Wir werden nicht unterwürfig geboren - Manon Garcia - E-Book

Wir werden nicht unterwürfig geboren E-Book

Manon Garcia

0,0
21,99 €

-100%
Sammeln Sie Punkte in unserem Gutscheinprogramm und kaufen Sie E-Books und Hörbücher mit bis zu 100% Rabatt.
Mehr erfahren.
Beschreibung

Die feministischen Debatten der Gegenwart werfen ein hartes Licht auf die Kehrseite der Männerherrschaft: die Zustimmung der Frauen zu ihrer eigenen Unterwerfung. Diese wurde als philosophisches Tabu und blinder Fleck des Feminismus in der Komplexität der gelebten Existenz bislang nie im Detail analysiert.

Im direkten Dialog mit dem Denken Simone de Beauvoirs stellt sich Manon Garcia dieser Aufgabe und meistert sie mit philosophischer Bravour. Und sie macht deutlich, warum es wichtig ist, die Mechanismen der Selbstunterwerfung von Frauen zu verstehen. Denn dieses Verstehen ist die notwendige Voraussetzung für jede Emanzipation.

Das E-Book können Sie in Legimi-Apps oder einer beliebigen App lesen, die das folgende Format unterstützen:

EPUB
MOBI

Seitenzahl: 278

Bewertungen
0,0
0
0
0
0
0
Mehr Informationen
Mehr Informationen
Legimi prüft nicht, ob Rezensionen von Nutzern stammen, die den betreffenden Titel tatsächlich gekauft oder gelesen/gehört haben. Wir entfernen aber gefälschte Rezensionen.



Titel

Manon Garcia

Wir werden nicht unterwürfig geboren

Wie das Patriarchat das Leben von Frauen bestimmt

Aus dem Französischen von Andrea Hemminger

Suhrkamp

Widmung

Für Esther, Eve und Salomé

Motto

Feministische Bücher sind in der Regel eine prospektive Erinnerung an eine Bewegung, die immer weitergehen muss; die Bücher von Mary Wollstonecraft und Simone de Beauvoir sind auch herausragende philosophische Werke und sollten als solche gelesen werden. Da man Frauenbücher in einer speziellen Rubrik führt (von Frauen, über Frauen, für Frauen), lässt sich die Hälfte der potentiellen Leser starke Lektüren entgehen.

Michèle Le Dœuff, L'Étude et le Rouet

Übersicht

Cover

Titel

Widmung

Inhalt

Informationen zum Buch

Impressum

Hinweise zum eBook

Inhalt

Cover

Titel

Widmung

Motto

Inhalt

Einleitung

1 Ein philosophisches Tabu

Weibliche Unterwerfung und Feminismus

Die Unterwerfung aus Sicht der Frauen

Die Frage der Perspektive

Welche Frauen?

Herrschaft und Unterwerfung

Mit Beauvoir

2 Weibliche Unterwerfung, eine Tautologie?

Sind Frauen Masochistinnen?

Ist die Unterwerfung eine weibliche Tugend?

Eine Frau zu sein bedeutet, sich zu unterwerfen

Die Sexualität ist politisch

Die soziale und sexuelle Konstruktion des Geschlechts

Die Unterwerfung definiert die Weiblichkeit

3 Was ist eine Frau?

Der Geschlechtsunterschied ist keine Frage des Wesens

Eine philosophische Frage

Gegen den Essentialismus

Weiblichkeit als soziale Konstruktion?

Situation und Geschlechtsunterschied

Gegen Sartre

Das Individuum und die soziale Welt

Mit anderen leben

Die sozialen Normen

Weiblichkeit, Situation und soziale Normen

Weiblichkeit und Schicksal

4 Die nicht zu fassende Unterwerfung

Unterwerfung und Alltagsleben

Für eine Bottom-up-Analyse der Macht

Geschichte einer Umkehrung

Was können wir über die Unterwerfung wissen?

Können die Subalternen sprechen?

5 Die Erfahrung der Unterwerfung

Eine privilegierte Position

Eine originelle phänomenologische Methode

Das Erbe des Aprikosencocktails

Die Originalität der Beauvoir'schen Methode

Weshalb die Phänomenologie?

Die Stille der Unterdrückten

Die Sozialstruktur

Die Unterwerfung ist ein Schicksal

Die Erfahrung aller Frauen?

6 Die Unterwerfung ist eine Entfremdung

Unterdrückung als Entfremdung

Die Unterdrückung oder der in den »anderen« transformierte Unterdrückte

Das Spezifische männlicher Herrschaft: die Frau ist das Andere

Eine nichtdialektische Beziehung

Die Objekt-Frau

Mit dem Unterdrücker leben

Objektivierung und Objektivität

7 Der Objekt-Körper der unterwürfigen Frau

Eine Frau kann nicht von ihrem Körper abstrahieren

Der biologische Körper ist gesellschaftlich

Die Entfremdung der Frauen durch ihren Körper

Der gesellschaftliche Charakter des physiologischen Körpers

Ein erlebter Körper, der objektiviert werden kann: Was Männern und Frauen gemeinsam ist

Der erlebte Körper

Der Objekt-Körper

Die Entfremdung der Frauen: der erlebte objektivierte Körper

Die Objektivierung der Frauen ist gesellschaftlich

Der Körper ist, noch bevor er erlebt wird, ein Objekt

Vom Objekt-Körper zur passiven Beute

8 Wonne oder Unterdrückung: die Doppeldeutigkeit der Unterwerfung

Die Schönheit

Die Aufgabe aus Liebe

Das andere Geschlecht

Beauvoir, Romancière der unterwürfigen Liebe

Die Macht der Unterwerfung

Eine aktive Passivität

Die Vorteile der Unterwerfung

9 Freiheit und Unterwerfung

Ist es unmoralisch, sich zu unterwerfen?

Eine existentialistische Perspektive

Die Freiheit muss erkämpft werden

Die Lösung des theoretischen Problems der Unterwerfung

Freiheit und Situation

Das Individuum und die Struktur

Die Kosten-Nutzen-Analyse der Unterwerfung

Eine Einwilligung, die keine Wahl ist

Aufbruch zur Emanzipation

Die Unterwerfung ist nicht unvermeidbar

Die Männer sind nicht (allesamt) schuldig

Sie selbst als Beispiel

Schluss Und jetzt?

Anmerkungen

Informationen zum Buch

Impressum

Hinweise zum eBook

Einleitung

Selbst die unabhängigsten und feministischsten Frauen ertappen sich dabei, dass sie den ihnen zugeworfenen eroberungslustigen Blick der Männer mögen, dass sie sich wünschen, in den Armen ihres Partners ein unterwürfiges Objekt zu sein, oder dass sie Arbeiten im Haushalt – die kleinen Freuden sorgfältig gefalteter Wäsche, eines schön angerichteten Frühstücks für die Familie – Tätigkeiten vorziehen, die mutmaßlich erfüllender sind. Sind diese Wünsche, diese Freuden mit ihrer Unabhängigkeit unvereinbar? Handelt es sich um einen Verrat an den Jahrhunderten des Feminismus, die ihnen vorausgingen? Kann man darauf warten, dass die Männer den »ersten Schritt« machen und die Gleichheit der Geschlechter fordern? Die Ambivalenz der Frauen in diesen Fragen springt im Alltagsleben oder wenn man eine sogenannte »Frauenzeitschrift« aufschlägt, ins Auge: Die Frauen werden dazu aufgerufen, frei zu sein, ihre eigene Karriere zu haben, sich von den Männern nicht entwürdigend behandeln zu lassen, und gleichzeitig sind diese Magazine voll von Ratschlägen und Normen, wie man am besten zu einem anziehenden Sexualobjekt, einer hilfsbereiten Ehefrau, einer perfekten Mutter wird.

Nach der Weinstein-Affäre haben sich diese Widersprüche in den Äußerungen über die Schauspielerinnen niedergeschlagen: Waren sie bloße Opfer? Verwandelten sie sich nicht selbst, zuweilen mit sichtlichem Vergnügen, in hinreißende Objekte der männlichen Begierde? Gingen sie nicht einfach »für den Erfolg ins Bett«? Die Blindheit für die Realitäten der männlichen Dominanz überlagerte sich zuweilen mit Tabus über die weibliche Unterwerfung, und das Medienrauschen ergriff oft Partei für diejenigen, die fanden, dass die Schweine zu schnell denunziert wurden und dass die Frauen sich gerne »belästigen« ließen.

Das vorliegende Buch soll diese scheinbaren Widersprüche mit Hilfe der Philosophie analysieren, und zwar insbesondere der Philosophie Simone de Beauvoirs. Wie jedes philosophische Buch will es keine fertigten Antworten geben, sondern die Komplexität der Welt und der gelebten Erfahrungen aufzeigen. Es geht nicht darum, ein für alle Mal zu entscheiden, ob die Frauen Opfer oder Widerständlerinnen sind, ob alle Männer schuldig sind oder nicht, ob es auf das Individuum oder auf die Gesellschaftsstruktur ankommt. Die Unterwerfung der Frauen unter die Männer zu studieren bedeutet im Gegenteil zu untersuchen, wie die Geschlechterhierarchien in der Gesellschaft die Erfahrungen von Frauen formen.

1 Ein philosophisches Tabu

Von Penelope, die geduldig ihr Tuch webt, während sie auf Odysseus wartet, bis zu Anastasia, die sich an Christian Greys Befehlen ergötzt, von Catherine M.'s La Vie sexuelle bis zu Desperate Housewives, von Annie Ernauxs L'Occupation bis zu den Schauspielerinnen, die für die Männer das »Recht, Frauen zu belästigen« fordern, inszenieren und ästhetisieren die Literatur, das Kino, die Fernsehserien, die Nachrichten allesamt eine frei gewählte, zuweilen sogar geforderte weibliche Unterwerfung als Quelle der Befriedigung oder Lust. Dennoch sagen die Philosophie und das feministische Denken über diese weibliche Unterwerfung nichts oder fast nichts. In Erwägung zu ziehen, dass Frauen ihre Unterwerfung in irgendeiner Form frei wählen oder genießen könnten, erscheint aus feministischer Sicht als eine Vorstellung der antifeministischen, um nicht zu sagen frauenfeindlichen Rechten, als eine Domäne, die jenen vorbehalten ist, die an eine weibliche Natur glauben, die alle weiblichen Personen zur definitiven Unterwerfung unter die Männer bestimme. Aus Sicht der Philosophen, insbesondere der klassischen politischen Philosophen, widerspricht die Unterwerfung dem Wesen des Menschen und stellt ein moralisches Versagen dar: Sich einem anderen unterzuordnen bedeutet, auf sein wertvollstes natürliches Recht zu verzichten, die Freiheit. Es scheint daher unmöglich, ein Phänomen zu denken oder auch nur zu benennen, dessen vielfältige Erscheinungsformen wir ständig sehen.

Die Untersuchung der weiblichen Unterwerfung stößt zunächst auf ein allgemeines philosophisches Problem: Die Analyse des Begriffs der Unterwerfung stützt sich stets auf die gemeinhin angenommene Vorstellung, dass es widernatürlich wäre, etwas anderes als seine Freiheit zu wollen. So schreibt Rousseau im Gesellschaftsvertrag: »Auf seine Freiheit verzichten, heißt auf sein Menschsein, auf die Menschenrechte, ja selbst auf seine Pflichten verzichten. Wer auf alles verzichtet, für den ist keine Entschädigung möglich. Ein solcher Verzicht ist mit der Natur des Menschen unvereinbar, und man entzieht, wenn man seinem Willen alle Freiheit nimmt, seinen Handlungen allen sittlichen Wert.«1 Die Vorstellung, dass Menschen sich unterwerfen könnten, ohne dazu gezwungen zu sein, ist dermaßen tabu, dass in der Geschichte der westlichen Philosophie nur La Boétie und Freud das Rätsel der Unterwerfung wirklich ernst genommen haben, wenn auch auf unterschiedlichen Ebenen. La Boétie stellt in Von der freiwilligen Knechtschaft als Erster die Frage, warum sich eine Menge entscheidet, dem Tyrannen zu dienen, der sie beherrscht, obwohl dieser Tyrann nur deshalb Macht hat, weil sich die Menge ihm unterwirft. La Boétie schlägt eine Reihe von Erklärungen vor, kann diese Unterwerfung aber nur als moralisches Versagen von Einzelpersonen, als schuldhaftes Vergessen ihrer natürlichen Freiheit verstehen. Freud befasst sich in drei Texten, die die Grundlage der psychoanalytischen Konzeption des Masochismus bilden,2 nicht mehr mit der Unterwerfung einer Masse unter einen Tyrannen, sondern mit dem Masochismus, das heißt mit der Lust am eigenen Leiden, sei es moralisch oder körperlich, die er als Gegenstück zum Sadismus begreift. Freud hat kein Problem, eine psychoanalytische Erklärung für den Sadismus vorzulegen, doch stößt seine Theorie auf etwas, was er als »das Rätsel des Masochismus« bezeichnet, das er als Pathologie identifiziert, aber nicht vollständig zu lösen vermag. In der Geschichte der Philosophie wird die Unterwerfung mithin unterschlagen, mit moralischem Versagen identifiziert oder als Pathologie betrachtet. Die Philosophie übergeht die Tatsache, dass manche Menschen einer anderen Person gehorchen wollen und daran Freude haben könnten, mit Schweigen.

Wenn man sich insbesondere für die Unterwerfung der Frauen interessiert, wird das Problem noch komplexer. Historisch gesehen, wurde die Unterwerfung der Frauen, anders als die der Männer, nicht als widernatürlich begriffen. Ganz im Gegenteil wird der Frau die Unterwerfung als normales, moralisches und natürliches Verhalten verordnet.3 Diese Wertschätzung der Unterwerfung geht mit der Vorstellung von einer grundlegenden und natürlichen Unterlegenheit der Frau gegenüber dem Mann einher: Weil die Frauen als unfähig erachtet werden, so frei zu sein wie die Männer, oder weil eine solche Freiheit als potentielle Gefahr angesehen wird, ist ihre Unterwerfung gut. Zu denken, dass Frauen sich freiwillig unterwerfen, ist in einem solchen Rahmen sexistisch. Es setzt einen Unterschied zwischen der Natur der Männer und der Natur der Frauen voraus, aufgrund dessen die Frauen den Männern unterlegen sein sollen. Diese Unterlegenheit ist sowohl Schwäche als auch Immoralität: Zum einen sind die Frauen den Männern unterworfen, weil sie von Natur aus schwächer sind als die Männer. Sie sind passiv unterwürfig. Zum anderen macht ihre Schwäche sie moralisch unterlegen: Die Frauen finden an der Unterwerfung Gefallen, die ihrer Natur vollkommen entspricht und die sie zuweilen sogar wählen, während die Unterwerfung bei den Männern, die wirklich freie Subjekte sind, ein moralisches Versagen ist.

Kurz, wir stecken in einer Sackgasse: Entweder wir sprechen über die weibliche Unterwerfung in ihrer Komplexität, ohne die Anziehungskraft zu übergehen, die diese Unterwerfung haben kann, und wir finden uns auf der Seite einer sexistischen Tradition wieder, die die Unterwerfung zum natürlichen Schicksal der Frau macht; oder wir postulieren die Gleichberechtigung der Geschlechter, wobei dann die Unterwerfung der Frau, wie die der Männer, ein moralisches Versagen oder eine Pathologie ist und nicht mehr in den Bereich der Philosophie fällt. Im letzteren Fall ist die einzig mögliche Erklärung für die Würdigung der weiblichen Unterwerfung in den Werken der Kultur, sie als einen Ausdruck der männlichen Dominanz bei den passiven Opfern zu sehen, die die Frauen sein sollen. Entweder man nimmt die Reize der Unterwerfung für Frauen ernst und nimmt die sexistische Position einer unveränderlichen weiblichen Natur ein, oder man lehnt die Vorstellung von der natürlichen Unterlegenheit der Frauen ab, womit dann die unterworfenen Frauen, die sich mit dieser Unterwerfung zufrieden geben, als passive Opfer oder Unterworfene erscheinen, die schuld sind, ihre Freiheit nicht zu lieben.

Aber wie ist zu erklären, dass einige dieser Werke von Frauen geschrieben wurden? Sollen wir daraus schließen, dass Catherine Millet, Annie Ernaux oder E. ‌L. James sich so täuschen, dass man über die Erfahrungen, die sie ansprechen, nicht einmal nachdenken müsste?4 Gegen die Alternative von sexistischer Naturalisierung oder Schweigen zur Unterwerfung müssen wir uns ohne Umschweife folgenden Fragen stellen: Partizipieren die Frauen in der einen oder anderen Weise an der männlichen Dominanz? Wenn ja, kann diese Partizipation als freiwillig angesehen werden, oder ist sie einfach das Ergebnis der Omnipräsenz männlicher Dominanz? Und, zweifellos polemischer formuliert, ist die Unterwerfung notwendig ein Übel? Könnte es nicht, a minima, eine Lust an der Unterwerfung geben?

Weibliche Unterwerfung und Feminismus

Weit davon entfernt, frauenfeindlich zu sein, kann eine solche Frage entschieden feministisch sein. Der Feminismus ist ein theoretisches Unternehmen und ein politisches Programm zur Verteidigung der Frauen, das darauf abzielt, eine gewisse Form von Gleichheit zwischen Männern und Frauen zu fördern – egal ob man diese Gleichheit in Form der Differenz oder in Form der Ähnlichkeit denkt. Die feministische Agenda umfasst mehrere Komponenten, und zwar auf den ersten Blick mindestens zwei: die Unterdrückung der Frauen als Frauen ans Licht zu bringen und gegen diese Unterdrückung zu kämpfen.

Die erste Komponente führt den Feminismus dazu, eine Gesellschaftskritik vorzunehmen, die zu zeigen versucht, dass die Ungleichheiten zwischen den Geschlechtern systematisch, weit verbreitet und historisch sind und somit ein strukturelles System patriarchaler Unterdrückung darstellen. So hat die Frauenbewegung historisch betrachtet daran gearbeitet, die von den Frauen erfahrene Unterdrückung im Rahmen der männlichen Dominanz zu beleuchten, indem sie auf der individuellen oder kollektiven Ebene die Ungerechtigkeiten, die die Frauen erlebt haben, aufgezeigt und den strukturellen oder allgemeinen Charakter der Unterdrückung, der sie ausgesetzt waren, zutage gebracht hat. Diese erste – theoretische – Komponente ist eine Voraussetzung für die zweite Komponente, den Kampf gegen diese Unterdrückung, da sie ihre Funktionsweise zu verstehen erlaubt. Sie zeigt zum Beispiel, dass die Herrschaft der Männer über die Frauen die Funktion und Wirkung hat, die Frauen auf die Stille zu reduzieren und ihre Erfahrungen systematisch zu entwerten, wie das, was als Arbeit der care bezeichnet wird, das heißt der Sorge für andere.

Diese erste Komponente erlaubt auch, die Herrschaftsmechanismen zu identifizieren, die es zu bekämpfen gilt, und trägt so zur Konstituierung der zweiten Komponente bei. Da zum Beispiel die Reduktion der Frauen auf die Stille als einer der Mechanismen männlicher Dominanz identifiziert wird, besteht eines der Elemente des feministischen Kampfes gegen die patriarchale Unterdrückung darin, dafür zu sorgen, dass die Stimmen der Frauen gehört und ernst genommen werden, im Gegensatz zum patriarchalen System, in dem die Männer anstelle der Frauen sprechen. Hier die Unterwerfung der Frauen zu untersuchen, ist insofern ein feministisches Unternehmen, als es darin besteht, den Frauen Gehör zu schenken und ihre Erfahrungen ernst zu nehmen und nicht von vornherein zu beschließen, dass sie Opfer, schuldig, passiv oder pervers sind.

Dennoch haben die Feministinnen das Thema der weiblichen Unterwerfung sorgfältig vermieden.5 Die Erklärung hierfür liegt sicher in der Sorge, damit den Anschein zu erwecken, Wasser auf die Mühlen der Konservativen zu gießen, die in einem solchen Thema einen Beweis dafür sehen würden, dass die Feministinnen selbst an die unterwürfige und mütterliche Natur der Frauen glauben. Die Chauvinisten kommen immer schnell zu dem Schluss, dass die Frauen unterwürfig sind, weil sie »dies mögen«, und leugnen so die strukturellen Auswirkungen der männlichen Dominanz. Ein typisches Beispiel für dieses Phänomen findet sich in bestimmten Kommentaren zur häuslichen Gewalt, die davon ausgehen, dass die Frauen nicht sprechen, weil das, was sie erleben, zweifellos nicht so schrecklich ist. Nicht über die Unterwerfung zu sprechen und sich damit zu begnügen, die Herrschaft der Männer über die Frauen anzuprangern, erlaubt so, nicht Gefahr zu laufen, den Opfern die Schuld zu geben. Diese Vorsicht ist problematisch, weil sie einen wichtigen Teil des globalen und strukturellen Phänomens der männlichen Dominanz mit Schweigen übergeht, nämlich die Komplizenschaft, die sie hervorruft. Man kann und muss die weibliche Unterwerfung untersuchen, ohne deshalb davon auszugehen, dass es in dieser Unterwerfung etwas gibt, was typisch oder natürlich weiblich ist.

Um den fundamentalen Unterschied zwischen einer Untersuchung der Unterwerfung der Frau und der Hypothese des Ewigweiblichen, das heißt einer unterwürfigen weiblichen Natur, zu verstehen, können wir uns der Linguistik und Sprachphilosophie zuwenden. Tatsächlich muss man zwei Arten von Aussagen unterscheiden: die der Verfechter eines ewigweiblichen Wesens, die sagen, »die Frauen sind unterwürfig«, und die, die sagen, »Frauen sind unterwürfig« oder »Frauen entscheiden sich für die Unterwerfung«. Im ersten Fall werfen wir durch die Verwendung dessen, was die Linguisten als generischen Ausdruck bezeichnen (»die« Frauen, was alle Frauen oder zumindest die normalen Frauen beinhaltet), alle Frauen in einen Topf, den eines unterwürfigen Wesens, das ihnen durch die Tatsache, Frauen zu sein, gemeinsam sei. Im zweiten Fall werden keine Hypothesen über das Wesen oder die Norm der Weiblichkeit aufgestellt, sondern bestimmte Erfahrungen oder singuläre Lebensformen ernst genommen. Es wird nicht gesagt, dass eine solche Unterwerfung gut, schlecht, wünschenswert oder normal ist, es wird nur gesagt, dass einige Frauen, vielleicht viele, vielleicht auch nicht, in einer Situation der Unterwerfung leben. Während die erste Aussage eine normative Dimension hat, sind die beiden anderen rein deskriptiv. Die Unterwerfung von Frauen zu untersuchen, ist ein feministisches Unternehmen, weil es darin besteht, eine von Frauen erlebte Erfahrung zu beschreiben, ohne diese Erfahrung für das Frausein als absolut, natürlich und notwendig zu betrachten.

Dieses Unternehmen ist, kurz gesagt, feministisch, weil es die Sicht der Frauen selbst zum Ausgangspunkt der Analyse macht. Nach dem, was man nunmehr als Weinstein-Affäre bezeichnen kann, ist die Welt mehr oder weniger in zwei Lager geteilt: diejenigen, die glauben, dass die Gesellschaft durch die Dominanz der Männer über die Frauen strukturiert ist, und diejenigen, die glauben, dass diese Dominanz entweder nicht existiert oder im Grunde genommen nicht so gravierend ist. Feministische Arbeiten zeigen, dass diese Unterteilung problematisch ist, weil sie auf der Annahme beruht, dass allein die Sichtweise und Handlungen der Männer zählen. Auch wenn versucht wird, die Stellung der Frau in unserer Gesellschaft zu beschreiben und gegebenenfalls in Frage zu stellen, indem von »männlicher Dominanz« gesprochen wird, wird die von feministischen Epistemologinnen seit langem ans Licht gebrachte Gewohnheit aufrechterhalten, die Welt stets aus der Sicht der Männer zu betrachten, die als neutrale und objektive Sicht angesehen wird.6 Es sind die Männer, die dominieren oder nicht dominieren, die vergewaltigen, verführen, antragen, genießen, betrügen.

Die Unterwerfung aus Sicht der Frauen

Man muss die Neutralisierung der männlichen Sichtweise und ihre systematische Übernahme auf der politischen und epistemischen Ebene, das heißt auf der Ebene der Wissensbildung, anfechten. Auf der politischen Ebene ist es unmöglich, irgendeine Art von Gleichberechtigung zwischen Männern und Frauen zu fördern, wenn man versucht, sie von einem männlichen Standpunkt aus aufzubauen, der die Erfahrung der Frauen nicht berücksichtigt. Feministische Philosophinnen haben zum Beispiel gezeigt, dass die klassische politische Philosophie auf der Unterscheidung zwischen einer öffentlichen, politischen Sphäre, die den Männern vorbehalten ist und in der die Individuen als voneinander unabhängig begriffen werden, und einer privaten Sphäre beruht, der der Familie, auf die die Frauen beschränkt sind und in der die Menschen durch Beziehungen der Zuneigung und Abhängigkeit miteinander verbunden sind.7 Die klassische politische Philosophie verschleiert diese dennoch von ihr vorgenommene Unterscheidung und schließt so a priori die Frauen aus dem Bereich der Politik aus. Die Neutralisierung der männlichen Sichtweise in Frage zu stellen, erlaubt zu zeigen, wie die männliche Dominanz strukturiert ist und wie sie sich verstetigt.

Zu dieser politischen Dimension kommt eine epistemische Dimension hinzu: Die Hegemonie der männlichen Sicht in Frage zu stellen und die Welt aus der Sicht der Frauen zu studieren, ermöglicht uns ein vollständigeres Wissen über die Welt, in der wir leben. Die Marxisten waren die Ersten, die die Vorstellung vertraten, dass die Erkenntnisse standortgebunden sind und dass die soziale Stellung der Akteure ihnen Zugang zu einer bestimmten Sicht der Welt verschafft. Die Sicht der Herrschenden und die Sicht der Beherrschten eröffnen so nicht die gleichen Erkenntnisse der Welt. Doch was passiert, wenn man die männliche Dominanz und die Frage der Gleichberechtigung der Geschlechter untersucht? Das Fortbestehen der Ungleichheiten zwischen Männern und Frauen in den westlichen Gesellschaften, in denen die Frauen im Allgemeinen die gleichen Rechte haben wie die Männer, scheint unverständlich. Wenn die Frauen die gleichen Rechte haben wie die Männer, Zugang zu Bildung, Berufstätigkeit und politischen Ämtern haben und sich dort dennoch in einer Position der Inferiorität befinden, ist es dann nicht einfach so, dass sie weniger gut sind als die Männer oder lieber »zu Hause bleiben«? Wenn man die Sicht der Männer einnimmt, besteht die beste Antwort auf das Rätsel der Fortdauer der männlichen Dominanz darin, zu sagen, dass die Frauen heute Akteure wie alle anderen sind, und wenn sie sich in einer Position der Unterlegenheit befinden, dies wahrscheinlich auf eine geringerwertige oder andere Natur zurückzuführen ist. Was sieht man, wenn man sich mit der männlichen Dominanz aus Sicht der Frauen befasst? Die Tatsache, dass angesichts des patriarchalen Gesellschaftssystems die Unterwerfung unter dieses System manchmal die beste Option ist.

Das soll nicht heißen, dass alle Frauen den Männern unterworfen sind, noch, dass die Frauen ein anderes Wesen haben, das sie zur Unterwerfung bestimmt. Nein, es handelt sich lediglich um eine Feststellung: Die männliche Dominanz aus der Sicht der Frauen zu betrachten, aus der Sicht dessen, was diese Dominanz mit ihnen macht, bedeutet sehr oft, die Unterwerfung der Frauen in ihrer ganzen Komplexität zu sehen, in dem, was sie an Verführerischem und Entfremdendem haben kann. Die Unterwerfung der Frauen aus der Sicht der Frauen zu untersuchen bedeutet nicht, zu sagen, dass alleine die Frauen eine Verantwortung für den Fortbestand der männlichen Dominanz hätten, sondern bedeutet im Gegenteil, zu zeigen, was die männliche Dominanz mit den Frauen macht, wie sie von den Frauen erlebt wird und wie sie ihre Entscheidungen und Wünsche in einer Weise konfiguriert, die die klassische Philosophie in ihrem methodologischen Sexismus nicht erfassen kann.

Die Frage der Perspektive

Um die Unterwerfung untersuchen zu können, muss man zunächst wissen, worum es sich genau handelt. Von Unterwerfung und nicht von Herrschaft zu sprechen, bedeutet zunächst, sich dafür zu entscheiden, den Blick auf die Macht umzudrehen. Auch wenn es an Studien über Herrschaft nicht mangelt, insbesondere im Kontext der politischen Philosophie, gibt es doch nur sehr wenige, die die Unterwerfung aus Sicht des Unterworfenen betrachten und nicht aus Sicht desjenigen, der unterwirft. Man scheint sich einig, dass es nicht notwendig ist, die Unterwerfung als solche zu untersuchen, und dass man mit dem Verstehen der Herrschaft, wie durch einen Spiegeleffekt, auch die Unterwerfung versteht. Vor dem Hintergrund dieser Tradition beruht die Originalität von La Boéties Von der freiwilligen Knechtschaft auf der Untersuchung der Macht von unten (als dem sub von submissio), aus der Perspektive der Untertanen des Tyrannen, um zu verstehen, was genau ihre Unterwerfung unter den Tyrannen ist. Dennoch denkt er das, was er als freiwillige Knechtschaft bezeichnet, nur innerhalb der Beziehung des Bürgers zum Tyrannen oder König, das heißt in einem streng politischen Rahmen, während die Unterwerfung der Frauen eine interindividuelle Unterwerfung ist.

In einem interindividuellen Kontext denselben Blick von unten einzunehmen wie La Boétie macht es notwendig, mit einer deskriptiven und begrifflichen Arbeit an dem zu beginnen, was die Unterwerfung ist. Auf den ersten Blick betrifft die Unterwerfung immer die anderen. Ein paradigmatisches Beispiel für die Unterwerfung ist die verschleierte muslimische Frau, die in den ärmeren Stadtvierteln lebt – genau gegen dieses Bild richtet sich die Namensgebung des Vereins Ni putes ni soumises (Weder Huren noch unterwürfig). Diese muslimische Frau wird zum Ausdruck des absolut unterwürfigen Anderen aufgebaut, mit dem man sich nicht identifizieren kann.8 Schaut man genauer hin, kann man in Wirklichkeit bei einer ganzen Reihe von Alltagserfahrungen eine Ähnlichkeit erkennen. Sie zeigen, dass die Unterwerfung keine unmoralische Haltung der anderen ist, von Menschen, die keinen Sinn für die Freiheit hätten. Bedenkt man, dass man bei der Arbeit lieber einem Chef unterstellt ist, als selbstständig zu sein – auch wenn man aufgrund dieser Tatsache jemandem gehorchen muss –, dass man mehr tut, als der Chef verlangt, selbst wenn dies für einen selbst negative Folgen hätte (dies bezieht sich auf alle Fälle von Diensteifer bei der Arbeit – länger als erforderlich am Arbeitsplatz zu bleiben, am Wochenende zu arbeiten, wenn man nicht dazu gezwungen ist etc.), dass man gegenüber jemandem eine Unterlegenheit anerkennt, die es rechtfertigt, ihm zu gehorchen, dass man jemand anderem dienen will, ohne dafür im Gegenzug etwas zu erwarten (zum Beispiel die ungleiche Verteilung der Hausarbeit), dann erscheint uns die Unterwerfung nicht länger außergewöhnlich. Vor allem bei den Frauen wird die unterwürfige Frau immer noch als eine Gestalt dargestellt, die statistisch in der Minderheit ist – die verschleierte Frau, die Hausfrau, die von einem mittellosen und alkoholabhängigen Ehemann geschlagene Frau. In Wirklichkeit ist die Unterwerfung jedoch eine Erfahrung, die sehr viel allgemeiner und alltäglicher ist: Zu hungern, um in Größe 36 zu passen, hat etwas von Unterwerfung, das Verhalten der Ehefrauen von Akademikern oder Schriftstellern, die an der Recherche beteiligt sind, aber nicht als Koautorinnen betrachtet werden, hat etwas von Unterwerfung, die gesamte mentale Last des Haushalts zu übernehmen, hat etwas von Unterwerfung. Wenn die Unterwerfung keine ungewöhnliche und minoritäre Haltung ist, sondern eine alltägliche und gemeinsame Erfahrung, muss man sich darum bemühen, genau zu verstehen, worin sie besteht und worin sie sich von der Beherrschung unterscheidet, mit der sie beinahe systematisch assoziiert wird.

Welche Frauen?

Dieses Buch möchte die Unterwerfung der Frauen innerhalb der interindividuellen Beziehungen zwischen Männern und Frauen in westlichen Gesellschaften untersuchen. Diese Eingrenzung des Problems mag auf den ersten Blick heteronormativ und hegemonial erscheinen; ich glaube aber nicht, dass dies der Fall ist.

Einer der Gründe, aus denen mir die weibliche Unterwerfung als ein interessanter Ort der Analyse erscheint, ist das Gefühl, dass sich hier eine mit der männlichen Dominanz verbundene strukturelle Dimension und eine individuelle Dimension verknüpfen, da die Frauen rechtlich und sozial genügend Handlungsspielraum haben, um ihre Handlungen als Ergebnis von Entscheidungen zu sehen. Bei nicht heterosexuellen Beziehungen ist denkbar, dass die strukturelle Dimension der Unterwerfung zwar nicht fehlt, aber zumindest sehr viel schwächer ist als bei den Mann-Frau-Beziehungen: Die wenigen Arbeiten zur häuslichen Arbeitsteilung bei lesbischen Paaren gehen in diese Richtung, indem sie zeigen, dass die Strukturen der ungleichen Verteilung der Arbeit innerhalb des Paares, die bei Heterosexuellen untersucht wurden, fast fehlen.9 Sich auf heterosexuelle Beziehungen zu konzentrieren, bedeutet also nicht, diese als Norm zu betrachten, sondern vielmehr, darin den Paradeort der Unterdrückung der Frauen durch die Männer zu sehen.

Die Begrenzung unserer Analyse auf westliche Gesellschaften ist in zweierlei Hinsicht gerechtfertigt: Zum einen scheint ihre Unterwerfung umso problematischer, wenn nicht gar widersprüchlicher zu sein, je größer die Wahlfreiheit ist, über die die Frauen verfügen. Sich auf Gesellschaften zu stützen, in denen die Frauen zumindest formal den Männern gleichgestellt sind, erlaubt daher, das Problem in seiner ganzen Komplexität aufzurollen. Zum anderen geistern, wie die Philosophin Uma Narayan hervorhebt, in den Analysen der Autonomie von Frauen nichtwestlicher Welten oft zwei Phantombilder herum, das der »Gefangenen des Patriarchats«, das heißt der Frau, der die patriarchale Unterdrückung gewaltsam aufgezwungen wird, ohne dass sie den mindesten Freiraum hätte – der Frau, die gewaltsam verschleiert, gewaltsam verheiratet, gewaltsam eingesperrt wird; und das der »Betrogenen des Patriarchats«, die sich vollständig den patriarchalen Normen unterwirft, ohne die Unterdrückung zu sehen, die diese Normen begründen und fortbestehen lassen und die die westlichen Frauen sehr wohl sehen würden.10 Um sich vor diesen beiden kulturalistischen Vorstellungen zu hüten, scheint es sicherer, die Analyse auf westliche Gesellschaften zu beschränken, und hier insbesondere auf Frankreich und die Vereinigten Staaten (die beiden Länder, in denen ich lebe).

Herrschaft und Unterwerfung

Im allgemeinen Sprachgebrauch hat der Begriff der Unterwerfung drei Bedeutungen: Die erste bezieht sich auf die Bereitschaft, zu gehorchen, die zweite auf die Tatsache, sich zu unterwerfen und zu gehorchen, und die dritte auf die Kapitulation nach einem Kampf. Vor allem aufgrund der dritten Bedeutung ist die Unterwerfung negativ konnotiert und erscheint als ein Akt des Streckens der Waffen, im wörtlichen oder übertragenen Sinne. Die jüngsten Debatten über den Sadomasochismus haben dazu geführt, der Unterwerfung eine sexuelle Konnotation zuzuschreiben und sexuelle Unterwerfung und sexuelle Dominanz eng miteinander zu verknüpfen. Die negative Konnotation der Unterwerfung ist in diesem Bereich geringer, bleibt aber erhalten.

Die erste Schwierigkeit bei der Unterscheidung zwischen Unterwerfung und Beherrschung liegt in der sprachlichen Zweideutigkeit des Begriffs »Unterwerfung«. Während das Verb »beherrschen« grundsätzlich transitiv gebraucht wird,11 wird das Verb »unterwerfen« im Französischen transitiv (soumettre quelqu'un) und pronominal (se soumettre) gebraucht.12 In seinem transitiven Gebrauch gleicht unterwerfen, ohne dass es sich um eine absolute Äquivalenz handeln würde, beherrschen: Es geht um eine Handlung, die aus der Perspektive desjenigen verstanden wird, der sie ausführt, und die darin besteht, Macht über eine oder mehrere Personen auszuüben und damit ihre Handlungsmöglichkeiten zu modifizieren. Eine der zentralen Bedeutungen dieses Begriffs findet sich im Kriegsvokabular: einen Feind zu unterwerfen bedeutet, dass es gelungen ist, ihn hinreichend zu beherrschen, so dass ihm keine andere Wahl bleibt, als seine Waffen abzugeben und sich in den Dienst – und damit unter die Befehle – des Siegers zu stellen. In diesem Fall bedeutet unterwerfen völlig zu beherrschen, und zwar mit Gewalt. Während man jemanden durch sein Wissen, sein Charisma, seine natürliche Autorität beherrschen kann,13 unterwirft man jemanden nur mit Gewalt und Zwang. Den Unterwerfungsakt als einen besonderen und besonders heftigen Fall des Beherrschungsakts zu verstehen, trägt der scheinbaren Äquivalenz von »beherrscht« und »unterworfen« Rechnung.

Dennoch ist es nicht dasselbe, wenn man zum Beispiel sagt, dass die Arbeiterklasse beherrscht wird oder dass sie unterwürfig ist. Zu sagen, dass die Arbeiter beherrscht werden, bedeutet zur Kenntnis zu nehmen, dass über sie eine Macht ausgeübt wird, die ihr Handlungsfeld beschränkt oder zumindest modifiziert. Zu sagen, dass sie unterwürfig sind, fügt eine negative Konnotation hinzu, weil man so ihre Abhängigkeit und ihren Gehorsam gegenüber der über sie ausgeübten Macht betont. Wenn gesagt wird, dass die Arbeiter beherrscht werden, werden sie als eine unpersönliche Masse wahrgenommen, über die eine willkürliche Macht ausgeübt wird, wenn man sie jedoch unterwürfig nennt, werden sie in gewisser Weise repersonalisiert, indem man ihr Verhalten gegenüber der Herrschaft betont, der sie ausgesetzt sind: Ihre Situation erscheint als freiwillig. Wenn wir hier von »Unterwerfung« sprechen, versuchen wir, die Handlung oder Situation desjenigen zu beschreiben, der sich unterwirft, der sich also auf die eine oder andere Weise für eine Unterwerfung entscheidet, die die seine ist. Um jede Zweideutigkeit zu vermeiden, wird der Begriff im weiteren Text einzig folgendermaßen verwendet: Die Unterwerfung ist die Handlung oder Situation des- oder derjenigen, der oder die sich unterwirft.

Diese Handlung des Sich-Unterwerfens erscheint jedoch sofort paradox, da es sich um eine Aktivität in der Passivität handelt: Das Subjekt entscheidet sich – unabhängig vom Grad der Rationalität oder Komplexität dieser Entscheidung –, nicht mehr derjenige zu sein, der entscheidet. Natürlich kann man sich in Ermangelung einer anderen Wahlmöglichkeit entscheiden, sich zu unterwerfen, doch handelt es sich auf jeden Fall um eine Entscheidung, zumindest um eine Entscheidung, nicht gegen die Macht vorzugehen, die über einen ausgeübt wird. Daher kann man bei der Unterwerfung zwei mögliche Arten von Willen unterscheiden: einen aktiven Willen, der der positive Wille wäre, unterworfen zu werden, und einen passiven Willen, der die Resignation oder der fehlende Widerstand gegenüber der ausgeübten Macht wäre. In jedem Fall spricht man von Unterwerfung aber nur dann, wenn es keinen aktiven Widerstand gegen die ausgeübte Macht gibt, wenn es also einen Willen des Akteurs gibt, der darin zum Ausdruck kommt. Die Unterwerfung ist daher a minima das Ergebnis des Willens, sich nicht aktiv der Herrschaft zu widersetzen.

Um die Zusammenhänge zwischen Unterwerfung und Herrschaft genau zu verstehen, ist es wichtig zu sehen, dass der Begriff »Herrschaft« mehrdeutig ist. Wenn man von Herrschaft spricht, kann man sich entweder auf eine Relation beziehen – männliche Herrschaft ist zum Beispiel die gebräuchliche Bezeichnung für die Beziehung zwischen der sozialen Gruppe der Männer und der sozialen Gruppe der Frauen in der Gesellschaft – oder auf eine Aktion – diese männliche Herrschaft erfolgt durch Herrschaftshandlungen, wovon eine der Extremformen die häusliche Gewalt ist. Ein Herrschaftsverhältnis ist eine vertikale, hierarchische, asymmetrische Beziehung zwischen mindestens zwei Akteuren, bei der ein Akteur, derjenige, der herrscht, die Möglichkeit hat, die Handlungen eines anderen Akteurs, desjenigen, der beherrscht wird, entscheidend zu beeinflussen. Sobald dieser Unterschied klar ist, wird deutlich, was die Unterwerfung ist: In einer Herrschaftsbeziehung (Herrschaft 1) zwischen einem Akteur A und einem Akteur B kann es eine Herrschaftshandlung (Herrschaft 2) von A über B und eine Unterwerfungshandlung von B unter A geben.

Es gibt Beziehungen, bei denen es keine Unterwerfung gibt. Das ist bei der Herrschaft per Gewalt der Fall in einer Situation der totalen Ungleichheit der Gewalt – und daher dort, wo die Herrschaft im Sinne von 1 allein auf der Herrschaft im Sinne von 2 beruht. In diesem Fall gibt es keine Unterwerfung, insofern es seitens desjenigen, der gehorcht, keinen wirklichen Willen zu gehorchen gibt, da die Alternative Gehorsam oder Tod lautet. Eine Herrschaft ohne Unterwerfung ist eine Herrschaft, die auf Gewalt beruht und daher ihrem Wesen nach instabil ist, da sie keine Existenzgrundlage mehr hat, wenn die Gewalt nachlässt. Man kann sich auch eine Situation vorstellen, in der es keine Herrschaft im Sinne von 2 gäbe und wo die Herrschaft im Sinne von 1 allein auf der Unterwerfung beruhen würde, was man üblicherweise als freiwillige Unterwerfung bezeichnet. Ein mögliches Beispiel für diese Art von Unterwerfung ist die des Masochisten, der die Frau sucht, die sein Herr sein möchte, wie beispielsweise in den Texten von Sacher-Masoch. Häufig bestehen Herrschaftsverhältnisse jedoch aus einer Mischung von Herrschafts- und Unterwerfungshandlungen.

Mit Beauvoir

Dieses Herrschaftsschema erlaubt uns, unser Thema besser einzugrenzen: Die Untersuchung der Unterwerfung der Frauen besteht darin, das Handeln oder die Situation von Frauen zu untersuchen, die Teil einer Herrschaftsbeziehung sind, der sie sich nicht widersetzen. Das bedeutet, die Herrschaft der Männer nicht mehr aus der Sicht der Herrschenden zu betrachten, sondern aus der Sicht derer, die sich unterwerfen. Anstatt die Unterordnung der Frauen von außen und objektiv zu beschreiben, geht es darum, sich zu