Hornhaut für die Seele - Chris Ley - E-Book

Hornhaut für die Seele E-Book

Chris Ley

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Beschreibung

Wenn du immer wieder harte Arbeit mit deinen Händen verrichtest, bekommst du entweder Blasen oder Hornhaut. Ganz ähnlich besteht es mit deiner Seele. Digitalisierung, ständige Erreichbarkeit, zunehmende Arbeitsbelastungen, schwere Krankheiten, Trennung, Tod oder andere persönliche Krisen fordern alles von uns ab. Deine Seele kann bei nicht verarbeiteten Herausforderungen, Problemen oder Krisen einfach wund werden und zerbrechen. Wenn du Probleme jedoch als Herausforderung annimmst, nach Lösungen suchst und Krisen verarbeitest, wächst nicht nur deine Seele, sondern deine ganze Persönlichkeit. Psychische Widerstandskraft ist in der heutigen Zeit wichtiger denn je. Dieses Buch gibt dir eine Anleitung, was dich stark macht gegen Stress, Depression und Burnout.

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Chris Ley ist ein liebevoller Freak. In mehr als 10 Jahren Trainingserfahrung schult er nachhaltig Unternehmen, hat diverse Lehraufträge an Universitäten und Hochschulen, bildet erfolgreiche Trainer aus und coacht Persönlichkeiten aus Politik, Spitzensport und Show-Business.

Besonders authentisch wird er zu einem gefragten Experten in Deutschland durch hunderte Erfolgsgeschichten begeisterter Teilnehmer. Ob 250km Wüstenmarathon laufen, 1.200 km den Rhein mit einem SUP Board paddeln, 1 Jahr mit einem 2 Stundenschlaf auskommen - er hat in zahlreichen Selbstexperimenten das Wissen getestet und spricht aus eigener Erfahrung. Daraus hat er die Life Challenge Strategie® entwickelt und für eine hohe Qualität patentieren lassen.

Zu Chris kommen vor allem die Spezialfälle: Bandscheibenvorfall, 200Kilo+, Diabetes mit schwarzen Löchern, die mit Krücken, 80 Jahre und älter, Influencer oder VIP. Nicht umsonst wurde er 2013 von lifefitness zu Deutschlands besten Personal Trainer ausgezeichnet. Er ist seit 2013 Weltrekordler, Buchautor und Verfasser von zahlreichen Fachartikeln. Für seine Arbeit wurde er 2018 mit dem Coaching Award ausgezeichnet.

Seine größte Herausforderung ist wohl sein Sohn Xavier, der im Alter von 1,5 Jahren im Verlauf einer schweren Autoimmunkrankheit nicht nur erblindete, sondern auch zum Schwerstbehinderten und Pflegefall geworden ist.

Sein persönliches Ziel heißt: Bis zum 01. Juli 2022 (das ist ein Freitag) 1.000.000 Menschen dabei zu unterstützen ein schöneres, gesünderes und fitteres Leben zu führen.

Du findest ihn im Internet unter: www.chris-ley.de

Für alle, die im Alltag stark sein müssen gegen Stress, Depression und Burnout.

Einleitung

„Pass auf dich auf mein Schatz!“ mit diesen Worten und einem dicken Kuss verabschiedete mich Mama und schickte mich auf den Weg in die Schule. Und es ist heute noch so, denn tun wir es nicht, werden wir schnell zum Spielball unseres Lebens. Krisen und Stress erhalten so schnell Einzug und bringen uns aus der Balance.

Das ist kein Esoterikkram, sondern harte Realität, die jeder bestätigen kann, dessen psychische Widerstandskraft schon einmal durch eine Krankheit, einen Schicksalsschlag oder sonst was auf die Probe gestellt wurde. Und solltest du jetzt noch ein wenig Probleme damit haben, hilft dir vielleicht dieser Vergleich: Die Balance zwischen Symphatikus und Parasympathikus funktioniert wie Gaspedal und Bremse im Auto. Würdest du auf die Idee kommen, deine Kinder zur Schule zu fahren, obwohl du weißt, dass deine Bremsen kaputt sind? Wohl kaum! Genau so gehen aber viele Menschen mit sich und ihrer Gesundheit um.

Belastbare Menschen zeichnen sich durch eine gesteigerte Widerstandskraft und eine hohe Flexibilität infolge starker persönlicher Ressourcen aus. Sie sind auf allen Ebenen (kognitiv, emotional, seelisch und körperlich) ausbalanciert und dauerhaft Arbeits- und Leistungsfähig.

Dieses Werk belegt, dass Achtsamkeit, Entspannung und das menschliche Streben nach „höher, schneller, weiter“ kein Widerspruch sein müssen. Ganz im Gegenteil: Die physische und psychische Balance ist die Grundlage für die Gesundheit und die Voraussetzung für die Leistungsfähigkeit resistenter Menschen. Du bekommst hier ein ganzes Arbeitsbuch zu den Bereichen:

Stressmanagement

Entspannung

Stärkung der Resilienz

Mentale Stärke

Bewegung

Ernährung

Gelingt es uns diese Methoden und Techniken für den Alltag umzusetzen und danach zu leben, so halten wir mit einer inneren Balance und Widerstandskraft auch den turbulenten Situationen des Lebens stand und gehen noch gestärkter aus diesen hervor.

Ich wünsche dir tolle Erkenntnisse beim Lesen und viel Spaß in der Umsetzung. „Pass auf dich auf.“ Du hast nur dieses eine Leben und du bist unglaublich wertvoll!

Inhalt

Der schwerste Tag in meinem Leben

Der stinkende Meetingraum

1.1 Stress ist wie Schokolade

1.2 Selbsttest: Wie gestresst bin ich?

1.3 Menschen und ihre Krisen

1.4 Die Stresstypen

1.5 Das Wichtigste im Überblick/ Aufgaben

Was zeichnet die Widerstandskraft im Alltag aus?

2.1 Was dich stark/ schwach macht

2.2 Resilienzmodelle

2.3 Basiskompetenzen der inneren Stärke

2.4 Selbsttest: Wie resilient bin ich?

2.5 Das Wichtigste im Überblick/ Aufgaben

Der Avatar der Widerstandskraft

3.1 Die Bedeutung des Umfelds

3.2 Die gestresste Ratte

3.3 Die Rolle der Genetik

3.4 Die Macht der Gewohnheit

3.5 Das Wichtigste im Überblick/ Aufgaben

Wie du Kinder stark macht

4.1 Zucker, Brot und Peitsche

4.2 Beruf und Privatleben

4.3 Resilienz für Führungskräfte

4.3.1 Stärkung der eigenen Widerstandskraft als Führungspersönlichkeit

4.3.2 Resilienz der Mitarbeiter fördern

4.4 Das Wichtigste im Überblick/ Aufgaben

Lehren für den Alltag: Wie du Hornhaut für die Seele bekommst

5.1 Menschen können sich auch jenseits der 30 noch ändern

5.2 Die „Big five“

5.3 Wie du Resilienz trainierst

5.4 So entspannt wie ein Shaolin-Mönch

5.5 Was stresst eigentlich wie sehr?

5.6 Achtsamkeitstraining

5.7 Resilienz & Bewegung

5.8 Resilienz & Ernährung

5.9 Das Wichtigste im Überblick/ Aufgaben

Stark bleiben mit diesen 52 Aufgaben

6.1 Resilienztraining Monat 1-3

6.2 Resilienztraining Monat 4-6

6.3 Resilienztraining Monat 7-9

6.4 Resilienztraining Monat 10-12

Anhang

Literaturverzeichnis

Danksagung

Links

Der schwerste Tag in meinem Leben

Krefeld, Intensivstation, 20. Januar 2017

Ein Freitagabend. Es klopfte an der Türe des Elternzimmers auf der Intensivstation. Die leitende Ärztin der Nachtschicht trat ein und sagte zu meiner Paty und mir "Die Werte Ihres Kindes sind sehr schlecht. Wenn sie morgen früh noch so schlecht sind wie heute, werden wir nicht weiter operieren." Tränen schossen mir in die Augen. Unser Sohn, gerade einmal vier Wochen alt, lag jetzt seit drei Tagen „tief im Schlaf“ wie sie liebevoll sagten. Er hatte zig Reanimationen hinter sich, eine erste Not-OP und lag jetzt regungslos da in seinem Krankenbettchen. Er kämpfte ums Überleben. Seinen Bauch hatten sie erst gar nicht wieder zugenäht, seinen kleinen aufgequollenen Körper wie in einem Kühlschrank runtergekühlt. Mehr als 20 Maschinen und Schläuche zählte ich an seinem Körper. Und jetzt sollte sein kurzes Leben schon ein Ende haben.

„Im jetzigen Zustand ist der Tod nicht das Schlimmste was ihrem Sohn passieren kann", fuhr die Ärztin fort. „Sie bekommen dann eine Ethikkommission an die Hand, die Sie bei allen Fragen unterstützen wird. Ich schau auch noch mal nach der Seelsorgerin und schicke sie zu Ihnen.“ Mit diesen Worten verließ sie das Zimmer.

Freud und Leid liegen ja bekannterweise eng beieinander. Sollte es nach dem Willen vom lieben Gott gehen, sollten jetzt wohl, vier Wochen nach dem schönsten Tag meines Lebens, die schwersten Stunden meines Lebens beginnen.

Der Tod ist nicht das Schlimmste

Das eigene Kind zu verlieren und zu Grabe tragen zu müssen – es gibt für eine liebende Mutter und einen besorgten Vater keine schlimmere Vorstellung. Die Worte der Ärztin drangen wie durch eine Nebelwand an meine Ohren. Das Kopfkino startete und zauberte Worst-Case Szenarien Bilder in meinen Kopf. Wirklich verstehen konnte ich sie in diesem Augenblick nicht. Wie konnte sie so herzlos sein und unseren kleinen Xavi einfach aufgeben? Hatte sie selbst keine Kinder, so dass sie verstehen musste, dass sich jeder Elternteil selbst an das kleinste Fünkchen Hoffnung klammert? Konnte sie sich auch nur annähernd vorstellen, welche Qual es für Eltern ist, ihr wenige Tage altes Baby so leiden zu sehen? Wusste sie, dass dieses Kind ein absolutes Wunschkind gewesen war und immer sein würde? Vielleicht wusste sie es, vielleicht war das auch nur professionell für einen Arzt. Doch in diesen schweren Stunden hatte das alles keine Bedeutung für mich. Für mich zählte nur eines: Der unbändige Glaube daran, dass es immer eine Ausnahme gibt und dass wir diese Ausnahme sind.

Es gibt immer eine Ausnahme

„Ab wann ist ein Leben lebenswert? Und dürfen wir über das Leben eines Menschen überhaupt entscheiden?“ Diese Frage mussten wir in dieser Nacht für uns und unseren Sohn beantwortet: „Ein Leben ist für uns dann lebenswert, wenn du lachen kannst und nicht dein ganzes Leben ans Bett gefesselt bist.“. Und auch wenn das hieße mit einer lebenslangen Schwerstbehinderung zu leben. Für mich war das gar nicht wichtig. Ich war überzeugt, dass in meinem Kind eine ähnliche Kämpfernatur steckt wie in seinen Eltern. Ich sagte in dieser Nacht zu meiner Frau "Es gibt immer eine Ausnahme - immer! Wir sind diese Ausnahme. Unser Xavi ist diese Ausnahme. Und in 10 Jahren werden die Ärzte noch anderen Familien mit dem selben Schicksal begeistert unsere Geschichte erzählen und ihnen damit Mut machen. Unser Xavi schafft das!“ Dieser schwerste Tag in meinem Leben hatte mir gezeigt, wie mächtig und wahr das Prinzip „Gedanken schaffen Realität“ ist.

Wenn du kämpfen musst, sei egoistisch!

Eng umschlungen mit meiner Paty weinten wir uns in dieser Nacht in den Schlaf, nicht wissend was uns am nächsten Tag erwarten würde. Traurig und voller Schmerz mussten wir unseren kleinen Jungen auf der Intensivstation, tief schlafen lassen und ihn seinen schweren Kampf in dieser Nacht alleine kämpfen lassen. Und doch machte sich in meinen Gedanken ein Fünkchen Hoffnung breit. Vielleicht war ich nicht bereit, die scheinbar unabänderliche Tatsache zu akzeptieren, dass mein Kind nie ein normales und selbstbestimmtes Leben führen würde. Vielleicht weigerte ich mich einzusehen, dass man mir durchaus eine gute Portion Egoismus vorwerfen konnte, wenn ich mein kleines Baby nicht einfach gehen lassen wollte.

Und tatsächlich – am nächsten Tag hatte sich das große Kämpferherz meines kleinen Jungen durchgesetzt. Die Werte waren mindestens so stabil, dass man an weitere Operationen denken konnte. Wir stellten uns langsam darauf ein, dass das sterile Krankenhauszimmerchen unser neues Zuhause für die nächsten paar Monate werden würde. Keiner hatte zu dem Zeitpunkt absehen können, in welche Richtung sich sein gesundheitlicher Zustand entwickeln würde und welche bleibenden Schäden er davon tragen würde.

Resilienz - die Kraft der inneren Stärke

Was aber bringt Menschen dazu, auch in diesen dunklen Stunden fest an sich und die Kraft der Psyche zu glauben? Welche Verbindung besteht zwischen der inneren Widerstandskraft und dem Umgang mit Stress, Depression und Burnout? Wie können sich Menschen so unbeirrbar auf die positiven Gedanken einlassen, ohne dass sie aktiv Einfluss auf Geschehnisse haben? Und woher nehmen Menschen die Kraft, über Wochen und Monaten gigantische mentale Schmerzen auszuhalten ohne dass dabei ihre Seele zerbricht? Was ist das Geheimnis hinter dem unabänderlichen Willen, das anscheinend von Geburt an in Menschen einfach drinsteckt? Ich meine: Kinder müssen das anscheint nicht lernen, sondern bekommen es als Geschenk mit zur Geburt? Oder wird sowas sogar vererbt? Klar, mein Opa hat Russland überlebt und ist aus der Gefangenschaft geflohen. Und wie kann dir unsere Geschichte helfen, wenn du in einer scheinbar aussichtslosen Situation am Leben verzweifelst? Die Antwort auf diese Fragen lautet „Resilienz“ - die Kraft der inneren Stärke. Was sich hinter diesem Zauberwort versteckt, wie sie dich unterstützt, dein Leben erfolgreich zu meistern und wie du dies unglaubliche Fähigkeit trainierst, erfährst du auf den nächsten Seiten.

„Es wird nicht leichter - du wirst stärker.“

Chris Ley

1. Der stinkende Meetingraum

Gedankenexperiment

Du sitzt mit deinen Kollegen 4 Stunden in einer Konferenz, einer Tagung oder Schulung. Ihr gebt so richtig Gas. Es ist richtig intensiv. Alltag für dich! Die Zeit vergeht wie im Flug. Dann klingst du dich mal eben für einen Gang zur Toilette aus und erst als du den Meetingraum wieder betrittst, fällt es dir auf: Es stinkt! Die Luft ist total verbraucht und du musst das Fenster öffnen.

Menschen müssen manchmal erst den Blick von Außen bekommen, um zu merken, dass es stinkt. In den nächsten Kapiteln erfährst du, welche Auswirkungen Stress haben kann und warum es gut ist regelmäßig den Blickwinkel zu ändern. Du wirst mit diesem Wissen deinen Kopf lüften.

Schlaflosigkeit, Müdigkeit, Abgeschlagenheit, Kopfschmerzen, Panikattacken, Schweißausbrüche

Du fühlst dich beim Lesen dieser Worte an eine Person erinnert, die du gut kennst – an dich selbst? Du hast das Gefühl, dass dir jemand einen Spiegel vorhält? Möglicherweise ahnst du, dass es bei anhaltendem Stress nicht allzu lange dauert, bis sich erste körperliche Auswirkungen bemerkbar machen? Du denkst an Schlaflosigkeit, Kopfschmerzen, Rückenprobleme, Panikattacken, Schweißausbrüche und diffuse Beschwerden, die du bisher noch nie festgestellt hast? Unter Umständen hast du sogar schon über einen Termin bei einem Arzt nachgedacht, um deine Blutwerte kontrollieren zu lassen, weil du dich ständig schlapp, müde und erschöpft fühlst? Leider hat es dein Terminkalender bislang noch nicht zugelassen. Immer häufiger sehen sich nicht nur Führungskräfte im oberen und im mittleren Management einem ähnlichen Wahnsinn ausgesetzt. Es sind nicht einmal die TOP Manager oder erfahrenen und gestandenen Führungskräfte, die durch solche gesundheitlichen Beschwerden auffallen. Vor allem angehende Team- und Gruppenleiter, neue Abteilungsleiter und sogar Studenten und Schüler sehen sich ähnlichen Problemen gegenüber. Gerade wer eine Führungsposition neu übernommen hat oder wer kürzlich erst in ein anderes Unternehmen, eine andere Abteilung gewechselt hat oder ins Studium einsteigt, will und muss sich profilieren.

Klar! Deine Arbeit macht dir ja Spaß

Hinzu kommt in den meisten Unternehmen eine zunehmende Arbeitsverdichtung. Gepaart mit den Herausforderungen der Globalisierung und dem Tempo der digitalen Arbeitswelt, entsteht eine verhängnisvolle Kombination. Auf der einen Seite sind wir mit Smartphone und Laptop so gut ausgestattet, dass wir uns überall virtuell mit unserem Unternehmen vernetzen können. Wir können an jedem Ort der Welt arbeiten, ein oder zwei Tage im Home Office wird von vielen Betrieben heute schon angeboten. Selbst Führungskräfte im mittleren Management der Großkonzerne gönnen sich den einen oder anderen Tag, an dem sie zu Hause arbeiten. Auf der anderen Seite wird es dadurch immer schwerer, nach der Arbeit abzuschalten. Arbeit und Freizeit vermischen sich zunehmend, als Mitarbeiter ist man ständig erreichbar und hat kaum noch Zeit, sich zu erholen. Kommen dann noch häufige Dienstreisen innerhalb Deutschlands oder sogar international hinzu, gerät man schnell in eine Situation, in der Körper und Geist kaum noch zur Ruhe kommen.

Das Fatale daran ist: Wenn du erst einmal in diesem Hamsterrad gefangen bist, findest du den Weg heraus nicht mehr ohne fremde Hilfe. Du läufst immer schneller und immer weiter, ohne dir darüber klar zu werden, wie sehr du dir selbst schadest. Vielleicht begründest du dein Verhalten sogar damit, dass es dir ja Spaß macht, dich beruflich einzubringen und zu engagieren! Schließlich verdienst du gutes Geld, und der tolle Sportwagen vor deiner schicken Penthousewohnung soll ja auch nicht den Neid deiner Nachbarn auf sich ziehen und auch nicht dein Ego aufpolieren. Das ist ja auch nur ein schöner Luxus, den du dir da gönnst. Als Belohnung dafür quasi, dass der Alltag ja so anstrengend ist.

Im Hamsterrad gefangen

Als wäre dein beruflicher Stress noch nicht genug, willst du natürlich auch privat zeigen, was für ein toller Hecht du bist. Vor der Arbeit gehst du zum Sport, am späten Abend gehst du zum Sprachkurs, um dein Businessenglisch zu verbessern. Am Wochenende bleibt noch ein wenig Zeit für deine Freunde oder deine Familie, aber auch hier gilt die Maxime „Höher, schneller, weiter!“. Und dann ist da ja noch die digitale Welt für die wir das alles auch noch mit coolen Postings festhalten und mächtig Likes und Views sammeln müssen. Natürlich lassen wir uns dort keine Zeit klauen, sondern investieren in Reichweite, Image und sowas. Du bist mit deiner Einstellung nicht allein auf der Welt. Begriffe wie „Leistungsgesellschaft“ und „Stress“ sind mehr als Modewörter. Sie stehen für einen beängstigenden Trend: Wer als etwas gelten will, muss Leistung bringen. Ein bis auf die Minute durchgeplanter Tagesablauf ist die logische Konsequenz, weil wir beruflich erfolgreich sein wollen, weil wir viel Geld verdienen wollen, weil wir uns mit Statussymbolen umgeben wollen, weil wir gesund und sportlich sein wollen, und weil wir ein perfektes Familienleben führen wollen. Du glaubst, das alles ist gar nicht so schlimm, weil es dir doch gut geht und weil du dich gar nicht gestresst fühlst? Merkst du die Parallelen zum Meetingraum?

1.1 Stress ist wie Schokolade

Früher war es der Säbelzahntiger, gegen den sich unsere Vorfahren verteidigen mussten. Heute sind es Termindruck, Zeitmangel, Reizüberflutung, große Verantwortung, Perfektionismus oder beliebige andere Situationen aus unserem Berufs- und Privatleben. Einen kleinen, aber feinen Unterschied gibt es allerdings: Die Begegnung mit einem Säbelzahntiger konnte schnell eine ungesunde Wende nehmen, denn ein Steinzeitmensch diente dem Vierbeiner im besten Fall als Appetitanreger, im schlimmsten Fall als vollwertige Mahlzeit. Unsere heutigen Begegnungen mit stressauslösenden Faktoren – auch als Stressoren bezeichnet – sind sicher nicht ganz so dramatisch. Stress kann sich körperlich zum Beispiel durch Herzklopfen, zitternden Händen, weichen Knien oder Schweißausbrüchen bemerkbar machen. Emotional reagieren wir auf Stress vielfach durch Nervosität, durch Gereiztheit oder durch die Angst vor Versagen. Unser Verstand spielt uns unter Stress vielleicht einen Streich, wenn sich die Gedanken im Kreis drehen oder wenn wir wegen einer Denkblockade keinen klaren Gedanken mehr fassen können.

Stress ist erstmal etwas Gutes

Lebensgefährlich sind solche Symptome allerdings nicht, insofern geht es uns in stressigen Situationen objektiv betrachtet besser als unseren Vorfahren. Trotzdem gibt es eine ganze Reihe von Ereignissen, die für den modernen Menschen gleichbedeutend sind mit dem lebensbedrohenden Stress, den die Begegnung unserer Vorfahren mit einem Säbelzahntiger ausgelöst hat. Für viele Menschen ist zum Beispiel der Tod des Partners, eine Scheidung oder eine Trennung, eine Krankheit oder der Verlust des Arbeitsplatzes ein einschneidendes Ereignis, das massiven Stress auslöst. Während positiv empfundener Stress – der sogenannte Eustress – die körperliche und geistige Leistungsfähigkeit auch ohne größeren Schaden über einen längeren Zeitraum auf einem hohen Niveau halten kann, führt negativ empfundener Stress – der Dysstress – häufig zu gesundheitlichen Beschwerden ganz unterschiedlicher Art.

Die Realität von Stress

Solange auf eine vorübergehende Phase mit negativem Stress eine Zeit der Ruhe und Entspannung folgt, sollten sich die körperlichen und gesundheitlichen Folgen in der Regel in einem überschaubaren Rahmen halten. Doch die Realität sieht leider anders aus. Psychische Erkrankungen wie Burnout oder Depressionen haben in den letzten Jahren erheblich an Bedeutung gewonnen. Verursacht werden sie nicht selten von anhaltendem Stress in seiner negativen Form. Die Deutsche Rentenversicherung und die privaten Versicherungsunternehmen stellen seit vielen Jahren fest, dass die Rentenzahlungen wegen Erwerbsminderung, wegen Erwerbsunfähigkeit und wegen Berufsunfähigkeit aufgrund von psychischen Erkrankungen wie Burnout und Depressionen stetig zunehmen. Rund 30 Prozent der neu genehmigten Renten wegen Berufsunfähigkeit sind durch psychische Beschwerden begründet, die den Betroffenen für mehrere Monate so belasten, dass er seinem Beruf nicht mehr nachgehen kann. Damit entsteht ein erschreckender Zusammenhang: Unser Sozialversicherungssystem wird durch psychische Erkrankungen unmittelbar finanziell belastet. Damit hat Stress nicht mehr nur individuelle Auswirkungen! Er wird zur Bedrohung für unser Sozialversicherungssystem und damit für unsere gesamte Volkswirtschaft.

Die Wurzel des Übels

Was in Deutschland unter anderem von der Deutschen Rentenversicherung bestätigt wird, findet sich auch im internationalen Kontext. Die Weltgesundheitsorganisation – kurz WHO genannt – hat Stress deshalb zu einer der größten gesundheitlichen Gefahren im 21. Jahrhundert erklärt. Trotzdem erkennen auch heute weder Politik noch Öffentlichkeit an, dass unsere auf Leistung ausgerichtete Gesellschaft die Wurzel des Übels ist, das sich Burnout oder Depressionen nennt. Hinzu kommt, dass auch die moderne Medizin oft nicht in der Lage ist, einen drohenden Burnout oder eine Depression zu erkennen und entsprechend gegenzusteuern. Gerade das vollständige Ausgebranntsein äußert sich durch sehr vielfältige Symptome, die nicht eindeutig zu interpretieren sind. Dazu kommt außerdem, dass man diesen Zustand durch Medikamente sehr lange verschleiern kann, so dass selbst dem nächsten Umfeld nicht deutlich wird, in welcher Gefahr der Betroffene schwebt. Außerdem trifft ein Burnout sehr häufig Menschen, von denen wir dies niemals denken. Da ist zum Beispiel die ambitionierte Kollegin, die Beruf, Familie und eigene Eltern immer perfekt unter einen Hut zu bekommen scheint, bis sie eines Tages zusammenbricht. Aufgrund der sehr schwierigen Diagnose, der langwierigen Therapie und der zunehmenden Zahl der Fälle haftet gerade dem Burnout der Ruf der Modekrankheit an. Bedenkt man dann noch, dass Burnout und Depressionen strikt voneinander abzugrenzen sind und dass psychische Leiden die Lebenserwartung deutlich stärker verkürzen als körperliche Krankheiten, wird klar, wie groß der Handlungsbedarf für Politik und Gesellschaft, vor allem auch für den Einzelnen ist.

Bestnoten und Auszeichnungen

Übrigens ist Stress keinesfalls ein Phänomen, das nur ältere Berufstätige betrifft, die mit dem Fortschritt am Arbeitsplatz nicht mehr mithalten können. Immer häufiger werden Burnout und Depressionen schon bei ganz jungen Menschen festgestellt. Selbst Schüler, Auszubildende oder Studierende klagen zunehmend über die enormen Belastungen, die der moderne Alltag in der Schule oder an der Universität mit sich bringt. Die Reduzierung der Schulzeit auf nur noch 12 Jahre bis zum Abitur, wie sie in vielen Bundesländern gängig ist, dürfte dafür ebenso eine Ursache sein wie der immense Druck, der während des Studiums auf die jungen Menschen ausgeübt wird. Das Studium muss in Rekordzeit durchlaufen sein, Bestnoten bei Examen, Diplom und Co. sind sowieso selbstverständlich, mehrere Auslandssemester sind eher die Regel als die Ausnahme, und am Ende dürfen die jungen Studenten nicht älter als 25 Jahre sein, wenn sie ihren Masterabschluss in den Händen halten. Die Messlatte wird also schon in jungen Jahren sehr hoch gelegt. Die Folge liegt auf der Hand, denn die Zahl der Krankschreibungen wegen psychischer Überlastung nimmt unter jungen Leuten enorm zu.

Stress ist immer auch individuell

Dem gegenüber steht eine interessante Beobachtung, die in den USA im Rahmen einer Studie veröffentlicht wurde. Dort wurde belegt, dass die früheren US-amerikanischen Präsidenten keinesfalls eine kürzere Lebenserwartung hatten oder verstärkt unter psychischen Beschwerden litten als andere Menschen, obwohl das Amt des Präsidenten der Vereinigten Staaten von Amerika sicherlich ein höchst anspruchsvolles Amt ist! Damit wird deutlich, dass Stress ein ganz persönliches Empfinden ist, das zu sehr individuellen Auswirkungen führt.

Die Wissenschaftler Thomas Holmes und Richard Rahe entwickelten die sogenannte Social Readjustment Rating Scale, eine Skala mit 43 Ereignissen, um das Ausmaß von Stress messen zu können. Positive wie negative Lebensereignisse werden einem Stresswert von null bis 100 zugewiesen.

Zu den Top Ten des Social Readjustment Rating Scale (Stressranking) gehören:

Tod des Ehepartners (100)

Scheidung (73)

Trennung vom Ehepartner (65)

Haftstrafe (63)

Tod eines Familienangehörigen (63)

Eigene Verletzung oder Krankheit (53)

Heirat (50)

Verlust des Arbeitsplatzes (47)