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Manchmal muss man sich zuerst seinen Feinden stellen, um die Liebe zu finden.
South kommt aus armen Verhältnissen. Seit sie sich erinnern kann, lebt sie im Armenviertel East End in London. Nur durch einen Kredit und einen Nebenjob konnte sie sich ihr Studium in Rechtswissenschaften leisten. Sie kann ihr Glück kaum fassen, als sie eine Jobzusage von Immo & Found erhält. Doch South ist es gewohnt, dass nach jedem unsagbaren Glücksgefühl ein dunkler Schatten über ihre Welt kommt und das Licht verdrängt.
North Lost tritt wie ein unerwarteter Sturm in South Westwoods Leben. Zuerst unterbreitet er ihr ein Kündigungsschreiben für ihre Wohnung. Dann entpuppt er sich noch am selben Tag als ihr neuer Boss. Doch auch wenn North versucht, mit seinen dunklen Augen und seiner kühlen Art die Menschen in seinem Umfeld auf Abstand zu halten, bröckelt in Souths Gegenwart seine Schutzmauer.
Wenn zwei Pole aufeinandertreffen, ist Chaos vorprogrammiert.
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Veröffentlichungsjahr: 2022
1. South
2. North
3. South
4. South
5. North
6. South
7. North
8. South
9. North
10. South
11. North
12. South
13. North
14. South
15. North
16. South
17. North
18. South
19. North
20. North
21. South
22. North
23. South
Ein Blick hinter die Kulissen
Bücher von Eva Perkics
Über die Autorin
Es gibt sie, diese aufregenden Momente, in denen ich genau spüre, dass ein völlig neuer Lebensabschnitt beginnt. Das nervöse Kribbeln in den Fingerspitzen, das schnelle Pochen meines Herzens. Diese Augenblicke sind kostbar, das weiß ich nur zu gut. Deshalb muss ich sie unbedingt festhalten. Am besten noch mit einem Eintrag in meinem elektronischen Tagebuch, samt Foto, damit ich dieses Erlebnis niemals vergesse. Dieses Buch beinhaltet sowohl meine schönsten als auch meine traurigsten Erinnerungen. Schnell schieße ich in meinem Zimmer ein Selfie, mit einem breiten Grinsen auf den Lippen und meinem neuen Arbeitsvertrag in der Hand. Mein braunes, welliges Haar habe ich heute glattgeföhnt und ein dezentes Make-up ziert mein Gesicht.
Die letzten Jahre auf dem College waren hart, denn ich musste neben dem Studium unzählige Nachtschichten in einem Klub arbeiten. Nie wieder möchte ich diese Doppelbelastung.
Ich speichere das Foto und tippe schnell eine Notiz in mein Tagebuch:
Neustart ins Glück
Diesen Glücksrausch muss ich für immer verewigen, denn wer weiß, wann erneut etwas Glückliches passiert. Zu oft habe ich nach einem grandiosen Erfolg eine Retourkutsche erhalten und bin in Selbstmitleid versunken. Dafür brauche ich nicht einmal weit zurückzudenken. Als ich meinen Abschluss als Anwältin in der Hand hatte, dachte ich, mir würden die Jobs nur so zufliegen. Ich war Jahrgangsbeste. Leider nutzte mir das nichts. Schnell wurde ich in die Realität zurückkatapultiert, denn ohne Kontakte durch reiche Eltern sieht die Arbeitssuche alles andere als leicht aus. Noch dazu habe ich den Wohnsitz in Londons Problemviertel Nummer eins. Da hat man auch nicht die richtigen Freunde, die gute Kontakte herstellen können. Unzählige Absagen habe ich in den letzten Monaten erhalten. Weil meine Mum und ich irgendwie die Miete und unser Essen bezahlen müssen, habe ich mich bereits bei einem kleinen Café um die Ecke beworben. Doch dann kam eine Zusage eines jungen Unternehmens, das im Investmentbereich von Immobilien tätig ist. Seitdem schwebe ich auf Wolke sieben. Ich hatte mein Vorstellungsgespräch mit dem Leiter der Personalabteilung und es lief wunderbar. Trotzdem mache ich mir Sorgen, ob sie mir in ein paar Monaten einen Festvertrag unterbreiten werden. Meine ganze Existenz hängt von diesem Job ab.
»South, hör endlich auf, dir so viele Gedanken zu machen«, sage ich meinem Spiegelbild. Ich bin eine Meisterin darin, jedes Detail zu zerlegen, aber ich will damit aufhören. Es wird alles perfekt sein.
»Frühstück ist fertig«, ruft meine Mum und ich zupfe den Kragen meiner weißen Bluse zurecht. Ich habe dieses Stück im Secondhandladen ergattert, ebenso wie meinen dunkelblauen Bleistiftrock. Wenn man nicht das nötige Kleingeld besitzt, muss man eben kreativ werden bei der Kleidersuche. Bei uns im Viertel gibt es unzählige solcher Shops, in denen man großartige Kleidung zum Schnäppchenpreis ergattern kann. Sogar meine Pumps habe ich dort gefunden, als hätte dieses Outfit regelrecht als Gesamtpaket auf mich gewartet.
»Guten Morgen, Mum«, begrüße ich sie, als ich unsere kleine Wohnküche betrete. »Du hast frische Brötchen geholt? Aber das ist doch …«
Meine Mutter hebt abwehrend die Hand und ich verstumme sofort. »Heute ist ein besonderer Tag, denn du wirst für deine harte Arbeit der vergangenen Jahre belohnt. Außerdem wirst du dort ein Vermögen verdienen, wenn sie dir einen unbefristeten Vertrag geben.«
Und nun ist sie da, die Realität, die ich wie gewohnt für eine Millisekunde verdrängt habe. Denn mein Vertrag ist auf sechs Monate befristet. Was bedeutet, dass ich danach genauso gut wieder arbeitslos sein kann. Deshalb können wir nicht Unmengen an Geld ausgeben, denn wir müssen meinen Studienkredit zurückbezahlen.
»Mum, noch habe ich diesen Vertrag nicht, aber trotzdem freue ich mich auf das frische Gebäck.« Ich nehme mir ein Brötchen und schmiere hauchdünn Erdnussbutter darauf. Eigentlich hätte ich lieber mehr davon, aber bei uns ist eben Sparen angesagt. Normalerweise kaufen wir Backwaren nur kurz vor dem Ablaufdatum, weil sie zu diesem Zeitpunkt stark reduziert sind. Deshalb genieße ich jetzt jeden Bissen und kaue extra langsam, um den Geschmack in Erinnerung zu behalten.
»Ich bin mir sicher, sie werden deine Arbeit genauso schätzen wie auf dem College.« Sie lächelt und die Fältchen neben ihren Augen werden noch tiefer. Meine Mum hatte es nie leicht. Weil mein Vater bei einem Unfall ums Leben kam, musste sie mich allein großziehen. Sie machte unzählige Überstunden, damit wir überhaupt etwas zu essen auf dem Tisch hatten. Nun haben wir zwar regelmäßig unsere Mahlzeiten, aber auch einen Berg Schulden, was sich nicht gerade beruhigend anfühlt.
»Das hoffe ich.« Ich trinke einen Schluck Tee.
»Was soll ich heute Abend für uns kochen? Immerhin haben wir deinen ersten Arbeitstag zu feiern.« Mum beginnt zu husten und hält sich die Hand vor ihren Mund. Ihr Gesicht wird knallrot. Schnell fasst sie nach dem Glas Wasser und trinkt einen kräftigen Schluck.
»Du solltest dir nicht Gedanken übers Essen machen, sondern lieber beim Arzt vorbeischauen.« Seit Wochen hustet sie und es wird von Tag zu Tag schlimmer. Und das bilde ich mir bestimmt nicht ein.
»Das ist nur eine harmlose Erkältung, das wird schon wieder.« Mum will mich wie immer beruhigen, aber für eine Erkältung dauert mir das eindeutig zu lange.
»Ich würde trotzdem zu Dr. Green gehen.«
»Lassen wir das. Wir könnten uns zur Feier des Tages ein Steak gönnen. Ich habe gestern von Cindy erfahren, dass sie es heute im Angebot haben.« Meine Mutter konnte ihre Probleme schon immer sehr gut zur Seite schieben und das Thema wechseln.
»Vielleicht einfach einen Burger?« Ich schlucke den letzten Bissen runter und bringe meinen Teller und die Teetasse zur Spüle.
»Ich lasse mir etwas einfallen«, sagt meine Mum und stellt sich vor mich hin. Ich habe dieselben Augen wie sie. Vor ein paar Jahren meinte sie, es sei ihre Augenfarbe, die meinen Vater magisch angezogen hat. Meine Mutter sagte immer: »Wir haben mit unseren himmelblauen Augen die Macht, in das tiefe Innere unseres Gegenübers zu blicken.« Ehrlich gesagt habe ich keine Ahnung, wovon sie damals gesprochen hat.
»Ich muss jetzt los, bis heute Abend.« Ich gebe meiner Mutter einen Kuss auf die Wange und mache mich auf den Weg nach draußen. Unsere Wohnung ist im dritten Stock, da das Gebäude älter ist, haben wir keinen Fahrstuhl. Ich laufe die Treppen nach unten und jede Holzstufe gibt ein knarzendes Geräusch von sich. Ja, dieses Haus ist in die Jahre gekommen und eine Sanierung würde ihm guttun. Doch der Besitzer ist ein knausriger alter Mann, der nie Geld für Erneuerungen übrig hat. Aber wir müssen froh sein, so einen niedrigen Mietzins zu haben. Für Londoner Verhältnisse ist die Wohnung günstig, deshalb sind wir diesbezüglich immer still gewesen.
Ich öffne die Tür und ein heller Lichtstrahl leuchtet mir ins Gesicht. Mein Blick wandert wie automatisch nach oben und ich entdecke eine einzelne Wolke am Himmel. Wenn ich sie genauer betrachte, sieht sie wie ein Engel aus. Die Flügel sind groß und breit. Der Tag kann heute nur wundervoll werden, wenn mich sogar ein Engel begleitet. Ich glaube an die Hinweise, die mir der Himmel und der Alltag schicken. In vielen kleinen Details steckt eine Nachricht. In diesem Fall bin ich mir sicher, einen neuen Weg in eine grandiose Zukunft zu starten.
»Guten Morgen«, reißt mich eine männliche Stimme aus meiner Träumerei. Der Mann trägt einen Maßanzug, was für diese Gegend sehr ungewöhnlich ist. Er stammt eindeutig nicht von hier. Sogar das teure Parfüm lässt erahnen, dass der Kerl sich verirrt haben muss.
»Guten Morgen«, erwidere ich freundlich und lächle.
»Wohnen Sie hier?« Er blickt an mir vorbei zum Eingang.
»Ja. Warum?« Augenblicklich überkommt mich ein flaues Gefühl.
»In welchem Apartment?« Er blättert in seiner Mappe und nun blicke ich mich tatsächlich um. Ist hier irgendwo eine versteckte Kamera? Doch dann bemerke ich einen Mann, nicht unweit von mir entfernt. Er telefoniert und steht neben einem protzigen schwarzen Porsche. Er trägt ebenfalls einen dunkelblauen Maßanzug und seine Krawatte sitzt perfekt. Seine Augen kann ich nicht sehen, weil er eine schwarze Sonnenbrille aufhat. Die zwei gehören eindeutig zusammen und plötzlich macht sich in meiner Bauchgegend ein mulmiges Gefühl breit.
»Apartment zwölf«, sage ich geistesabwesend, weil ich den Typen neben seinem Auto nicht aus den Augen lasse. Der Kerl nimmt seine Sonnenbrille ab, reibt sich kurz an der Nasenwurzel, als sich unsere Blicke begegnen. Ein wilder Stromschlag jagt durch meinen Körper, als ich in diese dunklen Augen sehe. Er verzieht keine Miene, aber auch ich gebe kein Lächeln preis. Gefühlt dauert dieser Moment eine Ewigkeit. Keine Ahnung, wie lange wir uns so anstarren, als mich der Schnösel vor mir wieder in die Realität zurück manövriert.
»Ms Westwood?«
»Korrekt«, antworte ich nun distanziert und starre den Typen mit der eckigen Brille mit dunkler Fassung an. Auf seiner Wange prangt ein großes schwarzes Muttermal, das mir sofort ins Auge sticht. »Und Sie sind?«
»Entschuldigen Sie, ich bin Mr Castell.« Er streckt mir seine Hand entgegen und ein verhaltenes Lächeln gleitet über seine Lippen.
»Sollte ich Sie kennen?« Nun ziehe ich eine Braue nach oben.
»Na ja, nach diesem Brief werden Sie mich bestimmt in Erinnerung behalten.« Er reicht mir ein Kuvert, das ich sofort aufreiße. Mein Blick überfliegt die unwichtigen Details, von wem er kommt, die Anrede und landet direkt auf den wichtigen Buchstaben, die mir nun den Boden unter den Füßen wegziehen.
Kündigung des Mietvertrages.
»Das ist jetzt ein übler Scherz, oder?«, entgegne ich schroff. Meine Hände beginnen zu zittern und mein Puls beschleunigt sich. Mein Herz hämmert wild gegen meine Rippen. »Sie können uns nicht ohne Grund rauswerfen!« Meine Stimme wird immer lauter.
Nun gleitet ein siegessicheres Lächeln über seine Lippen. »Neuer Besitzer, neue Regeln. Entweder Sie ziehen in drei Monaten von selbst aus oder wir reichen eine Räumungsklage gegen Sie ein. Haben Sie das Geld, sich einen Anwalt zu nehmen? Wenn nicht, tun Sie sich selbst etwas Gutes, und ziehen ohne Klage aus.«
»Wir haben regelmäßig unsere Miete bezahlt, Sie können uns nicht rauswerfen.« Meine Augen verengen sich.
»Glauben Sie mir, Sie werden uns dafür dankbar sein, wenn Sie woanders wohnen.« Dieser Typ hat so eine selbstgefällige Art, dass mir Galle hochkommt.
»Dankbar?«, presse ich hervor. Ich runzle die Stirn. »Der Typ dort drüben ist also unser neuer Vermieter?« Ich deute zu dem Mann neben dem Porsche. Er lehnt an dem schwarzen Wagen und fixiert sein Handy, als würde ihn das alles nichts angehen.
»Das ist für Sie unwichtig. Ich bin der Anwalt des Besitzers und für alle Belange zuständig.« Sein selbstgefälliges Lächeln macht mich wahnsinnig. Doch dieser Typ hat nicht die Macht, Entscheidungen zu treffen, sondern der Kerl neben dem Porsche, davon bin ich überzeugt. Ich beiße meine Zähne fest zusammen und visiere den Porscheboy an.
»Sie sind also der neue Inhaber unseres Wohnhauses?« Ich schiebe die Förmlichkeiten beiseite, denn dieser Kerl macht mich rasend.
Er hebt den Blick und sieht mir direkt in die Augen. Obwohl seine Iriden braun sind und eigentlich Wärme ausstrahlen sollten, wirken sie eiskalt, sodass mir ein frostiger Schauder den Rücken runter läuft.
»Ms, wenden Sie sich einfach an meinen Anwalt. Er ist meine rechte Hand und ich vertraue ihm blind. Ich habe bessere Dinge zu tun, als mich mit Ihren weiblichen Stresshormonen auseinanderzusetzen.«
»Wie bitte?« Nun beiße ich meine Zähne fest aneinander, sodass mein Kiefer schmerzt. »Ich verspreche Ihnen, das werden wir nicht so einfach hinnehmen.« Ich schleudere ihm den Brief entgegen.
Er blickt über meine Schulter zu unserem Wohnhaus. »Ehrlich gesagt sollten Sie mir dankbar sein, dass ich Sie aus diesem Drecksloch rausbringe, damit Sie in einer besseren Gegend wohnen können.« Er richtet sich ein Stück weiter auf, sodass er auf den einen oder anderen sogar einschüchternd wirken könnte. Aber nicht auf mich.
»Dankbar? Sie haben überhaupt keine Ahnung, was die Menschen hier mit dieser Gegend verbinden.« Ich mache einen Schritt auf ihn zu und blicke ihm direkt in die Augen. Er soll nur merken, dass ich vor solchen reichen Schnöseln keine Angst habe. Er hält für eine Zeit lang meinem Blick stand, als er sich abwendet und sein Auto umrundet.
»Richard, ich muss ins Büro, kümmere dich um den Rest.« Er lässt mich einfach stehen und steigt in seinen Porsche. Der Motor gibt ein tiefes, brummendes Geräusch von sich, ehe er sich in den Straßenverkehr einfädelt.
Ich drehe mich um und fixiere diesen Mr Castell. »Was meinte er mit dem Rest? Werden die anderen Bewohner auch rausgeworfen?«
»Eigentlich geht Sie das überhaupt nichts an.« Er rückt seine Brille zurecht. »Aber Sie werden es sowieso erfahren. Ja, in wenigen Minuten werden Ihre Nachbarn einen Brief erhalten. Ehrlich gesagt sollten Sie froh sein, wenn Sie hier wegkommen. Außerdem haben Sie ja die Möglichkeit, eine kleinere Wohnung in Anspruch zu nehmen. Noch dazu in einer besseren Gegend.« Er lässt einen abfälligen Blick über unser Wohnhaus gleiten. Ja, es wirkt durch die Ziegelfassade wie in einem Industriegebiet. Trotzdem hat es einen besonderen Charme, den wohl nicht jeder zu schätzen weiß.
»Sie wissen nicht, was wir wollen, aber ich verspreche Ihnen, Sie werden damit nicht durchkommen. Die kleinere Wohnung können Sie sich schenken. Wir wollen nicht umziehen.« Meine Stimme ist hart. Dieser Snob hat keine Ahnung, was die Menschen hier wirklich brauchen. »Sie werden von mir hören«, entgegne ich, bevor ich den Brief vom Boden aufhebe, in meine Tasche stecke und zum Bus eile. Ich bin sowieso mit der Zeit im Verzug. Zu meinem neuen Job zu spät kommen, ist wohl nicht die beste Ausgangsposition.
»Guten Morgen, Sue«, begrüße ich meine Assistentin, die seit der Firmengründung vor vier Jahren dabei ist. Sie ist meine rechte Hand in allen Belangen.
»Guten Morgen, North, ich habe dir bereits einen Kaffee besorgt.« Sie reicht mir den To-go-Becher, während wir gemeinsam mein Büro anvisieren.
»Was steht heute an?«
»Um neun beginnt die neue Anwältin Ms South Westwood, die in Zukunft die Verträge der neuen Mieter erstellen und prüfen soll.«
Nun halte ich in der Bewegung inne und kurz ziehe ich eine Braue nach oben. »Wie heißt die Neue? Ms South Westwood?« Das muss ein dummer Zufall sein, dass genau die Person, die vorhin aufgebracht vor mir stand, heute bei uns zu arbeiten beginnt.
»Ja, kennst du sie?«
»Nein, eigentlich nicht, aber ich habe heute bei einem Außentermin auch den Familiennamen Westwood gehört. Das ist bestimmt ein seltsamer Zufall.«
»Genau, du warst ja heute im East End. Der Name ist ziemlich häufig, also sicher ein Zufall. Wie war es dort?«
»Einer der Mieter sieht wieder mal nicht das Positive darin. Für die meisten ist Veränderung etwas Schlimmes, dabei werden sie dadurch eine bessere Wohnsituation gewinnen.«
»Sie werden bestimmt einsehen, welchen Nutzen du ihnen damit lieferst.« Sue lächelt und ihre schmalen Augen werden dadurch noch kleiner. Ihr Vater stammt aus China und ihre Mutter ist gebürtige Britin. Ihre asiatischen Gesichtszüge lassen sich nur erahnen.
»Ich weiß, dass ich den Menschen in diesem Viertel eine neue Zukunft eröffne, deshalb lass uns lieber über meinen nächsten Termin sprechen.«
»Wie gesagt, die neue Anwältin wird um neun begrüßt. Um zehn steht der Termin mit dem Bürgermeister an. Es geht um die Umstrukturierung des East Ends. Bist du dir sicher, dass du dir mit diesem Projekt nicht zu viel aufhalst?«
Mit dem Zeigefinger klopfe ich mir auf die Stirn. »Meine Vision ist hier im Kopf verankert, seit ich aus dem Rattenloch weggekommen bin.« Ich öffne Sue die Bürotür, damit sie eintreten kann.
»North, ich weiß, du hast ein gutes Herz, aber dieses Projekt ist …«
»Lass es gut sein. Ich kenne deine Bedenken, seit ich mich dazu entschlossen habe, es durchzuziehen. Mein Entschluss steht fest. Sag mir lieber den weiteren Tagesablauf.« Ich setze mich auf das überdimensionale Sofa. Als es geliefert wurde, dachte ich mir, das habe ich ausgesucht? Die Farbe ist viel zu hell für meinen Geschmack, aber als die Innenarchitektin mir die Farbkarte dazu zeigte, sah es um einiges dunkler aus. Nun habe ich dieses beigefarbene Teil hier stehen und muss wohl oder übel damit leben. Denn ich werde Dinge, die in Ordnung sind, nicht wegwerfen. Hier kommt wahrscheinlich mein innerer Monk zum Vorschein. Eigentlich hatte ich vor, mir in einem Secondhandladen ein Sofa zu besorgen, doch Sue hat damals ihre Augen verdreht und mich mehr oder weniger dazu überredet, mir ein neues zu kaufen.
Sue erzählt mir von den heutigen Terminen und wie immer ist der Tag ziemlich verplant. Wie gewohnt lässt er kaum Spielraum für Verzögerungen. Jeder Termin ist auf fünfzig Minuten angesetzt. Nicht einmal der Bürgermeister hat bei mir eine längere Gesprächszeit zur Verfügung. Ich bin es gewohnt, genau nach Plan zu arbeiten. Sehr früh habe ich gelernt, dass ich nur durch harte Arbeit zum Erfolg komme. Früh hatte ich ein Ziel vor Augen, um finanzielle Unabhängigkeit zu erreichen. Nun bin ich in einer Position, in der sich Regierungsleute mit mir treffen wollen, um die Wohnsituation in London zu verbessern. Jeder dieser Kontakte ist ein Hinweis auf meinen Erfolg.
»Kommst du in zwanzig Minuten zum Empfang, um unsere neue Mitarbeiterin zu begrüßen?«
»Mal sehen«, antworte ich und blicke auf meinen Bildschirm. Langsam fährt der Computer hoch und ich kann es kaum erwarten, endlich mit der Arbeit loszulegen.
Sue stellt sich direkt vor meinen Schreibtisch und stützt ihre Hände darauf ab. Ihr Blick ist eindringlich und ich ahne bereits, dass sie mir wieder ihre Meinung aufzwingen wird.
»North, mich hat es beeindruckt, als du sagtest, jeder neue Mitarbeiter soll wie von einer Familie begrüßt werden. Das sind wir doch noch hier, oder?«
Ich atme tief durch und reibe mit beiden Handflächen mein Gesicht. »Ja, das sind wir, aber ich habe noch einiges zu erledigen.«
»North, bitte werd nicht wie die anderen versnobten Bosse aus dem Finanzdistrikt.« In ihrer Stimme schwingt ein Flehen mit. »Sag mir, dass du nur dein Äußeres verändert und nicht deine Seele an den Teufel verkauft hast.«
»Ich weiß schon, was ich tue, also lass deinen Esoterikgedanken mit dem Teufel bitte draußen.«
Sie zieht ihre Braue nach oben, sodass sie unter dem gezackten Pony verschwindet. »Du hast noch zwanzig Minuten«, sagt sie und verlässt dann mein Büro.
Ich beginne, meine E-Mails abzuarbeiten. Unzählige Anfragen von Gebäudebesitzern und Immobilienmaklern warten auf eine Antwort. Seit sie mitbekommen haben, dass ich im East End Gebäude kaufe, haben sie sich wie eine Klette an mich geheftet. Ich weiß, ich kann nicht auf einen Schlag alle Bezirke retten, aber ich kann sie nacheinander abarbeiten.
Während ich auf den Bildschirm starre, schweifen meine Gedanken ab, in eine Zeit, die ich am liebsten vergessen würde.
»Komm schon, sei kein Schisser. Du hast genau fünf Minuten.« Nikolais rote Haare stehen etwas wirr ab. Auf seiner Nasenspitze sind unzählige Sommersprossen, die manche Menschen niedlich wirken lassen. Doch er hat diesen düsteren Blick, dem ich nicht standhalten kann. Nichts davon wirkt nett.
Ich zögere, denn mein Verstand flüstert mir ständig zu, den Forderungen nicht nachzukommen. Ich weiß, wenn ich diesen Schritt mache, stecke ich erneut in Schwierigkeiten.
»North ist ein Schisser!« Unzählige solcher Rufe kommen von Nikolai und den anderen Jungs. Sie sind diejenigen in unserem Viertel, die Geld besitzen. Sie haben noch dazu Macht über mich und die anderen, weil sie stark und eine eingeschworene Gruppe sind.
»Wir sollten dir vielleicht einen Rock besorgen, denn du verhältst dich wie ein Mädchen.« Nikolais Augen funkeln böse. Ich habe nicht viele Möglichkeiten, in dieser Gegend zu überleben, das weiß ich. Entweder die Typen werden meine Freunde oder ich werde wie viele andere regelmäßig beklaut oder terrorisiert.
Ich muss mein Gewissen zur Seite schieben, doch meine Mutter hat immer gepredigt: »Wir sind zwar arm, aber keine Kriminellen.«
Meine Mutter ist vor vier Wochen gestorben, weil sie das Geld für die Krankenhausbehandlung nicht aufbringen konnte. Nun lebe ich bei meinem Vater, der andere Dinge für wichtig hält, als für mich da zu sein.
Ein weiterer Satz drängt sich in meine Gedanken und dabei zieht sich mein Herz krampfhaft zusammen.
»Du hast immer die Wahl, dich für das Richtige zu entscheiden.«
Aber was ist in dieser Situation das Richtige? Bestehle ich den kleinen Laden für ein paar Süßigkeiten und die Jungs feiern mich als Held, oder wende ich mich ab? Stelle ich mich den Schlägen und dem Terror, dem ich wohl jeden Tag ausgesetzt sein werde?
»Du hast die Wahl, das Richtige zu tun«, erklingt wie ein Echo in meinem Ohr. Ich habe nur eine Möglichkeit und das ist, so schnell wie möglich zu verschwinden. Mein Blick wandert von rechts nach links. Ich bin von den Jungs eingekesselt. Es sieht nach einer unmöglichen Hürde aus.
»Lasst mich durch, damit ich den Job erledigen kann.« Meine Stimme klingt tiefer als sonst. Sie gehen auseinander und der Weg in den Laden ist für mich frei. Ich setze ein Bein vor das andere. Mein Herz donnert gegen meinen Brustkorb. Dieser Weg wird mein Untergang. Habe ich wirklich eine Wahl?
Du hast immer eine Wahl.
Meine Beine werden schneller und dann renne ich geradewegs in das Geschäft. Dunkelheit umfängt mich, doch nach kurzer Zeit haben sich meine Augen daran gewöhnt. Ein alter Chinese steht hinter dem Verkaufspult und lächelt mich an.
»Na mein Junge, was kann ich für dich tun?« Seine Stimme klingt freundlich und sofort habe ich das Gefühl, mich hier wie zu Hause fühlen zu können.
Ich blicke über meine Schulter nach draußen. Dann wieder zu dem alten Mann. Unzählige Male wiederhole ich das, jedoch verliere ich kein Wort. Was soll ich dem Mann auch antworten? Dass ich vorhabe, ihn auszurauben? Dass die Angst jeden Zentimeter meines Körpers in Besitz nimmt? Meine Handflächen sind bereits klatschnass. Ich reibe sie an der Hose trocken, dabei blicke ich immer wieder über meine Schulter. Doch Nikolai ist nirgends zu sehen. Aber wenn ich nach draußen marschiere, wird er mich erwarten. Mich in seinen Klauen festhalten, bis ich ihm endlich Kohle liefere, die ich nicht besitze.
Plötzlich steht der alte Mann direkt vor mir. »Wie alt bist du, mein Junge?«
»Zwölf«, antworte ich knapp. Ich fasse mit meiner Hand an meinen Rücken. Das Messer ist noch immer an derselben Stelle, wo ich es vorhin hingesteckt habe.
»Du bist im selben Alter wie meine Enkelin.« Er redet, als würden wir uns kennen. Ich blicke zu ihm auf und seine braunen Augen wirken genauso warmherzig wie seine Stimme. Dieser Mann hat nichts Falsches getan und ich werde womöglich sein ganzes Leben ruinieren.
»North, du hast immer eine Wahl«, drängt sich Mums Stimme erneut in meine Gedanken. In meinen Augen beginnt es, unsagbar zu brennen. Ich will diesen Schmerz nicht hier in diesem Geschäft spüren, all die Erinnerungen verdrängen und hart bleiben. Ich muss jetzt diese Kälte aussenden, um mein Ziel zu erreichen.
»Was willst du, mein Junge?«, fragt er sanft und legt seine Hand auf meiner Schulter. Kurz huscht mein Blick von seinen runzligen Fingern zu seinem Gesicht. »Glaubst du, ich weiß nicht, warum du hier bist?«
Nun klappt mir der Mund auf. Er ahnt, was ich vorhabe, und tut rein gar nichts, um sich zu verteidigen? Vielleicht pokert er nur hoch.
»Ich will mich nur im Laden umsehen, ob ich ein Geschenk für meine Grandma finde.« Die Lüge gleitet mir locker leicht über die Lippen. Obwohl es sich falsch anfühlt, rede ich weiter. »Sie hat bald Geburtstag.«
Er spitzt die Lippen und mustert zugleich mein Gesicht. »Wir wissen beide, dass das gelogen ist. Also willst du dich auf einen Kampf mit mir einlassen oder gibst du im Vorfeld auf?« Weiterhin ist seine Stimme ruhig. Erneut schließe ich für einen langen Moment meine Augen. Ich habe gegen ihn locker eine Chance, aber da ist diese innere Stimme.
»Haben Sie einen Hinterausgang?«
»Nikolai sitzt dir im Nacken, nicht wahr?«
»Woher …«
»Du bist nicht der erste Junge, der bei mir auf der Matte steht, und wirst wahrscheinlich auch nicht der Letzte sein. Im Gegensatz zu den anderen hast du zuvor überlegt, was die richtige Entscheidung wäre, oder?«
Ich nicke.
»Du bist ein guter Junge, deshalb hast du hier von mir dreißig Pfund. Gib sie Nikolai und schau, dass du um diese Bengel einen großen Bogen machst.« Er hält mir das Geld entgegen.
»Nein, das kann ich nicht annehmen«, sage ich und meine Stimme bricht.
»Wenn du nicht wie die anderen in der Gosse landen willst, dann nimmst du jetzt das Geld.«
»Okay, aber ich werde es abarbeiten.« Ich strecke ihm meine Hand entgegen.
»Deal.« Wir besiegeln unser Abkommen mit einem kräftigen Handschlag.
»North, in fünf Minuten beim Empfang«, zieht mich Sue aus meinen Gedanken. Wie lange habe ich jetzt nur dagesessen und ins Leere geblickt? Dieses Projekt katapultiert mich eindeutig wieder in die Vergangenheit. Ich muss diese Emotionen von mir abschirmen. Für dieses Vorhaben brauche ich einen klaren Kopf, muss meine Gefühle ausblenden.
Von meinem neuen Glück trennt mich nur noch diese eine Tür. Unfassbar, ich habe es tatsächlich noch rechtzeitig geschafft. Zwar schwitze ich mittlerweile aus allen Poren, aber ich habe mir vor ein paar Tagen ein gutes Deo geleistet und hoffe, es hält, was es verspricht. Ich ziehe die Tür auf und mein erhitzter Körper wird im klimatisierten Eingangsbereich gekühlt. Ich blicke mich um und entdecke den Empfang. Leider ist keine Menschenseele zu sehen. Trotzdem bewege ich mich auf den opulenten Tresen aus edlem Eichenholz zu. Ich lege meine Arme auf die schwarze Steinplatte und blicke mich um. Es ist gespenstisch still und ich bin mir nicht sicher, ob ich vielleicht die falsche Uhrzeit im Kopf hatte. Nervös kaue ich an meinen Finger und mein Fuß wippt unruhig.
Scheiße, was mache ich jetzt bloß? Gehe ich einfach zum Fahrstuhl und fahre nach oben? Wen hatte ich noch als Kontaktperson? Ich scrolle in meinem Handy und entdecke die Telefonnummer der Personalabteilung.
Hinter mir vernehme ich leises Kichern und als ich über meine Schulter blicke, sind nur ein paar Banner zu sehen, auf denen in bunten Lettern »Herzlich willkommen« steht. Mein Blick huscht auf meine Armbanduhr und ich weiß, ich habe nur noch fünf Minuten, um meinen neuen Job anzutreten. Ich beiße mir auf die Lippe und meine Finger trommeln auf der kalten Steinplatte. Erste Arbeitstage sind wohl einer der anstrengendsten überhaupt. Ich kann nicht länger warten und wähle die Nummer des Personalchefs. Plötzlich ertönt hinter mir ein Klingelton. Ich drehe mich um, aber niemand ist zu sehen. Der Blick auf mein Handy verrät mir, das er mich weggedrückt hat.
»Scheiße«, fluche ich leise vor mich hin. Kurz starre ich auf die Banner. Waren die vorhin schon so nah? Ich muss eindeutig meine Konzentration schärfen. Bestimmt ist meine Nervosität für meine Wahnvorstellung verantwortlich. Erneut starre ich auf meine Uhr und mir steht noch eine Minute zur Verfügung, um mich bei meinem neuen Vorgesetzten vorzustellen. Abermals erklingt ein Kichern hinter mir und als ich mich vom Empfangstresen wegdrehe, ist wieder niemand zu entdecken. Bin ich jetzt total verrückt?
Ich wähle nochmals die Nummer des Personalleiters und als das Klingeln genau hinter mir erklingt, bin ich mir sicher, das ist kein Zufall. Ich starre das Banner in der Mitte an und plötzlich springen von allen Seiten Menschen hervor und rufen: »Herzlich willkommen in unserer kleinen verrückten Familie, South!«
Mein Herz setzt für ein paar Takte aus und ich weiß gar nicht, wo ich überall hinschauen soll. Ich entdecke bunte Luftballons und ein großes Willkommensschild. Eine zierliche Frau kommt auf mich zu. Ihre Augen haben einen Hauch von Jackie Chan und ihre dunkelbraunen Haare sehen aus wie aus einer der japanischen Zeichentricksendungen. Spitze Fransen in der Stirn und an den Seiten sind sie extrem stufig geschnitten.
»Ich bin Sue, ich hoffe, du nimmst uns den Scherz nicht allzu übel.« Sie begrüßt mich mit einer Umarmung. »Aber das ist unsere Art, dich in unserer neuen Familie von Immo & Found herzlich willkommen zu heißen.«
»Nein, alles gut. Voll nett von euch, wobei mich das Warten schon etwas nervös gemacht hat.« Ich lächle und Sue spiegelt mich.
»Da müssen wohl alle durch. Nun stelle ich dir mal die wichtigsten Persönlichkeiten in unserem Unternehmen vor.« Sie schiebt mich durch die Menschentraube. Wo kommen plötzlich all diese vielen Leute her? So eine Begrüßung ist ein Wahnsinn. Ich habe nicht nur einen superbezahlten Job, sondern bin in einem Unternehmen mit einer grandiosen Philosophie gelandet. Sie sind nett, davon bin ich nach dieser Begrüßung überzeugt. All die Sorgen von vorhin sind wie weggeblasen.
Wir erreichen einen Mann, der von hinten schon Dominanz erahnen lässt, und ich vermute, dass er mein neuer Boss sein wird. Breite Schultern, aufrechte Haltung. Der Duft, der mir entgegenweht, ist einfach unbeschreiblich gut.
»North.« Sue klopft ihm auf die Schulter. Langsam dreht er sich um und als ich sein Gesicht von vorn sehe, fühlt sich mein Mund staubtrocken an. Nein, das kann nicht sein. Das darf nicht sein! Verdammt noch mal, dieser Widerling von heute Morgen soll mein neuer Boss sein? »Ich möchte dir unser neues Familienmitglied South Westwood vorstellen.«
Sein dunkler Blick bohrt sich regelrecht in meine Augen. »Hallo, South, herzlich willkommen. Bist du dir ganz sicher, dass du in unserem Familienverband sein möchtest?« Seine Miene verrät kein bisschen seiner Gedanken oder Gefühle.
Ich will mich von ihm nicht einschüchtern lassen und halte seinem Blick stand, so wie heute Morgen schon vor meinem Zuhause. Aber will ich für einen Mann arbeiten, der plant, meine Heimat zu zerstören? Habe ich überhaupt eine Wahl? Ich brauche das Geld mehr als alles andere auf der Welt. Denn wenn ich nicht arbeite, können wir die Miete und den Kredit nicht bezahlen. Somit hat er die Macht, meine Mutter und mich aus der Wohnung zu werfen.
»Vielleicht überlegst du es dir noch mal?« Sein eindringlicher Blick geht mir durch Mark und Bein. Meine Knie werden weich und mein Herz hämmert hart und unnachgiebig in meiner Brust.
»North, lass deine Scherze. Sie ist jetzt schon genug verunsichert durch unseren Willkommensgruß.« Sue spricht für mich, weil es mir tatsächlich die Sprache verschlagen hat. Trotzdem halte ich seinem Blick stand. Ich werde ihm beweisen, dass ich trotz unserer Differenzen meinen Job ausgezeichnet erledigen werde.
»Ich habe mich für diesen Job beworben und ich werde auch dafür mein bestes Wissen und Können einsetzen, um diesem Unternehmen einen Mehrwert zu bringen.« Die Worte fließen aus mir heraus, als wäre ich erneut bei einem Vorstellungsgespräch.
»Kann ich mich ebenso darauf verlassen …« Er hält eine bedeutungsschwere Pause. »Dass interne Gespräche, Verhandlungen und auch Verträge nicht nach außen gelangen?« Nun ist sein Blick so hart, dass mir eine eisige Kälte den Rücken hinunterjagt. Sein tiefes Timbre lässt mich kurzzeitig erschaudern.
»Ich habe einen Eid geschworen, den ich auch einhalten werde.