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Wenn all die selbst auferlegten Masken fallen, bleibt nichts als die Wahrheit.
Tagsüber führt Maddox ein zurückgezogenes Leben. Doch nachts, wenn er mit seiner Maske auf die Bühne tritt, wird er zum begehrten Rockstar. Als er auf Mia trifft, ist sie die erste Frau, die in ihm nur den einfachen Mann sieht, nicht den Frontsänger, der viele Frauenherzen höherschlagen lässt. Für ihn steht fest, er muss dieses Geheimnis bewahren. Doch eine Liebe auf einer Lüge aufzubauen, kann nur böse enden. Mia ist alleinerziehende Mutter und will bei einem Wochenendtrip eine Pause von ihren Problemen. Dort lernt sie Maddox kennen und ahnt dabei nicht, dass ihr bereits chaotisches Leben bald zu einem völligen Desaster wird.
Hinweis: Dieser Roman ist eine überarbeitete Neuauflage und erschien bereits unter dem Titel ”Mein Licht in der Dunkelheit”.
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Veröffentlichungsjahr: 2025
Copyright © 2024 by Eva Perkics
Alle Rechte vorbehalten.
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Alle in diesem Buch geschilderten Personen sind frei erfunden. Ähnlichkeiten mit lebenden oder verstorbenen Personen, Geschäftseinrichtungen, Ereignissen oder Schauplätzen wären zufällig und nicht beabsichtigt.
Coverdesign und Umschlaggestaltung: Florin Sayer-Gabor -
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Unter Verwendung von Grafiken von Shutterstock: Halay Alex
Hinweis: Dieses Buch ist eine überarbeitete Neuauflage und erschien bereits unter dem Titel ”Mein Licht in der Dunkelheit” bei Forever by Ullstein.
E.M. Prutsch, Schubertgasse 12, 8200 Gleisdorf
1. 1. Kapitel
2. 2. Kapitel
3. 3. Kapitel
4. 4. Kapitel
5. 5. Kapitel
6. 6. Kapitel
7. 7. Kapitel
8. 8. Kapitel
9. 9. Kapitel
10. 10. Kapitel
11. 11. Kapitel
12. 12. Kapitel
13. 13. Kapitel
14. 14. Kapitel
15. 15. Kapitel
16. 16. Kapitel
17. 17. Kapitel
18. 18. Kapitel
19. 19. Kapitel
20. 20. Kapitel
21. 21. Kapitel
22. 22. Kapitel
23. 23. Kapitel
24. 24. Kapitel
25. 25. Kapitel
26. 26. Kapitel
27. 27. Kapitel
28. 28. Kapitel
29. 29. Kapitel
30. 30. Kapitel
31. 31. Kapitel
32. 32. Kapitel
33. 33. Kapitel
34. 34. Kapitel
35. 35. Kapitel
36. 36. Kapitel
37. 37. Kapitel
38. 38. Kapitel
39. 39. Kapitel
40. 40. Kapitel
41. 41. Kapitel
42. 42. Kapitel
43. 43. Kapitel
Neuigkeiten
Über Eva Perkics
Es gibt Tage, an denen hat man das Gefühl, auf der Gewinnerseite des Lebens zu stehen. Und es gibt Tage, an denen man nur darauf hofft, dass sie endlich vorbei sind. Genau so ein Tag ist heute.
»Ms. Bailey, wenn Sie jetzt zur Tür hinausgehen, sind Sie Ihren Job los!«, plärrt mein Boss Lawrence Montgomery, während er mir zum Ausgang folgt. Er sieht nicht nur so rund aus wie ein Apfel, sondern hat mittlerweile auch im Gesicht eine rote Farbe angenommen.
»Ich muss wirklich los, es tut mir leid«, sage ich mit zittriger Stimme und lasse die Tür hinter mir zufallen.
Natürlich benötige ich diesen Job mehr als alles andere auf der Welt, um meine Tochter und mich zu ernähren. Doch was habe ich von dem Geld und dem Essen, wenn meine Lani nicht mehr bei mir ist?
Meine Füße treffen auf den harten Asphalt. Immer wieder remple ich Personen an, die ich kaum wahrnehme. Sogar ihre Beschimpfungen prallen an mir ab wie an einer Lärmschutzwand. Ich habe nur ein Ziel und das heißt, so schnell wie möglich ins Krankenhaus zu kommen.
Kurz überlege ich, ein Taxi zu nehmen, aber die Straßen sind durch den Berufsverkehr gerammelt voll. Ich bin mir sicher mit meinen brennenden Füßen viel rascher am Ziel anzukommen.
Schwer atmend halte ich vor dem Infoschalter des Krankenhauses. »Wo finde ich meine Tochter Lani Bailey?« Hektisch fahre ich mir durch meine braunen Haare.
»Zimmer drei, chirurgische Ambulanz«, sagt die Brünette durch das kleine Fenster.
Ohne weiter zu warten, sprinte ich los. Der Flur ist gefühlt ewig lang. Als ich die rote Drei erblicke, bleibe ich vor der Tür stehen. Bevor ich anklopfe, versuche ich, meinen Atem zu regulieren. Ich atme tief durch, dann klopfe ich an die weiße Tür. Nach wenigen Sekunden springt sie auf.
»Ja bitte?«, fragt ein Mann mit einer Glatze, die glänzt wie eine Bowlingkugel.
»Meine Tochter Lani ist bei Ihnen?«
»Wir haben sie soeben auf die Pflegestation gebracht.«
»Sie muss hierbleiben?«, frage ich und zugleich zieht sich mein Magen zusammen.
»Nur zur Beobachtung, denn sie hat eine Gehirnerschütterung.« Seine Stimme klingt ruhig, trotzdem fühle ich mich dadurch nicht besser. »Genaueres erfahren Sie auf der Station.«
»Danke, auf Wiedersehen.« Ich wende mich ab.
Plötzlich steht die Kindergärtnerin Steffi vor mir. »Hallo, Mia.« Sie hat ihre blonden Haare zu einem Zopf geflochten und ein paar lose Strähnen fallen ihr ins Gesicht.
»Hallo«, sage ich missmutig. »Was ist passiert?«
»Sie war auf dem Klettergerüst, ist abgerutscht und hinuntergefallen.« Steffi blickt mich traurig an.
»Okay, war sie wenigstens ansprechbar?« Sofort rudere ich mit meiner Tonlage zurück. Kinder sollten sich frei bewegen können und natürlich passieren dabei auch Unfälle.
»Ja, aber …« Kurz hält Steffi inne. Dieses »aber« bedeutet bestimmt nichts Gutes. »Darüber reden wir ein anderes Mal. Nicht hier im Krankenhaus. Wäre es möglich, bald einen Termin zu vereinbaren?« Steffi wirkt sichtlich angespannt.
»Um was geht es? Muss ich mir Sorgen machen?« Nervös zwirble ich an einer Haarsträhne.
»Ich möchte das nicht zwischen Tür und Angel besprechen.«
»Okay, ich rufe dich später an. Ich muss jetzt auch zu meiner Tochter. Bis dann.«
Ich stürme an ihr vorbei zum Fahrstuhl. Mehrmals drücke ich den Knopf, in der Hoffnung, ich könnte den Fahrstuhl so antreiben.
Ich verschwende keinen weiteren Gedanken an das seltsame Gespräch mit Steffi. Was auch immer es ist, es kann wohl kaum so wichtig sein. Vielleicht will sie mir nur wieder ihr Psycho-Gequatsche aufhalsen. Heutzutage stehen schon die Kleinen unter Leistungsdruck, was ich keineswegs gutheiße. Eine Mutter hat mir erst letzte Woche voller Stolz erzählt, dass ihr Kind mit fünf Jahren Geige lernt. Wo soll das alles hinführen? Als Lani zwei Jahre alt war, haben sich die Mütter auf dem Spielplatz damit gemessen, was ihre Kinder schon alles können. Sie stecken sie in Sprachkurse oder schicken sie zum Ballett oder sonst wohin, nur um noch besser zu sein als die anderen. Warum dürfen Kinder nicht einfach Kinder sein? Spielen, toben und auch einmal wütend sein? Sie werden zu Robotern gedrillt, um dem Leistungswahnsinn gerecht zu werden.
Oben angekommen, bleibe ich vor einer Schwester mit rot gelocktem Haar stehen. »Entschuldigen Sie bitte, wissen Sie, wo meine Tochter Lani Bailey ist?«
»Kommen Sie mit, wir schauen gleich nach.« Ihre ruhige Stimme besänftigt mich leider nicht. Mein kleines Mädchen ist ganz allein hier, das lässt meinen Puls in die Höhe schnellen. Beim Schwesternzimmer angekommen, wippe ich mit dem Fuß.
»Zimmer fünf«, antwortet die Krankenschwester, während sie den Plan studiert.
»Danke«, sage ich über meine Schulter hinweg und hetze los.
Sechs Monate später
»Come get it bae! Come get it bae!« Amber bewegt ihren Körper, als wolle sie geradewegs jemanden vögeln.
»Kannst du bitte aufhören diesen sexistischen Song von Pharrell Williams zu singen?« Mit einer Handbewegung drehe ich das Radio leiser.
»Aber es macht Spaß! Im weitesten Sinne geht es doch um die weibliche Freiheit, sich zu nehmen, wozu man Lust hat! So wie wir zwei Hübschen dieses Wochenende.« Amber stellt das Radio wieder lauter. Zugleich starrt sie auf die Fahrbahn und wippt mit ihrem schlanken Körper im Takt.
»Wir sind nicht auf der Suche nach Freiheit und One-Night-Stands. Wir sind auf den Weg zu einem Konzert, das meiner Meinung nach nur für junge Mädchen ist. Boygroups und Rockbands, die ihre nackten, muskelbepackten Oberkörper zur Schau stellen, könnten genauso gut zu den Chippendales gehen.«
»Na und? Wir sind mit unseren dreißig Jahren noch keine alten Greisinnen, die sich zu Hause verkriechen müssen. Außerdem hast du mir versprochen, dass wir in Washington mal so richtig auf den Putz hauen.« Amber dribbelt mit dem Finger auf dem abgenutzten Lenkrad.
»Ich weiß und das bereue ich jetzt schon.« Mein Blick wandert zum Fenster. Wir fahren auf dem Highway geradewegs nach Washington. Wie konnte ich mich von Amber nur weichklopfen lassen? Meinen Blumenladen, den ich seit drei Monaten in New York City betreibe, betreut derzeit meine Floristin Amelia. Dieser Laden bedeutet mir alles.
Als ich den Job bei Lawrence Montgomery verloren habe, dachte ich, meine Welt bricht zusammen. Dazu noch die Probleme im Kindergarten. Das alles hat mich in ein tiefes, schwarzes Loch gezogen.
Doch dank meiner Eltern und Amber habe ich dann allen Mut zusammengenommen und mich in die Selbstständigkeit gewagt. Rückblickend war es die beste Entscheidung, denn nun kann mir keiner mehr Vorschriften machen, wann ich komme oder gehe. Dank der Unterstützung meiner Eltern ist der Blumenladen einer der schönsten der ganzen Stadt.
»Jetzt schmoll nicht rum!«, antwortet Amber. Mehrmals fährt sie sich durch ihre blonden Locken, die ihr bis zu den Schultern reichen. »Der Abstand von New York wird dir guttun. Vielleicht lernen wir auf der VIP-Party einen Star kennen? Stell dir vor, wir mit einem der Rockstars? Dazu noch ein heißer Quickie auf der Toilette, das wäre doch einmal Abwechslung.« Sie grinst breit und leckt sich über die Lippen.
»So wie ich dich kenne, wirst du schreiend auf die Stars zulaufen, ihnen um den Hals fallen und keine Sekunde vergeuden.« Ich rolle mit den Augen.
»Was denkst du denn? Natürlich! Sollte sich mit einem mehr ergeben, werde ich bestimmt nicht Nein sagen.« Kurz hält Amber inne. »Und das solltest du auch nicht.«
»Ich weiß doch nicht einmal, was die singen, geschweige denn, wie sie aussehen.«
»Warte, das können wir gleich ändern.« Amber kramt in dem Seitenfach an der Autotür. »Jetzt komm schon raus!«, flucht sie und wendet den Blick von der Straße ab.
Plötzlich überkommt mich diese Angst, und ich starre auf die Fahrbahn. Unser Wagen nähert sich gefährlich einem vorbeifahrenden Lastwagen, aber ich bekomme den Mund nicht auf. Sitze wie versteinert da. Uns trennen nur noch wenige Zentimeter, bis wir ihn seitlich rammen. Ein lautes Hupen ertönt und als Amber im letzten Moment den alten SUV nach rechts lenkt, atme ich hörbar aus.
»Bist du verrückt?«, fragt sie, während sie den Wagen am Straßenrand mit quietschenden Reifen zum Stehen bringt. Wenn wir jetzt in der Wüste gewesen wären, hätte uns bestimmt eine braune Staubwolke eingehüllt, so abrupt hält sie am Seitenstreifen.
»Ich?«, stammle ich. Mir fehlen die Worte. Wie kann sie mir die Schuld geben, wo sie doch die Fahrerin der Blechkiste ist?
»Du hast doch gesehen, dass wir geradewegs auf einen Lastwagen zugesteuert haben.« Ihre Hände zittern.
Seltsam, dass ich nichts spüre. Es ist, als wäre ich in einem 3-D-Film. Ich sitze da und beobachte, ohne jegliche Emotion.
»Ich weiß auch nicht, was gerade mit mir los war.« Ich starre auf meinen Ringfinger, wo der Diamant meines Verlobungsrings in allen möglichen Farben glitzert. Wie sehr ich mich damals über seinen Antrag gefreut habe. An diesem Tag wurde mein Leben vollkommen. Jedenfalls dachte ich das zu dem Zeitpunkt.
»Entschuldige, war wohl mein Fehler. Ich hätte besser auf die Straße achten sollen«, gesteht Amber.
»Vielleicht.« Meine Gedanken schweifen zu Toms Antrag. Wie er damals vor mir niedergekniet ist und um meine Hand angehalten hat. Seine braunen Augen haben mich mit dieser Herzlichkeit angesehen, die ich zuvor bei niemand anderem erlebt hatte.
»So, und nun führe ich dich in die Musik der Rockstars ein!« Amber tut so, als wäre nichts passiert, und schiebt die CD ins Radio.
Ein Song mit einer tiefen Bassstimme beginnt und sie lenkt den Wagen zurück auf die Straße. Ich vernehme nur am Rande die Musik. Die unterschiedlichen Rhythmen versetzen mich in die Vergangenheit zurück. Wochenlang sind Tom und ich zum Tanzkurs gegangen, um es halbwegs hinzubekommen. Wie oft habe ich mich darüber geärgert, dass er mir immer wieder auf die Füße getreten ist. Heute wäre ich froh, wenn er es noch tun würde.
In meinen Erinnerungen versunken, stiere ich aus dem Fenster und kriege von der Umgebung kaum etwas mit.
»Wir sind da!«, kreischt Amber, dass meine Ohren schmerzen. Ich erwache aus meinem Trance-Zustand und blicke mich um. Ein Mann im Anzug schreitet auf unseren Wagen zu. Er hält die Hand an sein Ohr wie einer der Bodyguards des Präsidenten. »Komm, lass uns aussteigen.«
»Willst du den Wagen nicht vorher auf einem Parkplatz abstellen?« Skeptisch ziehe ich eine Braue hoch.
Amber reagiert auf meine Frage nicht und springt aus dem Wagen. Mit einem Kopfschütteln folge ich ihr.
»Hier können Sie nicht stehen bleiben«, sagt der Bodyguard-Verschnitt. Sein finsterer Blick und die tiefe Furche auf seiner Stirn machen mir Angst.
»Hier haben Sie den Schlüssel!« Amber wirft ihm den Schlüsselbund zu und steuert auf den Eingang zu.
»Ich bin nicht Ihr Parkboy!«, knurrt er. Doch sie stöckelt mit ihren Zehn-Zentimeter-Absätzen an ihm vorbei und lächelt ihn unschuldig an. Dazu klimpert sie mit ihren Wimpern, als könne sie nicht einmal bis drei zählen. Dabei hat sie einen Abschluss in Harvard gemacht und ist heute eine der erfolgreichsten Anwältinnen in ganz New York.
Nun würde sich wohl jeder fragen, wieso diese wohlhabende Frau nicht mit einem Luxusschlitten durch die Gegend fährt. Aus Prinzip und wegen ihrer Einstellung gegenüber der Wegwerfgesellschaft. Sie meint, heutzutage schmeißen die Menschen Dinge zu früh in den Müll oder auf den Schrottplatz. Für sie ist es Luxus, sich alles in Bio-Qualität kaufen zu können, damit die Tiere ein anständiges Leben führen.
Amber macht abrupt auf dem Absatz kehrt und geht zu dem Typen von vorhin zurück. »Ach übrigens, das Gepäck ist im Kofferraum.« Sie steckt ihm ein paar Scheine ins Jackett und lächelt ihn an. Dann kommt sie zu mir zurück und wir gehen ins Hotel.
»Bist du von allen guten Geistern verlassen?«, flüstere ich ihr ins Ohr.
»Er wird eine Lösung für das Problem finden.« Sie kichert und hakt sich bei mir unter.
Wir gehen in die Empfangshalle und sofort fühle ich mich zu Hause wie in meinem Blumenladen. Viele bunte Blumenarrangements mit gelben und weißen Gerberas, dazu grüne Santinis, begrüßen uns. Hinter der Rezeption befindet sich ein überdimensionales Aquarium mit unzähligen bunten Fischen.
»Warte hier, ich erledige das mit dem Zimmer«, sagt Amber und schiebt mich zur Sitzlounge. Typisch Amber, sie muss alles kontrollieren. Manchmal wundert es mich nicht, dass sie keinen passenden Partner findet. Denn sie ist überaus durchorganisiert und plant jeden einzelnen Schritt im Voraus. Nicht viele Menschen leben gern so.
Mich hat es ziemlich verwundert, dass sie bei dem Gewinnspiel des Radiosenders mitgemacht und die Konzertkarten gewonnen hat. Andererseits bin ich auch froh. Diese drei Tage gehören ausnahmsweise mal mir allein. Keine Verpflichtungen. Trotzdem vermisse ich meinen Sonnenschein Lani. Welche Angst ich vor sechs Monaten doch hatte, als sie mit ihrer Gehirnerschütterung im Krankenhaus bleiben musste. Zum Glück wurde sie nach drei Tagen wieder entlassen und hat keine Folgeschäden davongetragen. Was dann noch alles seitens des Kindergartens kam, lässt mein Herz schwer werden. Doch daran will ich jetzt nicht denken.
Sie ist dieses Wochenende bei meinen Eltern. Ich weiß, dass sie auf die kleine Maus prima aufpassen, denn wenn ich in meinem Laden arbeite, verwöhnen sie meinen Goldschatz bis ins Unermessliche. Trotzdem verspüre ich ihr gegenüber ein schlechtes Gewissen.
Es ist mein erster Trip ohne meine Tochter, die am dreißigsten August ihren fünften Geburtstag feiern wird. Bin ich eine Rabenmutter, wenn ich sie bei den Großeltern lasse? Besser ich rufe zu Hause an und frage, ob alles in Ordnung ist. Ich ziehe mein Handy aus der Tasche und wähle die Nummer meiner Mutter Mary.
»Hallo, meine Süße! Seid ihr gut angekommen?« Sie hat diese warme Stimme, bei der ich mich sofort entspanne.
»Hey, ja, alles super. Wie geht es Lani?« Nervös zwirble ich eine braune Haarsträhne um meinen Zeigefinger. Diese blöde Angewohnheit sollte ich mir abgewöhnen, doch ich kann es nicht kontrollieren.
»Sie ist mit Opa eine Runde in den Park gegangen. Mach dir keine Sorgen, ihr geht es bestens. Genieße dieses Wochenende und flirte auch mal wieder.« Ich kann mir ihr breites Grinsen genau vorstellen.
»Ach, Mom«, murre ich ins Telefon. »Ich brauche keinen Mann.« Vor fast fünf Jahren ist ein Teil meiner Märchenwelt zusammengebrochen. Aber daran möchte ich heute keinen Gedanken mehr verlieren.
»Doch, den brauchst du. Jeder Mensch benötigt ein bisschen Zärtlichkeit. Auch du. Ach, ich will dir jetzt keine Standpauke halten, feiere mal so richtig ausgelassen.«
»Aber …«, entgegne ich mit geknickter Stimme.
»Nichts aber, entspann dich, trink ein paar Cocktails und lass dich von einem Kerl mal so richtig durchvögeln.«
»Mom!« Kurz blicke ich mich um, um mich zu vergewissern, dass ja keiner etwas von ihren Worten mitbekommen hat. Was wahrscheinlich ist, trotzdem spüre ich, wie mir die Röte ins Gesicht fährt.
»Also, ich muss jetzt den Braten aus dem Ofen holen, sonst haben meine zwei Spatzen nach ihrem Spaziergang nichts zu essen. Und du kennst doch John und wie er sich benimmt, wenn er Hunger hat.« Mom kichert. »Hab dich lieb!«
»Ich dich auch, bye!« Ich spüre, wie sich mein Hals zuschnürt, während ich das Handy wieder in die Tasche stecke.
»Ich habe unsere Zimmerkarten!« Amber wedelt mit ihnen vor meiner Nase herum. »Übrigens hatten sie durch das Konzert eine Überbuchung und wir haben sogar eine Suite! Ist das nicht genial?«
»Womit hast du ihnen gedroht?« Ich erhebe mich vom Sofa und muss augenblicklich lächeln.
»Natürlich mit einer Megaklage!« Sie grinst und hakt sich bei mir unter.
25 Jahre zuvor
»Mad, jetzt stell dich nicht so an!«, zischt meine Mom, während sie ihre Hände in meinen Haaren vergräbt. »Du musst stillsitzen, sonst bekommen wir die Frisur nicht hin!«
»Ich will Fußball spielen gehen!«, entgegne ich mit fester Stimme und verschränke die Arme vor der Brust.
»Dafür haben wir jetzt keine Zeit, vielleicht später«, sagt sie in schroffem Ton, der mir mittlerweile keine Angst mehr macht. Auch ihre Versprechungen glaube ich nicht mehr. Zu oft hat sie gesagt, wir würden später auf den Spielplatz gehen, wenn ich brav sei. Später gehen wir ein Eis essen, später gehen wir Lego bauen, ich könnte die Liste endlos so weiterführen. Doch jetzt, mit meinen zehn Jahren, weiß ich, dass alles, was sie sagt, nur Show ist. Um ihren Willen durchzuboxen. Egal ob ich glücklich bin oder nicht. Für sie zählt nur, dass ich ihren Wünschen gerecht werde.
»Du kannst mich mal!«, kontere ich und springe vom Stuhl herunter, sodass er geradewegs gegen Moms Bauch knallt.
»Aua!«, keucht Mom. »Bist du völlig durchgedreht?«
»Ich mach da nicht mehr mit!« Ich renne zur Tür, reiße sie mit Schwung auf und laufe los. Den schmalen Flur entlang, der Ähnlichkeit mit einem Gefängnis hat. Genau das ist das hier für mich auch. Nur dass die Türen normalerweise nicht verschlossen sind.
»Mad! Bleib stehen!«, höre ich meine Mutter weit entfernt schreien. Aber es ist nicht ein Fünkchen Liebe in ihren Worten zu spüren. Ich höre nur den Befehlston, der keinen Widerspruch zulässt. Ich blicke nicht zurück, sondern steuere geradewegs auf den Ausgang zu.
Als ich die letzte Stahltür erreiche und aufreiße, leuchtet mir ein heller Lichtstrahl entgegen, sodass ich meine Augen zusammenkneife. Nach wenigen Sekunden habe ich mich an das grelle Tageslicht gewöhnt und möchte lossprinten, als mich jemand am Handgelenk packt.
»Na, na, na! Wo willst du Bengel denn hin?« Die vertraute Männerstimme lässt mich zusammenzucken.
Ich blicke auf meine schwarzen Lederschuhe, die auf Hochglanz poliert sind. Ich kann jetzt nicht in Dads Augen schauen. Denn ich spüre seine Wut und die Enttäuschung in seiner Stimme.
»Jetzt antworte! Deine Mutter ist bestimmt völlig außer sich, wenn du schon wieder verschwindest. Sie macht sich Sorgen, das weißt du doch.«
Dieses falsche Gehabe meiner Eltern kotzt mich an. Sie machen sich nicht um mich Sorgen, sondern nur um ihren Status in der Gesellschaft. Sie wollen wie die besten Eltern wirken. Dabei bin ich nur Mittel zum Zweck.
»Ich brauche eine Pause.« Meine Stimme zittert. Ich weiß, mein Vater duldet keinen Widerspruch. Trotzdem kann und will ich nicht mehr so weitermachen. Ich fühle mich müde und ich spüre einen stechenden Schmerz im Kopf, der sich allmählich ausbreitet. Ich möchte mit Jungs in meinem Alter abhängen und den einen oder anderen Scheiß anstellen. Wie zum Beispiel von Haus zu Haus laufen, an Türen klingeln und mich dann ein Stück weiter hinter einem Baum verstecken. Damit ich beobachten kann, wie blöd die Leute aus der Wäsche gucken, wenn keiner vor der Tür ist.
»Dafür ist jetzt keine Zeit, das weißt du. Stell dich nicht wie ein Mädchen an und komm. Du hast Verpflichtungen. Alle warten schon auf dich.« Vater zerrt an meinem Arm.
Mit aller Kraft, die ich aufbringen kann, stemme ich mich dagegen. Chancenlos. Er ist viel zu stark und zu groß, als dass ich gegen ihn gewinnen könnte.
Als das alles begann, dachte ich, es wäre megatoll und aufregend. Damals war ich drei Jahre alt. Doch heute hasse ich jeden beschissen Tag, an dem mich meine Eltern zu so einer Veranstaltung zerren.
»Danach kannst du dir auch etwas aussuchen, egal was es kostet.« Dads Stimme ist ruhiger geworden. Jetzt spielt er wieder den Vorzeigepapa, den sich alle Kinder wünschen. Nur dass ich weiß, dass er damit erreichen will, dass ich pariere. Damit er vor den anderen super dasteht. Alle in meinem Umfeld schwärmen von meinen Eltern, als wären sie direkt vom Himmel geschickt worden. Dabei sind sie so falsch und berechnend wie der Teufel persönlich.
»Ich brauche nichts«, flüstere ich. Ich weiß, welche Konsequenzen es hat, wenn ich meinem Dad nicht gehorche.
Er öffnet die letzte Stahltür und meine Mutter stürmt mir entgegen.
»Mad, das darfst du nie wieder tun, hast du gehört? Ich wäre fast gestorben vor Sorge um dich.« Wieder kommen Moms Schauspielkünste zum Vorschein.
Ich blicke mich um und entdecke Grace. Sofort wird mir klar, warum sie die einfühlsame Mutter spielt. Meine Tante ist der Inbegriff von Schönheit, mit ihren langen dunklen Haaren und den dunkelbraunen Augen. Sie hasst es, dass meine Eltern mich hierher zerren, aber sie weiß nicht, dass ich es genauso hasse. Denn meine Erzeuger sind schlau genug, mich niemals mit ihr allein zu lassen. Sie haben sogar das Babyfon in meinem Zimmer installiert gelassen, um mich abzuhören. Sie sind einfach nur krank. Ich weiß, in ein paar Jahren bin ich alt genug, um aus dieser Hölle zu fliehen, doch derzeit scheint es für mich keinen Ausweg zu geben.
»Mia, jetzt werd mal locker!«, ruft Amber mir ins Ohr.
Die gute Stimmung drückt auf mein Herz wie ein Steinklotz.
»Ich lache doch«, erwidere ich mit einem gekünstelten Lächeln.
»Der heiße Typ da drüben beobachtet dich schon eine Weile.« Amber deutet mit der Hand hinüber zur Bar, wo sich ein Mann mit muskulöser Statur und Baseballkappe an die Theke lehnt.
»Soll er doch, wenn es ihn glücklich macht.« Ich schaffe es nicht einmal, den Kopf zu schütteln. Sie müsste wissen, dass mich Typen null interessieren. Egal wie sexy sie aussehen.
»Komm jetzt, sprich ihn an!«, fordert sie mich auf.
Ich weiß, dass sie es nur gut meint. Sie will mich von dem Scheiß, der mich seit mehr als vier Jahren verfolgt, ablenken. Doch ich bin noch nicht bereit für neue Bekanntschaften.
»Später vielleicht.« Kurz wandert mein Blick zu ihm. Man kann sein Gesicht nicht erkennen, nur sein kantiges Kinn sticht hervor.
»Später ist er weg, und deine Chance auf einen guten Fick auch.« Amber zerrt an meinem Arm.
»Nein!«, fahre ich sie an und entziehe mich ihr. Es tut mir leid, so schroff mit meiner besten Freundin zu sprechen, aber nun reißt mein Geduldsfaden.
»Mia!« Kurz hält Amber inne und schließt ihre Augen, bevor sie fortfährt: »Tom ist verschwunden, und das seit über vier Jahren! Du hast lange genug um ihn getrauert. Er ist es nicht wert, dass du auch nur eine Sekunde länger über ihn nachdenkst oder hoffst, dass er wieder zu dir zurückkommt.«
»Was weißt du schon, was Tom wollte!«, sage ich zähneknirschend.
»Er ist mein Bruder und hält es nicht einmal für nötig, sich bei seinen Eltern zu melden!«, entgegnet Amber. »Außerdem könnte er genauso gut tot sein.« Ihre Miene wird ernst.
»Entschuldigung.« Augenblicklich überkommt mich ein schlechtes Gewissen.
Sie ist seit der Schulzeit meine beste Freundin. Durch sie lernte ich Tom kennen und verliebte mich in ihn. Heute jedoch bin ich eine alleinerziehende Mutter. Ja, vier Jahre sind für viele eine lange Zeit, um endlich loszulassen und einen Neubeginn zu wagen. Doch seit Tom nicht mehr an meiner Seite ist, fühle ich mich, als hätte man mir meine Seele entrissen. Ich funktioniere wie ein Roboter. Aufstehen, zur Arbeit gehen und am Abend wieder schlafen. Der einzige Lichtblick in meinen Leben ist meine süße kleine Tochter, die ich mehr als alles andere liebe.
Nur durch Ambers Überredungskünste stehe ich in der VIP-Lounge unseres Hotels, zwischen den Pseudopromis, und versuche endlich mal wieder Spaß zu haben. Sicherlich wird sich der ein oder andere Star unter die Menge mischen, doch das interessiert mich herzlich wenig.
Viele würden diesen Trip als wahnsinnig aufregend bezeichnen, doch für mich ist er eine Folter. Ich weiß, dass ich lachen darf und sollte. Aber alles erinnert mich an Tom. Vor allem wenn ich in Ambers Gesicht schaue, wenn sie mich mit ihren dunkelbraunen Augen ansieht, habe ich jedes Mal das Gefühl, Tom stünde vor mir.
»Soll ich uns etwas zu trinken besorgen?«, frage ich versöhnlich.
»Mojito, und für dich dasselbe!«, befiehlt sie. Ich weiß, dass sie mich nur auf andere Gedanken bringen will. Ob Alkohol da die beste Lösung ist, weiß ich nicht. Aber was habe ich heute zu verlieren? Immerhin habe ich ihr versprochen, an diesem Wochenende wieder lockerer zu werden. Drei Tage Washington, kaum zu glauben, dass ich mich dazu habe überreden lassen.
Ich gehe zur Bar, wo vorhin noch der Typ mit der Baseballkappe stand. Zum Glück hat er sich verdünnisiert und ich muss mir keine Gedanken darüber machen, irgendwelchen unliebsamen Baggerversuchen ausgesetzt zu sein. Ich stelle mich an den Platz, an dem er vorhin noch stand, und bestelle zwei Mojitos. Einst war dies mein Lieblingscocktail. Früher war ich zwar keine übertriebene Partymaus, aber einmal im Monat bin ich gerne mal in einen Club gegangen, um richtig abzurocken. Tom hat mich begleitet und den ganzen Abend geduldig an der Bar gesessen, während Amber und ich die Tanzfläche unsicher gemacht haben.
Vielleicht ist dieser Trip genau das, was ich brauche. Vielleicht sollte ich heute versuchen, alles zu vergessen, und wieder ausgelassen tanzen, wie ich es früher so geliebt habe.
Nachdem mir die Kellnerin die zwei Mojitos gereicht hat, drehe ich mich ruckartig um.
»Ist der für mich?