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Der »Hortulus Lieblicher, lustiger und höflicher Lieder«, gedruckt 1604 in Köln, ist Philipp Sigismund, dem postulierten Fürstbischof von Osnabrück und Verden gewidmet. Er enthält 23 Liedsätze und Motetten, die der Autor, Ott Siegfried Harnisch, im Dienste des Bischofs als Kapellmeister (auf der Iburg bei Osnabrück) entworfen hat. Die Sammlung dokumentiert die Musik einer Osnabrücker Hofkapelle um 1600; gleichzeitig eröffnet sie einen Blick auf das Singen unterschiedlicher Körperschaften in Osnabrück, u. a. von Schülern der evangelischen Lateinschule des Rates, des späteren und heutigen Ratsgymnasiums.
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Seitenzahl: 28
Veröffentlichungsjahr: 2022
Ott Siegfried Harnisch, der Autor des vorliegend dokumentierten „Liedergärtchens“ ist der zweite der drei namentlich greifbaren Leiter des Osnabrücker bzw. Iburger Hofmusikkollegiums in der Zeit um 1600. In wesentlichen Teilen seines Wirkens als Musiker war er ein Mann der Schule (ähnlich, wie später Bach in Leipzig). Harnisch1, um 1568/70 in der Nähe von Göttingen geboren und 1623 in Göttingen gestorben, ist zwischen 1585 und 93 (mit Unterbrechungen) als Student in Helmstedt nachweisbar. Nach Kantorentätigkeit, zwischen 1586 und 88 kurze Zeit in Braunschweig und nach dem Studium in Helmstedt, war er von 1594 bis 1600 in ebensolcher Funktion an der Großen Schule in Wolfenbüttel tätig. Dabei – und das dürfte vielleicht auch für Osnabrück wichtig sein – fungierte er ab Herbst 1597 „vermutlich“ als Präzeptor der Kantoreiknaben am Herzogshof. Als solcher unterstand er der Weisung des Kapellmeisters Thomas Mancinus.2
Zwischen 1600 und 1603, also maximal vier Jahre, wirkte Harnisch als Kapellmeister am Hof von Philipp Sigismund, dem postulierten Bischof von Verden und Osnabrück. Hiekel nimmt als Dienstort (die) Iburg an und schließt dies aus dem Dienstort seines Vorgängers Nikolaus Zangius. Immerhin wäre denkbar, dass ein Mann wie Harnisch etwas mit der Vorgängerschule des späteren sog. Ratsgymnasiums zu tun hatte. Aber (auch) hier sind wohl die Akten verloren. Zwar erfolgte die Anstellung von Harnisch in einer Zeit, in der der Rat der Stadt Osnabrück und Philipp Sigismund auch juristisch um die neue Ratsschule kämpfen mussten. Doch wenn anderseits ein (den Bischof betreffendes) Osnabrücker Inventar von ca. 1600 einen „Kapellmeister mit drei Gesellen“ aufweist, dann könnte dies auf Harnisch als „nur“ oder „vor allem“ Kapellmeister hinweisen; schließlich enthält auch der Hortulus Sätze mit drei Stimmen im oberen Register, die dann nicht mit Knaben aus der Ratsschule besetzt worden sein mussten. Gleichwohl gibt es Gründe zu der Annahme, dass die Sätze des „Hortulus“ nicht nur innerhalb der hermetischen Situation am Hof in Iburg gebraucht wurden.3
Der hiermit neu vorgelegte Hortulus Lieblicher lustiger und höflicher Teutscher Lieder mit vier fünff und sechs sampt einem neuen Echo mit acht Stimmen, der Philipp Sigismund gewidmet ist und in dem sich Harnisch als „Fürstl. Braunschweig. Oßnabrüg. vnd Veerdischer bestallten Capellmeister“ bezeichnet, erschien 1604 in Nürnberg. (Vgl. die nebenstehende Abbildung.) Zwar wird Harnisch diesen Band noch als Kapellmeister zum Druck vorbereitet haben. Doch wie ein erhaltener Briefentwurf ausweist, wurde er 1603 vom Göttinger Rat als III. Lehrer für das Göttinger Pädagogium (und Kantor an der Johanniskirche) angefordert. Mindestens ab 1. Januar 1604 ist er dann in Göttingen nachweisbar. Der Hortulus Lieblicher lustiger und höflicher [= höfischer!] Teutscher Lieder dokumentiert wohl einen wesentlichen Teil dessen, was Harnisch in seiner Osnabrücker Zeit (bis 1603) entworfen hat. Er ist inhaltlich sehr „vielfältig“ (wie Hiekel hervorhebt) und enthält Motetten und in der Mehrzahl Liedsätze mit Texten unterschiedlichen inhaltlichen Zuschnitts.
Davor hatte Harnisch dreistimmige aber auch vier- und fünfstimmige Lieder herausgegeben, z. T. an Regnart angelehnt, z. T. lateinische Oden (Universitätsmusik). Seine zwei Teile dreistimmiger Neuer Teudscher Liedlein von 1587 und von 1588 hat er 1591 zusammengefasst und durch einen dritten Teil „vermehrt“ nochmals in Helmstedt herausgegeben. Ebenfalls in Helmstedt erschien im Jahr darauf der Fasciculus novus selectissimarum cantionum[…] sex et plurium vocum mit lateinischen Oden und Motetten. Wir können annehmen, dass demnach nicht nur der Hortulus