Hoffnung – gerade jetzt! - Rainer M. Schießler - E-Book
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Hoffnung – gerade jetzt! E-Book

Rainer M. Schießler

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Beschreibung

Ein Buch das Trost spendet!

Wir erleben eine Zeit, in der es immer schwerer wird, Mut zu schöpfen. Krieg, Krankheit, Inflation – eine Hiobsbotschaft jagt die nächste. Aber Rainer Schießler ist überzeugt: Die Geschichten der Bibel sind auch heute – oder besser gerade jetzt – unsere Quelle der Hoffnung, der Zuversicht, unsere ganz persönlichen Mutmacher! Und er hat das am eigenen Leib erfahren: Nach einem schweren Bergunfall musste auch er sich besinnen und seine Hoffnung aktivieren. Gar nicht so einfach – selbst als Pfarrer.

Der bundesweit bekannte und beliebte Münchner Seelsorger bündelt in seinem neuen Buch Themen, die alle Menschen im Laufe des Lebens betreffen – wie etwa Beziehungen, Leid, Alltag, Vertrauen –, versammelt die dazu passenden Bibelstellen und interpretiert sie auf unvergleichliche Weise. Pfarrer Schießler liefert so eine lebensfrohe, stärkende, spirituell inspirierende Handreichung. Ein Buch, das Trost spendet, aufrichtet und den Blick dafür schärft, dass wir in diesem Leben reich beschenkt sind, auch in den schweren Zeiten. Ein Buch, mit dem Bibelauslegung so lebensnah und zugewandt wird wie Schießler selbst.

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Wir erleben eine Zeit, in der es immer schwerer wird, Mut zu schöpfen. Krieg, Krankheit, Inflation – eine Hiobsbotschaft jagt die nächste. Aber Rainer Schießler ist überzeugt: Die Geschichten der Bibel sind auch heute – oder besser gerade jetzt – unsere Quelle der Hoffnung, der Zuversicht, unsere Mutmacher! Und er hat das am eigenen Leib erfahren: Nach einem schweren Bergunfall musste auch er sich besinnen und seine Hoffnung aktivieren. Gar nicht so einfach – selbst als Pfarrer.

Der bundesweit bekannte und beliebte Münchner Seelsorger bündelt in seinem neuen Buch Themen, die alle Menschen im Laufe des Lebens betreffen – wie etwa Beziehungen, Leid, Alltag, Vertrauen –, versammelt die dazu passenden Bibelstellen und interpretiert sie auf unvergleichliche Weise. Pfarrer Schießler liefert so eine lebensfrohe, stärkende, spirituell inspirierende Handreichung. Ein Buch, das Trost spendet, aufrichtet und den Blick dafür schärft, dass wir in diesem Leben reich beschenkt sind, auch in den schweren Zeiten. Ein Buch, mit dem Bibelauslegung so lebensnah und zugewandt wird wie Schießler selbst.

Rainer M. Schießler

Hoffnung – gerade jetzt!

Von Mut getragen durch alle ­Lebenslagen

Aus Gründen der leichteren Lesbarkeit konnte eine gender­gerechte Schreibweise nicht durchgängig eingehalten werden. Bei derVerwendung entsprechender geschlechts­spezifischer Begriffe sind im Sinne der Gleich­behandlung jedoch ­ausdrücklich alle Geschlechter angesprochen.

Der Inhalt dieses E-Books ist urheberrechtlich geschützt und enthält technische Sicherungsmaßnahmen gegen unbefugte Nutzung. Die Entfernung dieser Sicherung sowie die Nutzung durch unbefugte Verarbeitung, Vervielfältigung, Verbreitung oder öffentliche Zugänglichmachung, insbesondere in elektronischer Form, ist untersagt und kann straf- und zivilrechtliche Sanktionen nach sich ziehen.

Der Verlag behält sich die Verwertung der urheberrechtlich geschützten Inhalte dieses Werkes für Zwecke des Text- und Data-Minings nach § 44 b UrhG ausdrücklich vor. Jegliche unbefugte Nutzung ist hiermit ausgeschlossen.

Copyright © 2023 Kösel-Verlag, München,

in der Penguin Random House Verlagsgruppe GmbH,

Neumarkter Str. 28, 81673 München

Cover: zero-media.net, München

Covermotiv: © Frank Bauer

ISBN 978-3-641-30029-6V005

www.koesel.de

Gewidmet den Bergrettern Umhausen im Ötztal,der Besatzung des Polizeihubschraubers Libelle Tirolund des Rettungshubschraubers Martin 7und meinen Freunden Bruno, Hans, Michi und Lois.

Inhalt

Vorwort

Barmherzigkeit

Vom Brot des Lebens

Verantwortungsbewusster ­Reichtum

Der gute Hirte und das neugierige Schaf

»Geh!«

Lieben, weil man geliebt wird

Menschen retten

Beides wachsen lassen

Göttliche Tarifpolitik

Vertrauen

Nie tiefer als in Gottes Hand

Angst lähmt das Leben

Schreien hören

Dem eigenen Weg vertrauen

Immer dranbleiben

Hirte und Herde als Einheit

Frauen auf Augenhöhe

Gelassenheit

Gelassenheit und Frei­gebigkeit

Des Geldes Sicherheit?

Der schönste Name Gottes

Der Mensch im Mittelpunkt

Aufbruch

Sehnsucht nach Leben

Der Liebe Zukunft geben

Nachfolge

Das Kreuz tragen – eine Zumutung?!

Ohren auf!

Den Schritt hinaus wagen

­Jesus, unser Vorkämpfer

Wollt ihr (mit)gehen?

Das gerechte Los

Vom Zutrauen Gottes

Zukunft

Der Weg ist das Ziel

Den Himmel offen sehen

Ein Leben nach dem Tod

Optimistische Christenheit

Von der Freude am ­Christsein

Von ­Jesus geht die Kraft aus

Beziehung

Unvermittelter Gott

In der Gnade leben

Gemeinsam am Tisch

Freunde, nicht Knechte

Gott ist Beziehung

Hartherzigkeit ist kein ­Evangelium

Glaube

Der gleiche Geist

Glaube ohne Angst

Himmel oder Hölle?

Wunder des Glaubens

Bitten und annehmen

Im Glauben verwurzelt

Gott an unserer Seite

Liebe

Genauso wichtig ist der Mensch

Liebe stellt sich nicht dazwischen, sie verbindet

Unter Geschwistern

Die Liebe Gottes ist anders

Feindesliebe – echt jetzt?

Nicht nur fürs Brot allein

Sendung

Das Zeichen der Sandalen

»Tut was …!«

Sehen lernen

Das ursprüngliche Evan­gelium

Reich ist, wem etwas fehlt

Anderswo hingehen

Vom Heiligen Geist

Mutig leben

Verantwortung statt Macht

Frischer Wind des ­Friedens

Der Geist der Kraft

Der Geist der Freiheit

Oster­erfahrungen

Auferstehung zur Freiheit

Ein Kreuz gegen alle Gewalt

Nur ein leeres Grab?

Liebend sehen

Die Mystik Jesu

Jetzt frei leben

Weihnachts­erlebnisse

Ein Kind der Liebe

Wo finden wir Gott?

Rebellische ­Jugendliche

Bin wirklich ich gemeint?

Sich nicht täuschen lassen

Wahre Freude

Leiden

Leiden-schaftlich leben

Leidenden zur Seite stehen

Vom Kreuztragen

Die Angst annehmen

Versuchung

Alltag

Kleinigkeiten verraten Größe

Neu beginnen

Jetzt leben!

Kleider machen Leute

Nach ­Jesus ­schmecken

Güte statt Strenge

Die Botschaft der Schwiegermutter

Prophetisches Leben

Geprägt sein

Sich auf Neues einlassen

Selbst ein Prophet sein

Dienen statt herrschen

Dank

Bibelstellen

Vorwort

Die Hoffnung ist eine schier unbeschreibliche, unerschöpfliche und nicht einzugrenzende Kraftquelle. Sie muss nicht extra angefragt oder abberufen werden. Sie ist einfach da, drängt sich geradezu auf, dringt in unsere Lebenssituationen völlig unaufgefordert ein, eher unbewusst und schon gar nicht berechenbar. So wie es ein Sprichwort sagt: »Die Hoffnung kostet nichts und hält einen doch am Leben.«

Schwer verletzt mit einem gebrochenen Bein, unbeweglich und unfähig auch nur zu einem Schritt war mir im vergangenen Sommer, am Festtag der Apostelfürsten Petrus und Paulus, klar, dass ich ohne rasche Hilfe hier oben im hochalpinen Gelände auf 3000 Meter in den Ötztaler Bergen absolut verloren bin. In diesem Moment war sie ungerufen da, direkt bei mir, diese Kraft der Hoffnung, und das mutige Vertrauen, dass es doch noch einen Ausweg für mich geben wird. Nicht einmal festklammern musste ich mich. Es genügte, mich einfach in die Situation hineinfallen zu lassen. Wie ein Medikament versorgte mich die Hoffnung mit tiefer innerer Ruhe und Kraft. Professionelle, absolut versierte und vor ­allem von ihrer Persönlichkeit her unglaublich gefestigte, ruhevolle Menschen taten dann das, was zu tun war – und retteten mich.

Mein neues Buch trägt deshalb ganz bewusst den Namen dieser Kraftquelle, die in jedem von uns seine Heilkraft versprühen will. »Hoffnung ist die natürlichste Form des Glaubens«, formulierte es einmal der deutsche Schriftsteller Erhard Schümmelfeder. Und er hat recht. Hoffnung ist nicht nur die Lebenseinstellung, die bekanntlich zuletzt stirbt – und in dieser Form gerne von schwer angeschlagenen Fußballtrainern kurz vor ihrer Entlassung so beschrieben wird. Sie tritt auch absolut klaglos und unprätentiös ab, wenn sie nicht mehr gebraucht wird. Hoffnung muss man nicht künstlich am Leben erhalten, reanimieren oder mühsam herstellen. Sie lebt immer weiter und ist jederzeit bereit zum Einsatz, wenn es eine neue Situation erfordert. Und gerade jetzt erleben wir sehr viele Situationen, in denen sie gebraucht wird.

Die Bibel ist eine einzige Fundgrube der Hoffnung für alle Lebens­bereiche. Die einzelnen Themenbereiche in diesem Buch wollen daher dem Betrachter viele unterschiedliche Hoffnungserfahrungen anbieten: Ob es um unsere Zukunft geht, unseren Alltag, unsere Beziehungen, unser Leid oder unsere Nachfolge oder Sendung – nirgendwo grenzt sich die Hoffnung aus, überall ist sie mit dabei! All die wunderbaren Texte im Weihnachts-, Oster- und Pfingstfestkreis sind durch und durch von Hoffnung gestaltet und durchwirkt. Die biblischen Schriftstellen aus der Einheitsübersetzung sind sonntägliches Arbeitsmaterial eines jeden Verkündigers. Sie werden nicht neu übersetzt, sondern erfahren eine Art der Neukomposition. Es ist wie bei einer Pianistin, die ein bekanntes Musikstück vorträgt. Sie spielt es nicht nur nach, sie spielt es auf ihre Art und wird so zur Interpretin. Versierte Liebhaber und Musikkenner nehmen die Unterschiede bei verschiedenen Künstlern durchaus wahr.

Ähnlich verstehe auch ich mein Tun, wenn ich die Geschichten aus der Bibel lese. »Jeden Sonntagmorgen beim Frühstück liest mir mein Mann ein Kapitel aus Ihrer Schießler-Bibel vor, dann erst gehen wir in den Gottesdienst!« Solche und andere Rückmeldungen zur Schießler-Bibel haben mich bestärkt, weitere Texte aus der Bibel für unser modernes Leben auszulegen. Selbst Mönche aus einem Kloster schrieben mir, dass bei ihnen im Speisesaal während des Schweigens beim Mittagessen als Tischlesung Auslegungen aus der Schießler-Bibel vorgetragen würden.

Und so ist es mir ein Anliegen, auch mit diesem Buch diese wunderbaren Texte und Geschichten der Bibel für alle zugänglich zu machen. Alle Leserinnen und Leser sollen sie ohne Berührungsängste aufnehmen können. Es gibt keinen Grund, sich davor zu fürchten, weil man sie vielleicht nicht verstehen oder kapieren könnte. Die Bibel ist nie ein Instrument für ein paar gebildete Theologenprofis gewesen und darf es auch nie sein! Sie ist ein unerschöpfliches Reservoir an Glaubens-, Lebens- und eben Hoffnungserfahrungen und so ein echtes Experimentierfeld für jeden Entdecker und jede Schatzsucherin, für den und die das Leben mehr ist als bloßes Existieren. Nur wenn man sich an sie herantraut, kann man anderen auch von ihr erzählen.

Mit einfachen Gedanken und Worten, so wie ich sie auch in meiner Verkündigung verwende, möchte ich bekannte und vielleicht weniger bekannte Bibeltexte vorstellen, spielerisch etwas umkreisen und zusammen mit dem Leser entdecken, was uns in den verschiedensten Lebenslagen Mut gibt. Das ist keine theologische Fachliteratur. Dieses Buch will von jedem Leser und jeder Leserin einfach nur als eine kleine Fundgrube entdeckt werden, in der sich wertvolle Anregungen zum Hoffen, zur gegenseitigen Motivation und zum mutigen Aufbruch in eine gemeinsame Zukunft finden lassen. Die Gedanken hierzu stammen aus der Praxis der Seelsorge in der Gemeinde, dem bleibenden Auftrag zu einer zeitnahen Verkündigung, meiner persönlichen Leidenschaft für die Heilige Schrift und den vielen Anregungen, die ich im Laufe meines Verkündigungsdienstes bekommen durfte.

Ich wünsche allen Leserinnen und Lesern einen echten Genuss und bleibe hoffnungsvoll, dass jede und jeder auf diesen Seiten dem begegnet, was sie und ihn durch alle Lebenslagen tragen kann.

Pfarrer Rainer M. Schießler

München an Mariä Himmelfahrt 2022

Barmherzigkeit

Vom Brot des Lebens

Da murrten die Juden gegen ihn, weil er gesagt hatte: Ich bin das Brot, das vom Himmel herabgekommen ist. Und sie sagten: Ist das nicht ­Jesus, der Sohn Josefs, dessen Vater und Mutter wir kennen? Wie kann er jetzt sagen: Ich bin vom Himmel herabgekommen? ­­Jesus sagte zu ihnen: Murrt nicht! Niemand kann zu mir kommen, wenn nicht der Vater, der mich gesandt hat, ihn zieht; und ich werde ihn auferwecken am Jüngsten Tag. Bei den Propheten steht geschrieben: Und alle werden Schüler Gottes sein. Jeder, der auf den Vater hört und seine Lehre annimmt, wird zu mir kommen. Niemand hat den Vater gesehen außer dem, der von Gott ist; nur er hat den Vater gesehen. Amen, amen, ich sage euch: Wer glaubt, hat das ewige Leben. Ich bin das Brot des Lebens. Eure Väter haben in der Wüste das Manna gegessen und sind gestorben. So aber ist es mit dem Brot, das vom Himmel herabkommt: Wenn jemand davon isst, wird er nicht sterben. Ich bin das lebendige Brot, das vom Himmel herabgekommen ist. Wer von diesem Brot isst, wird in Ewigkeit leben. Das Brot, das ich geben werde, ist mein Fleisch für das Leben der Welt.

(Joh 6,41 – 51)

Jesu Anspruch ist unmissverständlich: »Ich bin das Brot des Lebens, das vom Himmel herabgekommen ist.« Sofort wird er bei diesen Worten über alle Menschlichkeit hinweg erhoben, gibt man die Augenhöhe mit ihm auf, anstatt – zumindest zunächst – der Linie »Gott wird Mensch« zu folgen. Aber ­­Jesus enttäuscht nicht, er verspricht nicht zu viel.

Jeder Mensch hat seinen eigenen Weg zu gehen und wird immer danach beurteilt, was er gesagt und getan hat. Auch die Frauen und Männer, die ­­Jesus folgten, achteten auf seine Taten und ob sie dem entsprachen, was er in seiner Botschaft formulierte. Sie folgten keiner abgehobenen Gottheit, auch wenn in ihnen die Erwartung an den verheißenen Messias ganz lebendig war. Zuerst aber waren sie von der Mitmenschlichkeit und Glaubwürdigkeit des Mannes aus Nazareth angetan.

­Jesus war keiner, der die dunklen Schuldgefühle seiner Mitmenschen ausnutzte. Im Gegenteil: Befreiung von den Dämonen, Befreiung aus dem Dunklen und Bösen, aber auch die Befreiung aus einer kleinkarierten Gesetzesfrömmigkeit waren sein erklärtes Ziel. Er wollte den Menschen ganz einfach Brot sein, Nahrung, Lebenskraft für alle!

Gibt die Religion, gibt die Kirche, geben wir den Menschen heute dieses Brot? Lebenskraft in ihre Bedürfnisse und Hoffnungen hinein? Wenn nicht, dann muss das Christentum von gestern dringend auf das Niveau von heute gebracht werden, sonst bleibt unser Brot ungenießbar.

Wer das Brot des Lebens aus der Hand Jesu empfangen will, muss sich wie damals auf den Weg machen. Trotz aller Enttäuschungen haben die Frauen und Männer an ­­Jesus geglaubt. Im engen Zusammenleben mit ihm haben sie etwas von seinem besonderen Auftrag und damit von seinem außergewöhnlichen Sein erfasst. Auf diesen unmittelbaren Weg hat die Kirche die Menschen zu bringen! Was bringt es, die Menschen auf Formulierungen und Lehren festzunageln, die letztlich unverständlich und damit unglaubhaft bleiben?

Trotz des totalen Zusammenbruchs waren die Frauen und Männer um ­­Jesus davon überzeugt, dass gerade deswegen und jetzt etwas ganz Neues beginnt. Dieses Neue hat nun über 2000 Jahre lang die Kraft in sich gehabt, sich ständig zu erneuern, und ist schon deshalb ein Zeichen, dass ­­Jesus den Seinen nach wie vor das Brot des Lebens schenkt. Das sollte uns genügen, inspirieren und mitreißen.

Verantwortungsbewusster ­Reichtum

Weh den Sorglosen auf dem Zion. Ihr liegt auf Betten aus Elfenbein und faulenzt auf euren Polstern. Zum Essen holt ihr euch Lämmer aus der Herde und Mastkälber aus dem Stall. Ihr grölt zum Klang der Harfe, ihr wollt Musikinstrumente erfinden wie David. Ihr trinkt den Wein aus Opferschalen, ihr salbt euch mit feinsten Ölen, aber über den Untergang Josefs sorgt ihr euch nicht. Darum müssen sie jetzt in die Verbannung, allen Verbannten voran. Das Fest der Faulenzer ist vorbei.

(Am 6,1a.4 – 7)

Es war einmal ein reicher Mann, der sich in Purpur und feines Leinen kleidete und Tag für Tag glanzvolle Feste feierte. Vor der Tür des Reichen aber lag ein armer Mann namens Lazarus, dessen Leib voller Geschwüre war. Er hätte gern seinen Hunger mit dem gestillt, was vom Tisch des Reichen herunterfiel. Stattdessen kamen die Hunde und leckten an seinen Geschwüren. Es geschah aber: Der Arme starb und wurde von den Engeln in Abrahams Schoß getragen. Auch der Reiche starb und wurde begraben. In der Unterwelt, wo er qualvolle Schmerzen litt, blickte er auf und sah von Weitem Abraham und Lazarus in seinem Schoß. Da rief er: Vater Abraham, hab Erbarmen mit mir und schick Lazarus; er soll die Spitze seines Fingers ins Wasser tauchen und mir die Zunge kühlen, denn ich leide große Qual in diesem Feuer. Abraham erwiderte: Mein Kind, erinnere dich daran, dass du schon zu Lebzeiten deine Wohltaten erhalten hast, Lazarus dagegen nur Schlechtes. Jetzt wird er hier getröstet, du aber leidest große Qual. Außerdem ist zwischen uns und euch ein tiefer, unüberwindlicher Abgrund, sodass niemand von hier zu euch oder von dort zu uns kommen kann, selbst wenn er wollte. Da sagte der Reiche: Dann bitte ich dich, Vater, schick ihn in das Haus meines Vaters! Denn ich habe noch fünf Brüder. Er soll sie warnen, damit nicht auch sie an diesen Ort der Qual kommen. Abraham aber sagte: Sie haben Mose und die Propheten, auf die sollen sie hören. Er erwiderte: Nein, Vater Abraham, aber wenn einer von den Toten zu ihnen kommt, werden sie umkehren. Darauf sagte Abraham zu ihm: Wenn sie auf Mose und die Propheten nicht hören, werden sie sich auch nicht überzeugen lassen, wenn einer von den Toten aufersteht.

(Lk 16,19 – 31)

Beide Texte können einem so richtig Angst machen. Sowohl der Prophet Amos (»Ihr trinkt den Wein aus großen Humpen, salbt euch mit dem feinsten Öl und sorgt euch nicht über den Untergang der anderen.«) wie auch das Gleichnis aus dem Lukas-Evangelium(»… ein reicher Mann, der sich in Purpur und feines Leinen kleidete und Tag für Tag glanzvolle Feste feierte.«) – beide üben unverhohlen Gesellschafts- und Religionskritik. Man muss sich schon die ganze Dramatik und Wucht dieser beiden Bibelstellen zu Herzen gehen lassen. Da wird der Finger gnadenlos in die Wunde gelegt: Hier der Reiche, der nur sich im Blick hat, und dort der Arme, der elendig vor sich hin krepiert. Wehe, wenn da mal die Rechnung serviert wird!

Die Erzählung vom reichen Mann und vom armen Lazarus liest sich eindrucksvoll und unglaublich anschaulich, aber eben nur so lange, wie sie als Geschichte ganz weit weg von uns ist und schon gar nichts mit uns zu tun hat. Aber was, wenn man sie nah an sich rankommen lässt? Dann wird’s auf einmal bedrohlich. Denn gemessen an der absoluten Zahl der Menschen auf dieser Erde gehören wir definitiv zu den Reichen und Wohlhabenden, zu denen, deren Wohlstand auch auf dem Rücken der Ärmsten der Armen begründet ist. Was haben wir jetzt also zu erwarten?

Wenn wir genau lesen, merken wir: Das Evangelium verurteilt nicht den Reichtum, sondern die Verantwortungslosigkeit der Wohlhabenden. Es appelliert an das Ethos des Reichen. Wenn wir also schon zu den Reichen gehören, zu denen, die auf der Sonnenseite des Lebens geboren wurden, denen Dinge ermöglicht werden, von denen so viele Millionen auf der Welt nur zu träumen vermögen, dann bleiben wir wenigstens barmherzig – aus fester Überzeugung heraus. Weil wir das so wollen und nicht bloß aus Angst vor der großen Schlussrechnung!

So viele tun das mit weitem Herzen: Sie lassen sich anrühren von der Not der anderen und betrachten das, was einem selbst geschenkt wurde, lediglich als geliehen. Als Leihgabe, die sich nutzen lässt, um sie für das Wohl aller einzusetzen, um anderen beizustehen, damit sie am Ende allen zugutekommen kann. Das ist die große Einladung dieser beiden Texte: Als barmherzige Reiche leben können, als Menschen, die Mitmenschlichkeit leben, aus vollstem Herzen und wirklichem, innersten Bedürfnis.

Der gute Hirte und das neugierige Schaf

Ich bin der gute Hirt. Der gute Hirt gibt sein Leben hin für die Schafe. Der bezahlte Knecht aber, der nicht Hirt ist und dem die Schafe nicht gehören, sieht den Wolf kommen, lässt die Schafe im Stich und flieht; und der Wolf reißt sie und zerstreut sie. Er flieht, weil er nur ein bezahlter Knecht ist und ihm an den Schafen nichts liegt. Ich bin der gute Hirt; ich kenne die Meinen und die Meinen kennen mich, wie mich der Vater kennt und ich den Vater kenne; und ich gebe mein Leben hin für die Schafe. Ich habe noch andere Schafe, die nicht aus diesem Stall sind; auch sie muss ich führen und sie werden auf meine Stimme hören; dann wird es nur eine Herde geben und einen Hirten. Deshalb liebt mich der Vater, weil ich mein Leben hingebe, um es wieder zu nehmen. Niemand entreißt es mir, sondern ich gebe es von mir aus hin. Ich habe Macht, es hinzugeben, und ich habe Macht, es wieder zu nehmen. Diesen Auftrag habe ich von meinem Vater empfangen.

(Joh 10,11 – 18)

Wenn einer von euch hundert Schafe hat und eins davon verliert, lässt er dann nicht die neunundneunzig in der Steppe zurück und geht dem verlorenen nach, bis er es findet? Und wenn er es gefunden hat, nimmt er es voll Freude auf die Schultern, und wenn er nach Hause kommt, ruft er seine Freunde und Nachbarn zusammen und sagt zu ihnen: Freut euch mit mir; ich habe mein Schaf wiedergefunden, das verloren war. Ich sage euch: Ebenso wird auch im Himmel mehr Freude herrschen über einen einzigen Sünder, der umkehrt, als über neunundneunzig Gerechte, die es nicht nötig haben umzukehren.

(Lk 15,4 – 7)

Das Bild vom guten Hirten erscheint bis heute gerne sehr klerikal, priesterzentriert: Der Hirte ist alles, seine Bedeutung ist zentral und steht über allem. Die Schafe dagegen bedeuten wenig bis nichts, sind einfach eine unpersönliche Masse. Zum Problem wurden und sind dabei auch für etliche in der Kirche oder in den Gemeinden die sogenannten »schwarzen Schafe«, die man unter keinen Umständen in der Herde haben möchte. Der Katholizismus soll am besten »reinrassig« daherkommen. Und ganz abgesehen davon und mal rein wirtschaftlich gesehen: Wer kann es sich leisten, 99 Schafe im Stich zu lassen, um wegzugehen, um das eine verlorene zu suchen?

In den Gleichnissen Jesu aber geht es nicht um Rechenspiele, sondern um Barmherzigkeit, um die Liebe Gottes, die ungewöhnliche Wege geht. Gott lässt sich so bedingungslos auf den Menschen ein, dass es schon unvernünftig wirkt. Die Gerechten lässt er auf ihrer Weide zurück und sucht den einen Menschen, der sich verirrt oder in schlimme Situationen verstrickt hat. Mit ihm zusammen und ohne Vorwurf kehrt er voller Freude zur Herde, zu den anderen zurück, und feiert gemeinsam mit allen ein Fest. Gott ist größer als unsere Vernunft, größer als unsere Sorge, sagt das Gleichnis.

Und genau das will »Seelsorge« leisten: Raus aus dem Pfarrhaus gehen, den wohltuenden Geruch des Weihrauchs hinter sich lassen und keine Angst davor haben, dem »schlechten Geruch« der Menschen zu begegnen. Gerade diejenigen, die verirrt sind, hätten den heilsamen Weihrauch ja nötig! Denn es gibt sie, diese Menschen, die von Ängsten gezeichnet sind, die verletzt wurden, sogar von sogenannten »guten Hirten«. Es sind Menschen, die beruflich, finanziell oder in ihrer Beziehung schlichtweg überfordert sind. Gerade sie sind für einen Seelsorger die wichtigsten. Die 99 Gerechten kommen gut selbst zurecht, sie haben einander, haben das Glück, vom Leben nicht schwer gezeichnet zu sein, fühlen sich wohl. So versteht Papst Franziskus seinen Anspruch, »an die Ränder zu gehen«.

Und so löst sich die Wertigkeit im Bild von Hirte und Herde auf: Nicht der Hirte ist der wichtigste. Ohne Herde hat er keinerlei Bedeutung. Die Gemeinschaft aller Glaubenden ist genauso wichtig. Die Gemeinschaft von Hirte und Herde bedingen einander. Es ist eine Einheit. Eine Gemeinschaft, die offen bleibt für alle auf der Suche, eine Gemeinschaft, die bis an die Ränder, an die »Hecken und Zäune« geht und darüber hinausguckt. In dieser Gemeinschaft sind alle gleich, auch wenn einige besondere Aufgaben und Dienste für sie übernehmen. Genau das begründet für Christen und Christinnen, die im Wort und im Geist Jesu stehen wollen, dass es kein »Oben« gibt, ganz einfach, weil es auch kein »Unten« geben kann.

»Geh!«

­Jesus aber ging zum Ölberg. Am frühen Morgen begab er sich wieder in den Tempel. Alles Volk kam zu ihm. Er setzte sich und lehrte es. Da brachten die Schriftgelehrten und die Pharisäer eine Frau, die beim Ehebruch ertappt worden war. Sie stellten sie in die Mitte und sagten zu ihm: Meister, diese Frau wurde beim Ehebruch auf frischer Tat ertappt. Mose hat uns im Gesetz vorgeschrieben, solche Frauen zu steinigen. Was sagst du? Mit diesen Worten wollten sie ihn auf die Probe stellen, um einen Grund zu haben, ihn anzuklagen. ­­Jesus aber bückte sich und schrieb mit dem Finger auf die Erde. Als sie hartnäckig weiterfragten, richtete er sich auf und sagte zu ihnen: Wer von euch ohne Sünde ist, werfe als Erster einen Stein auf sie. Und er bückte sich wieder und schrieb auf die Erde. Als sie das gehört hatten, ging einer nach dem anderen fort, zuerst die Ältesten. ­Jesus blieb allein zurück mit der Frau, die noch in der Mitte stand. Er richtete sich auf und sagte zu ihr: Frau, wo sind sie geblieben? Hat dich keiner verurteilt? Sie antwortete: Keiner, Herr. Da sagte ­Jesus zu ihr: Auch ich verurteile dich nicht. Geh und sündige von jetzt an nicht mehr!

(Joh 8,1 – 11)

»Geh!«, sagt ­Jesus zu der Frau, und das war vermutlich das Schönste überhaupt, was er ihr in dieser Situation sagen konnte. »Du kannst gehen! Die Hinrichtung findet nicht statt, steh auf und geh wieder!« Dieses »Geh!« kommt daher wie eine regelrechte Erlösung. Jesu ganzes Mitgefühl, seine Barmherzigkeit und sein Verständnis schwingen in dieser Aufforderung zum Weggehen mit. »Geh! Steh auf und geh wieder!«, sagt in diesem Fall jemand, der dem anderen wohl sein möchte, der für ihn nur das Beste will.

Die Frau wird das gleiche Wort zuvor sicher in einem ganz anderen Zusammenhang und mit einem ganz anderen Tonfall gehört haben. Von denen nämlich, die sie auf frischer Tat ertappt hatten und sie jetzt steinigen wollen: »Geh!«, »Na los!«, »Hopp! Geh vor die Tore der Stadt! Setz dich in Bewegung, wir werden dir zeigen, was man mit Leuten wie dir bei uns macht!« Das gleiche Wort, die gleiche Aufforderung: »Geh!«. Aber diesmal voller Verachtung, Vorwurf und Verurteilung. Bei Unmoral und Unzucht in flagranti ertappt zu werden, das muss ja einfach bestraft werden; so etwas kann eine ehrenwerte Gesellschaft nicht dulden.

Härte und Unbarmherzigkeit anderen gegenüber aber sagen noch lange nichts über die eigene Fehlerlosigkeit aus. ­Jesus durchschaut und entlarvt all diejenigen, die nun mit Steinen in der Hand und zum Wurf bereit um diese Frau herumstehen. Dieses verurteilende »Geh!« gibt es heute noch, auch wenn keine Steine mehr fliegen. Aber da sind die Blicke, die genauso verletzen wie Steine; die Zeigefinger, die auf das Scheitern deuten, das nicht mehr zu verbergen ist. Auch ohne Steine spürt man es deutlich, wenn es heißt: »Geh! Geh besser weg von uns!« Der, den es betrifft, der weiß, dass er sich in dieser Gemeinschaft nicht mehr sehen lassen kann.

Mit der Geschichte der Ehebrecherin im Evangelium betrachtet sich die Gemeinde sehr selbstkritisch angesichts der Frage: Wie soll man mit denen umgehen, die während der Verfolgungen den Glauben offen aufgekündigt haben, um ihr Leben zu retten, und danach wiederkommen? Sollte man ihnen vergeben können oder sind sie für immer verstoßen? Man entschied sich dafür, eine Religion der Vergebung und vor allem eine Religion gegen die Angst zu sein. Das Gericht Gottes verbürgt seine Gerechtigkeit für alle Menschen. Und Christus hat mit seiner Erlösungstat bereits alles gerichtet: Er schenkt Trost, Hoffnung und Freude. Die Angst ist erlöst und gelöst.

Der Christ versucht daher, sein diesseitiges Leben von der Sehnsucht und der Liebe bestimmen zu lassen. In diesem Sinne zielt unser Leben auf das Paradies, auf den Himmel, der deswegen auch nicht als ein Ort gedacht werden will, sondern als etwas zutiefst Persönliches. Diejenigen, die den »Himmel auf Erden« beschwören, werden scheitern, ebenso wie die, die anderen die »Hölle auf Erden« bereiten. Auch sie werden an ihr Ende gelangen. Dazwischen hätten wir die Chance, die Erde auf Erden randvoll mit Leben füllen. Gelingt uns das, werden wir selbst zum Himmel für andere – und sie für uns. Die Sehnsucht kann sich auflösen, wird überwunden. Genauso wie die Hölle. Das Paradies, das Reich Gottes ist jetzt schon da: »Geh und sündige von jetzt an nicht mehr!«

Besser, wir sprechen das Wörtchen »Geh!« so aus, wie es umgangssprachlich auch möglich ist: Nicht als »Geh hin!« oder »Geh weg!«, sondern im Sinne von: »Geh her! Komm her, komm zu uns!« Also: »Sei hier geborgen und fühl dich wohl bei uns. Wir sind nicht die Gerechten der letzten Tage. Wir sind eine Gemeinde von Menschen, Menschen mit all ihren Fehlern. Fühle dich angenommen und getragen von uns, denn keiner von uns – darauf kannst du Gift nehmen –, nicht ein Einziger ist im Letzten fehlerfreier als du!«

Ein solches Selbstverständnis würde auch der Kirche von heute einen bevorzugten Platz in unserer Gesellschaft einräumen.

Lieben, weil man geliebt wird

Da trat Petrus zu ihm und fragte: Herr, wie oft muss ich meinem Bruder vergeben, wenn er gegen mich sündigt? Bis zu siebenmal? ­Jesus sagte zu ihm: Ich sage dir nicht: Bis zu siebenmal, sondern bis zu siebzigmal siebenmal. Mit dem Himmelreich ist es deshalb wie mit einem König, der beschloss, von seinen Knechten Rechenschaft zu verlangen. Als er nun mit der Abrechnung begann, brachte man einen zu ihm, der ihm zehntausend Talente schuldig war. Weil er aber das Geld nicht zurückzahlen konnte, befahl der Herr, ihn mit Frau und Kindern und allem, was er besaß, zu verkaufen und so die Schuld zu begleichen. Da fiel der Knecht vor ihm auf die Knie und bat: Hab Geduld mit mir! Ich werde dir alles zurückzahlen. Der Herr des Knechtes hatte Mitleid, ließ ihn gehen und schenkte ihm die Schuld. Als nun der Knecht hinausging, traf er einen Mitknecht, der ihm hundert Denare schuldig war. Er packte ihn, würgte ihn und sagte: Bezahl, was du schuldig bist! Da fiel der Mitknecht vor ihm nieder und flehte: Hab Geduld mit mir! Ich werde es dir zurückzahlen. Er aber wollte nicht, sondern ging weg und ließ ihn ins Gefängnis werfen, bis er die Schuld bezahlt habe. Als die Mitknechte das sahen, waren sie sehr betrübt; sie gingen zu ihrem Herrn und berichteten ihm alles, was geschehen war. Da ließ ihn sein Herr rufen und sagte zu ihm: Du elender Knecht! Deine ganze Schuld habe ich dir erlassen, weil du mich angefleht hast. Hättest nicht auch du mit deinem Mitknecht Erbarmen haben müssen, so wie ich mit dir Erbarmen hatte? Und in seinem Zorn übergab ihn der Herr den Peinigern, bis er die ganze Schuld bezahlt habe. Ebenso wird mein himmlischer Vater euch behandeln, wenn nicht jeder seinem Bruder von Herzen vergibt.

(Mt 18,21 – 35)

Wer sich andere Menschen möglichst vom Leib hält, erlebt vielleicht weniger Verletzungen im Leben, aber er vereinsamt früher oder später. Lässt man Menschen an sich heran, wird man berührbar und angreifbar zugleich. Man erlebt alles auf einmal: Liebe, Lust, Leid, Enttäuschung, Überraschung, Schmerz und Schuld. Unbequemes gehört nun mal auch zu echten Beziehungen dazu, denn »der einzige Ort außerhalb des Himmels, wo du vor allen Gefahren und Trübungen der Liebe vollkommen sicher sein kannst, ist die Hölle«, wusste schon C.S. Lewis.

Es gibt aber noch ein mächtiges Heilmittel, das uns für alle Enttäuschungen innerhalb von Beziehungen geschenkt ist: die Vergebung, die der Quelle der Barmherzigkeit entspringt. Unablässig wird uns Verzeihung geschenkt, und Vergebung ist es, die man ebenso ohne Unterlass verschenken kann, wenn es sein muss auch siebenmal, siebzigmal, siebenundsiebzigmal oder gar siebzigmal siebenmal! Diese große Zahl, die ­Jesus gegenüber Petrus gebraucht, will nicht Schwere oder Wuchtigkeit bezeugen, sondern Leichtigkeit andeuten. Vergebung und Aussöhnung sind unzählbar, damit soll nicht gegeizt werden, sie sollen nicht aufgeschoben werden, denn sie bedeuten immer auch Erleichterung, damit sich die Schuld nicht verhärtet. ­Jesus lehnt Religion ab, wenn sie nur von oben herab einen wohlgefälligen Gott anbietet. »Mein Joch drückt nicht und meine Last ist leicht.« So beschreibt er seinen und unseren Gott-Vater, der nicht belasten, sondern befreien will.

Das Christentum kennt den Widerspruch, die befreienden und wohltuenden Weisungen Gottes durch die Worte Jesu zu verbreiten und gleichzeitig Gebote und Verordnungen der Kirche vorzufinden, die das befreiende Aufatmen und das Gefühl des Geborgenseins in Gottes Hand verhindern. Versöhnung jedoch kann nicht im Regelwerk religiöser »Leistungsmenschen« gedacht werden. Versöhnen können nur ausgeglichene und mit sich selbst versöhnte Menschen. Diejenigen, die nur in den engen Kategorien des Gesetzes und des Rechts denken und nicht in der überbordenden Fülle der Barmherzigkeit, tun sich schwer mit der Versöhnung. Denn was, wenn auch schuldig gewordenen Mitmenschen Versöhnung und Erlösung zuteilwird?

Gott – so ­Jesus von Nazareth – ist dem Menschen absolut gut gesinnt. Nicht weil wir so gute Menschen wären, sondern weil er liebt. In welchem Ausmaß, das deutet dieses Gleichnis an, in dem der Herr eine übergroße, eigentlich unbezahlbare Schuld einfach mit der linken Hand wegwischt. Das ist der springende Punkt dieser ­Jesus­geschichte.

Solchermaßen befreit und aufgerichtet werden wir unserem Nächsten nicht wie einem Schuldigen begegnen, auch wenn er uns getroffen hat. Wir werden zumindest versuchen, in ihm den Bruder oder die Schwester zu sehen, einen Menschen, der seine Schatten hat, wie wir selbst auch, dem jede Schuld aber vergeben werden kann.

Menschen retten

Der HERR sprach: Das Klagegeschrei über Sodom und Gomorra, ja, das ist angeschwollen und ihre Sünde, ja, die ist schwer. Ich will hinabsteigen und sehen, ob ihr verderbliches Tun wirklich dem Klagegeschrei entspricht, das zu mir gedrungen ist, oder nicht. Ich will es wissen. Die Männer wandten sich ab von dort und gingen auf Sodom zu. Abraham aber stand noch immer vor dem HERRN. Abraham trat näher und sagte: Willst du auch den Gerechten mit den Ruchlosen wegraffen? Vielleicht gibt es fünfzig Gerechte in der Stadt: Willst du auch sie wegraffen und nicht doch dem Ort vergeben wegen der fünfzig Gerechten in ihrer Mitte? Fern sei es von dir, so etwas zu tun: den Gerechten zusammen mit dem Frevler töten. Dann ginge es ja dem Gerechten wie dem Frevler. Das sei fern von dir. Sollte der Richter der ganzen Erde nicht Recht üben? Da sprach der HERR: Wenn ich in Sodom fünfzig Gerechte in der Stadt finde, werde ich ihretwegen dem ganzen Ort vergeben. Abraham antwortete und sprach: Siehe, ich habe es unternommen, mit meinem Herrn zu reden, obwohl ich Staub und Asche bin. Vielleicht fehlen an den fünfzig Gerechten fünf. Wirst du wegen der fünf die ganze Stadt vernichten? Nein, sagte er, ich werde sie nicht vernichten, wenn ich dort fünfundvierzig finde. Er fuhr fort, zu ihm zu reden: Vielleicht finden sich dort nur vierzig. Da sprach er: Ich werde es der vierzig wegen nicht tun. Da sagte er: Mein Herr zürne nicht, wenn ich weiterrede. Vielleicht finden sich dort nur dreißig. Er entgegnete: Ich werde es nicht tun, wenn ich dort dreißig finde. Darauf sagte er: Siehe, ich habe es unternommen, mit meinem Herrn zu reden. Vielleicht finden sich dort nur zwanzig. Er antwortete: Ich werde sie nicht vernichten um der zwanzig willen. Und nochmals sagte er: Mein Herr zürne nicht, wenn ich nur noch einmal das Wort ergreife. Vielleicht finden sich dort nur zehn. Er sprach: Ich werde sie nicht vernichten um der zehn willen.

(Gen 18,20 – 32)

»Sodom und Gomorra« ist ein Schlüsselbegriff für wüste, unmoralische Zustände, in denen selbstverständlich nur andere leben. Der christlichen Tradition nach ging es in den beiden Städten am Toten Meer vor allem sexuell drunter und drüber, zumindest der Wortgeschichte der Sodomie nach. Von alledem ist in den Verhandlungen Abrahams mit Gott aber gar keine Rede, nicht einmal eine leise Andeutung. Es geht um »Klagegeschrei«, um »verderbliches Tun«, um das »schreiende Unrecht«, das bis zum Himmel dringt. So schlimm, dass der Herr es selbst wissen will und hinabsteigt. Eines der großen Schlüsselwörter dieser Geschichte und überhaupt der Bibel ist Gerechtigkeit. Gott kann das Unrecht nicht mit ansehen, Abraham leidet darunter. Denn überall, wo Gewalt und Unrecht einfach hingenommen werden, zerstört sich eine Gesellschaft selbst.

Der Strategie Abrahams folgend soll man aber mit Gott verhandeln, ja streiten, denn das Verderben unschuldiger Menschen darf nicht einfach in Kauf genommen werden, nur um die Ungerechten und Gewalttäter zu bestrafen. Noch heute wird in den Kriegen dieser Erde oft nur mit politisch unterkühltem Bedauern von »Kollateralschäden« gesprochen, wenn Unbeteiligte und Unschuldige mit den Terroristen gemeinsam in den Tod gerissen werden.

Das will Abraham nicht einmal Gott durchgehen lassen. Deswegen ringt er hartnäckig um die Zahl der Gerechten, die ausreicht, dass Gott die Stadt verschont. Es ist erstaunlich, dass Gott sich offenbar von Abraham umstimmen, verändern, überzeugen lässt. Gott bewegt sich und lässt sich bewegen. Das ist eine überraschende Botschaft.

Beide, Gott wie Abraham, suchen nach dem Heil, indem sie heillose Zustände überwinden wollen. Es geht um die tiefgreifende Leidenschaft, die in allen Christen und Christinnen brennen sollte, sich trotz dem mächtigsten aller Verhandlungspartner die Menschlichkeit zu bewahren. Seit Öffentlichwerden der Missbrauchsfälle und der strukturellen Vertuschung derselben muss die Kirche neu lernen, was es heißt, Opfer wie Täter zu sehen, und dabei weder auf Gerechtigkeit noch auf Barmherzigkeit zu verzichten. Natürlich muss Unrecht immer Unrecht genannt werden dürfen! Aber es muss auch alles Menschenmögliche getan werden, dass der Ungerechte wieder auf den Weg des Rechts und der Gerechtigkeit kommt.

Wir Menschen haben das Recht, Gott daran zu erinnern, was sein innerstes Wesen ist: Barmherzigkeit. Starre Gerechtigkeit ohne Barmherzigkeit ist jene bürokratische, kaltherzige Verhaltensweise, die die Gesellschaft niemals im Gesamten prägen darf. Eine Entscheidung streng nach Gesetzeslage, die Durchsetzung des Rechts schafft nicht immer Gerechtigkeit. Wir Christen und Christinnen fragen – wie Jüdinnen und Juden übrigens auch – ganz beharrlich nach einem mitmenschlichen Gott. Die Bibel lässt Gott schließlich sagen: »Barmherzigkeit will ich, nicht Opfer.«

Mag sein, dass wir von Gott nicht immer und nicht gleich eine Antwort bekommen. Aber fragen lassen muss er sich schon, wenn er von sich behauptet: »Ich nehme euch als mein Volk an und werde euer Gott sein« (Ex 6,7).