen: mit Ihnen selbst. Diese "Anleitung zum Selbstcoaching" zeigt Ihnen Wege auf, wie Sie Ihr Anderssein akzeptieren, alte Verhaltensmuster ablegen und Herausforderungen annehmen können - mit zahlreichen Aufgaben in jedem Kapitel. Wieso Menschen, besonders hochbegabte & hochsensible, kein Selbstbewusstsein besitzen, wurde im Ratgeber "Hochbegabung bei Erwachsenen" beschrieben. In diesem Ratgeber geht es darum, wie Sie diesen Zustand ändern. Zielgruppe: --------------- - hochbegabte/hochsensible Erwachsene - (gefühlte) Underachiever - unzufriedene Achiever - unzufriedene Hochbegabte/Hochsensible - Spät erkannte Hochbegabte/Hochsensible - Menschen, die ihre Hochbegabung/Hochsensibilität nicht leben - Hochbegabte/Hochsensible, die etwas in ihrem Leben ändern wollen => Stärken Sie Ihr Selbstbewusstsein, Ihre Selbstliebe und Ihren Selbstwert, damit Sie: - selbstbestimmter leben - sich und Ihr Leben in die Hand nehmen - Ihr Leben aktiv gestalten - Ihren individuellen Weg entdecken und genießen - sich zufriedener und glücklicher fühlen - intensiver leben

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Manon García

Manon García war längst erwachsen, als ein Test ihre Hochbegabung bescheinigte und sie von ihrer Hochsensibilität erfuhr. Endlich hatte ihr Anderssein und Andersfühlen einen Namen. Endlich konnte sie sich die vielen Ungereimtheiten in ihrem Leben erklären; die Erleichterung war groß. Doch das Wissen, dass sie siebenunddreißig Jahre lang Chancen vergeben und Potenzial nicht genutzt hatte, war auch ein Schock. Erst fuhren die Gefühle Achterbahn, anschließend krempelte sie ihr Leben um – und lernte, ihr Anderssein zu leben. Heute gibt Manon García dieses Wissen als Autorin und Coach an andere hochbegabte und hochsensible Menschen weiter.

www.manongarcia.de

www.autorin.manongarcia.de

www.coaching.manongarcia.de

www.hochbegabt-oder-hochsensibel.manongarcia.de

www.facebook.com/hochbegabt-oder-hochsensibel.erwachsene

Wichtiger Hinweis:

Ich, Manon García, stellte alle Angaben mit größtmöglicher Sorgfalt zusammen, dennoch kann ich Fehler nicht ausschließen. Ich weise ausdrücklich darauf hin, dass ich keine Garantie, keine juristische Verantwortung und keine Haftung für mögliche Folgen übernehme, die aus fehlerhaften, unpräzisen Angaben oder Ihren Handlungen resultieren.

Dieser Ratgeber ersetzt nicht den Gang zum Arzt, keine Psychotherapie und keine Diagnose. Gerade wenn es um die Themen Angst und Depression geht, kann es wichtig sein, dass Sie sich ärztlich begleiten lassen.

Für die Mitteilung eventueller Fehler oder Ungenauigkeiten bin ich dankbar.

[email protected]

Inhaltsverzeichnis

Es war einmal

Zielgruppe

Buchaufbau

Zusammenhänge verstehen

1.1 Gruppen

1.2 Schubladendenken

1.3 Sichtweisen

1.4 Wahrnehmen

1.5 Reaktionslernen

1.6 Welten

1.7 Vorfreude

Andersartigkeit akzeptieren

2.1 Andersartigkeit

2.2 Asperger-Syndrom

2.3 Respekt

2.4 Anpassen

2.5 Verhalten

2.6 Funktionieren

2.7 Veränderungen

Identität aufbauen

3.1 Schwächen

3.2 Stärken

3.3 Talent

3.4 Potenzial

3.5 Ich-Identität

3.6 Selbst

3.7 Selbstverwirklichung

Selbstbewusstsein stärken

4.1 Selbstbeobachtung

4.2 Aufbauen

4.3 Selbstregulation

4.4 Selbstwirksamkeitserwartung

4.5 Erwartungen

4.6 Bewerten

4.7 Abwehrmechanismen

Persönlichkeit entwickeln

5.1 Grenzen

5.2 Selbstblick

5.3 Extreme

5.4 Schatten

5.5 Selbstwahrnehmung

5.6 Opferrolle

5.7 Selbstbestimmt

Selbstliebe leben

6.1 Selbstliebe

6.2 Resilienz

6.3 Selbstvertrauen

6.4 Respekt

6.5 Glaubenssätze

6.6 Narzissmus

6.7 Borderline

Gefühle bejahen

7.1 Gefühle

7.2 Minderwertigkeitsgefühl

7.3 Ängste

7.4 Scham

7.5 Ablenkung

7.6 Ruhe

Körpersprache verstehen

8.1 Krankheiten

8.2 Depression

8.3 Sport

8.4 Ernährung

8.5 Fremdhilfe

Unterforderung umwandeln

9.1 Herausforderungen

9.2 Berufswahl

9.3 Traumjob

9.4 Studium

9.5 Studieren

9.6 Lernen

9.7 Lernstrategien

Selbstfürsorge betreiben

10.1 Selbst-Berater

10.2 Selbstcoaching

10.3 Manipulationen

10.4 Umfeld

10.5 Reizüberflutung

10.6 Erlauben

Empfehlung

Dank

Es war einmal ...

... eine Frau, die von vielen geliebt wurde und erfolgreich war. Das war sie, weil sie sich in jedem Gespräch anpasste, immer die Position der anderen verstand und sie mitreißen konnte. Sie setzte sich für Schwächere ein und motivierte sie, ihre Ziele zu erreichen. Ihr Blick war stets auf das nächste Ziel gerichtet, sie ließ sich von nichts ablenken. Alles ordnete sie dem Erfolg unter, ob bei der Arbeit oder beim Hobby. Sie wollte anerkannt werden und dazugehören, dafür tat sie alles. Sie flog für diese Erfolge immer mit dem Düsenjet, damit sie keine Zeit verlor – je schneller, desto besser, denn schneller sein bedeutete mehr Erfolge. Unterwegs bekam sie nicht viel mit, ihr Blick war stur auf das nächste Ziel gerichtet. Da sie alles für den Erfolg tat und darüber sich selbst vernachlässigte, meldete sich immer öfter ihr Körper, aber das ignorierte sie, weil Pause machen bedeutete, dass sie keine Erfolge einheimsen konnte.

Viele beneideten sie wegen ihrer Konzentrationsfähigkeit, ihrer Fokussierung auf das Ziel, ihrer Motivationsfähigkeit, ihrer Zielstrebigkeit. Vielen war sie auch ein Vorbild.

Eines Tages stürzte sie mit dem Düsenjet ab, mitten im Nirgendwo. Als sie sich aufgerappelt hatte, merkte sie, dass ihre Fassade in viele Tausend Stücke zersprungen war. Sie fand sich nackt und hilflos. Obwohl sie noch sehr schwach war, versuchte sie ihre Fassade wieder zusammenzusetzen. Aber keine zwei Teile passten zusammen, so sehr sie sich auch bemühte. Das ermüdete sie und machte sie traurig. Ob ihrer Hilflosigkeit ohne diese Fassade erschrak sie. Dachte sie doch immer, dass ihre Stärke von innen kam. Sie musste erkennen, dass dem nicht so war.

Sie suchte nach Hilfe und fand bald ein paar Menschen. Aber sämtliche Begegnungen mit anderen Menschen fraßen sie innerlich auf. Jedes Wort, jeder Blick, jede Handlung waren zu viel und verletzten sie tief in ihrem Inneren. Um sich vor den Gefahren zu schützen, die ohne Fassade überall lauerten, fraß sie sich ein dickes Fell an. Es gab ihr Sicherheit, und Verletzungen prallten daran besser ab. Das dicke Fell schützte sie zwar, aber es machte sie träge und langsam. Sie konnte keine Leistungen mehr erbringen, nicht in dem Maße wie früher. Sie ging zurück ins Nirgendwo, wo sie allein, aber geschützt war.

Von ihrer Selbstsicherheit, ihrem Selbstbewusstsein, ihrem Selbstvertrauen und ihrer Selbstliebe war nichts mehr übrig, es war alles nur ein Schein. Alles, was sie glaubte zu sein, war mit der Fassade verloren gegangen. Wer war sie eigentlich? Ohne ihre Fassade war sie nichts, aber wie konnte das sein? Ihr Wissen über sich selbst war eine Lüge.

In ihrer Situation konnte sie niemandem helfen. Andren zu helfen hatte sie früher immer aufgebaut. Niemand lobte sie und verlieh ihr damit scheinbares Selbstbewusstsein. Sie musste es wohl oder übel von innen aufbauen. Sie musste zu sich ein anderes Verhältnis finden. Ihr Körper war keine Maschine, die gefälligst zu arbeiten und zu funktionieren hatte, damit sie ihre Ziele und Erfolge erreichte. Sie musste sich und ihren Körper respektieren, Verantwortung für sich und ihren Körper übernehmen. Das musste sie erst üben, ganz neu lernen. Das war ein hartes Stück Arbeit für die Frau, mit Herausforderungen, die sie zuvor nicht kannte. Sie erarbeitete sich alles selbst, Schritt für Schritt.

Noch etwas war neu. Früher lebte die Frau von der Vorfreude. Sie strengte sich an, weil sie sich schon mit der Medaille um den Hals sah. Das gab ihr die Kraft, immer weiterzumachen. Nun aber, ohne diese Vorfreude, lernte sie im Hier und Jetzt zu leben. Das entspannte sie, sie war flexibler und konnte auf Unvorhergesehenes besser reagieren. Sie sah Dinge, die sie vorher nicht sehen konnte. Denn die Vorfreude ließ sie früher mit Scheuklappen durchs Leben gehen, die Dinge am Wegesrand nahm sie nicht wahr.

Irgendwann fühlte sie sich anders. Eine innere Stärke, die mehr und mehr wuchs, sodass sie ihr dickes Fell Zentimeter um Zentimeter reduzieren konnte. Es war, als füllte sie sich langsam von innen auf. Sie genoss das neue Gefühl in vollen Zügen. Mit dieser neu gewonnenen Kraft unternahm sie einen erneuten Versuch, unter Menschen zu gehen.

Sie fand schnell ein paar Menschen. Der Kontakt mit ihnen brachte neue Herausforderungen: Sie spürte stark, dass ihr die Fassade fehlte. Die aufgebaute innere Stärke reichte nicht aus. Alles, was sie erlebte, kam direkt in sie hinein und verletzte sie. Um sich zu schützen, verstärkte sie wieder das dicke Fell und zog sich freiwillig zurück in die Wildnis. Dort überlegte sie sich Strategien, um ihre innere Stärke weiter zu festigen und gewappnet zu sein, wenn sie mit anderen Menschen zusammentraf. So gestärkt unternahm sie immer wieder neue Anläufe, jedes Mal baute sich ihre innere Stärke weiter auf, besonders wenn sie Rückschläge erlitt. Auch wenn diese sie zuerst immer lahmlegten.

Eines Tages spürte sie, dass nur noch ein klitzekleiner Rest fehlte, um ganz ausgefüllt zu sein. Sie war nun bereit, vielen Menschen zu begegnen. Mit ihrer Stärke, ihrem Selbstbewusstsein und ihrer Selbstliebe behauptete sie sich zwischen all diesen Menschen, es war ein bisschen wie früher. Eigenschaften kamen zum Vorschein, die sie für immer verloren glaubte, sie traten zu dem, was sie jetzt war. Dieser Mix gefiel ihr gut. Sie spürte, dass sie endlich wusste, wer sie war.

In dem neuen Leben übernahm sie die Verantwortung und sorgte für sich. Merkte sie nun, dass sie kaputt oder müde war oder dass Begegnungen und Situationen sie überforderten, zog sie sich zurück oder setzte Grenzen. Dafür musste sie aber nicht mehr in die Wildnis, sie fand auch unter den Menschen Plätze, an denen sie zur Ruhe kam und sich entspannte. Diese Rückzüge gaben ihr Kraft, um die nächsten Herausforderungen anzunehmen.

Manchmal blickte die Frau zurück und verglich ihre Situation vor dem Absturz und jetzt. Es war ein Unterschied wie Tag und Nacht. Als würde die Frau nun endlich leben und mitten im Leben stehen.

Zielgruppe

Dieser Ratgeber ist für eine ganz bestimmte Zielgruppe geschrieben: Ihr Alter liegt zwischen zwanzig (oder jünger) und achtzig (oder älter), Sie sind weiblich oder männlich oder etwas anderes. Sie haben das Abitur gemacht, einen Real-, Haupt-, Sonder- oder keinen Schulabschluss. Sie haben einen Studienabschluss – Doktor, Diplom, Bachelor, Master – oder das Studium abgebrochen. Sie schlagen sich mit Gelegenheitsjobs durchs Leben, finanzieren mit einem Halbtagsjob Ihr Hobby, arbeiten vierzig Stunden die Woche oder kommen mit Überstunden auf achtzig Stunden und mehr. Die Arbeit erfüllt, langweilt, überfordert Sie oder fordert Sie heraus. Sie sind froh, überhaupt einen Job zu haben oder dass Ihnen die Jobs nur so angeboten werden. Sie sind eine Führungskraft oder angestellt. Haben viel zu entscheiden oder gar nichts oder nur in Teilbereichen. Sie arbeiten engagiert oder nach Vorschrift. Sind selbstständig, angestellt, arbeitslos oder in Rente.

So bunt das Bild bisher ist, eines interessiert Sie, deswegen lesen Sie dieses Buch: Sie sind hochbegabt und/oder hochsensibel, glauben es zu sein oder wollen sich einfach dazu informieren.

Wahrscheinlich können Sie mindestens eine der folgenden Fragen für sich mit Ja beantworten:

Sind Sie unzufrieden mit sich und Ihrem Leben?

Fühlen Sie sich ausgenutzt, unterfordert, missverstanden, unausgefüllt?

Resignieren Sie, weil Sie es im Beruf und Privaten nicht schaffen, glücklich zu werden/sein?

Haben Sie Ihr Leben eingerichtet, aber dennoch das Gefühl, dass das noch nicht alles gewesen sein kann?

Haben Sie große Ziele, werden jedoch immer wieder durch Krankheiten oder Schmerzen zurückgeworfen?

Sind Sie hochbegabt oder glauben Sie es zu sein, können es aber nicht umsetzen?

Sind Sie sensibel und wissen nicht, wie Sie damit umgehen sollen?

Wollen Sie es allen recht machen?

Irgendetwas fehlt, aber Sie wissen nicht, was?

Sagen Sie oft Ja, weil Sie sich nicht trauen, Nein zu sagen?

Gehen Sie Streit aus dem Weg, weil Sie es nicht aushalten zu streiten?

Macht schlechte Laune oder miese Stimmung Sie krank?

Fühlen Sie sich immer öfter ausgelaugt und am Ende?

Wünschen Sie sich mehr Ruhe und Entspannung oder mehr Zeit für sich?

Überfordern Sie die Gefühle und Emotionen, die Sie bei sich oder anderen wahrnehmen?

Sind Sie erfolgreich, aber trotzdem unzufrieden?

Haben Sie das Gefühl, dass „mehr“ in Ihnen steckt, wissen aber nicht, wie Sie an dieses „Mehr“ herankommen?

Was Hochbegabung genau ist, ist immer noch umstritten, unter anderem weil der Intelligenztest nur einen Bereich abdeckt und es weitere Bereiche gibt, die nicht berücksichtigt und auch nicht getestet werden können. Wenn ich in diesem Buch von Hochbegabung spreche, habe ich sowohl Menschen, die laut Test hochbegabt sind, im Blick als auch Menschen, die sich einfach dafür interessieren.

Ebenso verhält es sich mit hochsensiblen Menschen. Was ist hochsensibel, wer gehört dazu? Hier gibt es noch nicht einmal einen standardisierten Test. Einige Tests im Internet weisen eine Richtung, sind aber nicht wissenschaftlich belegt. Auch damit möchte ich jede/jeden ansprechen, die/der sich dazugehörig fühlt.

Buchaufbau

Um das Anderssein zu leben, braucht es ein ausgewogenes Selbst. Dabei ist es egal, ob man hochbegabt oder hochsensibel ist oder das Asperger-Syndrom hat. Bei einem Leben, das sich von der Norm unterscheidet, konnte sich das Selbst oft nicht in ausreichendem Maße ausbilden oder entwickeln. Erwachsene Menschen fragen sich dann: „Wer bin ich?“ und „Was möchte ich?“.

Um das eigene Anderssein zu leben, sind Selbstvertrauen, Selbstbewusstsein und Selbstliebe nötig. Man kann jahrzehntelang ohne diese „drei S“ leben und muss sie sich dann als erwachsene Person erarbeiten. Im Laufe der Jahre entwickeln sich viele Mechanismen, Muster, Glaubenssätze und Strukturen, die man Schritt für Schritt ändern sollte – wenn man das Anderssein leben will.

In diesem Ratgeber zeige ich eine mögliche Variante auf, wie der Weg zu sich selbst gefunden werden kann. Vieles bedingt sich gegenseitig und manchmal ergibt sich der Sinn und Zweck eines Themas erst im Zusammenhang mit anderen Themen.

Kapitelübersicht

Kapitel „Zusammenhänge verstehen“: Unser Leben findet in der Gesellschaft statt, egal ob Außenseiterin/Außenseiter oder nicht. Für alle gelten bestimmte Regeln, Normen, ungeschriebene Gesetze. Wer sich selbst von innen aufbauen und stärken möchte, sollte diese Gesetzmäßigkeiten kennen.

Kapitel „Andersartigkeit akzeptieren“: Anderssein ist gut und etwas, auf das Sie stolz sein sollten.

Im Kapitel „Identität aufbauen“ geht es um Ihre Stärken und Schwächen. Akzeptieren Sie Ihre Schwächen und heben Sie Ihre Stärken hervor – schöpfen Sie Ihr Potenzial aus.

Kapitel „Selbstbewusstsein stärken“: Auf dem Weg zu mehr Selbstbewusstsein benötigen Sie Handwerkszeug wie Selbstbeobachtung, Selbstkontrolle und einen authentischen Umgang mit Bewertungen und Erwartungen. Außerdem lernen Sie Abwehrmechanismen kennen, die Ihnen im Wege stehen, wenn Sie über sie nichts wissen.

Kapitel „Persönlichkeit entwickeln“: Grenzen setzen, der Blick zu sich selbst, die eigene Mitte finden, einen „Schatten“ für sich nutzen – dies sollten Sie beachten, wenn Sie Ihre Persönlichkeit entwickeln möchten.

Im Kapitel „Selbstliebe leben“ erfahren Sie, wie Sie Ihre innere Stärke aufbauen, mehr Selbstvertrauen und Selbstrespekt entwickeln, die eigenen Glaubenssätze kennenlernen und umwandeln, außerdem finden Sie Informationen über Narzissmus und Borderline.

Kapitel „Gefühle bejahen“: Behalten Sie Gefühle wie Minderwertigkeitsgefühl, Schamgefühl oder Ängste im Blick. Des Weiteren: Wie lenkt man von den eigenen Gefühlen ab und warum sind Ruhe und Entspannung so wichtig für das eigene Wohlbefinden.

Kapitel „Körpersprache verstehen“: Der Körper spricht laut und deutlich, aber oft versteht man ihn nicht, lebt an sich vorbei. Was bedeuten Krankheiten und Depression, warum gehören ausreichend Bewegung und gesunde Ernährung zu einem gesunden Körper?

Kapitel „Unterforderung umwandeln“: Manche Menschen werden im Leben nicht ausreichend gefordert, wir blicken auf die Berufswahl, das Studium und das Lernen.

Kapitel „Selbstfürsorge betreiben“: Die Selbstfürsorge sollte immer an erster Stelle stehen. Sie erfahren, wie man sich selbst hilft, mit Manipulationen im Umfeld umgeht, ein funktionierendes soziales Umfeld pflegt und sich selbst schützt, wenn die Reizüberflutung überhandnimmt.

Dieser Ratgeber stellt Fragen und gibt Anregungen. Er will Ihnen Denkanstöße geben, Sie zum Überlegen bringen, Ihnen beim Hinterfragen helfen oder bereits gefundene Antworten bestätigen. Dieser Ratgeber soll Ihnen helfen, sich selbst zu helfen und Ihr Leben so zu gestalten, dass Sie glücklicher und zufriedener sind. Ein Ziel ist, mit Selbstbewusstsein, Selbstvertrauen, Selbstwert und Selbstliebe Ihr Leben zu leben. Das Anderssein kann man nur leben, wenn man mit sich im Reinen und stark genug für Herausforderungen ist.

Mit dem Ratgeber trainieren Sie Ihre Selbstwahrnehmung. Sie setzen sich mit Fragen auseinander, analysieren, machen sich Verhaltensweisen bewusst. Dadurch können Sie Veränderungsprozesse in Gang setzen, die Sie auf Ihrem Weg brauchen.

Sollten Sie bei der ein oder andren Frage impulsiv antworten: „Bei mir doch nicht“, „Ich doch nicht“, „Niemals“ etc. und die Frage wie einen lästigen Krümel vom Tisch fegen, legen Sie diese Frage in einen „Behälter“, den Sie später durchsehen. Erfahrungsgemäß versteckt sich gerade bei Fragen, die derart abgeschmettert werden, ganz viel von Ihnen.

1 Zusammenhänge verstehen

Hochbegabung und Hochsensibilität sind Geschenke – wenn Bedingungen wie Umfeld und Sozialisation stimmen. Sind diese nicht angemessen, kann ein Mensch seine Identität, seine Persönlichkeit sowie Eigenschaften wie Selbstbewusstsein, Selbstvertrauen, Selbstwert oder Selbstliebe oft nicht ausbilden oder im gesunden Maß entwickeln.

Wer sich und seine Situation ändern möchte, muss sich mit den Umständen beschäftigen, die dazu geführt haben. Wer versteht, warum es wurde, wie es ist, kann leichter an sich arbeiten.

Bevor Sie den Blick auf sich selbst richten, sollten Sie ihn durch den Raum schweifen lassen. Ein Verhalten entsteht immer durch Interaktion und im Austausch mit der Umwelt. Verhalten und Handeln sind Reaktionen auf das Umfeld.

Wenn Sie erkennen, welche Mechanismen oder ungeschriebenen Gesetze vorherrschen, können Sie sich auf das Wesentliche konzentrieren. Natürlich geht es um Sie selbst, wenn Sie sich und Ihr Selbst verändern bzw. stärken wollen. Allerdings hilft Ihnen das Wissen, welche psychologischen Mechanismen bei Ihnen selbst und in Ihrem Umfeld wirken. Die Unterscheidung zwischen dem, was geändert oder was hingenommen werden kann, hilft Ihnen, den eigenen Weg zu finden.

In diesem Kapitel erkläre ich Verhaltensweisen und Wahrnehmungen. Nicht alles, was man auf sich bezieht, hat wirklich mit einem selbst zu tun.

1.1 Gruppen

Menschen haben das Bedürfnis, sich mit anderen Menschen zusammenzufinden. Das beeinflusst uns und führt zu Gruppenbildung. Maslow unterscheidet die physiologischen Bedürfnisse sowie die Bedürfnisse Sicherheit, Zugehörigkeit, Wertschätzung und Selbstverwirklichung. Weil Menschen sozial sind, nehmen sie mit anderen Menschen Kontakt auf bzw. suchen die Gesellschaft anderer. Das Bedürfnis nach Wertschätzung, nach Selbstwert- und Fremdwertschätzung, lässt den Menschen nach Anerkennung streben. Im Falle der Selbstwertschätzung kommt sie von einem selbst, im Falle der Fremdwertschätzung von anderen Personen oder Gruppen.

Familie, Freunde, Schulklasse, Abteilungen in Firmen, Partnerschaft usw. sind Gruppen. Manche Gruppen sind nicht immer klar zu erkennen. Beim Public Viewing der Fußballweltmeisterschaft versammelt sich eine Gruppe fußballbegeisterter Menschen, die gemeinsam Fußball schauen wollen. Diese Gruppe ist bewusst und freiwillig gewählt. Manchmal führen auch bestimmte Eigenschaften zur Gruppenbildung, auf der einen Seite zum Beispiel Kinder, die gut in der Schule sind, auf der anderen Seite Kinder, die in der Schule nicht so gut sind. Solche Gruppen bilden sich automatisch, aufgrund eines Verhaltens oder einer Eigenschaft. Sich in Gruppen zu bewegen ist menschlich, es ist ein Grundbedürfnis des Menschen. Soziale Normen und Rollen, die sich daraus ergeben, zeigen sich darin, dass zum Beispiel zu einer Abendgala ein anders Verhalten gezeigt wird als bei einem Besuch des Schwimmbades. Bei der Arbeit verhält man sich anders als zu Hause. Das sind alles verschiedene Rollen, die jeder einnimmt, die aber auch erwartet werden.

Eine Gruppe bietet Zusammengehörigkeitsgefühl, ein „Wir-Gefühl“, das unser Bedürfnis nach Sicherheit, Zugehörigkeit und Wertschätzung befriedigen kann. Im Zuge der Gruppenzugehörigkeit wird auch das Ich-Gefühl gestärkt. Besitzt eine Person wenig Selbstwertgefühl, wird sie umso stärker danach streben, in einer Gruppe zu bleiben oder hineinzukommen.

Eine Gruppe definiert sich durch ein Zugehörigkeitsgefühl, eine soziale Struktur, geteilte Normen oder Interaktionsmöglichkeiten. Fühlt sich eine Person als Mitglied einer Gruppe, akzeptiert sie die Rollenverteilung und die Normen, die für das Verhalten von Mitgliedern gelten. Hält sich ein Mitglied nicht an das gewünschte Verhalten, widersetzt sich der Gruppe, kann das zum Ausschluss aus der Gruppe führen, da den Gruppenmitgliedern dieses Verhalten mitunter sehr wichtig ist. Durch das Widersetzen torpediert das Mitglied die Gruppe, die dadurch womöglich ins Wanken gerät. Wer nicht ausgeschlossen werden will, passt sich an.

Auch wenn einem selbst Besonderheiten, Eigenarten oder ein Anderssein nicht auffallen, so fällt es manchen Gruppenmitgliedern auf. Wer sich einer Gruppe zugehörig fühlt und durch diese sein Selbstwertgefühl aufbaut, schaut sehr genau, ob andere zur Gruppe gehören oder nicht, er will die Gruppe „schützen“. Grenzt er sich zu anderen Personen oder anderen Gruppen ab, steigert er sein Selbstbewusstsein. Deshalb schaut er vor allem, wer dazugehört und wer nicht. Beobachtet er bei einer Person Merkmale, die anders sind, lässt er das diese Person mehr oder weniger subtil oder offen spüren.

Jede Gruppe pflegt Ähnlichkeiten und Gemeinsamkeiten und schaut bei fremden Gruppen nach Unterschieden und Differenzen. So suchen Nicht-Hochbegabte bei Hochbegabten und Nicht-Hochsensible bei Hochsensiblen nicht nach Gemeinsamkeiten, sondern danach, was sie anders machen und was sie aus der Gruppe ausschließt. Diese Punkte werden stigmatisiert. Das passiert oftmals unbewusst und mechanisch, ist häufig keine böse Absicht. Auch ist den meisten Menschen nicht bewusst, was sie mit diesem Verhalten bezwecken bzw. bewirken.

Eine Gruppenzugehörigkeit oder Gruppentrennung ist nicht immer deutlich erkennbar. Es ist durchaus nicht allen Personen bewusst, ob sie einer Gruppe angehören und wie sie handeln. Die Verhaltensweisen oder Handlungen einer Gruppe sind selten offen, sie laufen subtil und unscheinbar ab. Oft hat man als Anhaltspunkt lediglich ein „komisches“ Gefühl oder ein Empfinden, das man einfach nicht zuordnen kann. Das Wissen dieser Mechanismen in Gruppen ist wichtig, um Situationen einzuordnen, zu analysieren und eigene Schlüsse zu ziehen. Wer die Mechanismen erkennt, findet für sich leichter Lösungen.

Sind Sie anders, gehören Sie aufgrund bestimmter Eigenschaften einer Minderheit, einer Minorität an. Einer sozialen Minorität. Das müssen Sie nicht unbedingt selbst so sehen, sieht die Mehrheit es jedoch so, ist es für sie so, entsprechend verhalten sie sich dann auch gegenüber anderen. Wer bei vielen Gruppen nicht dazuzählt, nimmt eine Außenseiterrolle ein. Will eine Person diese Rolle nicht, kann sie sich anpassen, funktionieren, verstellen. Die Person schaut bei denen, die zur Mehrheit gehören, ab, was sie braucht, um zu der Gruppe dazuzugehören. Hochbegabte, genauso wie Hochsensible, haben oftmals „Antennen“, mit denen sie Verhaltensweisen oder Eigenschaften erkennen, um in einer Gruppe akzeptiert zu werden. Die andere Möglichkeit ist, sich mit der Außenseiterrolle abzufinden. Denn auch Minoritäten sind Gruppen.

Die Zugehörigkeit zu verschiedenen Gruppen ist unterschiedlich wichtig für einen Menschen. Manche Gruppen spielen eine elementare Rolle, wie Familie, enge Freunde, Bezugspersonen oder Klassenverband. Erkennen diese Gruppen nicht, wer Sie sind oder akzeptieren Sie die Gruppenregeln nicht und lehnen sich dagegen auf, werden Sie ausgeschlossen, weil Sie anders sind. Teilen Sie die sozialen Normen oder Skripte nicht, haben Sie oftmals keine Wahl. Die einzige Möglichkeit, dem zu entgehen, ist Anpassen und Funktionieren. Ein soziales Skript legt bestimmte Verhaltensweisen fest. Zum Beispiel ziehen Sie in einem Restaurant Ihre Jacke aus, setzen sich an einen freien Tisch bzw. lassen sich vom Ober zu einem geleiten. Sie fragen nach der Speisekarte und bestellen zuerst die Getränke. Dieser Ablauf ist ein soziales Skript.

Durch soziale Skripte und Normen werden wir sozialisiert, sie wirken sich auf die Entwicklung des Menschen aus. Sie vermitteln, wie „man“ sich in bestimmten Situationen zu verhalten hat. Diese sozialen Skripte beziehen sich auf das individuelle Wissen eines jeden Menschen. Soziale Normen hingegen werden durch Autoritäten vermittelt und somit sozial geteilt, sei es durch die Eltern, Lehrer oder andere wichtige Personen im Leben. Soziale Normen besagen, welches Verhalten in bestimmten Situationen erwartet oder als angemessen empfunden wird. Damit werden Rahmenbedingungen festgelegt, die den Menschen prägen. Weicht ein Mensch von diesen Normen ab oder kann diese Vorschriften nicht nachvollziehen, weil er anders ist, stellt er sich gegen ein ganzes System, gegen sein Umfeld, das ihn dann nicht selten als unangepasst, aufmüpfig, widerspenstig, frech usw. bezeichnet. Menschen, die diese sozialen Normen vermitteln und davon ausgehen, dass das der einzige und richtige Weg ist, verstehen es nicht, wenn sich jemand dagegen aufbäumt, sie versuchen, diese Normen einzufordern und die Personen (mitunter gewaltsam) einzugliedern. Soziale Normen gelten für alle, nur wenn man sie befolgt, besteht man in der Gesellschaft, so die Auffassung der Eltern, der Erzieherinnen/Erzieher, der Lehrpersonen, also der vermittelnden Autoritäten.

Bei diesem „guten“ Ansatz wird ignoriert, dass ein Mensch, der sich verbiegt oder gebrochen wird, um den sozialen Normen und Skripten zu entsprechen, in dieser Gesellschaft nicht lange bestehen kann und wird. Die Folgen dieser Erziehung, Einflussnahme und Manipulation werden sich melden. Aber wie kann ein verbogener oder gebrochener Mensch, der durch die Autoritäten in soziale Normen gepresst wurde und unter Umständen in der Gesellschaft scheiterte, seinen Weg finden? Jeder Erwachsene kann Dinge für sich geraderücken und sich einen eigenen Weg suchen. Sie sind gerade mitten in diesem Prozess.

Wird man aus einer Gruppe ausgeschlossen, verdrängt man oft oder projiziert etwas Eigenes auf andere. Indem man von sich selbst ablenkt, verhindert man unter Umständen, dass man sich seine eigene Lage bewusstmacht. Man verdrängt, was die Ausgrenzung oder Nicht-Zugehörigkeit bedeutet, redet sich sein Leben schön, stellt positive Aspekte in den Vordergrund und erfreut sich daran. Das Verdrängen ist allerdings nur kurzfristig eine Lösung. Zwar ist einem etwas nicht mehr bewusst, wenn man es erfolgreich verdrängt, aber es ist im Unterbewussten und wirkt dort fleißig vor sich hin, hat eine große Macht und Einfluss, die nun unbemerkt (unbewusst) abläuft.

Auch mittels Projektion versuchen manche sich von ihren Ängsten zu befreien. Indem man anderen das unterstellt, woran man selbst leidet, fühlt man sich besser. Findet man genug Dinge, die man den anderen zuschreiben kann, fühlt man sich selbst stark und sicher. Allerdings ist auch das Projizieren nur scheinbar positiv, auch das wirkt nach. Da das, was man anderen zuschreibt, zu einem selbst gehört, beschimpft man sich quasi (unbewusst) selbst. Man gesteht sich (unbewusst) nicht ein, dass man genauso ist. Auch hier wirken die Prozesse weiter und beeinflussen massiv das Leben, allerdings auf einer unbewussten Ebene, auf die man nicht direkt oder nur erschwert zugreifen kann. Beide Varianten, Verdrängung und Projektion, führen nur scheinbar zu einer Erleichterung.

Findet die ausgeschlossene Person keinen Halt in anderen Gruppen oder durch eine Bezugsperson, kann die Stigmatisierung nicht aufgefangen werden, was unter Umständen irgendwann zu einem Zustand des nackten Überlebens führt. Ausgegrenztwerden greift die Persönlichkeit und die innere Stärke an. Die Person hat die Wahl zwischen unverstanden sein und nicht gemocht werden oder anpassen und funktionieren. Passt sie sich an und schließt sich an eine Gruppe an, achtet sie (unbewusst) peinlich genau darauf, nicht aufzufallen, beispielsweise bemüht sie sich als Hochbegabter in einer Nicht-Hochbegabten-Gruppe auch als Nicht-Hochbegabter bzw. als Hochsensibler in einer Nicht-Hochsensiblen-Gruppe als Nicht-Hochsensibler wahrgenommen zu werden. Die Person versteckt ihre Eigenschaften, ihre Charaktermerkmale. Das kann allerdings genauso viele negative Wirkungen nach sich ziehen, als wäre sie Außenseiter geblieben.

Sind Sie Außenseiter, werden bestimmte Bedürfnisse nicht befriedigt, was sich in einer fehlenden Identität, einem mangelnden Selbstbewusstsein, Selbstvertrauen, Selbstliebe oder in körperlichen Beschwerden äußert. Kompensationsstrategien wirken diesen negativen Begleiterscheinungen entgegen.

Wie kann man sonst mit der Ausgrenzung, dem Anderssein umgehen? Natürlich steht an oberster Stelle die Stärkung von Selbstbewusstsein, Selbstwert und Selbstliebe. Zudem hilft es, sich diese Mechanismen und Wirkweisen bewusst zu machen. Negative Gefühle lassen sich mit Kreativität oder Sport ausgleichen. Wer sich von innen aufbaut, stark und selbstbewusst ist, findet es zwar schade, wenn er ausgeschlossen wird, aber er zerbricht nicht mehr daran, es hinterlässt nicht mehr diese tiefen Spuren oder Wunden.

Kreativ zu sein kann wie ein Ventil wirken, es fängt Ängste und Sorgen auf, wirkt sich positiv auf die Psyche und das Selbstwertgefühl aus. Wer es schafft, die negativen Gefühle umzuwandeln, indem er etwas Kreatives erschafft, der lässt los und holt sich auf einer anderen Ebene seine Anerkennung. Dabei können sich auch neue Gruppen ergeben, zu denen man sich zugehörig fühlt und in denen man sich austauscht. Auf diese Weise seine Ängste und Sorgen zu verarbeiten fördert das Selbstwertgefühl. Man verdrängt oder projiziert nicht, man verbiegt sich nicht oder verheimlicht nichts, sondern wandelt die Energie um, schafft sich neue Welten und erschließt sich neue Gruppen. Indem das Selbstwertgefühl wächst, kommt man auch mit der Ausgrenzung oder Nicht-Gruppenzugehörigkeit besser zurecht.

Das Selbstwertgefühl wächst auch durch die Zugehörigkeit zu einer „erschlichenen“ Gruppe, aber es ist ein fragiles Gerüst, das jederzeit einstürzen kann. Diese unsichere Basis und die Angst, als „Anderer“ entdeckt zu werden, höhlt einen von innen aus, lässt einen jedoch nach außen stark erscheinen. Diese Ambivalenz zwischen dem unsicheren Inneren und dem starken Außen zeigt sich im Verhalten. Die Unsicherheit sucht sich ein Ventil, sie offenbart sich in Mimik und Gestik. Diese werden zwar wahrgenommen, mitunter aber anders gedeutet. So erscheint man widersprüchlich oder sogar arrogant.

Möchten Sie sich nicht verstellen, haben Sie die Wahl zwischen Außenseiterrolle oder der Suche nach einer geeigneten Gruppe. Finden Sie eine Minderheiten-Gruppe, kann diese Halt geben und Sie auffangen. Sie sind froh, so zu sein, wie Sie sind, und das überwiegt die Stigmatisierung, die mitunter von der Mehrheit ausgeht. Beispielsweise kann eine unsportliche gute Schülerin mit Brille sich mit einer anderen unsportlichen guten Schülerin zusammentun und so die Ausgrenzung durch die anderen Schüler auffangen.

Sie können sich weiteren anderen Gruppen anschließen, beispielsweise Gruppen, in denen Kreativität, logisches Denken oder eine Spezialdisziplin selbstverständlich ist, egal, ob die Gruppe zu einer Minderheit oder zur Mehrheit zählt. Möglich sind auch Gruppen nach Eigenschaften, ohne dass es eine Minderheit sein muss: Mutter-Kind-Gruppen, Sportvereine, Fans von Bands, Fernsehfilmen oder Mannschaften. So können Sie sich einer Mehrheit anschließen, die Ihre Normen teilt. Die anderen Eigenschaften, die ansonsten unter Umständen für einen Ausschluss aus einer Gruppe sorgen, werden in diesem Umfeld nicht beachtet, es stehen andere Dinge im Mittelpunkt: beim gemeinsamen Lästern über einen Moderator, beim Austausch über das Baby usw.

Abriss

Gruppenzugehörigkeit ist ein Grundbedürfnis des Menschen. Es wirkt sich auf verschiedenen Ebenen aus und stärkt bzw. prägt die Identität und das Selbstwertgefühl. Das Anderssein unterbindet oftmals diese Zugehörigkeit. Hier gilt es Strategien zu entwickeln.

1.2 Schubladendenken

Schubladendenken haben Sie sicherlich schon mal erlebt. Sei es, dass Sie jemanden in eine Schublade steckten oder selber in eine gesteckt wurden. Das ist nicht immer angenehm oder passend. Das Problem ist nicht das Einsortieren an sich, sondern die Eigenschaften, die einer Person in einer Schublade zugewiesen werden. Das kann zum Problem werden, wenn diese Zuweisungen nicht stimmen, aber darauf gepocht wird, da man nun mal in dieser Schublade steckt.

Dieses Schubladendenken bzw. Stereotypdenken ist weitverbreitet. Welche Eigenschaften würden Sie zum Beispiel einem typischen Bayern zuordnen? Welche einer blonden Frau im knappen Minirock? Welche einem Beamten im mittleren Alter? Welche einem Franzosen? Oder spezifischer: Wie ist es mit Frauen und Autofahren? Mit Männern als Hebamme? Es geht nicht darum, ob diese Zuschreibungen stimmen. Sondern darum, dass ein Automatismus abläuft. Es ist schwer, sich davon zu trennen. Mancher Impuls lässt sich erst beiseiteschieben, wenn er gedacht wurde. Wurden einer Person bestimmte Eigenschaften zugeschrieben, meist unbewusst, ist jedoch das Verhalten gegenüber dieser Person nicht mehr unvoreingenommen und neutral. Es ist bereits eingefärbt. Im persönlichen Kontakt wird unbewusst nach Aspekten gesucht, die die Zuschreibungen bestätigen – und wer diese Bestätigungen sucht, findet sie auch.

Wer einer stigmatisierten Gruppe zugeordnet wird, stößt im Umgang mit anderen Menschen meist auf eine vorgefertigte Meinung. Diese wird kaum revidiert, weil der andere nicht schaut, wie man wirklich ist, sondern ob die vorgefertigte Meinung bestätigt wird. Dieser Mechanismus findet sich in allen Bereichen des Lebens und beschränkt sich nicht auf Hochbegabung oder Hochsensibilität: Er betrifft Gläubige, Ausländer, Moslems, fußballspielende Frauen, Mädchen, die Mathematik lieben, mit Puppen spielende Jungen, Jungen in Kleidern, Homosexuelle, Alte ...

Zwei stigmatisierte Gruppen sind hochbegabte und hochsensible Menschen. Wenn Sie sagen, dass Sie hochbegabt bzw. hochsensibel sind, oder wenn Ihr Umfeld es mitbekommt, werden Sie einsortiert, mit bestimmten Eigenschaften etikettiert und bewertet. Das Abweichende, das Anderssein wird abgelehnt. Das geschieht unabhängig von der Person, nur aufgrund des Verhaltens und von Eigenschaften. Es bezieht sich nicht auf Sie persönlich, aber in dem Moment richtet es sich gegen Sie.

Manche schließen sich einer Gruppe an und werten andere Gruppen ab, um sich selbst aufzuwerten. Jegliches Verhalten oder alle Eigenschaften, die nicht in die eigene Gruppe passen, werden dann abgelehnt. Das geschieht offen oder subtil. Oftmals ist einem das gar nicht bewusst. Manches ist automatisiert, man denkt nicht weiter darüber nach. Dazu gehört die Gegenreaktion. Wird jemand abgelehnt, weil er/sie anders ist oder bestimmte Eigenschaften hat, wächst seine/ihre Ablehnung gegen die Ablehnung. Und damit gegen die Gruppe der Person, die ihn/sie ablehnt.

Stigmatisierung bedeutet nicht immer eine Abwertung, Personen können aufgewertet werden, wenn sie Teil einer bestimmten Gruppe sind – beispielsweise die deutsche Fußballnationalmannschaft mit ihrem Sommermärchen und der gewonnenen Weltmeisterschaft in Brasilien. Da war ganz Deutschland „Fußball“. Anderssein hat auch nicht immer eine Ausgrenzung oder Abwertung zur Folge, es kommt auf das Umfeld an, darauf, wie es mit dem Anderssein umgeht. Nicht alle Hochbegabte oder Hochsensible erleben diese Stigmatisierung bzw. nehmen diese wahr.

Um dieser Stigmatisierung und der damit verbundenen Abwertung zu entgehen bzw. um dazuzugehören, verstecken, verheimlichen und verleumden manche hochbegabte oder hochsensible Menschen ihre Andersartigkeit bzw. ihr Anderssein. Bei manchen geht es so weit, dass sie eigene Gruppenmitglieder, also in dem Fall andere Hochbegabte oder Hochsensible, öffentlich abwerten. Der Druck des Ausgrenzens ist enorm und nicht jeder hält ihm stand. Das ist menschlich. So schreiben Schülerinnen und Schüler schlechtere Arbeiten, geben bewusst falsche Antworten oder verheimlichen ihr Wissen bzw. ihr Empfinden. Nur, um sich dem Druck und der Stigmatisierung zu entziehen und um dazuzugehören.

Glücklich kann sich schätzen, wer Leistungen oder Handlungen zeigt, die von der Gruppe anerkannt werden. Wie zum Beispiel Fußballspielen, sich gegen den Lehrer aufspielen, sich gegen Autoritätspersonen widersetzen usw. Das erhöht das Ansehen, sodass das Anderssein hingenommen wird. Nicht selten geben hochbegabte Schülerinnen und Schüler den Klassenclown.

Das Verhalten der ausgrenzenden Gruppe ist nicht verwunderlich. Denn Erziehung zielt darauf ab, sich anzupassen, nicht aufzufallen, sich so zu verhalten, wie es gewünscht wird. Konformes Verhalten wird belohnt und gelobt, sodass sich die Kinder entsprechend verhalten und ihre Identität entwickeln. Demnach ist es eine ganz logische Folge, dass alle, die anders sind, sich anpassen sollen. Und wer das nicht macht, wird ausgeschlossen.

Hochbegabte oder hochsensible Kinder sind ebenso durch diese Erziehung und diese Ansichten geprägt. Kinder glauben den Erwachsenen, und wenn Mutter, Vater, Erzieher, Lehrerin sagen, dass es richtig ist, ein anderes Verhalten zu zeigen, und das Kind dafür belohnt wird, entwickelt sich seine Identität in diese Richtung. Es ist schwierig auseinanderzuhalten, welche Ansichten und Muster aus der Erziehung und Sozialisation stammen und welche die ureigensten sind. Das für sich herauszufinden ist keine leichte Aufgabe.

Dass Menschen eingeteilt werden und mit der Stigmatisierung, der Abwertung sowie den Zuschreibungen von bestimmten Eigenschaften leben und aufwachsen, geht nicht spurlos an ihnen vorbei. Nicht selten bleiben hässliche Narben, die irgendwann offen in Form von Krankheiten zutage treten. Wer von Krankheiten verschont bleibt, hat sein Verhalten entweder bewusst oder unbewusst angepasst. Das Anpassen ist so lange kein Problem, wie es der Person nicht schadet. Ob es einem schadet, wird manchmal erst später erkannt. Falls einem bewusst wird, dass das eigene Verhalten nicht stimmig ist, beginnt der Änderungsprozess mit vielen Fragen – wieso das Verhalten angenommen wurde und wie es geändert werden kann.

Diese Einteilung und Zuschreibung ist gängig, aber bei Weitem nicht jedem bewusst. Es ist für jede und jeden schwer, sich dem zu entziehen. Eine Ausgrenzung fällt umso mehr ins Gewicht, wenn man nicht sehr selbstbewusst ist. Wenn man an sich zweifelt und ausgegrenzt wird oder einem falsche Eigenschaften zugeschrieben werden, kann man seinen Selbstwert nicht heben, das wäre ein Kampf an zwei Fronten. Beides zusammen geht nicht. Will man sich von Stigmatisierung nicht mehr negativ beeinflussen lassen, muss man zuerst seinen Selbstwert anheben.

Abriss

Mit dem Schubladen- und Stereotypdenken schreiben Sie Eigenschaften zu, die selten passen. Dieser Mechanismus ist hartnäckig, weshalb ein entspannterer Umgang mit diesem Denken am wirkungsvollsten ist.

1.3 Sichtweisen

Es gibt zwei Möglichkeiten, auf Dinge zu schauen: aus der Ferne mit dem Blick aufs große Ganze oder aus der Nähe mit Konzentration auf die Details. Wenn man sich auf die Details konzentriert, kann die Sicht aufs große Ganze verloren gehen.

Wenn Sie zum Beispiel von Weitem einer Person ins Gesicht schauen, sehen Sie, wie sie lächelt, ob sie die Augenbraue hochzieht, ob Mund und Augen beteiligt sind usw. Gehen Sie immer näher ran, sehen Sie nicht mehr das ganze Gesicht, sondern nur den Mund oder eine Augenbraue, die hochgezogen wird. Gehen Sie noch näher ran, sehen Sie nur noch ein Augenbrauenhaar, das Ihnen nicht vermittelt, ob die Augenbraue hochgezogen wird. Je näher Sie kommen, umso genauer erkennen Sie die Details. Beim Blick auf das Detail fehlt jedoch der Zusammenhang von Augenbrauenhaar, Augenbraue und Gesicht. Zwar bilden viele Augenbrauenhaare die Augenbraue, aber wenn Sie nur ein Haar sehen, wissen Sie nichts über das Gesicht.

Manche Menschen stürzen sich mit Euphorie und Freude auf Details. Sie nehmen alles auseinander, graben sich auf der Suche nach Informationen tief und tiefer in die Materie ein. Manchmal geht das so weit, dass sie nichts als Details erkennen.

Andere Menschen tendieren dazu, sich alles aus der Ferne anzuschauen. Sie behalten den Überblick über das große Ganze, sehen die vielen Gesichter der Menschen. Durch die Distanz fehlt ihnen der Blick hinter die Kulissen. Sie sehen, dass etwas ist, wie es ist, aber nicht, warum.

Manche Menschen befinden sich dazwischen. Sie sehen aus der Entfernung, was sich vor ihnen abspielt, und gehen dann näher ran, um sich weitere Informationen einzuholen. Sie verlieren nicht den Überblick, wenn sie sich nähern und die Details betrachten. Sie sehen die Dinge im Zusammenhang und brauchen diese Kombination, um für sich klarzusehen.

In einer Kommunikation schauen häufig verschiedene Menschen mit ihren jeweiligen Sichtweisen gemeinsam auf ein und dieselbe Sache. Der eine sieht es und ist zufrieden, die andere findet es interessant und wünscht sich mehr Informationen. Kommunikation heißt Austausch, Menschen mit ihrer unterschiedlichen Art zu sehen unterhalten sich, verschiedene Wünsche treffen aufeinander: die des Menschen, der aus der Ferne genug gesehen hat, die des Menschen, der nur aus der Nähe genau sieht, und die des Menschen, der beide Entfernungen für sein Sehen benötigt.

Wird von dem Menschen, dem eine Sicht aus der Ferne reicht, erwartet, die Sichtweise oder Perspektive zu ändern, kann es sein, dass er den Überblick verliert. Dann weiß dieser Mensch nicht mehr, was er sieht, kann es nicht einordnen und sieht den Sinn des Ganzen nicht mehr. Obwohl er vorher einwandfrei sah, soll er seine Sichtweise für eine aufgeben, die er nicht versteht und nicht einordnen kann. Das ist, als ginge man zu nah an den Fernseher. Dann sieht man unscharf, einen zu kleinen Ausschnitt, die Unschärfe verursacht Kopfschmerzen oder Schwindel. Menschen mit Weitsicht können der Kommunikation dann nicht mehr folgen, mit der Distanz verlieren sie das große Ganze aus den Augen.

Wer nur aus der Nähe gut sieht, alles haarklein erklären und erläutern, es aber nicht in einen übergeordneten Zusammenhang bringen kann, fühlt sich verloren, wenn er aus größerer Entfernung die Sache betrachten soll. Die Details, die ihm Sicherheit geben, sind nicht mehr zu erkennen.

Wer beide Sichtweisen mag und anwendet, wird beides berücksichtigen. Er fühlt sich sicher, wenn er beide Perspektiven ausprobieren kann, um sich eine Meinung zu bilden. Wenn er sich mit einer Perspektive zufriedengeben soll, ist er unfähig sich über das Thema zu unterhalten, da das Gesagte möglicherweise nicht der Wahrheit entsprechen könnte oder aber er das Gesagte nicht in einen Zusammenhang bekommt.

Ist den Gesprächspartnern diese Situation nicht bewusst, versucht vielleicht jemand, der aus der Distanz und auf die Details sieht, dem anderen den Zugang zu dieser Art zu sehen oder wahrzunehmen zu ermöglichen. Indem er beschreibt, erklärt und motiviert, kann er damit beim Gegenüber Panik verursachen und wird unter Umständen nicht verstanden. Die Folge ist nicht selten ein Konflikt, der in Sätzen mündet wie "Musst du immer allem auf dem Grund gehen?", "Kannst du die Dinge nicht einfach mal so stehen lassen?", "Du denkst zu viel". So sieht es jemand, der die verschiedenen Distanzen nicht benötigt, um zufrieden zu sein. Diese Person sieht und versteht bei einer bestimmten Distanz, alles andere macht ihr Angst oder verunsichert sie. Warum sollte diese Person etwas ändern?

Wenn sich die Menschen ihrer unterschiedlichen Wahrnehmung nicht bewusst sind, birgt das für eine Kommunikation Konflikte. Treffen beispielsweise unterschiedliche Arten zu sehen aufeinander, wird sich einer zurücknehmen oder Dinge tun, die ihn verunsichern. Einen Konsens kann es nur geben, wenn beiden bewusst ist, wie es dem anderen mit seiner Sichtweise geht. Aus der eigenen Sicht ist es sonst unverständlich, warum der andere auf seine Sichtweise pocht.

Diese beiden Menschen kommen nicht zueinander, wenn sie nicht von den beiden Sichtweisen wissen bzw. erfahren. Hier hilft Verständnis für das Gegenüber, Respekt für die jeweils andere Sichtweise und Gelassenheit, die andere Sichtweise hinzunehmen als das, was sie ist: eine andere Sichtweise und ein anderer Weg des Lernens und Erfahrens. Keine ist schlechter oder besser, sondern lediglich anders.

Auch hier wird deutlich, dass das unterschiedliche Sehen nicht unbedingt eine Frage der Einstellung oder des Willens ist. Sollten Sie bei einem Gespräch merken, dass verschiedene Sichtweisen der Grund für eine Auseinandersetzung oder einen Konflikt sind, erinnern Sie sich, dass es in der Natur des Menschen liegt, unterschiedlich zu sehen bzw. wahrzunehmen. Es hat nichts mit Ihnen persönlich zu tun, dass man Sie und Ihre Sichtweise nicht versteht.

Abriss

Die Sichtweise ist bei jedem anders. Es liegt nicht am Wollen oder Können, ob dasselbe gesehen wird. Jeder sieht auf seine Weise.

1.4 Wahrnehmen

Es ist ein echtes Phänomen: dass zwei Menschen mit gesunden und funktionierenden Augen etwas betrachten, aber zu völlig unterschiedlichen Ergebnissen in der Wahrnehmung kommen – selbst wenn diese beiden Menschen die gleiche Entfernung zum Objekt haben. Der gleiche Blick ist eben nicht derselbe Blick.

Ein schöner Beleg dafür sind Umspringbilder bzw. Kippbilder. Das bekannteste ist vermutlich der Rubinsche Pokal, bei dem man entweder einen weißen Pokal auf schwarzem Untergrund oder zwei schwarze Gesichter im Profil vor weißem Hintergrund sieht. Manche sehen das eine Bild, manche das andere und manche beide. Auf einem anderen Bild erkennt man auf den ersten Blick eine alte Frau und auf den zweiten Blick, wer es denn sieht, eine junge Frau. Dazu finden sich im Internet unendlich viele Motive und Beispiele unter dem Stichwort "Umspringbilder" bzw. „Kippbilder“. Aber was hat das nun mit der unterschiedlichen Wahrnehmung zu tun?

Beim Sehen passiert zweierlei. Zum einen wird das Bild auf dem Kopf und verkleinert auf der Netzhaut dargestellt. Die Reize werden ans Gehirn weitergeleitet. Zum anderen kommt zu den Reizen noch etwas hinzu: Erfahrungen, Deutungen und Erinnerungen, die jeder Mensch hat. Mit anderen Worten: Sehen ist nicht gleich Sehen, sondern Sehen ist Sehen plus etwas. Dieses Etwas, das dazukommt, ist bei jedem unterschiedlich.

Vielleicht sind Sie mal mit jemandem an einem Teich, See, Meer und die andere Person entdeckt etwas und will es Ihnen zeigen. Da Sie nicht wissen, worauf Sie achten sollen, sehen Sie es nicht. Beschreibt Ihnen die andere Person genau, was sie sieht, wo es sich befindet, wie es aussieht und in welche Richtung Sie blicken sollen, dann sehen Sie es auch. Kommen Sie ein zweites Mal an diese Stelle, werden Sie es sofort sehen, denn Sie wissen jetzt, worauf Sie achten müssen. Das Sehen ist in beiden Fällen gleich, nur kam im zweiten Fall eine Erinnerung hinzu. So ist es bei jedem Sehen. Je nach Fokus, nach Interesse, nach Erfahrungen, nach Deutungen, nach Erinnerungen usw. wird unterschiedlich gesehen. Und manchmal kann die andere Person nicht das sehen, was Sie sehen, und wenn sie sich noch so anstrengt.

Auch hier ist es also wichtig zu respektieren, dass jeder Mensch anders ist und deshalb jeder anders wahrnimmt. Wenn zwei auf dasselbe Objekt schauen, aber nicht dasselbe wahrnehmen, sollte man einfach gelassen bleiben und versuchen, sich auf eine Gemeinsamkeit, auf einen gemeinsamen Nenner oder eine Schnittmenge zu einigen.

Wenn einem dieses Phänomen nicht bekannt ist, nimmt man an, jeder/jede müsse dasselbe wahrnehmen bzw. sich nur genug anstrengen, um dasselbe zu sehen. So kann ein Nicht-Sehen schnell mal als Beleidigung aufgefasst werden, man unterstellt der anderen Person, dass sie sich einfach keine Mühe gibt. So wird das unterschiedliche Wahrnehmen schnell auf einer persönlichen Ebene wahrgenommen, was zu einem Konflikt führen kann. Gesellt sich noch ein schwaches Selbstbewusstsein oder ein schwacher Selbstwert hinzu, wird es als persönliche Beleidigung aufgefasst, die im Ursprung nicht vorhanden war. Wenn man das weiß, sieht man viele Gesprächsverläufe in einem anderen Licht.

Abriss

Jeder Mensch nimmt unterschiedlich wahr und empfindet demnach anders. Andere können nicht so wahrnehmen wie Sie, aber auch Sie können nicht so wahrnehmen wie andere.

1.5 Reaktionslernen

Tiere im Zoo bekommen in Vorführungen nach erbrachter Leistung oft eine Belohnung. Dieses Prinzip findet sich auch in der Kindererziehung: Mal gibt es einen Lolli, dann einen gemeinsamen Ausflug oder auch Geld. Gutes Verhalten, gutes Benehmen wird belohnt. Belohnungen sind natürlich nicht immer so augenfällig. Nach einem erwünschten Verhalten wird das Kind zum Beispiel einfach angelächelt oder nicht ausgeschimpft. Egal wie, das Kind merkt, dass es bei einem bestimmten Verhalten positive Reaktionen, Signale erhält.

Die Wahrscheinlichkeit, sich auf eine bestimmte Weise zu verhalten, erhöht sich, wenn dieses Verhalten verstärkt/belohnt wird. Das äußert sich bei Kindern stärker als bei Erwachsenen, aber auch bei Erwachsenen ist es ein täglicher Begleiter, seien es Rabattmarken im Supermarkt oder Zielvereinbarungsgespräche im Beruf, die eine Belohnung bei Einhalten bzw. Erreichen der Ziele versprechen.

Dieses Lernen funktioniert nicht nur bei Lob und positiver Rückmeldung, sondern auch bei einer negativen Verstärkung, also einer Bestrafung. Man lernt, eine Verhaltensweise einzustellen bzw. zu unterlassen, wenn sie nicht erwünscht wird. Ein unerwünschtes Verhalten ist oftmals ein Verhalten, das andere nicht erwarten oder nicht verstehen. Gerade das Verhalten eines hochsensiblen und/oder hochbegabten Menschen wird nicht immer von seinem Umfeld verstanden. Spielen neun Kinder ruhig und still, beschäftigen sich stundenlang mit einem Spiel und gibt es ein Kind, das sich nach zehn Minuten langweilt und quengelt, ist die Gefahr groß, dass dieses Verhalten unerwünscht ist, da es anders und auffällig ist. Für uns sind die Folgen wichtig, die solche Erziehungsmaßnahmen nach sich ziehen.

Eine wesentliche Rolle spielt, in welchem Ausmaß ein Verhalten bestraft oder belohnt wird. Auch, wie das Kind mit seinen Eigenheiten und Eigenarten akzeptiert und respektiert wird. Ebenso, ob es bedingungslos geliebt wird oder eher für Leistungen Anerkennung erhält. Fakt ist, dass sich ein Reaktionslernen gravierender auswirkt, wenn das Selbstbewusstsein geringer ist und die Liebe und Anerkennung von Bezugspersonen umso stärker benötigt wird. Diese Umstände können dazu führen, dass eine Persönlichkeit nicht entwickelt wird. Passt man sich an, oftmals unbewusst und unbemerkt, kann der Glaube an sich selbst verloren gehen, aber auch das Wissen, wer man eigentlich ist.

Das Reaktionslernen läuft bei jeder Begegnung ab. Zwischen Eltern und Kind, unter Geschwistern, Kollegen, Mitarbeitern, Geschäftspartnern, im Kindergarten, in der Schule, bei der Arbeit, beim Studium, im Verein, in der Beziehung, unter Freunden – überall führt es dazu, dass ein bestimmtes Verhalten, ein gewisser Teil der Identität verdrängt/ignoriert wird.

B. F. Skinner, der die Verstärkerfunktion erforschte, hat herausgefunden, dass dieses erlernte Verhalten wieder verändert werden kann. Wird einem bewusst, warum man handelt, wie man handelt, warum man denkt, wie man denkt, kann man durch positive Verstärker/Belohnung das authentische ureigene Verhalten wieder hervorholen.

Das eigene Verhalten kann man ändern, indem man das erlernte Verhalten aufgliedert und in Einzelelemente aufteilt. Hochkomplexe Verhaltensschemata lassen sich knacken, dazu muss man die Einzelelemente erkennen und daran arbeiten. Wie oft nimmt man das eigene Verhalten als gegeben und unveränderbar hin? Der Lösungsansatz ist also: Komplexe Verhaltensweisen lassen sich aufgliedern in kleine Verhaltenseinheiten, die Sie ändern können.

Zwischen der Wahrnehmung eines äußeren Reizes (Lolli) und der äußeren Reaktion (liebes Verhalten) sind die inneren Prozesse zwischengeschaltet. Hinterfragen und analysieren Sie sich selbst, werden Sie feststellen, dass Sie nicht alles auf Anhieb erklären oder verstehen können. Auch kann es für eine Aufgliederung in kleine Verhaltenseinheiten zu früh sein. Um die Prozesse zu ändern, muss man sie verstehen. Erklären Sie sich das eigene Verhalten mit übergeordneten Begriffen, Oberbegriffen oder durch andere Situationen. Dabei ist die Sicht aus der Ferne Erfolg versprechend und sinnvoll. Wenn Sie etwas ändern oder wenn Sie bestimmte Verhaltensweisen verstehen möchten, stellen Sie sie in einem größeren Sinnzusammenhang dar. Sobald Sie das große Ganze verstehen, gehen Sie wieder in die tieferen Ebenen der Verhaltenseinheiten.

Machen Sie sich das eigene Verhalten bewusst und hinterfragen Sie sich immer wieder. Wer sich analysiert, wird sein Verhalten ändern, sodass es selbstbestimmt und authentisch wird. Dadurch stärkt man sein Selbstbewusstsein sowie sein Selbstvertrauen.

Das Hinterfragen und bewusste Erleben ist sehr wichtig, um eingeprägte Reaktionen zu ändern. Ich möchte Sie im Buch durch Fragen anregen, diesen Prozess zu unterstützen. Integrieren Sie dieses Hinterfragen und bewusste Erleben in Ihren Alltag, ändern Sie etwas!

Abriss

Sie können jedes Verhalten ändern, indem Sie es analysieren und verstehen. Sie können jedes unerwünschte Verhalten, das Sie an sich entdecken, nach Ihren Wünschen verändern.

1.6 Welten

Sich freizumachen von seiner Erziehung, von Erwartungen, Druck, Normen und gesellschaftlichen Regeln und sich sowie seine Eigenschaften zu erkennen und anzuerkennen ist ein wichtiger Schritt auf dem Weg zu sich selbst.

Jeder Mensch wird durch die Gesellschaft, Erziehung und Sozialisation beeinflusst. Wie sehr die Identität und Persönlichkeit dadurch bestimmt wurde, ist eine Frage, die sich viele Erwachsene stellen. Was von dem, was man ist, ist man selbst und wie viel davon wurde „von außen“ geformt? Gerade wenn jemand anders denkt, fühlt, empfindet, handelt oder sich anders verhält, wird massiver eingegriffen, da der Weg zur „Norm“, zum „Normalen“ größer ist als bei anderen Kindern/Erwachsenen.

Manchen fällt dieser Druck, diese Erwartungshaltung auf und manchen nicht. Da es für die Anpassung Lob und Anerkennung gibt, ist es ihnen mitunter gar nicht bewusst, dass sie sich anpassen und von sich entfernen. Diesen Menschen kann es passieren, dass sie von sich und dem Wunsch so zu sein, wie sie wirklich sind, eingeholt werden. Dann wächst die Unzufriedenheit – und weiß man auf die Frage, wer man ist, keine Antwort, kann einen das stark treffen und aus dem Gleichgewicht bringen.

Wenn man sich anpasst, kann man auch ein glückliches Leben führen. Nur weil äußere Einflüsse das Verhalten änderten, heißt das nicht, dass es falsch ist. Es geht um Menschen, die sich nicht wohlfühlen, die das Gefühl haben, dass etwas nicht stimmt, dass es etwas gibt, was in ihnen steckt, was sie gerne herausholen möchten. Menschen, die unzufrieden mit sich und ihrem Leben sind. Menschen, die zu wenig Selbstbewusstsein besitzen. Für diese Menschen ist es wichtig zu schauen, wie sie wurden, wer sie sind.

Bei allen Einflüssen, Manipulationen und Sozialisationen muss man beachten, dass jeder Mensch seine eigene Wirklichkeit hat. Jeder Mensch interpretiert seine Erlebnisse durch den Filter seiner Erfahrungen und seines Wissens. Alles, was ein Mensch wahrnimmt, wird mit diesem Filter bewertet, interpretiert, assoziiert und zugeordnet. Deutlich wird das bei diversen Streitfällen vor Gericht. Dort sieht sich jede Partei im Recht und jede Partei hat gute Gründe für ihre Sichtweise. Aus jeder Perspektive ist jeweils alles logisch und nachvollziehbar, weshalb die Verliererpartei meist aus allen Wolken fällt, wenn ihr das Recht nicht zugesprochen wird. Es muss nicht unbedingt der Streitfall vor Gericht sein, wie oft gibt es im Alltag, im Beruf Streitereien und Konflikte, bei denen sich beide Parteien im Recht fühlen? Bei denen keine Seite verstehen kann, wieso es keine Einigung gibt, obwohl doch genügend Fakten auf dem Tisch liegen, die zum Einlenken der anderen Partei führen müssten.

Wie oft kritisiert man ein bestimmtes Verhalten bei anderen, aber erhält die Person die Chance zu erzählen, was dahintersteckt, warum sie macht, was sie macht, versteht man dieses Verhalten. Doch Erklären hilft nicht immer. Manchmal fehlen Wissen, Erlebnisse und Erfahrungen, um eine Erklärung zu verstehen. Es passiert oft genug, dass sich zwei gegenüberstehen und viele Gründe für ihr Verhalten nennen, aber gegenseitig kein Verständnis aufbringen, weil sie keinen Zugang zu den Gedankengängen des anderen besitzen.

Fehlen Informationen, Erlebnisse und Erfahrungen, um den anderen zu verstehen, und genügen Erklärungen nicht, hilft es schon, die andere Person zu respektieren. Anzunehmen, dass sie Gründe für ihr Verhalten hat und dass es nicht persönlich gegen einen gerichtet ist. Es überrascht nicht, dass auch hochbegabten und hochsensiblen Menschen dieses Nicht-Verstehen begegnet. Gibt es nur wenige Menschen, die hochbegabt und/oder hochsensibel sind, kann eine Vielzahl von Menschen deren Erleben oder Verhalten nicht nachvollziehen oder verstehen. Allerdings bringen auch Hochbegabte und Hochsensible anderen dieses Nicht-Verstehen entgegen, weil auch sie von ihrer Welt auf die anderer schließen.

Viele brauchen eine Diagnose oder eine Zuschreibung, um andere Menschen zu respektieren, wie sie sind. Verhält sich jemand anders, wird er/sie gnadenlos abgewertet. Sagt er/sie dann: „Hey, ich bin doch aber Asperger“, kommt die Reaktion: „Ach so, dann kannst du ja nichts dafür.“ Und plötzlich wird das Verhalten respektiert. Es wird nicht mehr unterstellt, dass der/die andere etwas absichtlich „falsch“ macht, um einen zu ärgern. Plötzlich ist dieser Mensch ein Mensch, der gewisse Eigenschaften hat, die ihn auf diese bestimmte Art handeln lassen. Ich frage mich: Warum muss für diese Einsicht immer erst eine Diagnose vorliegen?

Das hängt mit unseren Welten zusammen, mit unserer Sicht der Dinge. Hat eine Person zum Beispiel abends keine Lust zu joggen, rafft sich auf, tut es doch, fühlt sich hinterher gut und freut sich, dass sie sich diesen kleinen Tritt in den Hintern gab, dann heftet sie dieses Erlebnis entsprechend ab. Steht dann jemand vor ihr und sagt, dass er keine Lust zum Joggen hat, geht sie automatisch davon aus, dass er sich „nur“ einen kleinen Tritt in den Hintern geben müsste, damit er joggt und es ihm hinterher besser geht. Aber was ist, wenn die Situation bei diesem Menschen ganz anders ist? Für viele Menschen gibt es nur eine Welt, die eigene. Sie wissen nicht, dass jeder Mensch eine andere, eigene Welt besitzt, die alle gleichberechtigt existieren. Und die, die es wissen, machen es sich oftmals nicht bewusst.

Weiß man nichts über andere und verschiedene Welten, fragt man viel zu selten nach. Bevor man also jemandem einen Rat gibt, müsste man eruieren, in welcher Welt er lebt – woher die Unlust zum Joggen kommt, um beim obigen Beispiel zu bleiben. Ist es der innere Schweinehund, sind es Probleme, treibt er zu viel Sport, ist er zu aktiv, hat er Stress, bahnt sich eine Krankheit an, eine latente Depression, ist er überfordert usw.? Auf jeden Fall hilft es bei der Kommunikation und beim Miteinander, wenn man die Welt des anderen erschließt oder es zumindest versucht. Ganz verstehen wird man die anderen Welten nie, da einem die Erlebnisse, Erfahrungen und Deutungen des anderen fehlen, aber man könnte zumindest schauen, ob die Welt des anderen komplett anders ist oder ob es Übereinstimmungen, Überschneidungen gibt. Einfacher und leichter wäre es wohl, davon auszugehen, dass die Welt des anderen komplett anders ist. Auf die Weise gerät man nicht so schnell in Versuchung, die eigene Welt dem anderen überzustülpen.

Verschiedene Menschen interpretieren und deuten Erlebnisse durchaus auf ähnliche Weise, sodass sich die verschiedenen individuellen Welten überschneiden können. Es gibt Schnittmengen. Gibt es wenige Schnittmengen mit anderen Welten, kommt es vor, dass man an sich zweifelt, gerade weil man vermutet, dass bei anderen Menschen eine größere Übereinstimmung vorliegt. Diese fehlende Übereinstimmung ist allerdings auch ein Geschenk, denn dadurch können Sie sich andere Dinge erschließen und erleben.

Abriss

Jeder Mensch ist anders und lebt in seiner eigenen individuellen Welt. Keine gleicht der anderen.

1.7 Vorfreude

Vorfreude entsteht in Erwartung auf ein zukünftiges positives Ereignis. Sie endet mit dem Eintreffen des Ereignisses. Tritt das Ereignis nicht ein, wird aus der Vorfreude Enttäuschung.

Die Vorfreude kann ein berauschender und glücklicher Zustand sein. Glückshormone werden verstärkt ausgeschüttet, Stressgefühle vermindert und Anti-Stress-Hormone gestärkt. Dies nimmt man umso stärker wahr, je näher das Ereignis kommt, auf das man sich freut, und es wirkt noch weiter, wenn das Ereignis schon eingetreten ist. Nicht das Ereignis oder das Erlebnis tragen zur Ausschüttung der Glückshormone bei, sondern die Vorfreude darauf.

Dopamin, das Glückshormon, hat viele positive Nebenwirkungen: Es erhöht die Aufmerksamkeit, Denkfähigkeit, Motivation, Leistung, den Antrieb und die Koordination, reguliert den Appetit und die Wahrnehmungsfunktion. Allerdings führt eine zu hohe andauernde Konzentration an Dopamin zu Krankheiten wie Epilepsie. Dopaminmangel kann u. a. zu Depression und Bewegungsstörungen führen. Aber mit seiner Vorfreude wird man kaum eine zu hohe und andauernde Konzentration von Dopamin erreichen, die den Körper schädigen könnte.