Hopeful Fight - Eva Perkics - E-Book
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Hopeful Fight E-Book

Eva Perkics

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Beschreibung

Wie lange kann man ein Doppelleben führen, bis man daran zerbricht?.

Vor mehreren Jahren gründete Evina mit ihrer Freundin eine Stiftung, die Frauenhäuser aufbaut. Bei einer Spendengala lernt sie Tommaso kennen, der ihr sofort unter die Haut geht. Doch sie ist verheiratet und mit einem Geschäftspartner eine Affäre zu beginnen, ist für sie ausgeschlossen. Doch bald wird Evina von ihrer Vergangenheit eingeholt, die sie völlig aus der Bahn wirft. Der einzige Mann, der ihr helfen kann, ist Tommaso De Santis.

Tommaso ist ein erfolgreicher Immobilienmagnat, der seine Geschäfte im Hintergrund führt. Doch nachts, wenn ihn die dunklen Dämonen aus seiner Vergangenheit einholen, wird er zu Massimo, der im Untergrund von Rom in den Käfig steigt und illegale Kämpfe führt.
Als er auf Evina trifft, ist er davon überzeugt, dass er sie nur einmal ins Bett locken muss, um sie aus seinem Kopf verbannen zu können. Doch sie ist keine Frau, die ihren Mann betrügt. Und Tommaso wird mit jedem weiteren Kampf klar: Für sie beide kann es keine gemeinsame Zukunft geben. Denn er ist das Dunkle und Böse und sie ist das Licht und die Liebe.

Hinweis: Dieser Roman ist eine überarbeitete Neuauflage und erschien bereits unter dem Titel ”Fight for us“ bei Forever by Ullstein.

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Veröffentlichungsjahr: 2025

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Copyright © 2024 Eva Perkics

Hinweis: Dieser Roman ist eine überarbeitete Neuauflage und erschien bereits unter dem Titel ”Fight for us“ bei Forever by Ullstein.

E.M. Prutsch, Schubertgasse 12, A-8200 Gleisdorf

Alle Rechte vorbehalten.

Eine Kopie oder anderweitige Verwendung ist nur mit schriftlicher Genehmigung von Seiten der Autorin gestattet.

Coverdesign und Umschlaggestaltung: Florin Sayer-Gabor - www.100covers4you.com

Unter Verwendung von Grafiken von Adobe Stock: Tony Marturano

Alle in diesem Buch geschilderten Personen sind frei erfunden. Ähnlichkeiten mit lebenden oder verstorbenen Personen, Geschäftseinrichtungen, Ereignissen oder Schauplätzen wären zufällig und nicht beabsichtigt.

 

 

 

 

HOPEFUL FIGHT

EVA PERKICS

INHALT

Vorbemerkungen für die Lesenden

Kapitel 1

Kapitel 2

Kapitel 3

Kapitel 4

Kapitel 5

Kapitel 6

Kapitel 7

Kapitel 8

Kapitel 9

Kapitel 10

Kapitel 11

Kapitel 12

Kapitel 13

Kapitel 14

Kapitel 15

Kapitel 16

Kapitel 17

Kapitel 18

Kapitel 19

Kapitel 20

Kapitel 21

Kapitel 22

Kapitel 23

Kapitel 24

Kapitel 25

Kapitel 26

Kapitel 27

Kapitel 28

Kapitel 29

Kapitel 30

Kapitel 31

Kapitel 32

Kapitel 33

Kapitel 34

Kapitel 35

Kapitel 36

Kapitel 37

Kapitel 38

Kapitel 39

Kapitel 40

Kapitel 41

Kapitel 42

Kapitel 43

Kapitel 44

Kapitel 45

Kapitel 46

Kapitel 47

Kapitel 48

Neuigkeiten

Noch mehr Lesestoff für dich

Über Eva Perkics

Links zu Anlaufstellen, bei denen du Hilfe findest

VORBEMERKUNGEN FÜR DIE LESENDEN

Liebe Lesende,

 

da mir deine seelische Gesundheit wichtig ist, möchte ich dich darüber informieren, dass in diesem Roman potenziell triggernde Inhalte vorkommen. Da diese Spoiler enthalten, entscheide bitte selbst, ob du diese Warnung liest. Falls die Themen dich belasten, sprich mit deiner Familie, Freunden, Vertrauensperson darüber und/oder suche dir professionelle Hilfe.

 

Leidest du selbst unter häuslicher oder seelischer Gewalt gibt es viele Anlaufstellen, die dir helfen können. Solltest du in deinem nahen Umfeld etwas von seelischen und/oder körperlichen Misshandlungen mitbekommen, bitte ich dich, nicht wegzusehen. Denn Veränderung in unserer Gesellschaft kann nur durch Liebe und Mitgefühl entstehen. Manchmal brauchen diese Menschen ein offenes Ohr oder eben den Rückhalt, nicht allein mit ihren Sorgen und Problemen zu sein.

Bei unmittelbarerer Gefahr rufe die Polizei.

 

Diese Geschichte enthält folgende sensitiven Themen:

 

Physische und körperliche Gewalt in der Familie

Kindesmisshandlung

Ich wünsche dir von Herzen ein wunderschönes Leseerlebnis mit dieser Geschichte. Zugleich hoffe ich, dich für diese schwierigen Themen zu sensibilisieren. Denn häusliche sowie seelische Gewalt sind leider keine Seltenheit. Am Ende des Buches findest du Anlaufstellen für Betroffene und ihr Umfeld.

 

Herzliche Grüße

Eva Perkics

1

Tommaso

Mit voller Wucht boxe ich gegen den Sandsack. Das dumpfe Geräusch, das meine nackten Fäuste bei jedem Schlag erzeugen, hallt durch meinen Fitnessraum. Die letzte Nacht ist wieder der Horror gewesen. Abermals hat er mich im Traum heimgesucht. Mit seinem abschätzigen Lächeln und seiner abartigen Stimme. Dieser verdammte Dreckskerl will nicht aus meinem Kopf verschwinden! Um meinen Hass loszuwerden, schlage ich immerfort auf den Sandsack ein. Mit harten Tritten versuche ich, die in mir brodelnden tiefen Aggressionen abzustreifen. Die Schweißperlen, die sich auf meiner Stirn bilden, könnten genauso die Tränen verkörpern, die ich vor Jahren vergossen habe. Nie wieder lasse ich einen Menschen so nahe an mich ran, dass er mich verletzen kann. Das habe ich mir geschworen.

In zwei Stunden soll ich bei dieser Wohltätigkeitsveranstaltung auftauchen. Wenn mir der Sinn hinter diesem Projekt nicht so bedeutungsvoll erscheinen würde, hätte ich Giulia und ihrer Partnerin einen Scheck zukommen lassen. Doch hier ist es mir ein Bedürfnis, zu überprüfen, ob sie anständige Arbeit leisten. Im schlimmsten Fall bin ich gezwungen einzugreifen, damit ich mein Ziel erreiche.

Nachdem ich in den letzten Tagen über die Lage hier in Italien recherchiert habe, stellte ich zu meinem Entsetzen fest, dass jede vierte Frau von ihrem Ehemann oder Lebensgefährten misshandelt und missbraucht wird oder psychischen Terror ertragen muss. Die Gesellschaft unternimmt zu wenig für die betroffenen Frauen und Kinder. Man sollte nicht nur die körperlichen Verletzungen behandeln, sondern auch die seelischen Narben, die ein Leben lang in ihr Gehirn eingebrannt bleiben.

Ich kenne Giulia seit vielen Jahren. Vor ein paar Wochen erzählte sie mir von ihrer Stiftung. Sofort wusste ich, dass dieses Projekt etwas ist, das ich unterstützen werde. Deshalb muss ich heute Abend persönlich erscheinen.

Für gewöhnlich meide ich derartige Veranstaltungen. Zwar gehe ich auf Partys, aber ausschließlich auf solche, auf denen keine Pressevertreter herumschwirren. Bisher gibt es kaum Fotos von mir in der Klatschpresse, obwohl ich einer der reichsten Männer Roms bin. Dank des Immobilienhandels kann ich heute ein sorgenfreies Leben führen, was nicht immer der Fall war. Die Geschäfte laufen über meinen besten Freund und Anwalt Milan, damit ich keine Aufmerksamkeit auf mich ziehe.

Kaum auszudenken, wenn mein Gesicht in Zeitschriften erscheinen würde. An die möglichen Auswirkungen für meine Mutter und mich will ich nicht denken. Niemals darf jemand von meiner Vergangenheit erfahren – dafür ist es erforderlich, weiter im Hintergrund zu bleiben. Heute leben wir in Sicherheit. Dies könnte sich schlagartig ändern. Mein Stiefvater hat vor langer Zeit dafür gesorgt, dass es keine Verbindungen zu unserer Vergangenheit gibt. Seine Kontakte zu den Behörden haben uns zu neuen Geburtsurkunden verholfen.

Zum wiederholten Male donnern meine Fäuste auf den Sandsack ein. Langsam beruhige ich mich wieder. Die Bilder von letzter Nacht verblassen. Kämpfen ist das Einzige, was mich entspannt. Mittlerweile fließt mir der Schweiß in Strömen den Rücken hinunter.

Die Veranstaltung werde ich so gut es geht über die Bühne bringen. Ich habe kein Interesse daran, dort jemanden näher kennenzulernen. Schon gar keine Frauen. Ich brauche keine feste Freundin, denn Sex bekomme ich zu jeder Tages- und Nachtzeit, wenn ich möchte. Obendrein bin ich zu verkorkst, um mich auf eine ernsthafte Beziehung einzulassen. Freundin, allein das Wort erzeugt bei mir einen Würgereiz. Das würde bedeuten, ich müsste mich in jemanden verlieben. Ich glaube nicht, dass ich das kann. Die einzigen Personen, die für mich eine Bedeutung haben, sind meine Mutter, mein Stiefvater, mein Halbbruder Daniele und mein bester Freund Milan.

»Hey, Tommaso, lass deine Aggressionen lieber beim nächsten Kampf raus!«, brüllt Milan.

Seine Stimme zieht mich aus meinem Trancezustand. Ich hatte komplett vergessen, dass Milan im Fitnessraum ist. Sofort lasse ich vom Sandsack ab und blicke zu ihm. »Training ist die halbe Miete, wie du weißt.« Mein Atem geht abgehackt, so entschlossen habe ich in den letzten Minuten auf dieses Ding eingeschlagen. Mit dem Unterarm wische ich mir die Stirn trocken.

Kickboxen ist für mich ein Ausgleich. Milan hat keine Ahnung von meiner Vergangenheit. Genauso wenig von den barbarischen Ereignissen, die mich Nacht für Nacht in meinen Träumen heimsuchen. Er weiß nur, dass ich nicht in der Öffentlichkeit stehen möchte. Darum ist er der Mittelsmann bei meinen Geschäften.

Wir kennen uns, seit meine Mutter Cecilia Marcello De Santis geheiratet hat. Milan und ich haben uns sofort verstanden. Nach der Trauung sind wir viele Nächte um die Häuser gezogen.

»Warum kommst du heute Abend nicht mit?«, fragt Milan. »Mit Marius im Käfig hättest du einen leichten Gegner. Wenn ich dich so beobachte, bist du derzeit in Topform.« Er fährt sich durch seine kurzen schwarzen Haare. Wie ich ist er fünfunddreißig Jahre alt, allerdings sieht er um einiges jünger aus.

»Heute ist diese Spendengala, die Giulia veranstaltet«, entgegne ich und laufe zum Kühlschrank, der ein paar Schritte von mir entfernt an der Wand steht.

»Schick einfach einen Scheck. Du bist doch sonst nicht scharf auf diese langweiligen Veranstaltungen.« Milan hängt sich ein Handtuch um den Nacken und folgt mir.

»Geht nicht«, wiegle ich ab. »Aber ich komme später nach, noch einen Absacker trinken.« Ich öffne den Kühlschrank, und die Kälte schlägt mir entgegen. Ich schnappe mir eine kleine Wasserflasche und trinke sie in einem Zug aus.

»Echt jetzt? Du ziehst diese Wohltätigkeitsveranstaltung einem Kampf vor?«, fragt Milan verblüfft. »Ey, Mann, das wird doch öde! Nur alte Weiber und ihre Männer … Da kommst du bestimmt zu keinem Stich.« Er grinst, zugleich reibt er sich das Kinn.

»Mach dir um mich keine Sorgen. Ich angele mir schneller eine Frau, als du Hallo sagen kannst.« Ich schnappe mir mein Handtuch und wische mir die restlichen Schweißperlen vom Gesicht.

»Du selbstgefälliger Arsch!«, ruft Milan gespielt. »Ich muss dann los, in die Kanzlei. Wäre toll, wenn wir uns morgen Nachmittag treffen könnten. Es sind ein paar Verträge für dich gekommen, zum Unterzeichnen.« So ist Milan. Er kann nicht einmal in seiner Freizeit vom Job abschalten.

»Ich gebe meiner Sekretärin Bescheid, damit sie dich kontaktiert«, sage ich.

»Fantastisch! Vielleicht sollte ich mit dieser Zuckerpuppe auch mal ein Date wagen. Oder warst du schon mit ihr in der Kiste?«

Ich lache leise vor mich hin. Milan ist unverbesserlich. Er könnte drei Frauen an einem Tag ficken und danach trotzdem noch einer anderen hinterherhecheln.

»Du kennst meine Regeln: Hab nie Sex mit einer deiner Angestellten. Das macht nur Probleme«, erkläre ich ihm noch einmal meine Lebensregel.

Meine Sekretärin Julia ist zwar eine zuverlässige Person und sieht heiß aus, aber selbst wenn ich etwas mit Angestellten anfangen würde, wäre ihr dürrer Körper nicht mein Fall.

»Okay … meine Mitarbeiterin ist sie ja nicht«, meint Milan schulterzuckend. »Aber sie ist schon verdammt scharf, findest du nicht? Wie schaffst du es, in ihrer Gegenwart nicht mit einem Dauerständer rumzulaufen?« Die Augen meines Freundes werden groß, und zugleich fasst er sich mit der Hand zwischen die Beine.

»Ehrlich gesagt, ist sie nicht mein Typ Frau. Darum habe ich sie auch eingestellt.«

»Sie ist nicht dein Typ?«, echot Milan ungläubig. Er zieht die Augenbrauen nach oben.

»Julia ist ein hübsches Mädchen, aber für meinen Geschmack viel zu jung.« Milan kennt mich. Er sollte wissen, dass ich lieber Frauen vögle, die sich um die dreißig bewegen. Die haben beim Sex eine gewisse Erfahrung und sind um einiges ausgelassener.

»Du bist ja nicht ganz dicht«, antwortet Milan mit einem verschmitzten Lächeln.

2

Evina

»Mist!«, fauche ich. Der Abend beginnt ja hervorragend!

Es ist gleich neunzehn Uhr, und ich habe es eilig. Und jetzt dieses Malheur. Eine riesengroße Laufmasche verziert die Rückseite meines rechten Beines. Schnell krame ich aus meiner Schublade ein neues Paar halterlose Strümpfe hervor. So ein Missgeschick darf mir kein zweites Mal passieren, schon gar nicht auf dieser bedeutsamen Spendengala, die nur von Leuten besucht wird, die in ganz Italien Rang und Namen haben. Vielleicht sollte ich mir zur Sicherheit ein weiteres Paar in die Handtasche packen, überlege ich, als mein Mann den Kopf zur Tür hereinstreckt.

»Evina, Liebes, bist du bald fertig? Wir sind spät dran.«

Als ich Giovanni, den ich bereits seit meiner Schulzeit kenne, geheiratet habe, hatte er volles schwarzes Haar. Heute bilden sich am Kopf schon lichte Stellen. Sein Aussehen stört mich nicht im Geringsten. Er gefällt mir noch immer so wie als ich ihn das erste Mal sah.

»Jetzt stress mich bitte nicht!«, gebe ich genervt zurück. Ich könnte mir die Haare raufen, so ärgere ich mich über mich selbst. Wäre ich früher aus der Agentur verschwunden, dann müsste ich jetzt nicht so hetzen.

»Ich frage doch nur«, murrt Giovanni.

»Entschuldige bitte.«

Im Schlafzimmer ziehe ich die Strümpfe an, ohne weitere Laufmaschen zu verursachen. Ich beruhige mich wieder. Giovanni nickt mir zu und huscht aus dem Raum.

Unglaublich, wie lange wir ein Paar sind. Wir kennen uns mittlerweile seit siebzehn Jahren, wovon wir bald zehn verheiratet sind. Er weiß genau, wenn ich unter Druck stehe, bin ich leicht reizbar.

Der heutige Stress ist hausgemacht. Meinen letzten Kundentermin hätte ich besser auf Montag verschieben sollen. Zwei Tage hätte der neue Klient bestimmt warten können, bis ich ihm eine passende Frau vermittle. Doch er hat mich am Telefon bitterlich angefleht, er brauche für den Abend dringend eine Begleitung. Da habe ich Mitleid bekommen und nachgegeben.

Ich bin in Rom bekannt dafür, dass ich innerhalb kürzester Zeit einen passenden Partner für jeden finde. Im Verkuppeln bin ich als junges Mädchen schon begabt gewesen. Nach meinem Schulabschluss habe ich entschieden, mich mit einer Partnervermittlung selbstständig zu machen. Giovanni ist von dieser Idee begeistert gewesen und hat mich dabei unterstützt, wo er nur konnte. Mittlerweile widmet er sich aber vollkommen den eigenen Geschäften in der Investmentbranche. Meine Agentur ist mein Baby und bereit zur Erweiterung. Derzeit bewege ich mich im Großraum Rom, aber das möchte ich heute Abend ändern. Viele neue Kontakte zu knüpfen, ist mein momentanes Ziel, da ich weitere Büros in Mailand und Neapel geplant habe.

Ich streife mir ein schwarzes, bodenlanges Kleid über, das sich wie eine zweite Haut an meine Figur schmiegt. Ich bin nicht gertenschlank, doch dieses wundervoll geschnittene Abendkleid kaschiert die kleinen Speckröllchen an meinem Bauch nahezu vollständig.

Die blonden Haare hat meine Friseurin in schöne Locken gelegt. Mein Make-up wurde von einer Visagistin perfektioniert. Vor allem der dunkelgrün schimmernde Lidschatten bringt meine grünen Augen gut zur Geltung.

»So! Den heutigen Abend werde ich rocken!«, sage ich zu meinem Spiegelbild. Ich straffe die Schultern und setze ein professionelles Lächeln auf. Charity-Veranstaltungen machen mich hibbelig. Als Geschäftsfrau sollte man mutig und selbstbewusst sein, doch das bin ich nur bedingt. Große Menschenansammlungen verunsichern mich. Zum Glück begleitet mich Giovanni. Meine beste Freundin Giulia wird auch da sein.

»Evina, kommst du?«, höre ich Giovanni aus dem Flur rufen.

Ich schlüpfe in meine schwarzen High Heels, schnappe mir die Handtasche vom Bett und verlasse das Zimmer.

»Ich bin ja schon da«, sage ich und drehe mich vor ihm im Kreis. Ein Kompliment wäre jetzt schön, aber es bleibt leider aus. In den letzten Wochen habe ich kaum noch liebevolle Worte von meinem Mann gehört, was wohl an seinem Arbeitspensum liegt.

»Wir sollten vor einer halben Stunde dort aufkreuzen«, mault Giovanni, der leicht reden hat. Ein Mann schlüpft in seinen Smoking, zieht ein Paar saubere Schuhe an und ist perfekt gekleidet. Als Frau muss ich mehr Zeit investieren, um hübsch auszusehen. Die Haare brauchten zwanzig Minuten, bis sie in Form gebracht waren.

»Ja, ich weiß«, murmele ich, um ihn nicht weiter zu verärgern.

Schweigend fahren wir mit dem Fahrstuhl die fünf Stockwerke nach unten. Als wir im Erdgeschoss ankommen, läuft mir Giovanni davon. In schnellem Tempo hetzt er aus dem Foyer, man könnte glauben, er sei auf der Flucht. Kurz schenke ich dem Portier, der mir die Eingangstür aufhält, ein Lächeln. Giovanni sitzt bereits in seinem schwarzen Porsche. Das laute Brummen des Motors ertönt. Fährt er etwa ohne mich?

Wo ist die Zeit hin, in der er mir die Beifahrertür aufgehalten und mir einen zärtlichen Kuss vor der Abfahrt gegeben hat?

Der Alltag hat uns seit zwei Jahren erwischt. Vorbei sind unsere wilden Sexeskapaden im Auto oder im Freien. Giovanni zeigt mir derzeit nicht, dass er mich noch attraktiv findet. Es stimmt mich oft nachdenklich und traurig, aber ich führe es auf unseren vollen Terminplan zurück. Er hat in letzter Zeit viele Abendtermine. Wenn er dann um Mitternacht in unser Penthouse kommt, bemerke ich kaum, dass er sich neben mich legt. Auch ich bin mit meinem Unternehmen so beschäftigt, dass ich abends hundemüde ins Bett falle.

Wir fahren die Auffahrt zum Anwesen meiner Freundin Giulia hinauf. Ihr Refugium am Rande Roms ist beeindruckend romantisch. Der Ausdruck Villa ist untertrieben, denn das Gebäude wirkt wie ein kleines Schloss. Es stammt noch aus dem Mittelalter, und Giulia und ihr Mann haben es für einige Millionen Euro aufwendig restaurieren lassen.

Giulias Mann, Ricardo Mancini, stammt aus einer reichen Familie, die ein Weinhandel-Imperium aufgebaut hat. Sie beliefern weltweit die betuchtesten Kunden. Die stört es nicht, für eine Flasche Wein ein paar Tausend Euro lockerzumachen. Ich bin zwar mit meiner Partnervermittlung sehr gut im Geschäft, jedoch keine große Weinliebhaberin. Nie würde ich diese Unsummen für Wein bezahlen.

Giovanni hält vor dem Eingang. Zwei junge Typen im Anzug steuern direkt auf unser Auto zu und öffnen die Türen. Giovanni wirft einem die Schlüssel in die Hand und läuft um den Wagen herum. Ich steige aus, hake mich bei meinem Mann unter und setze mein perfektes Lächeln auf.

Dieser Abend hat nicht nur beruflich eine enorme Bedeutung für mich, sondern auch privat. Giulia und ich organisieren seit drei Jahren Spendengalas, um misshandelten Frauen und Kindern zu helfen. Diesmal habe ich leider nicht genug Zeit gehabt, um sie bei den Vorbereitungen zu unterstützen. Die letzten Wochen sind besonders anstrengend gewesen. Sobald ich in Neapel und Mailand die Büros erfolgreich eröffnet habe, wird wieder mehr Ruhe bei mir einkehren.

Mit den Spenden, die wir heute sammeln, möchten wir weitere Frauenhäuser errichten. Giulia und ich verfolgen das Ziel, für Frauen und Kinder in ganz Italien Zufluchtsorte zu schaffen.

Ein Mann mit breiten Schultern im schwarzen Anzug öffnet uns die Tür und begrüßt uns höflich. Wir schreiten in den Saal, und ich vernehme Klavierklänge und Basstöne. Eine zierliche Kellnerin reicht uns ein Glas Champagner. Mit einem freundlichen Lächeln heißt sie uns willkommen.

»Guten Abend«, antworte ich höflich.

Giovanni reagiert nicht auf die herzliche Begrüßung, nimmt aber ein Glas Champagner. Er ist schon die ganze Autofahrt über schweigsam gewesen. Seine geistige Abwesenheit irritiert mich. Wir sind eines der letzten ankommenden Paare, wie ich an den Tischen erkennen kann, an denen sich bereits unzählige Gäste eingefunden haben.

Giulia hat alles perfekt organisiert, muss ich mit einem anerkennenden Blick feststellen. Die Tafel bildet ein U. Im vorderen Drittel des Raumes ist eine Bühne aufgebaut, auf der ein Trio Jazz spielt. Dazu singt ein Kerl mit sonnengebräunter Haut und tiefer Stimme. Irgendwie sieht er wie ein Elvis-Verschnitt aus, mit seinem weißen Anzug und der schwarzen Elvis-Locke, die ihm ins Gesicht hängt.

»Hallo, Evina! Wo warst du so lange?« Giulia begrüßt mich mit Küssen rechts und links auf die Wangen. Sie sieht mich mit ihren haselnussbraunen Augen durchdringend an. Ihre schwarzen langen Haare, die normalerweise an ihrem Brustansatz enden, hat sie mit einer außergewöhnlichen Hochsteckfrisur in Form gebracht. Das türkisfarbene Abendkleid setzt ihren makellosen Körper wie gemalt in Szene. Giulia ist mit ihren ein Meter siebzig gleich groß wie ich, jedoch kann man an ihren durchtrainierten Oberarmen erkennen, dass sie im Gegensatz zu mir regelmäßig Sport treibt.

»Entschuldige, ich hatte noch einen Kundentermin.« Ich versuche, Giulia zu besänftigen. Unpünktlichkeit ist bei mir normalerweise nicht an der Tagesordnung, doch in letzter Zeit verliere ich den Überblick über meinen eng gestrickten Terminplan.

»Du hast nur deine Arbeit im Kopf, Schätzchen. Es wird Zeit für einen Kurztrip, nur wir zwei, damit du entspannen kannst.« Mir entgeht nicht, dass sie mich von meinen Schuhen beginnend hinauf bis zu meinem Gesicht mustert. Insgeheim gebe ich ihr recht. Früher haben wir uns mindestens zweimal im Jahr eine Auszeit genommen und es uns in einem Wellnesshotel gut gehen lassen. Doch im letzten Jahr habe ich so viel Zeit in meine Firma investiert und keine Energie mehr für einen Mädelsausflug gehabt.

»Danke, du siehst auch blendend aus!«, murre ich genervt. Das fehlte mir heute noch, dass man mir die Müdigkeit ansieht!

Meine Freundin stupst mich fröhlich in die Seite. »Jetzt sei nicht gleich eingeschnappt. Du weißt, wie ich das meine. Ich hätte einfach wieder mal Lust auf ein Mädelswochenende.«

Ich lächle verkrampft. »Ich werde meinen Terminkalender durchgehen. Vielleicht klappt es ja.« Ein paar Tage Abstand von dem ganzen Trubel wären eine gute Idee. Derzeit hetze ich von einem Termin zum nächsten.

»Evina, du siehst wieder fantastisch aus!« Giulias Mann, Ricardo, umarmt mich überschwänglich. Als er von mir ablässt, strahlt er mich mit seinen mokkafarbenen Augen an und fährt sich durch seine mit Gel verstrubbelten dunkelbraunen Haare. Er ist mindestens einen Kopf größer als ich, obwohl ich High Heels mit Fünf-Zentimeter-Absätzen trage. Sie sehen zwar wunderschön aus, mit ihren golden versetzten Strasssteinchen, aber von gemütlich sind sie weit entfernt.

»Hallo, Ricardo, deine Frau ist da aber nicht ganz deiner Meinung«, antworte ich, immer noch etwas pikiert, schließlich habe ich mir sehr viel Mühe gemacht, um heute gut auszusehen.

»Ach, Evina …« Giulia streichelt meinen Oberarm und schürzt ihre Lippe. Ich weiß, dass sie es nie böse meint, doch bin ich heute so angespannt, dass mich fast alles aus dem Konzept bringt.

»Wo ist denn Giovanni?« Ricardo sieht zuerst seine Frau, dann mich an.

»Das frage ich mich auch.« Angestrengt und nervös blicke durch den Raum, finde meinen Mann aber nicht. Na toll, jetzt lässt er mich schon am Anfang sitzen! Giovanni hasst Charity-Veranstaltungen, trotzdem ist es unhöflich, mich sitzen zu lassen. Früher wich er mir kaum von der Seite, und heute? Obwohl, wenn ich die vergangenen Veranstaltungen Revue passieren lasse, benimmt er sich schon seit einigen Monaten so eigenartig.

»Kommt deine Assistentin auch?«, fragt Giulia mit ihrer weichen Stimme. Sie würde mit ihrer angenehmen Sprachfärbung hervorragend in einen Radiosender passen.

»Angelina sollte schon da sein«, antworte ich und durchforste mit Blicken den Raum, aber auch meine Assistentin scheint verschollen.

Ich hatte sie extra früher nach Hause geschickt, um sich für den wichtigen Abend hübsch zu machen. Sie soll lernen, Kundengespräche zu führen. Ich schaffe das Pensum bald nicht mehr, wenn ich expandieren möchte. Da sie schon zwei Jahre für mich arbeitet und einen sehr guten Einblick in die firmeninternen Abläufe hat, ist es naheliegend, sie für die Filialleitung heranzuziehen. Vielleicht kann ich auch ein paar Termine machen, die sie nebenbei notiert.

»Spätestens am Tisch werdet ihr euch treffen, ich habe für alle Gäste Namenskarten aufstellen lassen«, beruhigt mich Giulia. Sie hat im Vorfeld kurz erwähnt, dass heute Politiker, Industrielle, Immobilienmagnaten und Großinvestoren die Gästeliste füllen.

Bereits seit Stunden hat sich in meinem Bauch ein flaues Gefühl breitgemacht. Zwar bin ich es gewöhnt, mich in diesen gehobenen Kreisen zu bewegen, doch diesmal kenne ich hier außer Giulia, Ricardo und meinem Mann niemanden. Giulia achtet bei den Einladungen darauf, für die Stiftung neue Sponsoren zu finden.

Ich habe meiner Freundin einiges zu verdanken. Seit über zwanzig Jahren kennen wir uns schon. Damals waren wir zehn. An diesem Tag veränderte sich mein Leben, das werde ich nie vergessen. Damals kamen meine Mutter und ich frei. Unser Martyrium hatte endlich ein Ende. Ich kann mich nur zu gut daran erinnern.

Wir betraten das Frauenhaus, und meine Mutter versicherte mir, dass wir hier keine Angst mehr haben müssten. Giulia war damals schon ein aufgewecktes Mädchen. Sie kam auf mich zu und begrüßte mich mit einer Umarmung. Uns verbindet mehr als nur eine Kindheitsfreundschaft. Wir haben in der Vergangenheit Ähnliches erlebt – ein Gedanke, den ich schnell wieder verdränge. Heute darf ich nicht in ein sentimentales Loch fallen. Ich habe ein Ziel vor Augen, und das heißt, mein Unternehmen weiter auszubauen, damit ich noch mehr in die Stiftung investieren kann.

»Ich werde dann mal an meinen Platz gehen«, verabschiede ich mich von den beiden. Ich verlasse Giulia und Ricardo, die wieder damit beschäftigt sind, weitere Gäste in Empfang zu nehmen.

Ihre Villa ist atemberaubend, mit hohen Räumen und einem Mix aus alten restaurierten Möbeln und modernen Gemälden. Giulia hat ein besonderes Händchen für Innenarchitektur. Die fünfzehn Zimmer im Haus haben alle eine spezielle Note. Am meisten hat es mir die Bibliothek angetan. Der Raum hat deckenhohe Regale, sodass man eine Leiter benötigt, um in den oberen Reihen zu stöbern. In der Mitte steht eine gemütliche Sitzlounge aus geblümtem Stoff, mit direktem Blick auf den Garten. Ein paar Mal habe ich mich schon in der Bibliothek verkrochen, um ein wenig vom Alltagsstress abzuschalten. In den alten Büchern, die Ricardo als Sammlerstücke bezeichnet, habe ich vorsichtig geblättert und das eine oder andere Gedicht gelesen.

Der Raum, in dem die Gala stattfindet, ist mindestens hundert Quadratmeter groß. Üppige Kronleuchter erhellen ihn in gelben und weißen Tönen. Kurz unterbricht die Musik, und das Murmeln der anwesenden Gäste ist zu hören. Ich schlängle mich zwischen zwei Damen mit ergrautem Haar durch, die dicke Klunker um den Hals tragen.

In diesem Moment entdecke ich Giovanni, der sich mit meiner Assistentin am Tisch eingefunden hat. Sie unterhalten sich angeregt, was mich aber nicht weiter stört. Angelina ist mit ihren fünfundzwanzig Jahren sehr jung, erledigt ihre Arbeit aber verantwortungsvoll und fleißig. Sie hat ihre von Natur aus roten Haare nach oben gesteckt, und ein paar lose Strähnen fallen ihr ins Gesicht. Die Frisur lässt sie weich und zerbrechlich wirken.

»Da bist du ja! Ich habe dich überall gesucht!«, rufe ich aus. Prüfend beäuge ich Giovanni, der mich ungläubig ansieht, als wüsste er nicht, wovon ich spreche.

»Wirklich? Ich habe Angelina gesehen und sie an unseren Platz begleitet. Immerhin kennt sie ja niemanden hier.« Er ignoriert meinen vorwurfsvollen Tonfall und blickt mich mit seinen braunen Augen an. Dass ich ihn gerne an meiner Seite gehabt hätte, ist ihm wohl völlig egal.

»Guten Tag, Signora Castello«, begrüßt mich Angelina.

Sie reicht mir die Hand, die ich kurz drücke. »Angelina, haben Sie das iPad eingepackt?«

»Natürlich, alles in der Tasche, benötigen Sie es jetzt?« Angelina steckt die freie Hand rücklings in ihren Beutel.

»Nein, zuerst werden wir das Dinner genießen.«

Ich gleite auf den Stuhl neben Giovanni. Er wendet sich gleich wieder Angelina zu. Die beiden unterhalten sich, als wäre ich überhaupt nicht da. Eigentlich sollte ich beleidigt sein, dass Giovanni seine Aufmerksamkeit mehr auf meine Assistentin richtet als auf mich. Aber im Moment bin ich eher dankbar für die Ruhe.

Ich bin hundemüde. Wenn mir der heutige Abend nicht so verdammt wichtig wäre, würde ich es mir in meinem kuscheligen Bett zu Hause gemütlich machen. Zwischen meinen Augen bildet sich ein schmerzhafter Druck. Ich schließe für einen Moment die Lider und drücke mit den Fingern fest meine Nasenwurzel. Bitte, lass mich jetzt nicht schwächeln, wiederhole ich wie ein Mantra in Gedanken.

3

Evina

»Eine Kopfschmerztablette?«, reißt mich eine tiefe Stimme aus meinen Gedanken.

»Wie bitte?« Ich blinzele und drehe den Kopf nach rechts – und blicke in die schönsten blauen Augen, die ich jemals gesehen habe. Sie sind hellblau wie Eiskristalle und funkeln, als würden die Kronleuchter sie noch mehr zum Strahlen bringen.

»Brauchen Sie eine Kopfschmerztablette?«, wiederholt der Mann, während er seinen Blick über mein Gesicht gleiten lässt.

»Ich denke, das wäre wirklich sehr hilfreich«, hauche ich.

Er winkt mit der Hand einen Kellner herbei. »Könnten Sie der Dame bitte eine Tablette gegen Kopfschmerzen besorgen und dazu ein Glas Wasser?«

Ein warmes Gefühl flutet mein Herz. Dieser wildfremde Typ zeigt mehr Hilfsbereitschaft als mein eigener Mann. Dem fällt nicht einmal auf, dass ich mich nicht gut fühle.

»Danke schön, das ist wirklich sehr freundlich von Ihnen. Ich heiße übrigens Evina Castello.« Ich wende mich ihm zu.

»Tommaso De Santis. Schön, Sie kennenzulernen, Signora Castello.«

Seine Hand schließt sich angenehm warm um meine kalten Finger und tut gut. Zu gut, wenn ich genauer darüber nachdenke. Kurz verweilen unsere Hände ineinander, bis der Kellner mit der Tablette und dem Glas Wasser zurückkommt.

Mit einem Nicken und einem lautlosen »Danke« werfe ich die Tablette ein und trinke das kühle Wasser aus, damit das sperrige Ding meinen Hals hinunterflutschen kann. »In wenigen Minuten wird es mir sicher besser gehen, danke«, wispere ich.

Während ich mit halb geschlossenen Lidern darauf warte, dass der dumpfe Schmerz sich verflüchtigt, bin ich immer wieder versucht, zu Signor De Santis zu schielen. Letztlich ist die Neugier zu groß, und ich blicke in seine Augen. Sie sind so schön, dass ich nicht anders kann als mich ihm zuzuwenden. Sie erinnern mich an eine seltene Orchideenart, deren Namen ich leider vergessen habe.

»Sie sind auch für diese Stiftung verantwortlich?« De Santis’ melodische Stimme erzeugt ein Kribbeln in meinem Bauch, das ich besser nicht fühlen sollte. Immerhin bin ich verheiratet, und mein Mann sitzt nicht einmal eine Armbreite von mir entfernt.

»Ja, woher wissen Sie das?« Ich ziehe eine Augenbraue hoch.

Er hält das Heft mit allen relevanten Details zur Stiftung in die Höhe und lächelt.

»Ach, ja, genau«, murmle ich verlegen. Was bin ich bloß für eine Idiotin.

»Könnten Sie mir etwas über das Projekt erzählen?«, fragt er rau. »Ich plane, eine beträchtliche Summe zu spenden.« Seine Miene ist ernst, doch nicht Furcht einflößend. Er wirkt selbstbewusst, aber nicht überheblich.

»Sehr gerne, Signor De Santis«, antworte ich mit einem Lächeln. »Wissen Sie, wir möchten gerne in jeder Stadt Italiens ein Haus für Frauen und Kinder errichten, die Opfer häuslicher Gewalt geworden sind. Mit einer Telefonzentrale, bei der sie sich auch anonym informieren können. Doch das alles kostet viel Geld, wie Sie sich sicher denken können, das die Stiftung derzeit noch nicht besitzt. Die Gala heute ist von großer Bedeutung für uns.«

De Santis hört gespannt zu, ohne mich zu unterbrechen. Mir fällt auf, dass er kleine Ohren hat, sie passen genau zu seinem kantigen Gesicht. Wieso denke ich an seine Ohren? Himmel, er ist ein Geschäftspartner! Signor De Santis fährt sich mit seiner großen Hand durch seine dunklen mit Gel zurechtgelegten Haare. Seine Hand wirkt so stark und männlich, dass mir das Wasser im Mund zusammenrinnt. Was er wohl alles mit seiner Frau oder Freundin anstellt? Ich schüttle den Kopf, um wieder klare Gedanken fassen zu können.

Giovanni begeistert sich nicht für die Stiftung. Für ihn ist sie eine reine Prestigefrage, er interessiert sich nicht für die betroffenen Kinder und Frauen. Bei Signor De Santis scheint jedoch aufrichtiges Interesse zu bestehen.

»Haben Sie bereits Immobilien ins Auge gefasst?«, fragt er und legt den Arm auf meiner Stuhllehne ab. Seine Hand ist meinem Rücken so nahe, und ein warmer Schauder wandert von meinem Hals abwärts Richtung Po.

»Noch nichts Konkretes«, antworte ich ehrlich. »Aber wir sind auf der Suche. Es ist leider schwierig, ein Objekt zu finden, das in unser Budget passt und den gesetzlichen Bestimmungen standhält. Das Frauenhaus in Rom haben wir durch einen guten Kontakt von Giulia bekommen. Leider platzen wir aus allen Nähten. Derzeit ist nicht einmal unser kleines Notzimmer frei.«

»Wenn Sie möchten, kann ich Sie dabei unterstützen. Ich habe ausgezeichnete Kontakte und hätte auch ein paar Objekte im Kopf, die vielleicht passen könnten«, schlägt er freundlich vor. Er rückt ein Stück näher an mich heran, und ich werde augenblicklich nervös. Obwohl er sachlich spricht, entgeht mir nicht, wie seine Augen meinen Körper mustern.

»Das wäre hilfreich, Signor De Santis. Sind Sie in der Immobilienbranche tätig?«, frage ich neugierig. Gleichzeitig rutsche ich ein Stück auf meinem Stuhl zurück, um etwas Abstand zu ihm zu gewinnen.

»In die Richtung … ja«, entgegnet er ausweichend. Dann wird sein Blick intensiver, und er lächelt. »Hätten Sie etwas dagegen, wenn wir uns duzen würden?«

»Nein, sehr gerne.« Normalerweise werde ich mit meinen Geschäftspartnern nicht so schnell persönlich, aber man kann ja auch einmal eine Ausnahme machen.

»Dann lass uns doch darauf anstoßen, Evina.« Aus seinem Mund klingt mein Name wie der einer Göttin. Er erhebt sein Rotweinglas und lächelt, wodurch seine makellosen Zähne hervorblitzen.

»Tommaso«, wispere ich. Ich greife nach meinem Champagner.

Er zieht eine Augenbraue hoch. »Möchtest du nicht lieber ein Wasser? Die Kombination aus Champagner und Tablette ist vielleicht nicht so gesund?«, fragt Tommaso besorgt.

Geschmeichelt von seiner rührenden Aufmerksamkeit, tausche ich das Champagnerglas gegen mein Wasser aus. Meine Kopfschmerzen sind wie weggeblasen – keine Ahnung, ob die Medizin wirkt oder ob es an der netten Gesellschaft liegt.

»Auf eine gute Zusammenarbeit.« Tommasos kristallblaue Augen fixieren mich so eindringlich, dass sich ein flaues Gefühl in meiner Bauchgegend breitmacht.

»Auf die Stiftung!«

Der offene Blick, mit dem er mich unverwandt ansieht, lässt sicher viele Frauenherzen höherschlagen. Wenn ich nicht verheiratet wäre, könnte er mir sogar gefährlich werden, schießt es mir durch den Kopf. Doch so ist er einfach ein Mann, mit dem ich die Stiftung vorantreiben werde. Ich halte seinem Blick zwar stand, bin aber erleichtert, als Giulia zu uns stößt.

»Wie mir scheint, habt ihr euch schon bekannt gemacht.« Sie hat ein Champagnerglas in der einen Hand, die andere legt sie auf meine Schulter. Tommaso zieht seine Hand zurück, und augenblicklich wird es an meinem Rücken kalt, obwohl er mich nicht einmal berührt hat.

»Warum hast du deine wunderschöne Freundin so lange vor mir versteckt gehalten?«, fragt Tommaso. Er betrachtet mich unentwegt, und ich drehe nervös das Wasserglas.

Giulia schnalzt mit der Zunge. »Sie ist eben sehr beschäftigt und verheiratet.« Meine Freundin nimmt kein Blatt vor den Mund und steckt für Giovanni das Revier ab.

»Ich sehe aber keinen Ehering!« Tommaso schaut auf meine Hand, die in meinem Schoß ruht.

»Den habe ich zu Hause vergessen!«, rufe ich entsetzt aus und starre auf meinen Ringfinger und dann ihn wieder an. Ich spüre die aufsteigende Hitze auf meinen Wangen wie kleine Nadelstiche.

Tommasos schiefes Grinsen verunsichert mich. Glaubt er etwa, es ist eine faule Ausrede?

»Hat dir Evina schon alles über unsere Pläne für die Stiftung erklärt?«, erkundigt sich Giulia.

Sie zieht mich gekonnt aus dieser prekären Situation und verwickelt Tommaso in ein Gespräch über das Stiftungsziel und die Immobiliensuche. Ich will mich nicht weiter einmischen und höre ihnen interessiert zu. Während Tommaso spricht, studiere ich sein Gesicht. Seine vollen Lippen sind gleichmäßig geformt. Seine Nase ist etwas krumm, so, als wäre sie schon mehrmals gebrochen worden. Ich würde gerne erfahren, warum er so verwegen aussieht.

Ich schüttele leicht den Kopf, um mich wieder auf das Gespräch zu konzentrieren.

»Wie, Evina, bist du nicht unserer Meinung, dass wir nach Rom jetzt auch Mailand und Neapel in Angriff nehmen müssen?« Giulia hat mein Kopfschütteln mitbekommen, aber falsch interpretiert.

»Doch … natürlich. Ich war nur kurz mit Gedanken …« Mein Stottern wirkt nicht gerade professionell. Nicht einmal einen anständigen Satz bringe ich zusammen.

»Du hast momentan nur deine Partnervermittlung im Kopf!« Giulias Stimme klingt ungehalten.

Auszusprechen, was sie in diesem Moment denkt, ist wirklich typisch für sie. Eigentlich sollte ich mich nach den vielen Jahren, die wir uns kennen, daran gewöhnt haben. Leider kämpfe ich trotzdem jedes Mal damit, wie offen sie alles anspricht. Sie denkt nicht weiter darüber nach, wie ihre Worte beim Gegenüber ankommen. Sie hat mich schon oft in peinliche Situationen gebracht.

»Das stimmt doch gar nicht«, verteidige ich mich.

»Ach, und wo warst du dann?« Giulias prüfendem Blick entgeht nichts.

»Du hast eine Partnervermittlung?«, unterbricht Tommaso uns.

Er wird mir immer sympathischer. Insgeheim danke ich ihm für die kurze Verschnaufpause.

Ich lächele ihn freundlich an. »Ja, und das ist mir auch sehr wichtig, ich möchte mich vergrößern.«

»Hast du eine Visitenkarte?«

»Wieso interessiert dich das denn?«, hakt Giulia neugierig nach.

»Na, für mich als Single wäre das doch eine Option.« Tommasos ernste Mimik kann ich nicht deuten. Verarscht er uns gerade, oder meint er es wirklich ernst?

»Du brauchst keine Partnervermittlung, Tommi-Boy. Du bist einfach zu wählerisch, was deine Frauen betrifft«, sagt Giulia lachend.

Ihre Worte hallen in meinem Gehör. Hat sie ihn schon mal zu verkuppeln versucht? Bei seinem guten Aussehen kann ich es nur zu gut verstehen, dass er wählerisch ist, immerhin kann er offensichtlich an jedem Finger eine andere Frau haben. Da fällt die Wahl bestimmt schwer.

»Und du kannst das beurteilen?«, neckt er Giulia und schmunzelt. Dann blickt er mich auffordernd an.

»Ich habe ein paar hübsche Mädchen in meiner Kundenkartei. Ich denke, eine davon wird dir bestimmt gefallen«, beeile ich mich zu sagen und reiche ihm meine Visitenkarte. Dabei berühren sich unsere Finger. Ein Kribbeln durchfährt meinen Körper, und kurz zucken seine Mundwinkel nach oben. War das gerade ein Lächeln?

»An diesem Kunden wirst du dir die Zähne ausbeißen. Glaub mir, Tommaso ist eine harte Nuss.« Giulia klopft ihm kumpelhaft auf die Schulter. »So, aber jetzt muss ich aufs Podium, um die Ansprache zu halten. Evina, begleitest du mich?«

Ich schüttele den Kopf. »Du weißt doch, dass ich lieber im Hintergrund arbeite.«

Meine Freundin nickt kurz und verlässt uns.

Mit ein paar Leuten zu sprechen macht mir nichts aus. Doch diese Menschenansammlung von mehr als hundert Personen verschafft mir ein flaues Gefühl im Bauch.

Giulia hingegen liebt das Rampenlicht. Ihr Weinhandel steht oft im Mittelpunkt der Presse. Ricardos Familie gehört zu den einflussreichsten in Italien. Giulia hat ihren Mann in einem Club in Rom kennengelernt, und seit zehn Jahren sind sie glücklich verheiratet. Für beide war es Liebe auf den ersten Blick. So wie bei Giovanni und mir.

4

Evina

Giulia hält mit einer bewundernswerten Perfektion ihre Rede und erklärt ganz nebenbei, was unsere nächsten Ziele sind. Als sie zum Ende kommt, applaudieren die Gäste und erheben sich. Meine Freundin schafft es auf ihre freundliche, aber direkte Art, die Menschen mit ihren Worten im Herzen zu berühren. Dank ihr haben wir einige große Summen für unsere Stiftung ergattern können. Ich arbeite lieber direkt im Frauenhaus mit. Mindestens einmal pro Woche fahre ich hin und helfe bei den alltäglichen Dingen. Ich koche, spiele mit den Kindern oder führe das eine oder andere Gespräch mit den betroffenen Frauen. Außerdem erledige ich die komplette Buchhaltung für die Stiftung.

»Ihr kennt euch schon lange?«, raunt Tommaso mir zu. Er legt die Stoffserviette zur Seite, damit der Kellner ihm den Antipastiteller servieren kann.

»Schon eine kleine Ewigkeit …« Kurz huschen die ersten Begegnungen mit ihr vor meinem inneren Auge vorbei. Wie schlecht ich mich damals gefühlt habe, aber zugleich unsagbar erleichtert.

Tommaso betrachtet mich und zieht die Brauen hoch. »Wenn ich dich so ansehe, scheinen es nicht die schönsten Erinnerungen zu sein.«

Ich zucke ertappt zusammen. Nicht einmal Giovanni weiß von diesem Teil meiner Vergangenheit. So soll es auch bleiben.

»Giulia ist meine beste Freundin … und wir haben viele schöne gemeinsame Erinnerungen.« Ich versuche so freundlich wie möglich zu lächeln. Es darf niemals ans Licht kommen, woher Giulia und ich uns kennen. Unsere gemeinsame Vergangenheit muss für alle Ewigkeit unser Geheimnis bleiben.

»Signora Castello …«, unterbricht uns Angelina, sie sitzt nach vorne gebeugt und reibt sich die Stirn, als hätte sie Kopfschmerzen.

»Ja, bitte?«

»Es ist mir ausgesprochen unangenehm, aber ich fühle mich nicht besonders gut …«

Verärgert starre ich sie an. Sie kann mich jetzt nicht im Stich lassen.

»Es tut mir leid, aber ich bekomme gerade einen Migräneanfall. Mein Kopf brummt, und mir ist auch ziemlich schlecht.« Angelina blickt mich unglücklich an. Bisher hatte ich keine Ahnung, dass sie mit Migräne zu kämpfen hat. Gerade heute passt mir ihr Zustand nicht in den Kram. Aber wenn es ihr miserabel geht, ist sie sowieso keine ernsthafte Unterstützung für mich.

»Na, dann müssen Sie wohl oder übel nach Hause.«

»Danke, Signora Castello.« Angelina erhebt sich und reicht mir mein iPad. »Ich rufe mir dann ein Taxi.«

»Für das Taxi lassen Sie sich bitte eine Rechnung geben, die wir am Montag begleichen können.« Mit einem Knall lege ich das iPad vor mir ab.

»Evina, du kannst sie doch unmöglich in diesem Zustand mit dem Taxi heimschicken!«, protestiert Giovanni. »Ich werde sie fahren.« Sein bestimmter Ton gefällt mir nicht. Er erhebt sich vom Stuhl und schüttelt demonstrativ den Kopf.

»Du kannst mich jetzt nicht auch noch im Stich lassen!«, jammere ich. »Ganz allein, auf dieser Veranstaltung, mit diesen vielen Menschen, wo ich außer Giulia keinen kenne!« Nur der Gedanke, hier ohne Begleitung zu sein, erzeugt bei mir Schweißausbrüche. Der Verstand sagt, ich brauche mir keine Sorgen zu machen, aber mein Körper reagiert auf seine Weise.

Gut, Tommaso neben mir ist eine nette Gesellschaft, aber sobald die Party beginnt, wird er mit einer der hübschen Frauen, die an dem Tisch schräg gegenüber von uns sitzen, flirten. Die starren ihn schon eine halbe Ewigkeit an, als wäre er Gott persönlich.

»Du schaffst das schon.« Giovanni klopft mir bekräftigend auf die Schulter.

»Kommst du wieder zurück?« Flehend blicke ich zu ihm hoch.

»Bis ich Angelina nach Hause gefahren habe, wird es zu spät sein. Wie du weißt, habe ich morgen früh einen Termin, der sich voraussichtlich über den ganzen Tag ziehen wird. Da muss ich ausgeschlafen sein – das verstehst du doch?« Giovanni gibt mir einen Kuss auf die Stirn.

»Wie du meinst«, murre ich. Offenbar nutzt er Angelinas Unwohlsein, um sich vorzeitig aus dem Staub zu machen. Nicht einmal heute schafft er es, mich zu unterstützen.

»Ciao«, sagen Giovanni und Angelina wie aus einem Mund.

Ich blicke ihnen starr nach, bis sie den Saal verlassen haben. Was ist das bloß für ein beschissener Tag?

Die Suppe wird serviert, und ich betrachte sie skeptisch. Nicht, weil sie seltsam aussieht, sondern weil mir gerade der Appetit vergangen ist. Ich koche innerlich vor Wut, aber darf es nach außen nicht zeigen. Wenn ich könnte, würde ich schreiend durch das Haus laufen. Am besten, ich gehe erst mal an die frische Luft, um wieder zu Sinnen zu kommen.

»Geht es dir gut?« Tommasos Frage schreckt mich auf.

»Ja, alles bestens«, lüge ich. »Ich brauche nur kurz frische Luft.«

Zielsicher steuere ich Giulias wunderschön angelegten Garten an. Auch dafür hat sie ein besonderes Händchen.

Der Besuch in Giulias kleinem Schloss ist wie eine Zeitreise ins Mittelalter. Viele ausgefallene Skulpturen zieren den Garten. Ich schlendere die Steinstufen hinab zu einem Brunnen, der hell erleuchtet ist. Einige Holzbänke sind rundherum aufgestellt, die derzeit alle leer sind. Ich lasse mich langsam auf eine Gartenbank sinken, und ein tiefes Seufzen entfährt mir. Das Plätschern des Brunnens beruhigt mich nur bedingt.

Eigentlich bin ich eine selbstbewusste Frau, die mitten im Leben steht, doch große Menschenansammlungen beunruhigen mich immer wieder. Dabei habe ich mich schon weiterentwickelt. Es gab viele Jahre, in denen ich eher einem grauen Mäuschen glich, das um keinen Preis auffallen wollte. Erst durch Giulias aufmunternde Worte habe ich es langsam geschafft, mich davon zu befreien und weniger zurückhaltend zu sein.

»Ist der Platz neben dir noch frei?«, höre ich Tommaso mit dieser tiefen Stimme, die mir einen heißkalten Schauer über den Rücken ziehen lässt.

»Ja natürlich, aber solltest du nicht lieber das gute Essen genießen?« Ich blicke auf Tommasos muskulöse Beine, die die Anzughose spannen lassen.

»Das solltest du auch, oder?«

Er setzt sich neben mich, und unsere Oberschenkel berühren sich leicht. Der angenehme Duft seines Aftershave dringt in meine Nase. Verdammt, riecht er gut!

»Irgendwie ist mir der Appetit vergangen«, murmle ich und weiche seinem Blick aus.

---ENDE DER LESEPROBE---