Hochzeit in Hardingsholm - Inga Lindström - E-Book

Hochzeit in Hardingsholm E-Book

Inga Lindström

0,0
5,99 €

-100%
Sammeln Sie Punkte in unserem Gutscheinprogramm und kaufen Sie E-Books und Hörbücher mit bis zu 100% Rabatt.
Mehr erfahren.
Beschreibung

Eine romantische Liebesgeschichte mit viel Gefühl und schönen Landschaften

Die junge Pilotin Hellen erhält den Auftrag, ein Hochzeitskleid auf die schwedische Insel Hardingsholm zu liefern. Sie landet im Garten eines abgelegenen Anwesens, wo das Brautpaar gerade seinen Polterabend feiert. Der attraktive Bräutigam Erik lädt Hellen spontan zum Bleiben ein. Hellen ist auf Anhieb fasziniert von ihm - doch sie weiß, dass Erik schon am nächsten Tag den Bund der Ehe mit Linn eingehen will. Als die Hochzeit wegen einer Fischvergiftung im letzten Moment verschoben werden muss, werden nicht nur die Gefühle von Hellen und Erik auf die Probe gestellt ...

Bei Inga Lindström zeigt sich Schweden von seiner schönsten Seite - zum Wegträumen!

Mit typisch schwedischen Rezepten im Anhang.

eBooks von beHEARTBEAT - Herzklopfen garantiert.


Das E-Book können Sie in Legimi-Apps oder einer beliebigen App lesen, die das folgende Format unterstützen:

EPUB

Seitenzahl: 304

Veröffentlichungsjahr: 2018

Bewertungen
0,0
0
0
0
0
0
Mehr Informationen
Mehr Informationen
Legimi prüft nicht, ob Rezensionen von Nutzern stammen, die den betreffenden Titel tatsächlich gekauft oder gelesen/gehört haben. Wir entfernen aber gefälschte Rezensionen.



Inhalt

Cover

Über das Buch

Über die Autorin

Titel

Impressum

- 1 -

- 2 -

- 3 -

- 4 -

- 5 -

- 6 -

- 7 -

- 8 -

- 9 -

- 10 -

- 11 -

- 12 -

- 13 -

- 14 -

- 15 -

- 16 -

- 17 -

- 18 -

- 19 -

- 20 -

- 21 -

- 22 -

- 23 -

- 24 -

- 25 -

- 26 -

- 27 -

- 28 -

- 29 -

- 30 -

- 31 -

- 32 -

- 33 -

- 34 -

- 35 -

- 36 -

- 37 -

- 38 -

- 39 -

- 40 -

- 41 -

- 42 -

- 43 -

- 44 -

- 45 -

- 46 -

- 47 -

- 48 -

- 49 -

- 50 -

- 51 -

- 52 -

- 53 -

- 54 -

- 55 -

- 56 -

- 57 -

- 58 -

- 59 -

- 60 -

- 61 -

- 62 -

- 63 -

- 64 -

- 65 -

- 66 -

- 67 -

- 68 -

Rezepte

Pannkakstårta

Kanelbullar

Tomat - och apelsinsoppa

Laxrullar med fiskrom

Sill tartare

Sjömannsbiff

Fiskgryta

Hasselbackspotatis

Flundra med champinjoner

Fläskstek med katrinplommon

Kesellakaka

Ärtsoppa med fläsk

Kaffegravad lax

Julkaka

Fylld forell

Über das Buch

Eine romantische Liebesgeschichte mit viel Gefühl und schönen Landschaften

Die junge Pilotin Hellen erhält den Auftrag, ein Hochzeitskleid auf die schwedische Insel Hardingsholm zu liefern. Sie landet im Garten eines abgelegenen Anwesens, wo das Brautpaar gerade seinen Polterabend feiert. Der attraktive Bräutigam Erik lädt Hellen spontan zum Bleiben ein. Hellen ist auf Anhieb fasziniert von ihm - doch sie weiß, dass Erik schon am nächsten Tag den Bund der Ehe mit Linn eingehen will. Als die Hochzeit wegen einer Fischvergiftung im letzten Moment verschoben werden muss, werden nicht nur die Gefühle von Hellen und Erik auf die Probe gestellt …

Über die Autorin

Inga Lindström ist das Pseudonym einer erfolgreichen Drehbuchautorin. Sie ist verheiratet mit einem Bildhauer und Mutter einer Tochter. Sie pendelt zwischen Großstadt und Land. Nachdem sie Jura und Anglistik studiert und einige Jahre als Journalistin gearbeitet hatte, wandte sie sich dem Theater zu. Sie arbeitete bald auch als Dramaturgin für verschiedene Fernsehproduktionsgesellschaften. Und fing schließlich an, selbst Drehbücher zu schreiben.

Inga Lindström

HOCHZEIT INHARDINGSHOLM

Roman

beHEARTBEAT

Überarbeitete Neuausgabe

»be« - Das eBook-Imprint von Bastei Entertainment

Copyright © 2013/2018 by Bastei Lübbe AG, Köln

Textredaktion: Marion Labonte, Wachtberg

Covergestaltung: Massimo Peter-Bille unter Verwendung eines Motives © shutterstock: mizio70

eBook-Erstellung: Jilzov Digital Publishing, Düsseldorf

ISBN 978-3-7325-6543-6

www.be-ebooks.de

www.lesejury.de

– 1 –

Es war eine dieser Sommernächte, in denen es in Schweden nie ganz dunkel wird. Der Mann schlich durchs Unterholz. Der Kanister in seiner rechten Hand wog schwer, und er kam nur langsam voran. Kleine Äste schlugen ihm ins Gesicht, Dornen stachen durch seine Hosenbeine. Trotzdem fühlte er sich nicht erleichtert, als er endlich schwitzend und keuchend sein Ziel erreichte: die Baustelle.

Er blieb stehen, atmete schwer. Sein Gewissen machte ihm zu schaffen. Noch konnte er zurück, konnte es sich anders überlegen. Er war schon fast geneigt, den Auftrag abzulehnen, bis er wieder an das Geld dachte, das er vorab dafür erhalten hatte. Geld, das er dringend brauchte, für sich und Ulrika, mit der er ein völlig neues Leben beginnen wollte.

Der Mann presste die Lippen fest aufeinander und schloss die Augen. Ja, er hatte es verdient, dieses neue Leben. Irgendwo anders, wo er nicht mehr so hart arbeiten musste, und mit einer Frau an seiner Seite, die ein bisschen Luxus erwartete.

Zu Recht, wie er fand. Er konnte es immer noch nicht fassen, dass eine Frau wie sie ihn überhaupt eines Blickes würdigte. Mehr noch, dass sie mit ihm zusammen sein wollte.

»Für Ulrika! Für Ulrika! Für Ulrika!« Wie ein Mantra murmelte er die beiden Worte vor sich hin, während er den Vorplatz in Richtung des großen Holzhauses überquerte, in das schon in Kürze die Bewohner einziehen würden. Noch war es nicht ganz fertig, aber die Maschinen und das Material für die letzten Baumaßnahmen standen bereit und schienen ihn durch das Halbdunkel vorwurfsvoll anzublicken. Er beschleunigte seine Schritte. Ja, er ging ein hohes Risiko ein, aber wer außer ihm sollte sich hier draußen mitten in der Nacht aufhalten?

Er hatte den Gedanken kaum zu Ende gebracht, als er ein leises Knacken vernahm. War es hinter ihm? Vor ihm?

Er war stehen geblieben, spürte den Rhythmus seines eigenen Herzens und lauschte angestrengt in die Dunkelheit.

Kein Laut war mehr zu hören. Sein Herzschlag beruhigte sich allmählich, aber die Anspannung in ihm blieb.

Für ihn gab es kein Zurück. Er öffnete den Kanister und hielt den Atem an.

– 2 –

Dem Himmel so nah!

Hellen hätte schreien können vor Glück. Wie lange war es her, dass sie so unbeschwert und frei wie ein Vogel durch die Lüfte geflogen war! Sie spürte jeden Aufwind und jedes Luftloch unmittelbar und fühlte sich in der kleinen Maschine eins mit der Natur um sich herum.

Fliegen in Perfektion. Über ihr der Himmel, unter ihr grüne Wälder, kleine Ansiedlungen, einzelne Gehöfte und hin und wieder das blau schimmernde Wasser kleiner Seen. Und nun sogar das Meer. Endlos schienen sich die Schären in der Ostsee zu verlieren. Grüne Flecken in der blauen See, hingetupft wie Smaragde auf einer schimmernden Oberfläche.

Hellen war ihrer Freundin in doppelter Hinsicht dankbar. Zum einen, weil Lara ihr gleich das Steuer des kleinen Wasserflugzeugs überlassen hatte, zum anderen, weil Lara nun schweigend neben ihr saß und sie die pure Freude dieses Fluges über die vielen Inseln und Inselchen genießen ließ. Allerdings wusste sie auch, dass ihrer Freundin nicht zum Reden zumute war. Ihr trauriges Gesicht sprach Bände. Kurz griff Hellen nach Laras Hand.

Lara lächelte. »Es geht schon«, sagte sie leise, aber in ihrer Stimme schwangen ungeweinte Tränen mit.

Lara hatte es sich nicht nehmen lassen, sie in Nyköping abzuholen. Hellen war dort zu Besuch bei ihren Eltern gewesen, die sie in den letzten Jahren nur selten gesehen hatte. Ihre Ausbildung zur Berufspilotin hatte kaum Zeit für anderes gelassen, und daneben gab es ja auch noch Torsten.

Sie musste unwillkürlich lächeln, als sie an ihren Freund dachte. Seit zwei Jahren teilten sie sich eine Wohnung in Stockholm, aber die würde während ihrer Abwesenheit nun zumeist leer stehen. Im Augenblick flog Torsten ständig die Strecke Stockholm–Toronto, jeweils mit einem zweitägigen Aufenthalt in Kanada. Er führte also genau das Leben, von dem auch sie nach Abschluss ihrer Ausbildung träumte. Aber jetzt, als sie eine von Laras kleinen Maschinen steuerte, da fragte sie sich ernsthaft, ob sie ihre Freundin nicht viel mehr beneiden sollte als ihren Freund. Man will immer das, was man gerade nicht hat, dachte sie amüsiert, flog einen weiten Bogen und begann schließlich mit dem Sinkflug über Norrtälje.

Laras Haus lag einsam direkt am Ufer des Norrtäljeviken. Hier wasserten die Flugzeuge ihres kleinen Unternehmens im Fjord direkt vor dem roten Haus, in dem sie wohnte und in dem auch ihre kleine Firmenzentrale ihren Sitz hatte, nur wenige Meter vom Landungssteg entfernt.

»Ich bin dir so dankbar, Hellen«, seufzte Lara, als Hellen zur Wasserung ansetzte. »Du bist meine Rettung in letzter Sekunde. Würdest du diesen Sommer nicht als Pilotin einspringen, könnte ich meinen Flugdienst an den Nagel hängen.«

Hellen lachte leise auf. »Du hattest schon immer einen Hang zur Dramatik. Ich bin ganz sicher, dass es genug Piloten auf der Welt gibt, die gerne für dich fliegen würden.«

»Ja, aber nicht so kurzfristig. Und es gibt keinen, dem ich meine Maschinen so bedenkenlos anvertrauen würde wie dir. Du warst meine beste Flugschülerin.«

Hellen freute sich über das Kompliment und stellte ihr Können auch jetzt wieder unter Beweis, als sie die Maschine auf dem Wasser landete. Es gab nur einen kurzen Ruck, dann spritzte die Gischt unter den Kufen auf. Hellen ließ die Maschine langsam bis zum Steg gleiten, dicht neben die zweite Maschine, die Lara in ihrem Betrieb einsetzte.

Hellen folgte Lara aus dem Flugzeug und balancierte über die Kufen. Das war gar nicht so leicht, mit der schweren Reisetasche in der Hand. Fast wie ein kleines Abenteuer, dachte Hellen amüsiert, bevor sie den Schritt auf den Steg wagte.

Lara lachte auf. »Herzlich willkommen. Schön, dass du da bist.«

»Danke.« Hellen blieb mitten auf dem Steg stehen, schaute sich um und atmete tief durch.

Das Haus am Ufer, das glasklare Wasser des Fjords, in dem sich das Himmelblau spiegelte, der gepflegte Garten mit den knorrigen alten Obstbäumen. Hellen spürte, wie sich eine tiefe Zufriedenheit in ihr ausbreitete. Damals, kurz nach dem Ende ihrer Schulzeit, hatte sie einige Monate hier gelebt. Jetzt war es ein bisschen, wie nach Hause zu kommen.

»Ich mache uns erst einmal einen Kaffee, danach richten wir dein Logbuch ein«, sagte Lara.

»Kaffee wäre toll.« Hellen nickte und ließ ihren Blick noch einmal über das glitzernde Wasser schweifen. Sie seufzte. »Es macht so großen Spaß, mit diesen Maschinen zu fliegen. Das wird wie Urlaub für mich sein.«

Ihr Blick folgte einem kleinen Motorboot, das rasch näher kam und die Geschwindigkeit jetzt ein wenig drosselte.

Ihr Blick traf den des Fahrers, und Hellen hatte für einen Moment das Gefühl, die Welt stünde still. Wie gebannt starrte sie diesen Mann an, der ihr fremd und gleichzeitig auf eine Art und Weise vertraut war, die sie sich nicht erklären konnte.

Sie konnte ihren Blick nicht von ihm reißen, und auch er ließ sie nicht los, selbst als das Boot leicht abdrehte, schaute er immer noch sie an. Plötzlich hatten Zeit und Raum keine Bedeutung mehr. Es gab nur ihn … und sie …

»Hellen!«

Wie durch eine Watteschicht drang Laras Stimme an ihr Ohr, ohne jedoch den Weg in ihr Bewusstsein zu finden.

Lara, die schon auf dem Weg zum Haus gewesen war, drehte sich um und kam zu ihr zurück. »Ist noch etwas?«

Hellen zwang ihren Blick zurück an Land und drehte sich langsam um. »Alles okay. Ich komme.«

Meine Güte, was war das denn? So etwas hatte sie noch nie erlebt.

Fassungslos suchte Hellen nach einer Erklärung. Lag es an den neuen Eindrücken, an dem Glücksgefühl, das sie eben empfunden hatte? Oder an dem großen Stress und dem harten Lernpensum der letzten Wochen? Eigentlich hatte sie geglaubt, sich in der Zeit bei ihren Eltern davon erholt zu haben, doch offensichtlich war das nicht so. Warum sonst sollte der Anblick eines völlig Fremden sie dermaßen aus der Fassung bringen?

Hellen blickte noch einmal in Richtung des Bootes. Es hatte sich inzwischen ein Stück entfernt, war aber doch nahe genug, dass sie erkennen konnte, wie auch der Fahrer den Kopf wandte und zu ihr schaute. Sogar das Lächeln auf seinem Gesicht konnte sie sehen. Sie lächelte zurück.

– 3 –

Was war das denn?«, hielt Erik Selbstgespräche, während er der Versuchung nicht widerstehen konnte, sich noch einmal umzudrehen. Er registrierte erstaunt die große Freude, die er empfand, als er bemerkte, dass die Frau ihm hinterherschaute.

Das gibt es doch nicht! Verständnislos schüttelte er den Kopf. Es konnte, es durfte doch nicht sein, dass ihn der bloße Anblick einer fremden Frau so aus der Fassung brachte. Und das ausgerechnet am Tag vor seiner Hochzeit!

Dann kam ihm ein Gedanke, und er schmunzelte unwillkürlich. Erfasste ihn so kurz vor der Hochzeit etwa eine Art Torschlusspanik? War er getrieben von der unbewussten Angst, etwas zu verpassen?

Nein. So etwas passte gar nicht zu ihm. Und außerdem war er glücklich mit Linn. Er hatte sich immer wohl mit ihr gefühlt, sie hatten eine Menge miteinander durchgemacht, sich gegenseitig in ihrem Leid aufgefangen und dadurch ganz zueinander gefunden. Die Hochzeit würde der krönende und absolut logische Abschluss eines langen Prozesses sein. Er war glücklich, und dieses Glück konnte der Anblick einer Frau, die er nicht kannte, ganz bestimmt nicht zerstören.

Er versuchte, sich auf andere Dinge zu konzentrieren. Der Polterabend heute, die Hochzeit morgen. Trotzdem ging ihm die Fremde nicht aus dem Kopf. Immer wieder war da dieses Gesicht, eingerahmt von dunklen Haaren. Dunkle Augen, geheimnisvoll, die ihn in ihren Bann zogen.

Wer war sie? Ein Fluggast von Lara? Eine ihrer Freundinnen?

Er zwang seine Gedanken zu seiner Arbeit, zu dem Großprojekt, das er betreute. Eine ganze Siedlung baute er, auf dem neu erschlossenen Grundstück direkt am Fjord. Es war sein bisher umfangreichster Auftrag, und Erik konnte nicht umhin, stolz darauf zu sein. Und es würde sein größter Erfolg werden. Der Wirtschaftskrise zum Trotz hatten die Käufer Schlange gestanden, um eines der Holzhäuser zu ergattern, für deren Bau seine Firma ausschließlich natürliche und unbedenkliche Baustoffe verwendete.

Sein Vater war seiner Zeit weit voraus gewesen, denn er hatte schon vor vielen Jahren, als Umweltschutz noch kein großes Thema war, sein Augenmerk vor allem auf ökologische Baustoffe gelegt und damit den hervorragenden Ruf seiner Baufirma begründet, den sie heute noch besaß.

Erik hatte sich bemüht, die Firma im Sinne seines Vaters weiterzuführen, aber oft wünschte er sich, Lars hätte ihn mit der Verantwortung nicht allein gelassen. Immerhin hatten er und sein Bruder die Firma nach dem schrecklichen Unfalltod der Eltern zu gleichen Teilen geerbt.

Wie immer, wenn er an seinen Bruder dachte, erfüllte ihn eine Mischung aus Ärger und Niedergeschlagenheit. Er war traurig darüber, auch seinen Bruder verloren zu haben, selbst wenn dieser noch am Leben war. Letzteres hoffte Erik inständig, aber er hatte schon länger nichts mehr von Lars gehört und wusste nur zu gut, dass der sich oft und gerne in gefährliche Situationen begab.

Stärker als die Trauer war jedoch die Wut. Erik fühlte sich von Lars im Stich gelassen, nicht zuletzt, was die Firma betraf. Oft musste er Entscheidungen treffen, bei denen er seinen Bruder gerne um Rat gefragt hätte. Aber Lars war nicht da, und Erik konnte nicht davon ausgehen, dass sein Bruder sich jemals für die Belange der Firma interessieren würde.

Die Gedanken kreisten in seinem Kopf, während er das Boot nun auf die Anlegestelle des Unternehmens zusteuerte.

Sein Vater hatte die Firma vor den Toren Norrtäljes direkt am Wasser erbaut. Erik hatte ihm im Stillen mehr als einmal für diese weise Entscheidung gedankt, denn durch diese Lage konnten zahlreiche Materialien per Schiff angeliefert werden, und Erik konnte Baustellen, die am Fjord oder weiter draußen auf einer der Inseln lagen, mit seinem eigenen Boot direkt ansteuern. Oder sich von Lara hinfliegen lassen.

Laras Flugbetrieb war nur wenige Kilometer entfernt. Sofort schob sich wieder das Gesicht der Fremden vor sein inneres Auge und erweckte dieses aufregend fremde Gefühl in ihm und den Gedanken, dass er sich gefühlsmäßig auf verbotenem Terrain befand.

Erik war froh, dass er jetzt den Anleger erreichte. Als er das Boot festmachte, sah er Nils, einen seiner Kunden, aus dem Wagen steigen. Nils war mit einer ehemaligen Klassenkameradin von Erik verheiratet, und die beiden hatten vor kurzem Nachwuchs bekommen.

»Hej, Erik!«

»Hej, Nils«, grüßte Erik. »Gut, dass du da bist, ich komme gerade von der Baustelle. Wir liegen voll im Plan, und wie es aussieht, könnt ihr nächsten Monat einziehen.«

»Klasse, deine Männer arbeiten wirklich gut. Aber ich wollte dich noch um eine Sache bitten«, er wedelte mit einer Papierrolle in seiner Hand.

»Oh, du hast den Bauplan dabei. Was ist denn los?«

»Alles okay«, sagte Nils lächelnd. »Ich bin äußerst zufrieden. Ich wollte nur fragen, ob der Erker hier ins Wohnzimmer integriert werden kann.« Er rollte den Bauplan auseinander, legte ihn auf einen Holzstapel am Kai und tippte mit dem Finger auf die Zeichnung. Erik beugte sich darüber und überlegte.

»Doch, das geht«, sagte er schließlich.

Nils war die Erleichterung förmlich anzusehen.

»Viel später hättest du mit diesem Änderungswunsch aber nicht kommen dürfen«, sagte Erik lächelnd. »Ich rufe gleich mal meinen Vorarbeiter an und sage ihm Bescheid.«

In diesem Moment klingelte sein Handy. Auf dem Display war Linns Name zu sehen. Ein warmes Gefühl durchströmte ihn. Linn, sie war ihm so vertraut. Sie war der Mensch, auf den er sich immer verlassen konnte und der ihm keine Überraschungen bescherte, schon gar keine unangenehmen.

»Erik, es ist schrecklich«, hörte er sie aufgeregt in den Hörer rufen, kaum dass er das Gespräch angenommen hatte.

»Was ist denn passiert?« Erik konnte sich ein Lächeln nicht verkneifen. Seine zukünftige Frau war in den letzten Tagen ausschließlich mit den Hochzeitsvorbereitungen beschäftigt gewesen, tatkräftig unterstützt durch ihre Mutter und seine Angestellten, und ständig passierten neue Katastrophen. Zumindest schien Linn es so zu erleben, Erik sah in den meisten Zwischenfällen kleine und lösbare Probleme.

Und richtig. »Das Brautkleid«, stieß Linn jetzt hervor. »Es wurde nicht geliefert.«

Erik zog die Augenbrauen zusammen. Diesmal konnte er Linns Aufregung durchaus nachvollziehen. Für Linn als zukünftige Braut war das Hochzeitskleid nun einmal unverzichtbarer Bestandteil der Feier.

»Es war doch fest abgemacht, dass das Kleid heute geliefert wird.«

»Ja, das weiß ich«, rief Linn, und er hörte die Hilflosigkeit in ihrer Stimme, die in Verzweiflung umzuschlagen drohte, »aber sie finden keinen Kurier, der das Kleid heute noch liefern kann.«

Keinen Kurier? In einer Stadt wie Örebro? Kurz überlegte er, selbst zu fahren, aber das würde viel zu lange dauern, gerade an einem Freitagmittag aus Norrtälje heraus, da fuhren doch alle in ihre Wochenendhäuser aufs Land. Schnell, geschweige denn rechtzeitig zum Polterabend, würde er niemals zurückkommen. Meine Güte, wieso hatte Linn ausgerechnet in Örebro ihr Hochzeitskleid gefunden? Plötzlich kam ihm eine Idee. Und sofort schob sich das Bild der dunkelhaarigen Fremden, die er auf Laras Fluggelände gesehen hatte, vor seine Augen. Und das ausgerechnet bei einem Telefonat mit der Frau, die er morgen heiraten sollte. In einem Gespräch über ihr Brautkleid.

»Reg dich nicht auf«, redete er beschwichtigend auf seine Verlobte ein. »Ich kümmere mich um alles. Du bekommst das Brautkleid heute noch. Versprochen!«

Linn beruhigte sich tatsächlich, als er ihr von der Idee mit Laras Wasserflugzeug erzählte, und legte schließlich auf.

Erik suchte in seinem Adressspeicher nach Laras Nummer. Sie hatte schon oft kleinere Aufträge für ihn übernommen, ab und an sogar Kunden zu ihm geflogen, aber dies hier würde der wichtigste Auftrag sein, den er ihr je erteilt hatte.

»Hier ist Erik Torberg«, sagte er, als sie sich gleich beim zweiten Klingeln meldete.

»Wer war diese Frau, die ich vor einer halben Stunde bei dir gesehen habe? Ist sie ein Fluggast? Woher kommt sie? Wie heißt sie …«

»Erik? Bist du noch da?«, drang Laras Stimme an sein Ohr.

Erik lachte verlegen auf. Gut, dass er keine dieser Fragen gestellt hatte, die ihm in Sekundenbruchteilen durch den Kopf geschossen waren!

»Sorry«, entschuldigte er sich. »Ja, ich bin noch da. Ich habe da einen kleinen Notfall und hoffe, dass du mir helfen kannst.« Er schilderte das Problem, und Lara versprach ihm, dafür zu sorgen, dass Linn ihr Brautkleid im Laufe des Nachmittags bekam. Erik bedankte sich und legte erleichtert auf. Als er das Gespräch beendet hatte, sah er in Nils’ grinsendes Gesicht.

»Ich sehe«, sagte Nils, »du hast alles im Griff.«

»Klar«, sagte Erik. Wenn du wüsstest, dachte er. Was er so gar nicht im Griff hatte, war seine augenblickliche Gefühlslage. Es war verrückt, dass er den Anblick einer Fremden überhaupt nicht aus seinen Gedanken verbannen konnte. Je mehr er es versuchte, umso stärker wurde der Wunsch, sie wiederzusehen.

– 4 –

Linn hatte sich auf einen der Stühle fallen lassen, die ebenso wie zahlreiche Tische in dem weitläufigen Park aufgestellt worden waren, und starrte deprimiert vor sich hin. »Am liebsten würde ich die ganze Hochzeit absagen. Es kann doch nur ein schlechtes Omen sein, dass sie es nicht schaffen, das Hochzeitskleid zu liefern!«

Edda, ihre Mutter, die gerade einen der Tische deckte, hielt inne und schaute ihre Tochter erschrocken an.

»Seit wann bist du denn so abergläubisch?«, fragte sie. »Die besten Hochzeiten sind doch die, die mit einer Katastrophe anfangen«, prophezeite sie. »Du wirst noch deinen Enkelkindern davon erzählen.«

Linn sah ihre Mutter ärgerlich an. »Ich habe kein Kleid«, sagte sie und betonte dabei jedes Wort.

Edda strich das Tischtuch glatt. »Erik wird schon dafür sorgen, dass du nicht nackt vor dem Altar stehst«, sagte sie leichthin.

»Hoffentlich!«, erwiderte Linn dumpf. Sie wusste selbst nicht, warum ihre Laune immer noch auf dem Tiefpunkt war. Eigentlich war sie schon vor dem Anruf des Brautladens nicht besonders fröhlich gewesen, und die Nachricht, dass das Kleid nicht mehr rechtzeitig geliefert werden konnte, hatte ihr lediglich den Rest gegeben.

Sollte eine Braut sich nicht ganz anders fühlen? Sollte sie nicht in Hochstimmung sein, weil sie am nächsten Tag für alle Zeiten mit dem Mann verbunden wurde, den sie liebte, der sie liebte?

Ja, sie liebte Erik. Er war für sie da gewesen, als es ihr sehr schlecht ging – und das, obwohl er selbst damals in einer schlimmen Verfassung gewesen war und der Verlust, den er mit dem Tod seiner Eltern erlitten hatte, sogar weitaus schlimmer wog als das, was ihr passiert war. Linn hatte sogar ansatzweise nachempfinden können, was Erik damals durchgemacht hatte. Ihre Mutter lebte zwar und erfreute sich glücklicherweise bester Gesundheit, aber ihr Vater war vor einigen Jahren nach langer und schwerer Krankheit gestorben. Für Linn, damals noch ein Teenager, war das eine beklemmende Zeit gewesen. Ihre Mutter hatte ihren Vater bis zuletzt liebevoll gepflegt, und so schmerzhaft sein Weggang gewesen war, so war er für ihn selbst und für alle, die ihm nahestanden, doch auch eine Erlösung gewesen.

Linn hatte viel darüber nachgedacht, was schlimmer war: ein langsamer, schleichender Tod oder ein schnelles, unvermitteltes Ende, so wie bei Eriks Eltern. Sie waren fröhlich und gut gelaunt zu einer Geburtstagsfeier aufgebrochen – und nie wieder zurückgekehrt. Ein Lastwagenfahrer hatte ein Stoppschild übersehen und war frontal in den PKW gerast. Anita und Björn Torberg waren auf der Stelle tot, so hatte die Polizei es Erik versichert.

Linn bekam immer noch Gänsehaut bei diesen schrecklichen Erinnerungen. Drei Tage später hatte die Beerdigung stattgefunden, aber zu diesem Zeitpunkt war Lars schon weg gewesen. Niemand wusste, wohin oder warum er verschwunden war, ohne ein Wort, aber nicht wenige vermuteten, dass er den Tod der Eltern nicht verkraftet hatte.

Linn hatte seitdem nichts mehr von ihm gehört. Manchmal war es so, als hätte es Lars nie gegeben. Dann war er nicht mehr als eine ferne Erinnerung. Und im nächsten Moment war wieder alles ganz nah, so als wäre es gestern erst passiert. Erik hatte in den letzten Jahren hin und wieder eine Karte von Lars bekommen. In sehr unregelmäßigen und vor allem langen Zeitabständen. Immer wieder aus einem anderen Land, von anderen Kontinenten. Also lebte er. Immerhin.

Linn zuckte zusammen, als ihre Mutter eine Hand auf ihre Hand legte und sich dann zu ihr setzte. »Du wirst eine wunderschöne Braut sein«, sagte sie liebevoll.

Linn befiel sofort ein Schuldgefühl ob ihrer Gedanken. Sie war ihrer Mutter dankbar für ihre Anteilnahme und hoffte inständig, dass Edda nicht ahnte, wohin ihre Gedanken gerade unterwegs gewesen waren.

»Es wird ein wunderschönes Fest werden«, fuhr Edda unbeirrt fort. »Genau so, wie du es dir gewünscht hast.«

Ja, so hatte sie es sich gewünscht. Vor Jahren schon. Damals hatte sie genau gewusst, wie ihre Hochzeit sein sollte. Welches Kleid sie tragen wollte und welche Schuhe, welches Essen serviert werden würde, all das hatte sie geplant. Wie sie auch ihr ganzes weiteres Leben geplant hatte. Nun geschah alles mit ein wenig Verspätung, und auch wenn es so verlief, wie sie es sich erträumt hatte, so war es doch ganz anders. Weil sie eine andere geworden war, weil sie sich weiterentwickelt hatte und weil Erik und nicht …

»Alles wird gut, Liebes«, unterbrach ihre Mutter ihre Gedanken. »Du wirst mit Erik sehr, sehr glücklich werden.«

»Ja!« Linn nickte entschlossen. Genau das wollte sie hören. »Das werde ich!«

Sie hatten es verdient. Beide, sie und Erik, dass sie glücklich wurden.

Zuversicht erfüllte sie, bis ihr aufging, dass ihr Verstand ihr diese Zuversicht eingab, ihr Gefühl dem aber nicht folgte. Sie öffnete den Mund, schloss ihn aber gleich darauf wieder. Sie konnte nicht darüber reden. Mit niemandem, am allerwenigsten mit ihrer Mutter. Edda würde sie nicht verstehen. Sie spürte tiefe Hilflosigkeit und zwang sich gleichzeitig zu einem Lächeln.

Edda strich ihr zärtlich über die Wange, bevor sie resolut aufstand und die Tischdecke glatt zog. »Dann sollten wir uns jetzt aber ranhalten. Es gibt noch eine Menge zu tun.«

Linn gab sich einen Ruck und stand auf. Ihre Mutter hatte recht, es gab noch eine Menge zu tun. Heute Abend fand der Polterabend statt, morgen die Hochzeit. Einige Gäste waren bereits angereist und hatten im Gästehaus auf dem Grundstück nebenan Quartier bezogen. Normalerweise wurden die Zimmer im Sommer an Touristen vermietet, aber in diesem Jahr hatte Erik wegen der Hochzeitsfeier keine Reservierungen angenommen.

Linn betrachtete nachdenklich die Szenerie um sich herum. Die Sonne schien vom blauen Himmel, die Tische auf dem Rasen, der sanft zum Wasser abfiel, wirkten wie weiße Flocken inmitten der grünen Fläche. Bunte Lampions hingen in den Bäumen ringsum, sogar eine hölzerne Tanzfläche war aufgebaut worden. Genau so, wie sie es sich immer vorgestellt hatte. Aber warum fühlte sie sich dann trotzdem so antriebslos? Ganz so, als ginge es hier nicht um ihre Hochzeit, als wäre sie nur Zuschauerin in einem Stück, in dem der Regisseur einen markanten Fehler durchgehen ließ, ohne einzugreifen.

»Linn?«, hörte sie die zweifelnde Stimme ihrer Mutter neben sich.

Reiß dich endlich zusammen, ermahnte Linn sich. »Ich komme ja schon«, sagte sie matt.

– 5 –

Du hast also keine Sekunde gezögert, einen Ersatz zu besorgen.«

Lara, die gerade an dem kleinen weißen Tisch im Garten Zeitung las, fuhr herum, als sie die ärgerliche Stimme hinter sich vernahm. Sie seufzte. Magnus. Offensichtlich hatte er gesehen, dass Hellen mit genau der Maschine weggeflogen war, die er vor ihr gesteuert hatte.

»Was willst du, Magnus?«, fragte sie kalt.

Er kam einen Schritt näher, der ärgerliche Zug verschwand aus seinem Gesicht. »Ich will dich, Lara. Ich habe immer nur dich gewollt.«

Sie spürte den Kloß in ihrem Hals, riss sich aber zusammen. Die Blöße würde sie sich nicht geben, vor ihm zu weinen.

»Dann hast du also nur vergessen, dass es zu Hause noch eine Ehefrau gibt, als du mit dieser schwarzhaarigen Schlampe ins Bett gestiegen bist.« Sie rettete sich in beißende Ironie.

Magnus hob beide Hände in einer hilflosen Geste. »Meine Güte, Lara, es war ein Ausrutscher und …«

»Einer von vielen«, fiel Lara ihm hart ins Wort. »Geh jetzt bitte. Ich kann dich im Moment einfach nicht ertragen.«

»Verdammt, Lara!« Er ließ die Maske des Bittstellers fallen. Stattdessen stand blanke Wut in seinem Gesicht. »Was soll ich denn jetzt machen? Du schmeißt mich raus, ich habe keinen Job, kein Zuhause und keinen Öre mehr. Ich weiß nicht, wie es weitergehen soll.«

Lara wunderte sich nicht einmal, dass sie in diesem Moment nichts als Genugtuung empfand. Er hatte ihr so wehgetan, und sie hatte so viel geweint in den vergangenen Wochen, war so verzweifelt gewesen, als sie erkannt hatte, dass Magnus sie immer wieder betrügen würde. Wahrscheinlich gehörte er zu der Sorte Mann, die einfach nicht treu sein konnte. Und nun stand er doch tatsächlich vor ihr und buhlte um ihr Mitleid.

»Es ist mir ziemlich egal, wie es mit dir weitergeht«, sagte sie von oben herab. »Ich kümmere mich jetzt erst einmal ausschließlich um mich.«

Er kniff die Augen zusammen. »Und was ist mit dem Flugbetrieb? Du kannst mich nicht einfach durch einen anderen Piloten ersetzen.«

»Eine Pilotin«, verbesserte Lara. »Du siehst doch, dass ich es kann.«

Er trat näher, bis er ganz dicht vor ihr stand. Lara war groß, fast so groß wie er, sodass sie ihm direkt in die Augen blicken konnte.

»Ich lasse mir das nicht gefallen«, sagte er gefährlich ruhig.

Bildete er sich wirklich ein, dass er sie zurückgewinnen konnte, indem er sie einschüchterte? Lara spürte heftige Wut in sich aufsteigen, aber es gelang ihr, nach außen ruhig zu bleiben. Sie wich keinen Schritt zurück. »So? Was willst du denn machen?«, forderte sie ihn heraus.

Schließlich war er es, der ihrem Blick zuerst auswich und einen Schritt zurücktrat. Er hob drohend den Zeigefinger. »Du wirst schon sehen«, wiederholte er seine Drohung. »Ich lasse mir das nicht bieten.«

Er drehte sich um und ging. Lara schaute ihm nach, spürte den Schmerz, der immer noch in ihr wühlte. Sie hatte diesen Mann zu sehr geliebt, um seinen Abgang mit Gleichgültigkeit aufzunehmen. Seine Drohung nahm sie nicht ernst. Trotz allem, was er ihr angetan hatte, gewalttätig war Magnus nicht. Er war einfach nur verzweifelt, aber nicht, weil er sie verloren hatte, sondern seinen Job. Er liebte die Fliegerei ebenso wie sie, dazu das bequeme Leben an ihrer Seite und die Annehmlichkeiten, die sie ihm geboten hatte. Für die Abwechslung in seinem Leben hatte er selbst gesorgt. Dummerweise in ihrem Haus und zu einem Zeitpunkt, als er sie eigentlich in Uppsala wähnte.

Lara schüttelte den Kopf, versuchte die Bilder zu verdrängen, aber das war nicht so einfach. Immer wieder sah sie die Situation vor sich. Wie sie nach Hause kam, voller Vorfreude, obwohl gerade ein lukrativer Auftrag ausgefallen war. Sie hatte alles für ein romantisches Essen zu zweit eingekauft, dazu Champagner. Genau zwei Jahre waren sie und Magnus an diesem Tag verheiratet gewesen. Ein Grund, diesen Jahrestag zu feiern.

Sie hatte das Haus betreten, hatte die Geräusche aus dem Schlafzimmer vernommen und, als sie die Tür aufstieß, ihn dort mit der anderen Frau im Bett liegen sehen. In ihrem gemeinsamen Bett, das sie mit Erinnerungen an ihre Liebe und Leidenschaft verband.

Lara hatte die Champagnerflasche fallen lassen. Sie war auf dem Boden zerschellt, während die beiden Personen im Bett erschrocken auseinanderfuhren.

Magnus war ehrlich entsetzt gewesen, während sich die Lippen der dunkelhaarigen Frau zu einem hämischen Lächeln verzogen hatten.

»Raus!«, hatte Lara nur geschrien. »Alle beide raus hier.«

In aller Seelenruhe war die Dunkelhaarige aus dem Bett gestiegen und hatte begonnen, sich anzuziehen, während Magnus auf Lara eingeredet hatte. Sie hatte ihn reden gehört, aber kein Wort wahrgenommen und wusste bis heute nicht, was er eigentlich gesagt hatte.

Es war ihr egal, damals wie heute.

Es war nicht das erste Mal, dass er sie betrogen hatte, aber es war das erste Mal, dass sie ihn in flagranti erwischt hatte, und das setzte den endgültigen Schlusspunkt unter ihre Beziehung. Je eher sie das begriff, umso schneller würde es nicht mehr wehtun.

– 6 –

Hast du es erledigt?«

Sofort wanderten seine Gedanken zur vergangenen Nacht, spürte er den scharfen Geruch der Dämpfe in der Nase, und mit ihm schlugen die Wellen schlechten Gewissens über ihm zusammen und drohten, ihn umzustoßen.

»Ja«, murmelte er.

»Gut«, sagte sein Auftraggeber am anderen Ende der Leitung. »Ich habe gehört, dass in den nächsten Tagen eine Lieferung zu dem großen Bauplatz gebracht werden soll. Ich lasse dir neue Kanister in die Hütte bringen.«

Er traute seinen Ohren nicht. »Moment«, rief er empört. »Das war nicht abgemacht.«

»Heißt das, du brauchst jetzt kein Geld mehr?«, kam es spöttisch zurück.

Er schwieg, dachte an das bevorstehende Treffen mit Ulrika. Er hatte ihr eine Kette gekauft. Die, die sie bei ihrem letzten Besuch in Stockholm gesehen und sich so sehr gewünscht hatte. Er wusste, dass sie sich darüber freuen würde, und noch mehr freute er sich darauf, dass sie ihm ihre Dankbarkeit zeigen würde.

Aber ob diese Kette ausreichte, um eine Frau wie Ulrika zu halten? Er brauchte mehr Geld, viel mehr Geld, und wie sonst könnte er in kurzer Zeit so viel verdienen? Immer und ewig würde es nicht so weitergehen können. Wenn sein Auftraggeber erreicht hatte, was er wollte, war diese Geldquelle versiegt.

»Und?«, vernahm er die drängende Stimme an seinem Ohr.

»Ich weiß nicht«, sagte er zögernd.

»Hast du Skrupel? Dafür dürfte es jetzt zu spät sein!«

Okay, er hatte es einmal gemacht, aber war es wirklich zu spät, jetzt auf die Stimme seines Gewissens zu hören? Er war doch kein schlechter Mensch und bisher immer rechtschaffen gewesen. Er hatte sich einfach nur verliebt und wollte der Frau, die er liebte, etwas bieten.

»Denk darüber nach«, sagte sein Auftraggeber. »Aber wenn du es nicht machst, finde ich jemand anderen, der mein Geld gerne nimmt.«

Er schluckte schwer. »Vielleicht will ich gar nicht, dass du deine schmutzigen Geschäfte weiterführst«, sagte er und bemerkte selbst, dass seine Stimme eher unsicher als hart und zumindest herausfordernd klang. Allerdings meinte er das, was er sagte. Er konnte diese Sache stoppen, er konnte es ein und für alle Mal beenden …

Doch sein Auftraggeber lachte nur in den Hörer. »Willst du mir etwa drohen? Du vergisst, dass du bereits auf meiner Gehaltsliste stehst und für deine Arbeit kassiert hast.«

»Was du erst noch beweisen müsstest.«

Auch diesmal blieb sein Auftraggeber ihm die Antwort nicht schuldig. »Wir haben die leeren Kanister abgeholt. Rate mal, wessen Fingerabdrücke sich darauf befinden.«

Verflixt, daran hätte er denken müssen! Er spürte Panik in sich aufsteigen, hatte das Gefühl, in einer Falle zu sitzen, deren Tür er selbst zugeschlagen hatte.

»Und zwar nur deine Fingerabdrücke«, fuhr sein Auftraggeber eiskalt fort. »Ich rate dir also, vorsichtig mit solchen Drohungen zu sein. Mir kannst du nichts, aber ich kann dich jederzeit auffliegen lassen, und statt mit deiner schönen Braut im Bett, kannst du es dir dann in einer Gefängniszelle gemütlich machen.«

Die Erkenntnis brach mit voller Wucht über ihm zusammen. Er hatte immer nur an Ulrika gedacht und dabei jeden Gedanken an die Konsequenzen seines Handelns ausgeschlossen. Für ihn und andere. Er schloss die Augen und atmete tief durch. Worauf hatte er sich da nur eingelassen?

»Was ist? Kann ich auf dich zählen?« Sein Auftraggeber klang ärgerlich.

»Ich weiß es nicht«, sagte er lahm.

»Du hast vierundzwanzig Stunden Zeit, darüber nachzudenken«, lautete die barsche Antwort. »Aber egal, was passiert, du hältst dich raus. Ist das klar? Du weißt, was sonst passiert.«

Dann war das Gespräch beendet. Nachdenklich legte er den Hörer auf und starrte vor sich hin. Er wusste einfach nicht, was er tun sollte.

– 7 –

Einen Direktflug von Kathmandu gab es nicht. Lars musste in Maskat, der Hauptstadt von Oman, in die Maschine nach Stockholm umsteigen.

Er vertrieb sich einen Teil der langen Flugzeit damit, auf seiner Digitalkamera die Fotos der letzten Expedition zu betrachten. Es war eine spannende Tour gewesen, durch die tiefste Schlucht der Erde am Kali Gandaki bis zum Panoramaberg Poon Hill. Die sengende Sonne, die bunten Felder und die kleinen Ansiedlungen mit weiß-ockerfarben gestrichenen Häusern faszinierten ihn selbst jetzt auf den Bildern noch.

Als das Foto des Sonnenaufgangs am Poon Hill auf dem Display erschien, tauchte er ab in die Erinnerung. Dieses Erlebnis war etwas ganz Besonderes gewesen. Den Augenblick, als die Sonne aufging und die Silhouette von Machapuchare freigab, würde er nie vergessen. Die Gipfel lagen dunkel in der Dämmerung, und dann, von einem Moment zum nächsten, stieg die Sonne zwischen den Bergen auf und tauchte alles in ein goldenes Licht.

Nach dieser Expedition hatte es für ihn einfach kein neues Ziel gegeben. Dabei hatte er in den vergangenen Jahren eigentlich immer irgendetwas gefunden, seit er sich durch die Welt treiben ließ, auf der Suche nach einer neuen Herausforderung, einem neuen Abenteuer.

Dieses Mal aber hatte er erstaunt bemerkt, dass er immer öfter an Schweden dachte, und schließlich war ihm der Gedanke gekommen, einen Abstecher dorthin zu machen. Das war ungewöhnlich, er hatte in den vergangenen Jahren nie ansatzweise diesen Wunsch verspürt, geschweige denn das Verlangen, dorthin zurückzukehren. Warum dieses Gefühl jetzt da war, und zwar so stark, dass er mit all seiner Abenteuerlust nicht dagegen ankam, war ihm ein Rätsel.

Etwas in ihm zog und zerrte plötzlich, aber er weigerte sich, dieses Gefühl Heimweh zu nennen. Er hatte beschlossen, dass es Neugierde war. Einmal nachsehen, wie es zu Hause aussah, was sein Bruder machte, wie er klargekommen war nach jener Nacht …