Hörgeschädigte Kinder spielerisch fördern - Gisela Batliner - E-Book

Hörgeschädigte Kinder spielerisch fördern E-Book

Gisela Batliner

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Beschreibung

"Ihr Kind ist hörgeschädigt" - diese Diagnose wirft bei Eltern viele Fragen und Sorgen auf: * Wie wird die Hör- und Sprachentwicklung meines Kindes verlaufen? * Wie fördere ich mein Kind im Alltag am besten? * Welche Spiele sind geeignet und wie bekommt das Kind Interesse an Bilderbüchern? * Wie sieht die professionelle Unterstützung aus? Die Autorin beantwortet diese Fragen sehr anschaulich und ermöglicht es Eltern, wieder Sicherheit im täglichen Umgang mit ihrem Kind zu erhalten. Die praxisnahe und lebendige Beschreibung zahlreicher Spielsituationen motiviert zum Ausprobieren und Nachmachen - ein Muss für alle Eltern von Kindern mit Hörschädigung im Alter von 0-6 Jahren!

Das E-Book können Sie in Legimi-Apps oder einer beliebigen App lesen, die das folgende Format unterstützen:

EPUB
MOBI

Seitenzahl: 220

Veröffentlichungsjahr: 2022

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Inhalt

Liebe Eltern

Einführung

1Diagnose und Hörtechnik

Diagnose

Hörgeräte und Cochlea-Implantate (CI)

2Spracherwerb im Dialog

Aufnahmebereitschaft

Wichtige Dialogmerkmale

3Frühförderstunden

4Entwicklungsschritte

Hörentwicklung

Ausdrucksentwicklung

Dialogentwicklung

5Förderung im Alltag

Geräusche erkunden

Rituale im Alltag

Kalender geben Orientierung

Vom Begreifen zum Begriff

Telefon, Fernseher und PC

6Förderung im Spiel

Räum-, Such- und Ratespiele

Bewegungsspiele

Spiele mit Papier, Farbe, Knete und Sand

Rollenspiele

Konstruktionsspiele

Regelspiele

Geräuschespiele

7Lieder, Verse und Fingerspiele

8Bilderbücher

So bekommen Kinder Interesse an Büchern

Dialog am Bilderbuch

Vorlesen von Bilderbüchern

Welche Bücher sind geeignet?

Ergänzungen zum Bilderbuch

9Schrift in der frühen Förderung

Wann beginnt das Interesse an Schrift?

Nützlichkeit von Schrift erleben

Silben, Reime, Anlaute

Weitere Spielideen

Schlussgedanken

Serviceteil

Online-Zusatzmaterial zum Buch

Auf der Homepage des Verlags unter www.reinhardt-verlag.de finden Sie zusätzlich zu den Inhalten in diesem Buch Informationen zur Auswahl von Krippe und Kindergarten für Ihr hörgeschädigtes Kind.

Liebe Eltern,

vielleicht haben Sie erst vor Kurzem erfahren, dass Ihr Kind hörgeschädigt ist, und suchen nach Tipps, wie Sie es in seiner Entwicklung individuell fördern können. Vielleicht liegt die Diagnose aber auch schon etwas zurück und Sie suchen nun Bestätigung. Oder Sie möchten einfach nur neue, leicht umsetzbare Spielideen und Anregungen für die Verbesserung der Kommunikation im Alltag erhalten.

Dieser Ratgeber entstand aus der praktischen Arbeit mit hörgeschädigten Säuglingen und Kleinkindern und deren Familien. Es ist kein Trainings- oder Übungsbuch, das abgearbeitet werden muss. Wählen Sie selbst aus, was für Sie und Ihr Kind hilfreich ist.

Die ersten hörgeschädigten Kinder, die zu mir kamen, sind nun schon selbst im Beruf und gründen eigene Familien. Ich bin dankbar für die reiche Erfahrung, die ich durch das Vertrauen der Familien in meine Arbeit sammeln konnte. Sie haben dieses Buch ermöglicht.

München, im Sommer 2022

Gisela Batliner

Einführung

Sie sind mit der Diagnose nicht allein.

Sie sind mit der Diagnose Ihr Kind ist hörgeschädigt nicht allein: „Von 1000 Kindern kommen 2–3 mit einer behandlungsbedürftigen Hörstörung zur Welt“ (Nawka 2011, 14). Durch Krankheit nach der Geburt, z. B. durch eine Gehirnhautentzündung (Meningitis), ertauben zusätzlich Kinder oder werden schwerhörig, noch bevor sie die Sprache erworben haben.

Wie können wir die Kinder dabei unterstützen, die Hörschädigung gut in ihr Leben zu integrieren, sprachlich unabhängig zu werden und sich ihren Begabungen und intellektuellen Fähigkeiten entsprechend zu entwickeln? Nie zuvor war es für hörgeschädigte Kinder möglich, Sprache so natürlich zu erwerben, wie heute. Entscheidend dafür ist die Hörentwicklung. Zu diesem Thema liegen aus dem Fachgebiet der Neurophysiologie klare Forschungsergebnisse vor: Eine Hörbahnreifung im Gehirn ist nur möglich, wenn die Sinneszellen in den ersten Lebensjahren durch akustische Reize angeregt werden und dadurch immer wieder neue Verknüpfungen zwischen den Nervenzellen entstehen können.

Der Natürliche Hörgerichtete Ansatz basiert auf dem Dialog im Alltag.

Der Natürliche Hörgerichtete Ansatz (NHA) in der Frühförderung hörgeschädigter Kinder bietet dafür ein weltweit und seit Jahrzehnten bewährtes Konzept. Basierend darauf finden Sie in diesem Buch zahlreiche Anregungen, wie Sie mit Ihrem Kind vom Säuglingsalter an ins Gespräch kommen und damit im Dialog seine Sprachentwicklung bestmöglich fördern können. Eine natürliche Kommunikation ist nur in der jeweiligen Muttersprache möglich. Neun von zehn Kindern, die mit einer Hörschädigung geboren werden, haben hörende Eltern (NIDCD 2016). Die Muttersprache ist für die überwiegende Zahl der hörgeschädigten Kinder daher die Lautsprache* (Kap. 2).

Im Dialog die Sprachentwicklung fördern

Seit 2009 in Deutschland das Neugeborenen-Hörscreening eingeführt wurde, hat sich die Früherkennung deutlich verbessert. Durch die frühe Versorgung mit modernster Hörtechnik und die Begleitung der Familien ab dem Säuglingsalter haben noch mehr Kinder die Chance, altersgemäß hörgerichtet Sprache zu erwerben. Nach wie vor gibt es jedoch auch Kinder, deren Hörstörung erst später erkannt und versorgt wird. Es soll daher hier betont werden, dass auch diese Kinder eine Chance haben, hörgerichtet im Dialog Sprache zu erwerben, auch wenn sie dafür mehr Zeit und länger gezielte Förderung benötigen.

Lassen Sie sich von den Interessen des Kindes leiten.

Das Buch richtet sich an Familien mit Kindern vom Säuglings- bis zum Vorschulalter. Bei den Spielvorschlägen finden Sie bewusst keine Altersangaben. Entscheidend ist immer die Entwicklung und das Interesse des Kindes und nicht sein Alter: So benutzen z. B. 2-Jährige beim Spiel mit Knete schon Ausstechförmchen, während ein Kind mit zusätzlichen Entwicklungsbeeinträchtigungen daran vielleicht erst mit vier Jahren Freude hat. Außerdem ist auch bei einer altersgerechten Entwicklung die Spannbreite von dem, was Kinder wann können und wofür sie sich interessieren, groß. Lassen Sie sich von den Interessen und Ideen Ihres Kindes leiten, dann wird es sich auf die gemeinsame Beschäftigung konzentrieren, daran Spaß haben und gerne mit Ihnen kommunizieren. Sicher werden Sie Ihr Kind auch einmal zu neuen Beschäftigungen anregen: Es wird Ihnen selbst zeigen, ob Ihre Anregung passend ist.

Die Förderung ist immer ganzheitlich.

Sprachentwicklung läuft nie isoliert ab. Die Förderung ist daher immer ganzheitlich ausgerichtet und bezieht besonders auch die persönlichen Stärken und Begabungen jedes Kindes mit ein.

Grundsätzlich geht es weniger um Sprachtherapie als um die Begleitung der Sprachentwicklung unter den Bedingungen einer Hörschädigung. Zu Beginn ist es ein Weg der kleinen Schritte, der von Eltern viel Geduld und Zuversicht erfordert. Doch Ihr Kind selbst wird Ihnen zeigen, dass sich die Geduld lohnt. Dieses Buch ist als Wegbegleiter gedacht für diese frühe Zeit der vielen kleinen und manch’ großer Schritte.

Anmerkungen

Die Namen der Kinder in den Fallbeispielen wurden geändert. Alle Kinder in den Beispielen sind gehörlos oder hochgradig schwerhörig und beidseitig mit Hörgeräten oder CI versorgt.

Die Altersangabe 3;2 Jahre bedeutet drei Jahre und zwei Monate.

Fachbegriffe, die im Serviceteil erklärt werden, sind im Text mit einem Sternchen* gekennzeichnet.

Zugunsten des Leseflusses wird für Genderformulierungen nur eine Form gewählt. Selbstverständlich sind immer alle Geschlechter gemeint.

1Diagnose und Hörtechnik

Moderne Hörtechnik schafft die Grundlage dafür, dass Ihr Kind hören lernen und dadurch Sprache erwerben kann. Wenn erfahrene Fachleute gemeinsam individuelle Lösungen für Ihr Kind finden, wird es seine Hörtechnik optimal nutzen können. Auch Sie können im täglichen Umgang mit Hörgeräten und CI dazu beitragen, dass Ihr Kind seine „Lauscher“ oder „Hörlis“ gerne trägt und davon so gut wie möglich profitiert.

In diesem Kapitel werden ausgewählte Informationen zur Diagnostik sowie wichtige, alltagsrelevante Informationen zum Umgang mit Hörgeräten und CI gegeben. Im Serviceteil finden Sie Empfehlungen für Bücher und Internetseiten, wenn Sie sich darüber hinaus vertieft mit diesen oder ähnlichen Themen beschäftigen möchten: Wie funktioniert das normale Hören? Welche Hörtests gibt es und was bedeuten die Ergebnisse? Welche Formen von Hörschädigungen gibt es und wie kann man sie behandeln? Welche Ursachen kann eine Hörschädigung haben? Wie funktioniert ein Hörgerät oder ein CI?

Im Folgenden werden vor allem solche Aspekte rund um die Diagnostik und Hörtechnik berücksichtigt, die Eltern in der frühen Zeit oft beschäftigen, und die in Informationsbroschüren oder auf Internetseiten eher seltener zu finden sind.

Diagnose

Die erste Zeit nach der Diagnose ist immer eine Ausnahmezeit. Vielleicht haben Sie schon kurz nach der Geburt erfahren, dass der Verdacht auf eine Hörschädigung besteht, und wurden völlig unvorbereitet von dieser Nachricht getroffen. Oder Sie haben erst nach einer mühsamen Odyssee Gewissheit für Ihre Vermutung bekommen, dass irgendetwas nicht stimmt. Grundsätzlich gilt: Nur auf der Grundlage einer kompetenten Diagnostik können die richtigen medizinischen Maßnahmen entschieden und die richtige Hörtechnik ausgewählt und angepasst werden.

Ein Hörtest allein genügt nicht.

Was gehört zu einer guten Diagnostik? Egal, ob es sich um eine mittelgradige Schwerhörigkeit bei einem Schulkind handelt oder um den Verdacht auf Taubheit bei einem Säugling: Ein Hörtest allein reicht nicht aus! Eine kompetente Hördiagnostik umfasst immer mehrere Aspekte und wird von verschiedenen Fachdisziplinen (z. B. Pädaudiologie, Hörakustik, Logopädie, Entwicklungspsychologie) gemeinsam durchgeführt.

Eine kompetente Hördiagnostik umfasst

die Erhebung der Vorgeschichte mit den Beobachtungen der Eltern zum Hör- und Sprachverhalten des Kindes im Alltag sowie die Berücksichtigung eventueller Erkrankungen und Risikofaktoren für eine Hörschädigung,

die Prüfung der Sprach- und Gesamtentwicklung des Kindes,

die HNO-Untersuchung, u. a. mit der Überprüfung der Druckverhältnisse im Mittelohr durch eine Tympanometrie* und der Prüfung der Stapediusreflexe*,

subjektive Hörtests, wobei die Hörreaktionen des Kindes beobachtet werden,

objektive Hörtests, d. h. Messverfahren, bei denen das Kind selbst keine Angaben macht, sondern Geräte das Hörvermögen messen, wie z. B. bei einer BERA-Messung*. Die Interpretation der Ergebnisse übernehmen teilweise die Geräte, teilweise Fachleute, wie z. B. Pädaudiologen.

Fragen Sie nach: Wissen gibt Sicherheit.

Sie sind und bleiben die wichtigsten Fachleute für Ihr Kind: Fragen Sie daher so lange nach, bis Sie die Diagnose und die einzelnen Messergebnisse genau verstanden haben. Dieses Wissen hilft Ihnen, im Umgang mit Ihrem Kind wieder Sicherheit zu gewinnen. Lassen Sie sich die Details nach dem Gespräch mit dem Arzt, auch in der Frühförderstunde oder beim Hörakustiker erklären – jeder hat seinen eigenen Blickwinkel und deshalb andere Erfahrungsschwerpunkte.

Gespräche mit Eltern, die diese erste Zeit schon hinter sich haben, sind ebenfalls oft hilfreich. Sammeln Sie alle Unterlagen (Arztberichte, Audiogramme, Frühförder- oder Therapieberichte, Schriftverkehr mit der Krankenkasse oder mit Behörden zum Schwerbehindertenausweis): So können Sie zu Hause in Ruhe etwas noch einmal nachlesen oder den letzten Arztbrief in die nächste Frühförderstunde mitnehmen und darüber sprechen. Grundsätzlich stehen Ihnen alle Unterlagen zu Ihrem Kind zu.

Hörgeräte und Cochlea-Implantate (CI)

Die bilaterale Versorgung

Mit zwei Ohren hört man besser und anders.

Es ist kein Zufall, dass Menschen mit zwei Ohren geboren werden: Mit zwei Ohren hört man nicht nur besser – man hört damit auch anders und mehr. Eine optimale Versorgung mit Hörtechnik ist daher immer eine Versorgung beider Ohren (bilaterale Versorgung*), wenn eine beidseitige Hörstörung vorliegt. Das können je nach Hörschädigung ganz unterschiedliche technische Hörhilfen sein. In den meisten Fällen sind es bei Kleinkindern zwei Hörgeräte, zwei Cochlea-Implantate oder ein Hörgerät und ein Cochlea-Implantat. Letzteres ist eine sogenannte bimodale* Versorgung und wird durchgeführt, wenn ein unterschiedlicher Hörverlust auf beiden Ohren vorliegt. Früher nahm man an, dass die verschiedenen Höreindrücke von einem CI auf dem einen und einem Hörgerät auf dem anderen Ohr sich gegenseitig stören. Heute dagegen weiß man zuverlässig, u. a. aus Berichten Erwachsener, dass das nicht der Fall ist, sondern die unterschiedlichen Höreindrücke sich sehr gut ergänzen können.

Manchmal stellen sich Eltern die Frage, ob es nicht besser wäre, wenn schon operiert werden muss, gleich beide Ohren mit einem CI zu versorgen, um von Anfang an dem Kind eine maximale und technisch einheitliche Versorgung zu geben. Bedenken Sie dabei: Die technisch aufwändigste Versorgung ist nicht zwangsläufig die für Ihr Kind optimale. Wenn ein Ohr mit einem Hörgerät gut versorgt werden kann, ist die bimodale Versorgung mit Hörgerät und CI die optimale für das Kind: Die Höreindrücke ergänzen sich, operiert wird nur das eine Ohr, und sollte der Hörverlust zunehmen, bleibt die Möglichkeit der CI-Implantation für das zweite Ohr bestehen.

Hörgerät und CI ergänzen sich.

Mit zwei Ohren kann Ihr Kind …

entspannter hören und muss sich weniger konzentrieren,

hören, aus welcher Richtung ein Geräusch oder eine Äußerung kommt, und sich dadurch z. B. im Straßenverkehr oder im Gespräch mit mehreren Personen besser orientieren,

bei Umgebungsgeräuschen Sprache besser verstehen, weil es unwichtige Hintergrundgeräusche leichter ausblenden kann,

auch dann noch hören, wenn gerade auf einer Seite die Batterien gewechselt werden, oder wenn ein Gerät aufgrund technischer Probleme einmal ausfallen sollte.

Zukünftige Hörtechnik braucht aktivierte Nervenbahnen.

Eltern gehörloser Kinder überlegen sich manchmal, ob es nicht sinnvoll wäre, nur in einem Ohr ein CI zu implantieren und das andere frei und unversehrt zu lassen für zukünftige technische bzw. biotechnische Entwicklungen. Dieser Gedanke ist nachvollziehbar. Dagegen spricht jedoch, dass Kinder in den ersten Lebensjahren Sprache erwerben und von einer guten Sprachkompetenz ihr Leben lang profitieren. Für einen optimalen Spracherwerb brauchen sie ein beidohriges Hören. Fehlt die akustische Stimulation auf einer Seite, können degenerative Veränderungen des Nervensystems auftreten, die nicht mehr rückgängig zu machen sind, und eine spätere Nutzung auch neuester Technologien ausschließen.

Es sollten immer beide Geräte getragen werden.

Benötigen Kinder auf beiden Seiten ein CI, können diese entweder in einer einzigen oder in zwei aufeinanderfolgenden Operationen eingesetzt werden. Erfolgt die Versorgung des zweiten Ohres nicht sofort, sondern mit einem Abstand von einigen Monaten oder auch Jahren, wenn sich z. B. ein Ohr verschlechtert hat, erhalten Eltern manchmal die Anleitung, dem Kind zu Beginn ein bis zwei Stunden täglich nur das neue Gerät zu geben und das bisherige, gewohnte Gerät abzunehmen, damit das neu implantierte Ohr trainiert wird. Dies ist für Kleinkinder ausgesprochen irritierend und nicht unbedingt sinnvoll. Viele Kinder lassen es gar nicht zu, dass Ihnen das vertraute Gerät, mit dem sie schon hören können, weggenommen wird. Die Kinder werden dadurch stark verunsichert, weil sie mit dem neuen Gerät allein zunächst viel schlechter hören als mit dem gewohnten. Sie können nicht verstehen, warum die Eltern ihre Hörsituation bewusst verschlechtern und sich plötzlich anders verhalten als vorher: Bis zu diesem Zeitpunkt wurde dem Kind vermittelt, dass das CI etwas Positives ist, was es immer tragen soll. Die Eltern hatten sich über seine Hörentwicklung mit dem CI gefreut und plötzlich nehmen sie es ihm weg.

Eltern, die sich für die Operation des zweiten Ohres entschieden haben, möchten, dass das Kind das beidohrige Hören lernt: Dies gelingt aber nur, wenn auch beide Geräte ganztags getragen werden und das Gehirn somit lernt, die Höreindrücke von beiden Seiten zu verarbeiten. Die Erfahrung zeigt, dass sich das Hören auf dem zweiten Ohr bei Kleinkindern problemlos entwickelt, wenn immer beide Geräte getragen werden. Dies gilt auch für die Kombination von einem Hörgerät und einem später implantierten CI.

Auswahl von Hörgeräten und CI

Eltern fragen sich oft zu Beginn, ob es die richtige technische Versorgung für ihr Kind gibt. Wenn damit ein bestimmtes Hörgerät oder ein bestimmtes CI gemeint ist, ist die Frage mit „nein“ zu beantworten. Jedes Kind hat seine ganz persönliche Vorgeschichte, seine eigene Art der Hörstörung, individuell geformte Ohrmuscheln, einen engeren oder weiteren Gehörgang, usw. Eine technische Versorgung kann nur richtig und erfolgreich sein, wenn sie ganz individuell auf das einzelne Kind abgestimmt, regelmäßig kontrolliert und bei Bedarf optimiert wird. Dennoch gibt es Hörgeräte, die für Kinder besonders geeignet sind: Sie sollten u. a. Verbindungsmöglichkeiten besitzen, z. B. über Bluetooth, und Reserven in der Verstärkungsleistung, da die Einstellung der Hörgeräte immer begleitend zur kindlichen Entwicklung erfolgt. Für die frühe Hörgeräteversorgung gibt es Pädakustiker. Das sind Hörakustiker mit einer Zusatzausbildung für Kinder. In der Versorgung von Säuglingen und Kleinkindern ist neben dem Fachwissen immer auch die Erfahrung, Geduld und das pädagogische Geschick ausschlaggebend.

Hörgeräte werden individuell ausgewählt und angepasst.

Wie bei Kinderbrillen können Sie auch bei Hörgeräten und CIs unter zahlreichen Farben auswählen. Beziehen Sie Ihr Kind ein, wenn es dazu schon eine eigene Meinung hat. Auch die Ohrpassstücke können z. B. mit Glitzer oder den Farben des Lieblings-Fußballvereins versehen werden. Eltern haben bei auffälligen Farben oft das Problem, dass die Schwerhörigkeit dadurch noch sichtbarer wird. Ist es nun besser oder schlechter, wenn man sieht, dass das Kind schwerhörig ist?

Beispiel

Martins Mutter berichtete, dass der 4-Jährige an der Fleischtheke auf die Frage, ob er ein Stück Wurst haben möchte, nicht reagierte. Dann fielen der Verkäuferin seine blauen Hörgeräte auf, sie hielt ihm eine Wurstscheibe hin und wiederholte ihre Frage. Martin nahm die Wurst und sagte, nach kurzer Erinnerung durch die Mutter, „Danke“.

Dieses Beispiel zeigt, dass sichtbare, bunte Hörgeräte helfen können, die Reaktionen eines Kindes richtig zu deuten: Die Verkäuferin erkannte, dass Martin sich nicht schlecht benimmt, wenn er nicht antwortet, sondern vielleicht einfach nur ihre Frage nicht gehört bzw. nicht verstanden hatte. Dies kann vor allem dann passieren, wenn das Kind nicht erwartet, angesprochen zu werden. Sichtbare Hörhilfen sind deshalb zu bevorzugen.

Hörgeräte für Babys und Kleinkinder sollten

robust sein,

Reserven in der Verstärkungsleistung haben,

eine Programmierung haben, die verhindert, dass das Kind an den Bedienelementen etwas verstellen kann,

eine Batteriefachsicherung haben,

Kinderwinkel (kleinere Tragehaken) haben,

eine farbliche Seitenkennzeichnung haben: Besonders wichtig, wenn das Kind rechts anders hört als links sowie

Verbindungsmöglichkeiten für den späteren Einsatz von Zusatzgeräten haben, wie einer DAÜ*.

Wenn Eltern in der ersten Phase der Hörgeräteanpassung zu Hause beobachten sollen, ob ihr hochgradig hörgeschädigtes Kind Hörreaktionen zeigt, ist das oft frustrierend: Babys und Kleinkinder reagieren zu Beginn meistens weder auf Geräusche noch auf Sprache. Dazu ist es wichtig zu wissen: Wenn ein Kind keine Reaktionen zeigt, heißt das nicht zwangsläufig, dass es auch nichts hört! Wenn Ihr Kind seine ersten Hörerfahrungen macht, weiß es noch nicht, dass Geräusche und Stimmen eine Bedeutung haben. Deshalb reagiert es auch nicht darauf. Damit sich Ihr hochgradig schwerhöriges Baby Ihnen zuwendet, wenn Sie es ansprechen, benötigt es monatelange Hörerfahrung. Nur so lernt es, dass Stimmen zu Menschen gehören, dass es z. B., wenn der Papa es anspricht, gleich hoch genommen wird, und es sich daher „lohnt“, sich umzudrehen, wenn es seinen Namen hört (Kap. 4).

Zu Beginn sind oft noch keine Hörreaktionen zu sehen.

Falls Sie bemerken, dass Ihr Kind auf Alltagsgeräusche immer wieder mit Lidreflexen (Augenzwinkern) reagiert, sprechen Sie das in der Klinik und beim Pädakustiker an: Es bedeutet, dass die Geräte zu laut eingestellt sind.

Zur Hörgeräteversorgung gehört auch die individuelle Anfertigung der Ohrpassstücke, die immer wieder erneuert werden müssen, wenn die Ohren wachsen. Sind die Ohrmuscheln beim Baby noch sehr weich, hat es sich bewährt, dass bei der Abdrucknahme für die Ohrpassstücke die Hörgeräte hinter dem Ohr bleiben, damit die Ohrmuscheln die Form behalten, die sie auch im Alltag mit den Hörgeräten haben. Wenn das Kind frei sitzt, steht oder läuft, sich also nicht direkt mit dem Ohr an ein Kissen oder eine Person anlehnt, dürfen die Hörgeräte nicht pfeifen. Bleiben Sie hartnäckig und gehen Sie immer wieder zum Pädakustiker, wenn Sie Probleme damit haben.

Die Zeit vor der Implantation

Wird ein Baby zunächst mit Hörgeräten versorgt, wird die Zeit bis zur Implantation manchmal von Eltern als Wartezeit empfunden, „bis ihr Kind richtig zu hören beginnt“. Beachten Sie dabei: Die ersten auch noch so geringen Hörerfahrungen mit Hörgeräten sowie die Beziehungsentwicklung zwischen Eltern und Baby und die vorsprachlichen Dialoge in den ersten Lebensmonaten sind die Grundlage einer erfolgreichen Entwicklung mit einem CI. Außerdem gewöhnt sich das Baby bereits daran, Hörtechnik am Ohr zu tragen.

Wenn Cochlea-Implantate notwendig sind, müssen Eltern sich vor der Operation für ein Fabrikat entscheiden. Im Gegensatz zu Hörgeräten, die man einfach ausprobieren und wieder ablegen kann, ist die Entscheidung für ein bestimmtes CI in der Regel eine Entscheidung für Jahrzehnte. Gleichzeitig kann man als Laie die feinen technischen Unterschiede nur schwer verstehen. Lassen Sie sich u. a. die äußeren Unterschiede (Größe der äußeren und der einoperierten Teile, Fernbedienung, Akkus, Batterien, Wasserbeständigkeit …) und die Handhabung im Alltag erklären. Diese Aspekte sind neben der Verarbeitungsstrategie des Soundprozessors, der Elektrodenform und weiterer technischer Details von Bedeutung. Ihre Frühförderin kann Ihnen bei der Erstellung einer Fragenliste behilflich sein.

Es ist zusätzlich wichtig, dass neue Entwicklungen mit den Vorgängermodellen kombiniert werden können. Das Kind kann dann von Neuentwicklungen profitieren, ohne erneut operiert werden zu müssen: Der äußere Teil, der neue Soundprozessor, arbeitet mit dem einoperierten inneren Teil, einem Vorgängermodell, zusammen. Man muss zwar davon ausgehen, dass im Laufe eines Lebens Reimplantationen notwendig werden. Eine erneute Operation wird aber immer nur aufgrund technischer oder medizinischer Probleme durchgeführt, nicht, um ein neueres Modell einzusetzen. Seit Ende der 1980er Jahre erhalten Kinder Cochlea-Implantate. Wie lange die Geräte halten, kann nicht pauschal gesagt werden. Zur Zuverlässigkeit der einzelnen Systeme erhalten Sie Auskunft in den Kliniken, in Ihrem Cochlear-Implant-Center (CIC*) und bei den einzelnen CI-Firmen.

Es ist beruhigend zu wissen: Wie gut Ihr Kind hören und sprechen lernt, hängt nicht von der Wahl eines bestimmten CI-Fabrikates ab. Es gibt andere wichtige Faktoren, z. B. in welchem Alter die Diagnose gestellt wurde, ob es schon einmal gehört hat, wie sprachbegabt Ihr Kind ist, ob es zusätzliche Entwicklungsbeeinträchtigungen hat, wie die Bezugspersonen unterstützt und begleitet werden und wie dadurch Kommunikation und Förderung innerhalb und außerhalb der Familie verlaufen.

Wie bei der Diagnostik ist auch bei der Hörgeräte- und CI-Versorgung eine gute interdisziplinäre Zusammenarbeit gefragt. Diese umfasst u. a. die BERA-Ergebnisse aus der Klinik, die der Pädakustiker für die Auswahl und Einstellung der Hörgeräte braucht oder die Rückmeldung der Frühförderung an den Pädakustiker und Pädaudiologen, ob das Kind die Geräte gut akzeptiert, etwas wacher wirkt, weniger unruhig ist oder sein Lautieren sich verändert. Nicht zuletzt werden natürlich auch Ihre eigenen Beobachtungen aus dem Alltag mit einbezogen.

Tägliche Wartung

Tipp

Beziehen Sie Ihr Kind schon früh beim Batterie- oder Akkuwechsel mit ein. So lernt es schrittweise immer selbstständiger damit umzugehen.

Die Hörtechnik wird täglich überprüft.

Neben den regelmäßigen Kontrollen beim Pädakustiker bzw. im CIC, die in den ersten Lebensjahren alle drei Monate und später halbjährlich erfolgen, ist der tägliche Umgang mit den Geräten wichtig. Bevor Sie Ihrem Kind seine Hörgeräte oder CIs einsetzen, müssen Sie prüfen, ob diese auch fehlerfrei funktionieren: Sie würden ja auch täglich darauf achten, ob die Brille Ihres Kindes sauber ist, bevor Sie ihm diese morgens aufsetzen. Wie Sie diese tägliche Kontrolle und Pflege einfach und effektiv durchführen können, zeigen Ihnen der Pädakustiker, die Mitarbeiter im CIC oder auch Ihre Frühförderin. Fragen Sie nach, wenn etwas unklar ist. Das regelmäßige Trocknen der Geräte in einer elektrischen Trockenbox oder einem Trockenbeutel erhöht deren Lebensdauer nicht nur in der Phase, in der Säuglinge die Geräte in den Mund nehmen; auch durch Körperschweiß werden sie immer etwas feucht.

Achten Sie darauf, die Hörgeräte zu Beginn nicht vor dem Kind abzuhören. Wenn Ihr Kind sieht, dass sie aufgrund des ungewohnten Höreindruckes erschrecken oder einen angestrengten Gesichtsausdruck bekommen, kann es daraus schließen, dass seine Hörgeräte etwas Unangenehmes sind. Bedenken Sie, dass Ihr Kind mit den Hörgeräten ganz anders hört als Sie selbst, weil diese Hörgeräte auf seine spezifische Schwerhörigkeit eingestellt sind.

CI-Simulationen im Internet zeigen nicht, wie Ihr Kind hört!

Verständlicherweise wollen Eltern gerne wissen, wie das Hören mit einem CI klingt. Die verzerrte Sprache und Musik, die in CI-Simulationen im Internet zu hören sind, geben jedoch nicht wieder, wie CI-Träger hören! In den Simulationen wird lediglich das elektrische Stimulationsmuster der Elektroden hörbar gemacht. Dies hat nichts damit zu tun, wie ein CI-Träger diese Höreindrücke wahrnimmt. Wie das Gehirn CI-Informationen verarbeitet, hängt u. a. von den Hörerfahrungen ab und ist individuell verschieden. Wir wissen daher nicht, wie CI-Träger tatsächlich hören; offensichtlich muss es aber dem natürlichen Hören sehr nahe kommen. Denn wenn Kinder mit CI so hören würden, wie die Simulationen klingen, wäre es ihnen unmöglich, so natürlich zu sprechen, zu singen und Musikinstrumente zu spielen, wie wir es von vielen Entwicklungsverläufen her kennen.

DAÜ-Anlagen

DAÜ-Anlagen erleichtern das Hören in Gruppensituationen.

Zusätzlich zu Hörgeräten und CIs kann das Hören durch eine DAÜ* erleichtert werden. Die Anlage besteht aus einem Empfänger, den das Kind trägt, und einem Sender, den ein Gesprächspartner bei sich hat: Das Kind kann damit über weitere Entfernungen und bei Umgebungslärm besser hören. Bewährt haben sich DAÜ-Anlagen besonders in Gruppensituationen (Kindergarten und Schule), im Alltag, z. B. im Auto, wenn die Fahrerin mit dem Kind spricht, das hinten sitzt, in einer lauten S-Bahn oder bei einem Fahrradausflug. Die Anlage muss von einem erfahrenen Akustiker oder im CIC auf die Hörgeräte oder CIs abgestimmt werden. Bitten Sie um eine Probezeit von mindestens vier bis acht Wochen. Nur so kann sicher entschieden werden, ob die Anlage für das Kind zu diesem Zeitpunkt schon von Nutzen ist. Sehr wichtig ist, dass die DAÜ immer ausgeschaltet wird, wenn nicht mit dem Kind (oder der ganzen Gruppe) gesprochen wird. Benutzen Sie die Anlage z. B. bei einem Fahrradausflug, würde Ihr Kind, während Sie in einem Laden Proviant kaufen und dabei mit der Verkäuferin sprechen, draußen alles mithören.

Nebengeräusche und Distanz werden überbrückt.

Sinnvoll sind zu Beginn Spiele, bei denen das Kind den Effekt der Anlage deutlich erlebt. So können Sie z. B. die DAÜ beim Versteckspiel einsetzen und dem suchenden Kind über die Anlage Hinweise auf Ihr Versteck geben, wie z. B.: „Schau doch mal im Badezimmer“ oder „Ich bin im Kinderzimmer.“

Beispiel

Leonhard erlebt durch folgendes Spiel, dass er mit seiner neuen DAÜ besser hören kann als seine Mutter, und bekommt so eine positive Einstellung dazu. Leonhard geht mit seiner Mutter in einen anderen Raum. Auf einem Tablett liegen sechs Gegenstände (Hase, Krokodil, Löffel, Auto, Schere …), die er sehr gut kennt. Ich trage den Sender und wünsche mir aus dem anderen Zimmer bei geschlossenen Türen jeweils einen der Gegenstände. Leonhard kann das über seine Empfänger hören, die Mutter nicht. Eine Handpuppe nimmt die Sachen in Empfang, die er stolz bringt.

Diese Spiele dienen nur als Eingewöhnungs- und Entscheidungshilfe. Im Alltag sollte die DAÜ gezielt und nur bei einzelnen Aktivitäten verwendet werden. Wird die Anlage zu oft eingesetzt, lernen Kinder nicht den Umgang mit natürlichen Hörsituationen im Alltag. Dazu gehört z. B., dass ein Geräusch aus der Entfernung leiser klingt.

Vor der Einschulung sollte die DAÜ vertraut sein.

Kinder, die noch ganz am Anfang ihrer Sprachentwicklung stehen, lehnen im Stuhlkreis die Anlage manchmal ab. Auch Kinder mit einer sehr guten Hör- und Sprachentwicklung tragen die Anlage manchmal nicht gerne, weil für sie der Unterschied zum Hören mit den gewohnten Hörhilfen zu gering ist. In beiden Fällen sollte zu einem späteren Zeitpunkt auf jeden Fall ein neuer Versuch gemacht werden. Schon ein halbes Jahr später kann ein Kind, das gute Fortschritte in der Sprachentwicklung macht, im Kindergarten von der Anlage profitieren. Sehr gut entwickelte Kinder, welche die Anlage im Kindergarten noch abgelehnt haben, tragen sie in bestimmten Situationen in der Schule, z. B. beim Diktat, oft gerne. Wenn die DAÜ abgelehnt wird, muss natürlich immer zunächst sichergestellt werden, dass kein technischer Defekt vorliegt. Kinder, die einen Integrations- oder Regelkindergarten besuchen, sollten spätestens im Jahr vor der Einschulung die Möglichkeit bekommen, die Anlage ausführlich kennenzulernen – sodass sie in der (Regel-)Schule schon damit vertraut sind.

Lichtsignalanlagen sind Hilfen für ältere Kinder.

Noch eine Anmerkung zu weiteren technischen Hilfen: Für ältere Kinder, die schon einen eigenen Wecker verwenden, gibt es Lichtsignal- oder Vibrationswecker. Bei Jugendlichen und Erwachsenen helfen außerdem Lichtsignalanlagen, wenn z. B. im Notfall nachts jemand an der Wohnungstür klingelt und der Hörgeschädigte alleine in der Wohnung schläft.

Eingewöhnung von Hörgeräten und CI

Zeigen Sie dem Kind die Geräte vor dem Einsetzen.