How soon is now - Daniel Pinchbeck - E-Book

How soon is now E-Book

Daniel Pinchbeck

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Beschreibung

Wir stehen am Rande einer ökologischen Megakrise. Unser Handeln in den kommenden Jahren wird wohl auch das Schicksal unserer Nachkommen bestimmen. Angesiedelt zwischen Manifest und konkretem Aktionsplan skizziert der radikale Futurist und Philosoph Daniel Pinchbeck eine Vision für eine soziale Massenbewegung, die in der Lage ist, diese Krise anzugehen. Pinchbecks zentrale These: Die Menschheit hat die Katastrophe unbewusst selbst herbeigeführt, um unseren gegenwärtigen Zustand zu transformieren. Wir stehen vor einer Feuerprobe, die notwendig ist, um uns von einem Zustand des Seins zum nächsten zu entwickeln. Basierend auf umfangreicher Forschung bezieht er dabei Energie- und Landwirtschaft, Kultur, Politik und Medien mit ein, vereint indigene Entwicklungsprinzipien und östliche Metaphysik mit sozialer Ökologie und radikalem politischen Denkens. Letztlich stellt How soon is now? die Natur der menschlichen Seele und die Zukunft unserer aktuellen Welt auf den Prüfstand.

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SCORPIO

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1. eBook-Ausgabe 2017

© Original English language edition Copyright © 2017

by Daniel Pinchbeck

All rights reserved.

© der deutschsprachigen Ausgabe 2017

Scorpio Verlag GmbH & Co. KG, München

Umschlaggestaltung: Hauptmann & Kompanie Werbeagentur, Zürich

Satz: BuchHaus Robert Gigler, München

Konvertierung: Brockhaus/Commission

ePub: 978-3-95803-118-0

ePdf: 978-3-95803-119-7

Das eBook einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung außerhalb der engen Grenzen des Urheberrechtsgesetzes ist ohne Zustimmung des Verlags unzulässig und strafbar. Das gilt insbesondere für Vervielfältigungen, Übersetzungen, Mikroverfilmungen und die Einspeicherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen. Der Nutzer verpflichtet sich, die Urheberrechte anzuerkennen und einzuhalten.

Alle Rechte vorbehalten.

www.scorpio-verlag.de

INHALT

Dank

Einführung von Sting

Vorwort von Russell Brand

Teil eins

PLANETARE INITIATION

1. Das Haus abbrennen

Revolution aus Spaß

Systemänderung

Klimachaos

Hurrikan Sandy

Höhenflüge

El Día de los Muertos oder der Tag der Toten

Was passiert als Nächstes?

Psi-Kräfte

Prophezeiungen

Rebellion und das Heilige

2. Ekstatischer Kontakt mit dem Kosmos

Ein kollektives Übergangsritual

Der präfrontale Kortex

Meine Reise

Biozentrismus

Sex und Drogen

Globaler Neustart

Vom Wettbewerb zur Kooperation

Die Noosphäre

Teil zwei

FESTE GRENZWERTE

3. Veränderungen der Erde

Furcht oder Gleichgültigkeit?

Planetarische Grenzen

Biodiversität

Globale Erwärmung

Rückkopplungseffekte

Arktisches Methan

Wem geben wir die Schuld?

Stickstoff

Landnutzung

Trinkwasser

Versauerung der Meere

Umweltgifte

Die Verschmutzung mit Aerosolen

Was sollen wir tun?

Teil drei

REGENERATIVE LÖSUNGEN

4. Energie

Wie schaffen wir den Übergang?

Vollständige Dekarbonisierung

Die solare Einzigartigkeit

Das Internet der Energie

Brennstoff auf der Basis von Algen

Die Kernkraft

Kalte Fusion und Nullpunktenergie

Den Energiewandel schaffen

5. Landwirtschaft

Fleisch

Was können wir jetzt tun?

Hightech- und Lowtech-Innovation

Die Gentechnik

Die Veränderung des Ernährungssystems

6. Industrie

Unternehmen

Innovation oder Veränderung?

Die Geschichte des Materials

Was machen wir?

Die Zukunft erfinden

Ökostädte

Wasser und Abfall

Industrielles Design und Ästhetik

Zusammenfassung

Teil vier

GOTT, LIEBE UND REVOLUTION

7. Mythologie

Die älteren Brüder

Die spirituellen Welten

Die kosmische Illusion

Technik ist Bewusstsein

8. Liebe

Sexualität ist eine Weltmacht

Sex – die wahre Geschichte

Der unerlöste Eros

Ein heilendes Biotop

Verbundenheit

9. Rebellion

Die Occupy-Bewegung

Reform oder Revolution?

Demokratie und Anarchie

Spontane Evolution

Okkulte Verschwörung

Pronoia

10. Revolution

Das Versprechen der Politik

Die Krise ist eine Chance

Revolution 2.0

Das Venus-Projekt

Die dauerhafte Revolution

Der fabrizierte Verstand

Teil fünf

POSTKAPITALISMUS: EIGENTUM, GELD UND MACHT

11. Besitztrance

Das Problem mit dem Eigentum

Was sollen wir tun?

Verwalter und Nutznießer

12. Das Geldproblem

Was stimmt mit dem Geld nicht?

Die Herren des Universums

Geld ist ein Designproblem

Reformistische Ansätze

Systemwandel

Was kommt nach dem Geld?

13. Macht und Führung

Die Weisheitsrevolution

Aufstand der Massen

Zwei Arten der Macht

Die flüssige Demokratie

Nachwort

FAZIT UND HANDLUNGSPLAN

Fazit: Was können wir jetzt tun?

Vereinigen

Soziale Netzwerke

Die ökologische Neugestaltung

Wir sind der Superorganismus

Festival Erde

Das Äußere des Innenraums

Lektüreempfehlungen

Register

DANK

Ich möchte einer Reihe von Menschen danken, die auf verschiedenste Weise zu diesem Buch beigetragen haben. Allen voran danke ich meiner Mutter Joyce Johnson, die mir bei der Redaktion dieses Buchs eine große Hilfe war. Ich staune, wie viel ich in dieser späten Arbeitsphase noch von ihr lernen konnte.

Ich bin auch Phil Jourdan, meinem Lektor beim Watkins Verlag, zu Dank verpflichtet – seine Hilfe war unendlich wertvoll. Ich bedanke mich bei Jo Lal, der Verlegerin von Watkins, für ihre Sorgfalt und Aufmerksamkeit. Und ich danke den vielen Menschen, die mit mir am Zentrum für planetare Kultur (www.planetaryculture.info) zusammengearbeitet haben, einem von mir ins Leben gerufenen Thinktank. Gemeinsam haben wir es geschafft, ein regeneratives Gesellschafts-Wiki zu entwickeln (http://planetaryculture.com/wiki/index.php?titel-Main_Page), das mir einige fachliche Impulse für dieses Buch geliefert hat. Dazu beigetragen haben unter anderem Paula Santa Rosa, Ashley Taylor, David Morgan, Rachel Shearer, Mark Chasan, Ester Kim, Ryan Patrick, Harper Cowen, Rachel Wong und Jessie Brinton. Aber auch meinen Managern Jonny und Alison Podell und meinem Agenten Bill Gladstone bin ich zu großem Dank für ihre stetige Unterstützung verpflichtet.

Ich bin zutiefst dankbar für den Input und die Ermutigungen von Freunden, die verschiedene Fassungen dieses Buchs lasen, sie kommentierten und mir hilfreiche Anregungen gaben, darunter David Sauvage, Alnoor Ladha, Ryan Wartena, Schuyler Brown und Mitch Mignano.

Weitere wertvolle Unterstützung erhielt ich von Bob Eisenberg, Laura Hoffmann und Luke Weil. Ich möchte auch meinen Unterstützern von Patreon danken, die mir in einer schwierigen Zeit hilfreich zur Seite standen.

EINFÜHRUNG

von Sting

Unsere entfernten Vorfahren hätten wohl nie das Meer verlassen, wenn es vor gut 400 Millionen Jahren keine ökologische Krise gegeben hätte, die sie im Lauf von Generationen zwang, an Land zu gehen. Beim Blick auf die Geschichte unserer Spezies wird deutlich, dass wir uns nur durch Krisen weiterentwickeln. Wir machen auf individueller wie kollektiver Ebene nur dann Fortschritte, wenn wir uns außerhalb unserer Komfortzone befinden. Die Chronik der Entwicklung des Lebens auf Erden ist voll von kurzlebigen Arten, die sich den Veränderungen nicht anpassen konnten.

Und wir Menschen sind durch unseren zerstörerischen Einfluss auf den Planeten auf dem besten Wege, zu einer weiteren Spezies auf dieser Liste zu werden. Vielleicht braucht die Erde mal eine Pause von ihren krank machenden Gästen.

Daniel Pinchbecks Buch How soon is Now? befasst sich mit der enormen Diskrepanz zwischen den Auswirkungen unseres Tuns und der ökologischen Tragfähigkeit unserer Erde. Insgeheim wissen wir alle, dass der aktuelle Zustand nicht mehr lange aufrechterhalten werden kann, gibt es doch bereits zahlreiche Anzeichen des Zerfalls.

Während ich dies schreibe, befindet sich Großbritannien noch im Schockzustand nach dem »Brexit«. Der EU-Austritt des Vereinigten Königreichs kommt zu einer Zeit, in der die ganze Welt Einheit bräuchte, in der ein Angst schürender, die Klimaveränderung leugnender Milliardär der nächste Präsident der Vereinigten Staaten wird und in Alaska der Sommer früher kam als je zuvor. Was auch immer am Ende die Folgen dieser Ereignisse sein werden, sie zeigen uns, dass wir nicht länger so weitermachen können wie bisher. Was uns heute als »normal« erscheint, wird keinen Bestand mehr haben. Und wir werden uns nicht mehr auf unsere zusammenbrechenden Institutionen verlassen können.

Daniel Pinchbecks Buch liefert uns den Kontext, den wir brauchen, um das Chaos und die Turbulenzen unserer Zeit zu verstehen. Für mich ist die Essenz dieses Buchs die Tatsache, dass die biosphärische Notlage, mit der wir heute konfrontiert sind, schon in unserer DNA angelegt ist. Sie zwingt uns, als Spezies einen evolutionären Sprung zu machen. Mich überzeugt seine Art und Weise, unsere Gefahrenlage zu betrachten, die weit über die flache und abgegriffene Rhetorik der politischen Parteien hinausgeht. Vielleicht liegt die Wurzel vieler, wenn nicht gar all unserer Probleme in einem mangelnden Verständnis der Realität, mit der wir heute konfrontiert werden.

Viele Wissenschaftler, die sich mit der globalen Erwärmung beschäftigen, sind davon überzeugt, dass wir kurz vor dem Punkt stehen, an dem es kein Zurück mehr gibt. Obwohl die meisten von uns das Offensichtliche nicht wahrhaben wollen, brauchen wir jetzt den Mut, der Realität ins Auge zu blicken – nicht nur um unserer selbst willen, sondern auch für unsere Kinder und Enkel, die ebenfalls von der Klimaveränderung betroffen sein werden.

Was ich an diesem Buch sehr schätze, ist, dass es nicht mit erhobenem Zeigefinger daherkommt, was strategisch viel effektiver sein könnte als das übliche Benennen von Schuldigen. Auch wenn wir die Verursacher der schlimmsten Schäden nicht ungeschoren davonkommen lassen können, ist der wichtigste Punkt doch der, dass wir alle Teil desselben Systems sind – eines Systems, das neu gestaltet werden muss.

In How soon is Now? zeigt Daniel, dass trotz aller realen Gefahren auch große Potenziale und Chancen in der heutigen Zeit liegen. Wir können diese Chancen jedoch nur dann nutzen, wenn wir den Mut haben, uns den Bedrohungen zu stellen, die unsere Existenz auf diesem Planeten gefährden, und gemeinsam dagegen vorgehen.

Sting, im Juli 2016

VORWORT

von Russell Brand

Ich bin Daniel zum ersten Mal im Rahmen seines Dokumentarfilms »2012 – Time for Change« begegnet. Ich interessierte mich damals für die allgegenwärtigen Theorien, die das Jahr 2012 – das Ende eines 5125 Jahre währenden Zyklus des Maya-Kalenders – als eine Art apokalyptischer Schwelle ansahen. Daniel hingegen betrachtete dieses prophetische Datum als Gelegenheit für ein neu erwachendes Bewusstsein und einen globalen Neuanfang – einen Neustart, der in unseren eigenen Händen liegt.

In Daniels Film fand ich eine Menge wegweisender Informationen über alternative soziale Systeme, ökonomische Modelle und neue Denkweisen. Dabei stieß ich auf die weitsichtigen Ideen des Freidenkers und Gesellschaftsgestalters Buckminster Fuller, der bereits 1969 deutlich machte, dass die Menschheit nun vor der Wahl stünde: Auslöschung oder Utopie. Der Film hat mich in vielerlei Hinsicht berührt, und so beschloss ich, Kontakt zu Daniel aufzunehmen.

Wie Daniel begann ich zu verstehen, dass wir zunächst eine Art Bewusstseinsrevolution und eine grundlegende Veränderung unserer Gesellschaftsordnung brauchen. Nur so können wir den raschen Rückfall in den primitiven Autoritarismus verhindern, der uns heute bedroht, und den ökologischen Super-GAU abwenden. Ich stimme mit ihm überein, dass wir nicht nur eine Veränderung unseres politischen und sozialen Systems benötigen, sondern primär eine spirituelle Lösung – erst dann kommt das Politische.

Doch das hat die traditionelle Linke noch immer nicht verstanden. Die herkömmlichen Häuptlinge der Linken sind Atheisten, die die sozialistische oder postkapitalistische Zukunft als unabänderlich gottlos betrachten. Seit dem vergangenen Jahrhundert herrscht der Glaube, dass wir Religion, Hingabe und jede Vorstellung von Gott ablehnen und verwerfen müssen. Doch sobald wir jegliche Art der heiligen Beziehung zur Erde und dem Kosmos aufgeben, bleibt nur eine deprimierend flache Wirklichkeit zurück. Der Nihilismus, der dieser Weltanschauung innewohnt, führt dann unvermeidlich zu Sucht, Egoismus und anderen Wahnvorstellungen.

Wenn wir der Spiritualität erneut Raum in unserer Weltanschauung geben, müssen wir die Beziehungen unter uns Menschen und zu unserem Planeten in den Vordergrund stellen. Buckminster Fuller hat kurz und bündig skizziert, was unsere kollektiven Ziele sein sollten: »die Welt für 100 Prozent der Menschen in möglichst kurzer Zeit lebenswert machen, durch spontane Kooperation und ohne ökologische Schäden oder Nachteile für Einzelne«. Wäre das nicht schlichtweg vernünftig, angesichts des rasant wachsenden Einflusses von Technologie und Kommunikationsnetzwerken, die die Menschheit in Sekundenschnelle miteinander verbinden können?

Wie Daniel in How soon is Now? feststellt, sind die meisten Menschen im postindustriellen Westen zu Gefangenen eines sinnlosen Komforts geworden. Wir leben als Menschheit ohne einen uns vereinenden Mythos. Auch der vergleichende Mythologe Joseph Campbell hat gezeigt, dass all unsere globalen Probleme auf einem Mangel an sinnvollen Mythen beruhen. Was für eine grundlegende Einsicht! In diesem Buch möchte Daniel einige Elemente einer neuen mythischen Struktur anbieten, verbunden mit einem konkreten Plan für die Zukunft. Seine Ideen basieren auf dem Schamanismus indigener Völker, der Quantenphysik, der Evolutionsbiologie sowie aktuellen Entwicklungen in den Bereichen Energiegewinnung, Nachhaltigkeit und industriellem Design. Er hat die Vision eines Systems, das mehr auf Kooperation denn auf Wettbewerb beruht und das unseren Kindern und Enkeln ein Leben in relativem Frieden und Harmonie ermöglicht, ohne das fragile Ökosystem weiter in rasantem Tempo zu zerstören.

Durch meine eigenen Erfahrungen im Yoga und der Meditation habe ich mich einer mystischen Sicht des Universums immer mehr geöffnet. Ich glaube, je mehr Bewusstsein wir entwickeln, desto mehr Gelegenheiten – und auch Verantwortung – haben wir, jeden Menschen so zu behandeln, als sei er göttlich – weil wir um das Göttliche in ihm wissen. Der christliche Mystiker Emmet Fox schrieb: »Egal wie ein Mensch handelt, in ihm spricht Christus zu dir.« Christus als Archetyp des Höheren Selbst, das jeder von uns in sich trägt und das uns als Spezies zu eigen ist.

Daniel hat die großartige Fähigkeit, auf präzise Weise Informationen zu vermitteln und komplexe Ideen leicht zugänglich zu machen. Manche seiner Konzepte mögen im ersten Moment Widerspruch hervorrufen. Zum Beispiel sein Ansatz, Mitgefühl für Kapitalgesellschaften zu entwickeln und zu begreifen, dass auch multinationale Konzerne trotz ihres oft zerstörerischen Einflusses Teil unserer Evolution sind und auch zum Guten eingesetzt werden können. Das mag einigen von uns nicht gefallen. Ich halte dies jedoch für eine gute Sache. Wenn man in einer Sackgasse steckt, sind es oft die auf den ersten Blick absurd erscheinenden Ideen, die eine mögliche Lösung bieten. Es ist doch offensichtlich, dass uns die althergebrachte Sicht auf die Dinge nicht weiterhilft. Wir brauchen neue Ideen und Einsichten.

Die spirituelle Gegenkultur und die New-Age-Bewegung der vergangenen Jahrzehnte haben sich der Kraft der Gegenwart zugewandt und dem Erwachen des Bewusstseins. So weit, so gut. Nun müssen wir jedoch einen Schritt weitergehen. Als neuen Mythos für unsere heutige Zeit schlägt Daniel vor, die vielschichtige Krise unserer Zivilisation als Weckruf und Chance zur Initiation zu begreifen. Wir können uns auf die große Aufgabe konzentrieren, die Fuller uns gestellt hat: die Welt auf umfassende Weise für alle lebenswert zu machen.

Obwohl wir uns dessen noch nicht gewahr sind, durchleben wir bereits eine Reihe an Revolutionen, die immer schneller aufeinander folgen. Die Agrarrevolution, die die Jäger- und Sammlerkultur der Steinzeit beendete, erstreckte sich über Jahrtausende, die industrielle Revolution nur noch über Jahrhunderte, und die digitale Revolution über Jahrzehnte. Nun kommt die spirituelle Revolution, und wir müssen handeln – jetzt sofort.

Teil eins

PLANETARE INITIATION

1.DAS HAUS ABBRENNEN

Zehn Jahre ist es nun her. Um genau zu sein: Es war am 1. September 2005, ungefähr zur Zeit des Sonnenuntergangs, als ich versucht habe, eine globale Revolution anzuzetteln. Ich bin auch heute noch ziemlich stolz auf das, was damals geschah. Zugleich aber war es eine der demütigendsten Erfahrungen meines Lebens. Dazu inspirierten mich ein starker psychedelischer Auslöser und Hurrikan Katrina, der zur selben Zeit in den Südstaaten wütete.

Ich war damals auf dem Burning-Man-Festival. Wie inzwischen fast jeder weiß, ist dieses Festival ein anarcho-libertäres, pseudo-utopisches Kunstereignis, das jeden Sommer in der Black-Rock-Wüste von Nevada stattfindet. Das Festival ist im Lauf der vergangenen Jahre stark gewachsen. Seit Celebrities und Silicon-Valley-Milliardäre sich dort blicken lassen, hat es weltweit die Aufmerksamkeit der Medien errungen.

In den vergangenen Jahren hat das Festival die Gestalt einer temporären Großstadt angenommen: Black Rock City, eine Stadt, die alljährlich für eine Woche in der weiten Leere der Black-Rock-Wüste von Nevada zum Vorschein kommt. Das Festival versucht dort auf der Basis von Kunst, gegenseitigem Schenken und Selbstausdruck eine freie Kultur zu erschaffen. Es ist frei von Kommerz. In meinem ersten Buch habe ich es als »dekadenter als Warhols Fabrik, glamouröser als das Berlin der 1920er-Jahre, mehr als Liebesfest denn als Pepperland, anarchischer als Groucho Marx’ Freedonia und unwahrscheinlicher als eine Fata Morgana« beschrieben. Im Jahr 2005 hatte die Stadt ca. 40000 Einwohner. Sie ist heute auf über 80000 angestiegen.

Die Stadt hat die Form eines großen Halbkreises, mit der 17 Meter hohen Statue eines Menschen im Zentrum, dahinter liegt die Wüste mit dem sogenannten Tempel. Die Statue wird nachts am Festivalsamstag auf spektakuläre Art verbrannt, am Sonntag wird der Tempel in Brand gesetzt. Der weite Wüstenraum, genannt Playa, ist kilometerweit mit Kunstprojekten und Skulpturen übersät. Das Tanzen zu elektronischer Musik gehört zu den Hauptaktivitäten auf dem Festival. Themencamps bauen riesige Tanzflächen und DJ-Stände auf, wo Tausende Menschen die Nacht hindurch tanzen. Es gibt auch Camps, die Workshops abhalten, und Massage-Zelte. Zudem werden Gesprächsreihen und Dialoge angeboten.

Ich kann mich gut daran erinnern, wie ich nach der Landung meines Flugzeugs in Reno an TV-Bildschirmen vorbeikam, die Hurrikan Katrinas unheilverkündende Oktopusarme zeigten, die sich Riesen gleich in die Höhe schraubten. In den Nachrichten sagten die Meteorologen Katrinas vermutlichen Kurs auf Louisiana voraus. So dramatisch diese Notlage auch war, sie erschien mir surreal – als ein Ereignis, das nichts mit meinem Leben zu tun hatte.

Als Katrina New Orleans erreichte, lief das Burning-Man-Festival auf Hochtouren. Tausende kostümierter Menschen zogen tagsüber in Feierlaune durch die Straßen und tanzten jede Nacht. Damals ging noch keiner während des Festivals ins Internet, und man hatte auch noch keine Mobilfunkverbindung vor Ort. Ich erfuhr von Katrina durch Freunde, die erst spät in der Woche zu uns stießen. Sie beschrieben mir, welch eine Zerstörung der Hurrikan angerichtet hatte. Ich erfuhr, dass die Regierung 15000 arme Menschen, hauptsächlich Afroamerikaner, im Superdome von Louisiana unter unhygienischen Bedingungen zusammengepfercht hatte, ohne Zugang zu Wasser und Elektrizität. Laut den Nachrichten, die meine Freunde aus der »normalen Welt« mitbrachten, brachen in den Südstaaten Aufstände aus, und Reservisten der Nationalgarde wurden einberufen. Es schien, als sei Amerika, das lange ein brodelnder Hexenkessel voller Rassenhass und Klassenkonflikten gewesen war, nun kurz davor, überzukochen. Auf dem Burning-Man-Festival wusste jedoch niemand davon – oder es kümmerte schlichtweg keinen.

Als ich an jenem Tag umnebelt und berauscht durch die Wüste fuhr, trat ich in einen Zustand messianischen Größenwahns ein, der außerhalb der normalen Grenzen von Zeit und persönlichen Geschichten lag. Kein Gespür für linearen Fortschritt oder Folgen für die Zukunft hielt mich mehr zurück. Ich glaubte, dass das aus dem Fraktalen hervorquellende Jetzt die einzige Zeit sei, auf die es ankäme, und die einzige Zeit, die je existiert habe. Ich war wütend über das Versagen unserer Spezies bei dem Versuch, »das System« zu überwinden: den militärisch-industriellen Komplex, das herrschende Finanzsystem, die Megamaschinerie der weltbeherrschenden Unternehmen. Dieses System war nicht nur korrupt, beunruhigend und heuchlerisch, es zerstörte auch die Biosphäre und mit ihr unsere gemeinsame Zukunft als Menschheit.

Revolution aus Spaß

Im Jahr 2000 besuchte ich das Burning-Man-Festival zum ersten Mal. Ich war als Journalist dort, um für die Zeitschrift Rolling Stone darüber zu berichten. Ich machte mir keine großen Hoffnungen, dort etwas Bedeutsames zu finden. Es erschien mir eher eine sehr von sich selbst eingenommene, hippieartige Veranstaltung zu sein. Als ich aber Black Rock City besuchte, wurde mir klar, dass das Festival weit über das hinausging, was ich erwartet oder mir vorgestellt hatte. Innerhalb weniger Tage begriff ich, was aus der Menschheit werden könnte.

Ich entdeckte dort eine riesige Gemeinschaft liebender und einander unterstützender Menschen, die sich um authentischen Selbstausdruck, unmittelbares Erleben und persönliche Freiheit bemühten. Für die Feiernden war die Erforschung des Bewusstseins nichts Nebensächliches oder Wertloses. Die meisten verstanden es als wesentlichen Ausdruck menschlicher Freiheit. Als New Yorker hatte ich keine Ahnung, dass sich die psychedelische Gegenkultur der Westküste seit den Tagen der LSD-Experimente auf so spektakuläre Weise entwickelt hatte.

Das Festival an sich war schon eine Initiation. Es war eine Herausforderung, in dieser hoch gelegenen Wüste die brennend heißen Tage und kühlen Nächte zu überleben. Die Tatsache, dass jeder Einzelne den Elementen ausgesetzt war, war ein Teil dieser Reise. Wir alle hatten uns bewusst dafür entschieden, diesen Beinahe-Notstand zu erleben. Das brachte uns näher zusammen und verband uns miteinander.

Vielleicht sollte mir das peinlich sein, aber in meiner persönlichen politischen Entwicklung nimmt Black Rock City einen ebenso wichtigen Platz ein wie die Pariser Kommune von 1870 für Karl Marx und Friedrich Engels.

»Das Paris der Arbeiter mit seiner Kommune«, begeisterte sich Marx, »wird ewig gefeiert werden als der ruhmreiche Vorbote einer neuen Gesellschaft.« Obwohl die französische Gesellschaft die Revolution durch die Exekution von Tausenden niederschlug, schrieb Marx viele Bücher – und bewies damit, dass es sicherer war, als Lehnstuhl-Revolutionär in Erscheinung zu treten denn als Straßenkämpfer.

Die wesentliche politische Einsicht, die ich vom Burning-Man-Festival mitnahm, war unsere Fähigkeit, die Gesellschaft auf der Basis neuer Prinzipien zu reorganisieren, die sich von den heutigen stark unterscheiden. Wir können eine postmoderne Zivilisation erschaffen, in der das Streben nach Kunst, Ekstase, Spiel und spiritueller Gemeinschaft ein zentraler Bestandteil ist. Ich glaubte, dass ein schnelles globales Erwachen möglich sei – das Burning-Man-Festival hatte dazu den Weg geebnet. Erst wenn wir unsere fragile Welt als kollektives Kunstprojekt neu erfinden, können wir unsere technologischen Fähigkeiten und Medienkompetenz einsetzen, um uns als Menschheit von sinnlosem Leiden, zerstörerischen Gewohnheiten und veralteten Glaubenssystemen zu befreien.

Naiverweise nahm ich an, dass das Burning-Man-Festival für all seine Besucher nur eine Vorbereitung, eine Art Generalprobe für das eigentliche Ereignis sei. Wir testeten dort die Prinzipien und das Ethos einer befreiten Gesellschaft aus, die sich irgendwann rasch über die ganze Welt ausbreiten würden. Eines Tages würden wir eine Verwandlung unserer Zivilisation zustande bringen, indem wir sie im Schmelztiegel unserer Fantasie neu erschufen.

In jener Nacht im Jahr 2005 sah ich im feierlichen Spektakel des Burning Man zum ersten Mal ein künstliches Paradies, das uns von der düsteren Realität ablenkte, mit der wir konfrontiert waren. Diejenigen, die eigentlich das Bewusstsein und die Fähigkeit hatten, die Welt zu verändern, waren in einem Spiegelsaal gefangen, in einer raffinierten Falle. Das Burning-Man-Festival war wie eine autonome Zone für kurze Zeit, eine wunderschöne Fata Morgana. Es zeigte uns, was möglich war, aber es raubte uns die nötige Energie, um auf eine Systemveränderung hinzuarbeiten – es lenkte uns von einer Konfrontation mit den Mächten der realen Welt ab. Es förderte die kulturelle Rebellion, nicht die soziale Transformation. Das Burning-Man-Festival war zu einer eigenen Kultur geworden, die die Menschen gehorsam und selbstgefällig machte.

Voller Wut fuhr ich mit dem Fahrrad zum Café im Zentrum. Dort spielte eine Band mit hippen Musikern aus San Francisco – trommelnd, Banjo spielend, trompetend – vor einer begeisterten Menge. Ich sprang auf die Bühne und nahm dem Ansager, einem eleganten Impresario, der für seine Steampunk-Kleidung, seinen weißen Hut und den unglaublich langen Bart bekannt war, das Mikrofon aus der Hand. Die Band hörte auf zu spielen. Ich war auf dem Festival bereits wohlbekannt, denn ich hatte am Vortag in der großen Traglufthalle des Palenque Norte Camps im Rahmen einer Vortragsserie vor ein paar Hundert Menschen gesprochen, und einige der Zuhörer dieser Veranstaltung waren jetzt in der Menge.

Ich begann mich – nur halb zusammenhängend –, über Katrina sowie die ökologische und geopolitische Notlage im weitesten Sinne auszulassen, in der sich unsere Spezies befindet. Ich wies darauf hin, dass etliche von uns schon viele Jahre zum Burning-Man-Festival kamen, um dort eine große Party zu feiern – und fügte hinzu, dass die Party nun vorbei sei. Jetzt könnten wir etwas anderes in Angriff nehmen, das vielleicht ebenso viel Spaß machen würde: Wir könnten nun die Grundlage für eine neue sozialpolitische Ordnung schaffen. Einige hörten aufmerksam zu. Andere buhten mich aus. Sie versuchten mehrmals, mich von der Bühne zu ziehen, sodass die Band weiterspielen konnte, aber ich ließ mich nicht verscheuchen.

Schließlich überzeugte mich Paradox, ein in der Bay Area wohlbekannter Künstler, das Mikrofon zurückzugeben. Wir gingen nach draußen und saßen dort zusammen im Staub. Ich war noch immer wütend. Immer wieder packte ich ihn und zog an seinen Haaren. Das war der ungewöhnliche Beginn einer großen Freundschaft. Während ich, noch immer high, mit ihm sprach, brütete ich einen ehrgeizigen Plan aus.

Ich schlug vor, den alljährlichen Höhepunkt des Festivals – das Verbrennen der Figur, die dem Festival seinen Namen gab –, ausfallen zu lassen. Dies fand bisher immer an einem Samstag statt, gefolgt von der Opferung des Tempels am Tag danach. Stattdessen würden wir die Burning-Man-Gemeinschaft einladen, für ein paar weitere Wochen in der Wüste zu bleiben, um gemeinsam eine planetarische Verfassung zu entwerfen, ein soziales Netzwerk zu erschaffen und eine Medienplattform ins Leben zu rufen, die den zügigen Übergang in eine postkapitalistische Gesellschaft unterstützen sollten. Ich wusste, dass viele schlaue Köpfe an diesem Festival teilnahmen, führend in so vielen Bereichen, von Software über Popmusik und Finanzen bis hin zur Rechtswissenschaft. Katrina war für uns die Chance, die wir ergreifen mussten. Der Hurrikan hatte uns den planetaren Notstand im Kleinen vor Augen geführt. Wir würden die Katastrophe nutzen, um auf konzentrierte und organisierte Weise das kreative Potenzial der Gemeinschaft anzuzapfen.

All das sah ich blitzartig vor mir. Ein Teil der Festivalbesucher – Juristen, Softwareprogrammierer, Sozialwissenschaftler, Anthropologen, Finanzanalytiker, NGO-Mitarbeiter und viele mehr – würde sich jeden Tag im Zentralcafé treffen, um in einem kooperativen, auf Konsens basierenden Prozess den Prototyp einer neuen Gesellschaftsstruktur zu erschaffen. Dieses Netzwerk würde die Grundlagen für eine demokratische Entscheidungsfindung, das Teilen von Ressourcen und alternativen Methoden des Austauschs von Werten legen, um das gegenwärtige Geldsystem zunächst zu ergänzen und später ganz zu ersetzen.

Eine weitere Gruppe der Festivalbesucher – Filmemacher, Journalisten, Dichter und Künstler – würde diesen Entwicklungsprozess dokumentieren: das Niederschreiben der planetarischen Verfassung, getragen von dem Wunsch nach einer geeinten Welt, die auf ökologischer und sozialer Gerechtigkeit, Gleichheit, Frieden und Rechtschaffenheit beruht. Anstelle eines stufenweisen, sporadischen Fortschreitens würde die Menschheit als Ganzes einen plötzlichen Sprung nach vorne machen.

Um den Tempel, die spirituelle Gemeinschaft des Burning Man, würden sich Meditierende, Yogis, Alchemisten, Sufis, Kabbalisten und Hexen rund um die Uhr für ein rituelles Zusammensein versammeln. Visualisierend und meditierend würden sie den Plan für eine neue planetarische Kultur auf die Erde begleiten, der jetzt noch irgendwo im Sternenhimmel über uns schwebte. Rockmusiker, DJs, Opernsänger und andere Künstler würden rund um die Uhr ein Konzert geben, das live in die Welt da draußen übertragen würde.

Ich nahm an, dass die reicheren der Burning-Man-Teilnehmer gerne einige Tausend Dollar beisteuern würden, um Essen und Wasser aus Reno herbeizuschaffen und dadurch diesen so wichtigen Prozess zu unterstützen. Die vorhandenen Güter würden allen zur Verfügung stehen, sodass niemand mehr wertvolle Zeit vergeuden müsste. Anstatt sein eigenes Fahrrad in einem Durcheinander von vielen suchen zu müssen, könnte man einfach das nächstbeste nehmen. Und statt zu seinem eigenen Wohnwagen zurückzukehren, könnte man in irgendeinem nahe gelegenen Camper ein Nickerchen machen. Wir würden die Revolution leben, während wir sie erschufen – wir würden das neue Jetzt mitgestalten.

Während ich meinen Plan ausbrütete, dachte ich an das enorme PR-Potenzial, das in ihm steckte. Wir würden die Revolution als Kunstperformance in Echtzeit durchführen. Ich stellte mir vor, wie wir uns den Weltmedien präsentieren würden: als Gemeinschaft der interkulturellen Hedonisten, Hippies, Kiffer, Nerds und Silicon-Valley-Millionäre, die eindeutig Stellung beziehen und Verantwortung für die Zukunft unseres Planeten übernehmen, während der Krieg im Mittleren Osten weitertobt, sich gesellschaftliche Straftaten und Naturkatastrophen fortsetzen und der Klimawandel immer weiter voranschreitet.

Anfangs würden wir verspottet werden. Doch bald würden die Medien – das globale Publikum – aufhören, uns zu verhöhnen. Sie würden verstehen, dass nur so tief greifende soziale Veränderungen stattfinden können – ausgehend von den schmutzigen, radikalen Rändern unserer Gesellschaft. Wenn wir das neue Peer-to-Peer-Netzwerk für direkte Demokratie und unsere Open-Source-Medienplattform erst einmal aufgebaut und eröffnet hätten, um spirituelle Erkenntnis, die gerechte Aufteilung der Ressourcen auf Erden und die Entwicklung des Bewusstseins zu fördern, würde jeder Erdbewohner mit an Bord gehen. Ich schätzte, dass der gesamte Prozess ungefähr sechs Monate dauern würde. Bis dahin würden wir sogar George W. Bush, Wladimir Putin, die Elite der Bilderberger-Konferenz, die Koch-Brüder, den obersten Führer von Nordkorea, die Sunni-Imame, die schiitischen Ajatollahs, Bill Gates, Mark Zuckerberg und den chinesischen Premierminister sicher auf unserer Seite haben. Wir würden uns zusammensetzen und die Dinge ausarbeiten, wenn nötig unterbrochen von Pausen mit Ecstasy-unterstützter Gruppentherapie.

Die nächsten beiden Tage schlief ich nicht, da ich versuchte, meinen Plan in die Tat umzusetzen. Ich eilte von einem Burning-Man-Camp zum nächsten, um Verbündete zu finden und ein Team von Freiwilligen zu bilden. Bei Disorient, einem etablierten New Yorker Camp, das für seine hellorangen Kostüme und pulsierenden Technoparty-Lichteffekte bekannt war, schlug ich einem der Organisatoren die Champagnerflasche aus der Hand und machte ihm klar, dass er sich verziehen solle, während das Sprudelwasser im Staub versickerte.

»Hast du in den Jahren nicht genug Party gehabt?«, schrie ich ihn an. Als sie mich aufforderten zu gehen, legte ich mich protestierend auf den Boden. Einige Mitglieder von Disorient zogen mich an den Füßen aus dem Camp hinaus. Ich fand es lächerlich, dass sie mich durch den Staub zerrten, von einem leeren Platz zum nächsten, als wäre der Campingplatz tatsächlich Teil ihres Grundbesitzes.

Ich versammelte ungefähr 25 Leute aus meinem Camp, Entheon Village, um mich und versuchte, sie von meiner Vision zu begeistern. Um mich bei Laune zu halten, übernahmen Freunde und frisch Rekrutierte die Rollen von Oberleutnants und Unteroffizieren in einer wilden Narrenarmee. Als klar wurde, dass wir nicht die Kraft haben würden, das Verbrennen der Burning-Man-Figur zu verhindern, verlief sich mein revolutionäres Projekt im Wüstensand.

Doch ein großer Traum für die Welt – wie narrenhaft und unsinnig er auch gewesen sein mag – hinterlässt immer einen kleinen, glühenden Funken. Ich habe so viel von diesem peinlichen Unternehmen gelernt! Ob es eine Sackgasse war oder eine Vorahnung dessen, was kommen würde, weiß ich bis heute nicht. Für ein paar illusionstrunkene Stunden fühlte ich mich wie die Jakobiner 1789. Ich war überzeugt, dass es wirklich geschehen würde. »Aktion ist die einzige Wirklichkeit«, wurde dem Yippie-Aktivisten Abbie Hoffman einmal während eines LSD-Trips klar – wie eine leer gewischte Tafel kann unsere soziale Wirklichkeit vollkommen neu erfunden und erschaffen werden, wenn die Umstände passen und ein glücklicher Zufall es will.

Systemänderung

Aber weshalb, fragen Sie vielleicht, brauchen wir einen Systemwechsel? Für viele von uns sind die Gründe glasklar. Die Präsidentschaftskampagne von Bernie Sanders hat den ökonomischen Aspekt deutlich dargestellt. Die immer größer werdende Kluft zwischen Reich und Arm hat absurde Ausmaße angenommen. Weniger als 85 Einzelpersonen verfügen über mehr Reichtum als die Hälfte der Erdbevölkerung – 3,6 Milliarden Menschen. In den USA besitzt 0,1 Prozent der Bevölkerung mehr als 90 Prozent der ärmeren Schicht. Während eine winzige Elite mehr Macht hat als jemals zuvor, blicken unzählige Menschen angsterfüllt in eine Zukunft voller schwindender Hoffnungen und wachsender Instabilität. Während die Schulden schneller anwachsen als das Bruttosozialprodukt, wird der Würgegriff des Finanzsystems immer enger, wie bei einer riesige Anakonda, die dabei ist, die Armen und den Mittelstand zu erdrücken. Protestwellen und Rebellionen wie der Arabische Frühling, Black Lives Matter, Occupy oder der Aufstieg von Donald Trump zeigen die Wut der Massen.

Wir leben in einem postkolonialen Imperium, das Gewalt anwendet – Drohnen, Bombardements, politische Morde, militärische Invasionen, Auslieferung von Gefangenen –, um der Welt seinen Willen aufzuzwingen. Ein Imperium, das noch viel raffiniertere Methoden kennt, zum Beispiel die explodierenden Schulden, die afrikanische, südamerikanische und asiatische Länder an ihre europäischen und amerikanischen Lehnsherren zurückzahlen müssen, während man ihnen gleichzeitig ihre Ressourcen wegnimmt. Das an sich ist bereits schrecklich. Was die Sache jedoch noch verschlimmert, ist, dass unsere industrielle Zivilisation eine ökologische Megakrise heraufbeschworen hat. Wir werden von einer unmittelbar bevorstehenden planetaren Katastrophe bedroht, die uns ausrotten könnte.

»Überall auf der Welt zeugt unser Verhalten von dem Glauben, ewig so weitermachen zu können: Wir verbrennen Öl, vergiften Ozeane, rotten andere Spezies aus und pumpen Kohlenstoff in die Luft, während wir das unheilvolle Schweigen der Kanarienvögel in den Kohlebergwerken ignorieren zugunsten des endlosen Zwitscherns unserer neuen, digitalen Fantasiewelt«, schreibt Roy Scranton in seinem Buch Learning to Die in the Anthropocene. »Die Realität des globalen Klimawandels schleicht sich jedoch weiterhin ein in unsere Fantasien des ewigen Wachstums, ständiger Innovation und endloser Energie, so wie die Unabänderlichkeit unserer Sterblichkeit unseren leichtsinnigen Glauben an ein ununterbrochenes Fortbestehen erschüttert.«

Wie wir sehen werden, gibt es eine Verbindung zwischen unserem ungerechten Wirtschaftssystem – das fortwährendes Wachstum erzwingt, während es die Massen entmachtet – und der ökologischen Katastrophe, die uns bald verschlingen wird. Wir können nicht das eine ohne das andere lösen. Während die Dinge immer mehr außer Kontrolle geraten, ist es leicht möglich, dass unsere Spezies dem Weg all jener Arten folgt, die wir zurzeit dem Vergessen anheimgeben. Vielleicht geschieht das noch in diesem Jahrhundert – oder in den kommenden Jahrzehnten. Jetzt ist alles möglich.

Währenddessen fördert die unternehmerische Elite zusammen mit den Technokraten den Glauben daran, dass neue Technologien die Probleme der Menschheit lösen werden. Das mag in der Theorie hervorragend klingen. Unglücklicherweise haben jedoch unsere Ingenieure keine ordentlichen Lösungen für die vielen ökologischen Probleme, die wir erschaffen haben. Viele der Maßnahmen, die sie empfehlen – wie etwa Geo-Engineering – könnten die Dinge noch verschlimmern. Während sich die Menschheit als Ganzes schlafwandelnd auf eine Katastrophe zubewegt, wartet sie einfach darauf, dass etwas oder jemand die Sache für uns in die Hand nimmt: Elon Musk, Bill Gates, Donald Trump, Richard Branson, die Indigo-Kinder, der Papst.

Als ich mich in den vergangenen Jahren immer mehr mit der ökologischen Krise befasste, fühlte ich mich manchmal wie Chicken Little aus dem Walt-Disney-Film Himmel und Huhn, in dem Hühnchen Junior auf einen anscheinend unverändert blauen Himmel zeigt. Eine Mehrheit von Wissenschaftlern ist jedoch, metaphorisch gesprochen, der Meinung, dass bald der Himmel über unseren Köpfen einstürzt. Wir können die Veränderungen um uns herum überall wahrnehmen. Viele der Lösungen springen uns geradezu ins Auge. Aber wir setzen sie nicht um.

Klimachaos

Im Dezember 2015 trafen sich führende Kräfte aus aller Welt in Paris, um einen neuen Klimavertrag auszuarbeiten, der den globalen Temperaturanstieg auf weniger als zwei Grad Celsius im Vergleich zum vorindustriellen Zeitalter beschränken sollte. Obwohl das Abkommen als Fortschritt gefeiert wurde, kann es sein, dass die Klimaschutzbewegung dadurch einen bedeutsamen Rückschlag erlitten hat. Denn laut einer Gruppe führender Klimawissenschaftler gelang es nicht, die sofortige und drastische Reduzierung der globalen Treibhausgasemissionen in den Vertrag aufzunehmen, obwohl dies dringend nötig gewesen wäre.

»Die Leute wollten hören, dass eine Vereinbarung über den Klimawandel geschlossen wurde, die die Welt retten würde, ohne dass unser Lebensstil und unsere Ansprüche geändert werden müssen«, schrieben die Wissenschaftler. »Die vorgeschlagene Lösung beinhaltet keine der so dringend erforderlichen Einschnitte in Sachen Emissionen, sondern vertagt wesentliche Entscheidungen auf unbestimmte Zeit.«

Die Klimakonferenz von Paris zeigte wieder einmal die große Lücke, die zwischen dem ökologisch Nötigen und dem politisch Machbaren klafft. Um die CO2-Belastung drastisch zu reduzieren, müssten wir verschwenderische Industrien beseitigen, unseren Konsum deutlich einschränken, den Luft- und Straßenverkehr auf ein Minimum reduzieren und den Verzehr von Fleisch weltweit senken. Wenn wir die Erde retten wollen, müssen Milliarden von uns ihren Lebensstil ändern. Doch darüber möchte niemand nachdenken. Etwas Derartiges auch nur vorzuschlagen ist politischer Selbstmord, denn es widerspricht der Logik der globalen Ökonomie, die auf der Prämisse des endlosen Wachstums basiert. Unser Überleben verlangt jedoch keine Reform, sondern einen vollkommenen Wandel des Systems.

Die schnellste Art, einen solchen Wandel zu vollziehen, wäre, wenn die Elite der Reichen – oder wenigstens ein Teil von ihnen – für die aktuelle Lage der Menschheit Verantwortung übernehmen würde. Sie müssten den hypnotisierenden Zustand ihrer privilegierten Positionen aufgeben und ihr Kapital dazu einsetzen, eine schnelle Wende herbeizuführen. Ich weiß, dass das sehr unwahrscheinlich klingt. Eine andere Option wäre eine Art Revolution oder ein globaler Umsturz des gegenwärtigen Systems, bei dem die dysfunktionalen Institutionen von heute durch neue ersetzt werden. Ich weiß, auch das klingt ziemlich schwierig.

Es ist wesentlich leichter, ein Rettungsboot zu bauen, während man noch auf sicherem, trockenem Land steht, als inmitten eines nie enden wollenden Supersturms. Es gibt zwar genügend Vorzeichen dafür, was auf uns zukommt. Doch wir ignorieren sie konsequent.

Hurrikan Sandy

Am Abend des 29. Oktober 2012 war ich zu Hause im New Yorker Stadtteil East Village, als Hurrikan Sandy zuschlug. Eine Stunde nachdem er begonnen hatte, ging ich aus Neugier hinaus auf die Straße. Ich nahm an, dass die Medien die Gefahren des Sturms übertrieben hatten, um die Einschaltquote in die Höhe zu treiben. Ich wollte es mit eigenen Augen sehen. Als ich das Brackwasser der Flut die Avenue C heraufströmen und Autos mitreißen sah, war ich schockiert. Leute kamen aus den Restaurants, um Schnappschüsse und Selfies von dieser biblischen Bedrohung zu machen. Die Polizeiautos vor der Fußgängerzone schienen zu schwimmen, das Wasser reichte bereits bis zu den Autofenstern. Die Flut stieg stetig an in Richtung meiner Straße – auf mein Gebäude zu.

Ich ging nach Hause, warf ein paar Klamotten und meinen Laptop in einen Rucksack und machte mich – während der Wind die Bäume wild hin und her peitschte – auf den Weg zum höher gelegenen Haus eines Freundes in SoHo. Auf dem Weg erleuchtete ein Blitz die Unheil verkündende Wolkendecke. Hinter mir hörte ich eine gigantische Explosion. Es klang wie eine Bombe. Später erfuhr ich, dass die Con Edison Elektrizitäts-Station an der 14th Street Ecke Avenue C explodiert war. Eine Stunde später war die ganze Innenstadt von New York in Dunkelheit gehüllt. Während der nächsten Tage war ein Großteil von Manhattan ohne Strom.

Am Morgen nach dem Sturm kehrte ich zu meinem Haus zurück. Alle Geschäfte hatten geschlossen – mit Ausnahme einiger Feinkostläden und Restaurants, die eilig belegte Brote und Kaffee aus Thermoskannen anboten. Die Leute in den Delikatessenläden versuchten, alle verderblichen Waren aus ihren Kühlschränken und Kühltruhen loszuwerden. Im East Village standen die Menschen an den Straßenecken und schauten mit benommenem Blick auf die Schäden, die die Flut hinterlassen hatte. Ich fuhr mit dem Fahrrad zu meiner Mutter in die Upper West Side, das Gebiet lag auf höherem Grund und war relativ unberührt geblieben.

Am folgenden Tag sollte ich nach Mexiko fliegen, um dort auf einem Festival anlässlich des Día de los Muertos, eines wichtigen mexikanischen Feiertags zu Ehren der Toten, einen TEDx-Vortrag zu halten, in einem alten Kolonialstädtchen, das unter Auswanderern aus den USA und Europa sehr beliebt war. Meine Rede sollte in verkürzter Form das Thema dieses Buchs umfassen: die ökologische Krise als Initiation – als eine Gelegenheit für uns, um eine gewollte und schnelle Veränderung des menschlichen Bewusstseins zu bewirken. Die Flughäfen waren jedoch geschlossen und mein Flug war storniert. Ich ging davon aus, dass ich nicht würde fliegen können.

Dann erhielt ich einen Anruf mit der Einladung, in einem Privatjet nach Mexiko mitzufliegen. Das Flugzeug gehörte einem Medienmogul, dem Vorstand eines großen Konzerns. Er und seine Frau waren große Burning-Man-Fans – sie gehörten zu den Powerplayern in der Szene. Das Festival in Mexiko hatten sie initiiert, um ein bisschen von der Burning-Man-Schwingung in ihre zweite Heimat zu bringen. Ihnen gehörte eine schöne Villa oberhalb der Stadt und außerdem eine Firma, die den teuersten Tequila der Welt herstellte.

Höhenflüge

Nebenbei sollte ich vielleicht anmerken, dass ich mich auf einem ziemlichen Höhenflug befand, seit mir als psychedelischer Autor und Visionär einiger Ruhm zuteilgeworden war. Als mich Stephen Colbert während eines Fernsehinterviews im Jahr 2007 einen »Anwalt der psychedelischen Drogen« nannte, festigte er meine Position als öffentlicher Fürsprecher der veränderten Bewusstseinszustände und schamanischen Praktiken, über die ich in meinen Büchern geschrieben hatte.

»Timothy Leary ist kürzlich verstorben. Den sind wir nun los. Wozu brauchen wir noch einen von dieser Sorte?«, hatte er mich in der Sendung gefragt.

Leary – dieser zum Psychopomp gewordene Harvard-Professor, den Nixon den »gefährlichsten Menschen Amerikas« nannte und der der Generation der 60er-Jahre mit unglücklichen Folgen sagte: Turn on, tune in, drop out (»Törn dich an, tune dich ein, steig aus«). Ich habe mir zwar einige Mühe gegeben, mich von ihm zu unterscheiden, habe aber dennoch ein bisschen von seinem Ruf als Rebell und Outsider abbekommen.

In den vergangenen zehn Jahren hatte ich die einzigartige Gelegenheit, viele verschiedene Welten kennenzulernen, dazuzulernen und Ideen von der einen in die andere zu tragen. Für eine deutsche Fernsehshow bin ich mit Alejandro Jodorowsky, dem Psycho-Magier und legendären Regisseur des Films »Montana Sacra – Der Heilige Berg« durch die Straßen von Paris gewandert. Ich bin mit Sting und seiner Familie in einem gecharterten Hubschrauber über Kornkreise in England geflogen, um nach Außerirdischen zu suchen. Ich bin mit zerzausten Anarchisten in den Schützengräben von Occupy Wall Street gelegen. Ich habe die Berge Kolumbiens besucht, um die Rituale und Philosophie der Kogi und Arhuaco zu studieren. Ich habe mit dem Komiker Russell Brand in einer Traglufthalle im Staat Utah diskutiert. Ich habe die von deutschen Radikalen gegründete Tamera-Gemeinschaft der »freien Liebe« im ländlichen Portugal besucht. Ich habe mitgeholfen, ein Gipfeltreffen zum Klimawandel im damaligen Facebook-Hauptquartier in Palo Alto zu organisieren, zusammen mit gewitzten Marketing-Genies und Non-Profit-Organisationen wie Greenpeace und 350.org. Es ist uns nicht gelungen, Zuckerbergs Leute davon zu überzeugen, die ökologische Bewegung mit mehr als nur Alibihandlungen zu unterstützen.

Soweit ich konnte, habe ich versucht, die Beeinflusser zu beeinflussen. Insbesondere dachte ich, dass das Trinken von Ayahuasca, dieser visionären Medizin vom Amazonas, für viele von ihnen extrem nützlich wäre. In Big Sur, an der Küste Kaliforniens südlich von San Francisco, war ich auf einer der verschwenderischsten Hochzeitsfeiern unserer transhumanen Zeiten als Gast von Sean Parker, dem Mitbegründer von Napster und Ex-Berater von Facebook. Auf der Gästeliste standen viele Rockstars und Dotcom-Magnaten, Gründer und Unterstützer von Internet-Giganten. Wie fast alle trug ich ein maßgeschneidertes Outfit, ein langes Jackett und eine seidenbestickte Weste. In einem Hain der majestätischen Redwoods, der für eine Multimillionen-Nacht in eine Hollywood-Phantasmagorie voller Renaissance-Ruinen und Blumengärten verwandelt worden war, haben wir die ganze Nacht gefeiert. Die Zeremonie setzte neue Maßstäbe in Sachen Exzess und führte zu wütenden Zeitungsartikeln und lokalen Aufschreien. Es war leicht, diese Hochzeit zu kritisieren. Einerseits empfand ich sie als einen schönen Ausdruck der Liebe. Andererseits war sie eine schmerzliche Erinnerung daran, dass eine winzig kleine Elite der zügellosen Verschwendungssucht eines großen Gatsby frönt, während Milliarden Menschen auf der restlichen Welt in Armut und Verzweiflung leben.

Für das Wochenend-Retreat Summit Outside besuchte ich einen Berggipfel in Utah. Eine Gruppe junger Unternehmer hatte den ganzen Berg gekauft – ein Ski-Resort –, um dort eine utopische Gemeinschaft der Privilegierten zu erschaffen, die von einer der libertären Fantasien der russisch-amerikanischen Bestsellerautorin Ayn Rands inspiriert war. Wir haben dort an einem langen Tisch getafelt, der das ganze Tal überspannte. Ein ganzes Bataillon an Kellnern bediente über tausend der hellsten Köpfe unserer Gesellschaft, ein wohlmeinender, kakifarbener Mob, bestehend aus Vorsitzenden von Wohltätigkeitsorganisationen, Risikokapitalgebern, Dokumentarfilmern und Geschäftsführern von Technologie-Start-ups.

An einem Privatstrand in Mexiko tanzten zum Ende des 5125 Jahre währenden Zyklus des Maya-Kalenders kostümierte Tänzer mit aztekischem Kopfschmuck zu elektronischen Rhythmen unter einer Stonehenge-Rekonstruktion in Originalgröße, monumentalen Skulpturen griechischer Götter und Nachbildungen der Moai-Steinskulpturen der Osterinseln.

Ich verbrachte die Nacht im Drogenrausch mit einem der reichsten Kunsthändler der Welt, einem Briten. Er bot mir eine kostenlose Karriereberatung an: Er meinte, ich solle den Messias spielen, indem ich mich als den Ausgestoßenen darstellte. Zu Hause schrieb ich ihm, seinem Rat folgend, eine theatralisch wütende E-Mail, in der ich die planetare Megakrise mit der Dekadenz der Kunstwelt verband. Er beantwortete sie nie.

Während ich dies schreibe, bin ich gerade aus Neuseeland zurückgekehrt. Dort nahm ich an einer futuristischen Konferenz teil, die von zwei jungen Hightech-Genies Anfang 30 organisiert worden war. Zehn Jahre zuvor hatten beide Harvard vorzeitig verlassen, um ein gewaltiges Datenverarbeitungsunternehmen aufzubauen, das sie später für ein Vermögen verkauften. Von dem Erlös erwarben sie 800 Hektar Kiwiwälder und Milchbetriebe. Dort betreiben sie modernste Methoden der Biolandwirtschaft und des Obstanbaus, leben in solarbetriebenen Dörfern und haben ein wunderbares Team aus Yogis, Reiki-Heilern, Permakultur-Designern und Software-Programmierern um sich geschart. Nachdem sie alle möglichen Standorte für ihr Projekt durchgegangen waren, fiel ihre Wahl auf Neuseeland als das wohl sicherste Land, um den außer Kontrolle geratenen Klimawandel, den weltweiten sozialen Zusammenbruch und all das, was noch auf die Menschheit zukommen mag, zu überleben. Vielleicht sind sie die klügsten Menschen, die ich kenne.

El Día de los Muertos oder der Tag der Toten

Zurück zu Sandy. Einen Tag nachdem New York von dem Supersturm in die Knie gezwungen worden war, fuhr ich mit dem Fahrrad zurück zu meiner Wohnung. Unterhalb der 28th Street war die Stadt in eine samtene Dunkelheit gehüllt, wie ich sie noch nie erlebt hatte. Ein paar Bars hatten geöffnet, erhellt von Kerzenlicht. In einigen Blocks war es so dunkel, dass ich vorbeikommende Passanten nur dank der Reflektoren an ihren Schuhen erkennen konnte, wenn sich das Licht meines Fahrrads für einen Moment in ihnen fing. Es war wie die Dunkelheit der unendlichen Leere – vor dem Anfang, nach dem Ende. Ein erregendes Gefühl der Gesetzlosigkeit lag in der Luft – in dieser Dunkelheit würde kein Dieb je gefasst werden können.

Mein Gebäude verströmte den Gestank nasser Kälte. Die Flut hatte schon das modrige Kellergeschoss überschwemmt. In meiner Wohnung funktionierte weder Heizung noch Telefon. Ich wickelte alle Decken um mich, die ich hatte, und verbrachte zitternd die kalte Nacht. Am nächsten Morgen wurde ich von einem Chauffeur mit einem Geländewagen abgeholt. Das Fahrzeug sammelte eine kleine Gruppe angesagter Burning-Man-Fans auf – Fotografen, Event-Planer, Designer. Wir fuhren aus der Stadt hinaus zu einem kleinen, nahe gelegenen Flughafen.

Nie zuvor war ich in einem Privatjet geflogen. Zu meiner Überraschung gab es keine Sicherheitskontrollen vor dem Abflug. Keiner musste seine Schuhe ausziehen, niemand wurde von den heimtückischen Strahlen eines Körperscanners durchleuchtet oder musste seine Hautcremetuben oder Haarspraydosen im Müll entsorgen. Jeder von uns hätte ein Sturmgewehr um die Brust geschnallt haben oder eine Atombombe im Koffer mitschmuggeln können. Niemand hätte es bemerkt. Das war eine leise mahnende Erinnerung daran, dass unsere Welt für die Superreichen ein wenig anders funktioniert als für den Rest der Menschheit. Im Internet fand ich heraus, dass der Besitzer des Flugzeugs annähernd eine Milliarde besaß. Ihm gehörten Boote, ganze Inseln, Tequila-Firmen und Flugzeuge. Natürlich spendete er auch an Stiftungen. Das machen sie alle.

In einer Welt, die von so viel unnötigem Leid erschüttert wird, könnte man einen solch immensen Reichtum als spirituelle Krankheit bezeichnen – genau wie das Anspruchsdenken und die Isolation, die mit ihm einhergehen. Die meisten von uns finden Reichtum hin und wieder anziehend, wenn auch in weitaus niedrigerem Maße. Ich gebe zu, dass ich in dieser Hinsicht – und in vielen anderen – nicht besser bin als die meisten.

In meinen Zwanzigern hatte ich meinen ersten gut bezahlten Job als Redakteur bei der Zeitschrift Fame, einem großen Konkurrenten von Vanity Fair. Mit ausreichend Geld auf dem Konto war ich auf einmal viel teilnahmsloser und weniger mitfühlend als zu der Zeit, als ich noch arm war. Während ich früher Obdachlosen ein paar Münzen zugesteckt hatte, lachte ich nun im Vorbeigehen in meinem zweireihigen Armani-Anzug darüber, wie sie sich über den ganzen Bürgersteig ausgebreitet hatten. Ich fragte mich, warum sie sich nicht endlich aufrafften und einen Job suchten.

Und jetzt ein noch viel peinlicheres Geständnis: Es ist erst ein paar Jahre her, als ich von einer Stiftung ein beträchtliches Stipendium bekam. Nach all den Jahren, in denen ich mich missmutig und abgebrannt fühlte, hatte ich nun auf einmal Geld und wollte mich für die eine oder andere Entbehrung von früher entschädigen. Ich hatte das Gefühl, auch ein gewisses Maß des luxuriösen Lebensstils »zu verdienen«, dem meine reichen Freunde in endlosen Skiurlauben, Segeltörns und Wellness-Retreats frönten. Anstatt jeden Cent dazu zu nutzen, die soziale und kulturelle Revolution zu fördern, die ich für so wichtig hielt, veränderte ich meinen Lebensstil in vielerlei Hinsicht – schickere Anzüge, bessere Restaurants, hier und da mal eine Reise. Ich hatte das Gefühl, dass mir das zustünde.

In mancher Hinsicht ist es leichter, arm zu sein. Dann hat man weniger Auswahlmöglichkeiten und weniger Verantwortung. Ich bin mir sicher, dass unter den superreichen Mogulen ein starker Druck herrscht, wer von ihnen die besten Partys veranstaltet, die tollste Insel kauft, die meisten Oldtimer besitzt oder was auch immer. Als ich im Jahr 2012 in diesem Privatflugzeug nach Mexiko saß, wünschte ich mir, einen Weg zu finden, um mit meinem Gastgeber über die dringenden Bedürfnisse unserer Zeit zu sprechen – darüber, was wäre, wenn er sein unglaubliches Talent im Aufbau von Firmen dafür nutzen würde, die Massen aus dem Gefängnis zu befreien, das die Medien um den menschlichen Geist errichtet haben. Dabei wusste ich doch schon, dass ihn meine Meinung nicht interessieren würde.

Wir landeten. Ich ließ meine Reisetasche im Hotel und spazierte durch die senffarbenen Straßen dieses Kolonialstädtchens, bewunderte die barocken Fassaden und das lebhafte Treiben. Eine Kathedrale aus massivem Stein dominierte den eleganten Platz im Zentrum. Einheimische wie Ausgewanderte hatten sich als gespenstische Skelette verkleidet. Sie trugen Smokings, Abendkleider und weiße Handschuhe. Feine schwarze Muster schmückten ihre weiß gebleichten Gesichter. Überall in dem Städtchen waren Altäre mit Blumen, Grabsteine aus Pappmaschee und riesige Skulpturen von Schädeln aufgebaut.

Diese extreme Reise – aus dem Chaos, das Hurrikan Sandy angerichtet hatte, per Privatjet in die Welt der eleganten Geister am Día de los Muertos – gab mir eine grelle Vorahnung auf das, was der Menschheit bald bevorstehen könnte: ein abrupter Übergang von einer Welt in die andere. Es war gerade einmal ein Jahr nach dem Ende des 13. Baktun, das die lange Zählung des Maya-Kalenders abschloss, das Thema meines zweiten Buchs. Vielleicht geht die Verschiebung der Dimensionen, von der viele Mystiker sprechen, mit unserer völligen Vernichtung einher. Der visionäre Philosoph Rudolf Steiner hat dies als die verschiedenen Inkarnationen der Erde beschrieben. Indigene Kulturen wie die der Hopi nennen es den Übergang von der einen Welt in die nächste. Doch auch für jene unter uns, die an große Mysterien und feinstoffliche Daseinsbereiche glauben, ist klar, dass wir letzten Endes nichts über das Wirken unsichtbarer, verborgener Dimensionen wissen. Der Tod bleibt das ultimative Fragezeichen. Vielleicht müssen wir alle in einer riesigen Eruption von Methan krepieren, in einer biosphärischen Katastrophe oder einem Dr.-Seltsam-ähnlichen Eintauchen in den nuklearen Winter, um unsere Probleme auf der Astralebene zu lösen.

Hurrikan Sandy hat mir auf sehr eindringliche Weise gezeigt, wie verletzlich all unsere Errungenschaften sind, wie groß unsere Abhängigkeit vom Stromnetz ist. Hätte der Blackout noch ein paar Tage länger angedauert, wären uns Pfeil und Bogen schon als etwas Futuristisches vorgekommen.

Nach Sandy haben sich städtische Agenturen und Freiwillige der Occupy-Bewegung zusammengetan, um jene Teile der Stadt, in denen der Hurrikan besonders gewütet hatte, wie Rockaway Beach und Red Hook, wieder aufzubauen. Es war ein ehrenhaftes Bemühen. Doch es schien mir zum Scheitern verurteilt. Alle Vorzeichen weisen darauf hin, dass der Klimawandel immer weiter voranschreitet. Was macht es da für einen Sinn, Strände wieder herzurichten und schützende Inseln zu erbauen, die wir sowieso bald werden aufgeben müssen?

Was passiert als Nächstes?

Was die Zukunft angeht, scheinen wir ganz offensichtlich noch keine klare Linie gefunden zu haben. Wir sind allesamt verloren und tappen im Dunkeln. Wie kann es sein, dass wir als Menschheit keine eindeutige Vorstellung davon haben, wohin wir gehen – oder gehen wollen? Vielleicht glauben viele, dass es ja Experten gibt, die sich der Sache annehmen. Aber was, wenn sich herausstellen sollte, dass sich diese Experten selbst auf verschiedenste Weise etwas vormachen? Was, wenn es auf einmal keine Experten für die Zukunft mehr gibt?

Wie auch immer, einige Dinge können wir mit relativer Sicherheit über die Zukunft sagen: Ohne ein tief greifendes, globales Programm, das den CO2-Ausstoß durch Umweltschutzmaßnahmen und Kohlenstoffeinlagerung drastisch reduziert, was momentan noch unvorstellbar erscheint, wird es auf der Erde im Jahr 2050 wesentlicher wärmer sein als heute. Durch den sich beschleunigenden Klimawandel könnte die Temperatur auf unserem Planeten um drei bis vier Grad steigen. Die voranschreitende Erderwärmung könnte den Meeresspiegel um mindestens drei Meter ansteigen lassen, sagen Klimawissenschaftler. Und das hätte katastrophale Folgen.

Hand aufs Herz, wir alle wissen um die Gefahr. Wir erleben bereits verrückte, sich schnell wandelnde Wetterphänomene. Während ich dies schreibe, ist der Mai in New York kälter als der vergangene Januar. In ein paar Jahrzehnten könnte die Situation sogar chaotischer sein, als wir es jetzt prognostizieren. Wir sind beispielsweise abhängig von Pflanzen, die unsere Hauptnahrungsquelle darstellen. Um zu wachsen und zu gedeihen – anders gesagt, um uns zu ernähren –, brauchen sie jedoch ein stabiles Klima.

Die Arktis schmilzt immer schneller. Monat für Monat gelangen dadurch Gigatonnen von Eis in die Weltmeere. Viele der niedrig gelegenen Küstenstädte der Welt – einschließlich meiner Heimatstadt New York – könnten binnen einiger Jahrzehnte überschwemmt und so unbewohnbar werden. Wenn das geschieht, werden einige Millionen, wenn nicht gar Milliarden Menschen ins Landesinnere umsiedeln müssen, sei es auf halbwegs kontrollierte Weise oder im Chaos.

Mal angenommen, das jetzige politische System fände einen Weg, sich trotz Panik und Katastrophen zu behaupten. Selbst dann würde noch immer eine winzige Elite über einen Großteil des Reichtums und der Besitztümer der Welt verfügen. Diese Elite würde sich private Armeen und Killerdrohnen besorgen und sich die Überwachungssysteme der Regierungen zunutze machen, um in einer zerfallenden Welt ihren privilegierten Status zu schützen – wenn sie bis dahin nicht schon längst heimtückischere Methoden gefunden hätte, um das Nervensystem der dummen Massen zu kontrollieren, wie zum Beispiel das Hacken des Stammhirns ihrer Leibeigenen oder die Entwicklung neuartiger Drogen, die Stimmung und Verstand verändern.

Das Abschmelzen der Gletscher, die für mehrere Milliarden Menschen Süßwasser liefern, wird zu nicht enden wollenden Dürren führen, genau wie andere drastische Veränderungen der Klima- und Wetterphänomene. Hungersnöte könnten in weiten Teilen der Welt auftreten. All diese Katastrophen, gepaart mit sich ausbreitenden Krankheiten, könnten zum Aussterben großer Teile der Weltbevölkerung führen. Derartige Umweltbedingungen werden aller Wahrscheinlichkeit nach zu regionalen Ressourcenkriegen führen, zur Verfolgung von Minderheiten und zum Zusammenbruch vieler Nationalstaaten.

Industriekatastrophen wie die in Fukushima im Jahr 2011 oder die Ölpest im Golf von Mexiko 2010 werden sich regelmäßig nach Tsunamis und Superstürmen ereignen. Alle großen Katzenarten und Menschenaffen werden aussterben; Moskitos und andere Insektenplagen werden nach Norden wandern. Vielleicht werden die Massen versuchen, den Höllenqualen auf physischer Ebene zu entkommen, und sich in alle Sinne anregende Spektakel in der virtuellen Realität flüchten. Während sich die Welt in ein riesiges Flüchtlingslager verwandelt, werden Ingenieure mit gewaltigen Geo-Engineering-Projekten experimentieren. Sie werden Schwefelpartikel in der Atmosphäre freisetzen und Eisenspäne in die Ozeane, mit unabsehbaren, vielleicht noch katastrophaleren Konsequenzen.

All das ist natürlich ein Szenario mit vielen Unbekannten. Vielleicht werden Fortschritte in Medizin und Nanotechnologie den wenigen Privilegierten eine Lebensverlängerung oder übermenschliche Fähigkeiten bescheren, während die Kluft zwischen den Begüterten und den Habenichtsen immer größer wird. Der Volkszorn könnte sich gegen die erste Welt richten – gegen den Ursprung wirtschaftlicher Ungerechtigkeit und ökologischer Zerstörung –, während sich die Erde weiter erhitzt, die Bevölkerungsdichte steigt und die Lebensbedingungen immer unwirtlicher werden. Das könnte zur Detonation von nuklearen Kofferbomben in Großstädten führen, zu Bioterrorismus und Operationen unter falscher Flagge, mit Waffen oder genetisch veränderten Viren.

Massenpaniken würden eine Rückkehr zum Kriegsrecht erzwingen. Die Menschen wären vielleicht elektronisch markiert, sodass jede ihrer Bewegungen von einem hoch entwickelten System künstlicher Intelligenz überwacht würde. Es wäre eine heißere, ödere, verabscheuungswürdigere Welt – aber eine, die aus jetziger Sicht durchaus als realistisch erscheint.

Auch ein anderes Szenario ist plausibel, und um einiges extremer. Wir können jederzeit – vielleicht schon sehr bald – einen rasanten Klimawandel erleben, eine sehr schnelle Erwärmung, jenseits der schlimmsten Prognosen. In den vergangenen zehn Jahren haben Wissenschaftler Rückkopplungseffekte nachgewiesen, die die globale Erwärmung weiter verstärken. Das Verschwinden des arktischen Eises führt zum Beispiel dazu, dass mehr Sonnenlicht absorbiert und weniger reflektiert wird, was das Thermostat noch weiter aufdreht.

Ein weiterer solcher »Beschleuniger« ist der Ausbruch von Methan. Methan ist als Treibhausgas 30-mal wirksamer als CO2. Methan verbleibt nur etwa zehn Jahre in der Atmosphäre, während CO2 dort über ein Jahrhundert lang zirkuliert. Methan gibt es jedoch in riesigen Mengen, die in den Ozeanen und den sibirischen Hochmooren eingefroren sind. Wissenschaftler glauben, dass der plötzliche Ausbruch von Methan eine der Ursachen war, die das Massensterben Ende des Perms vor 250 Millionen Jahren verursachte. Innerhalb weniger Jahrzehnte starben damals 95 Prozent der Lebewesen auf der Erde aus.

Dank der Erforschung vergangener geologischer Epochen wissen wir, dass die Erde sich sehr schnell aufheizen kann, wenn die Erwärmung einmal einen bestimmten Punkt überschritten hat, sodass sie dann innerhalb von einem halben Jahrhundert zu einer biologischen Wüste wird. Durch das Studium der Klimageschichte, wie sie in Eisbohrkernen aufgezeichnet ist, haben Geologen gelernt, dass sich das Klima in der Regel nicht allmählich von einem stabilen Zustand zum anderen verändert, sondern dass Veränderungen tendenziell eher abrupt innerhalb kurzer Zeit geschehen.

Wenn man sich die Zeit nimmt, geologische Daten genauer zu studieren, kann sich das anfühlen wie ein schlechter LSD-Trip, bei dem man Gefahr läuft, jeglichen Halt und Verstand zu verlieren. Die Situation kann unumstößlich erscheinen, absurd und düster. Dennoch glaube ich, dass es viele gute Gründe gibt, zu hoffen. Der Mensch ist kreativ, innovativ und höchst anpassungsfähig. Wir können uns sehr schnell ändern. Es könnte sein, dass wir uns am Scheitelpunkt eines tief greifenden Wandels befinden. Da wir dank des Internets zu einem einzigen globalen Gehirn verschmolzen sind, können sich neue Ideen und innovative ökologische Technologien – ja sogar neue Währungen oder alternative Formen der Demokratie – innerhalb einer Nanosekunde auf der ganzen Welt verbreiten.

Es ist bereits ein enormes Maß an Zerstörung geschehen – und weitere Schäden sind unvermeidbar. Trotz allem ist es noch immer möglich, dass wir uns erholen. Wir können unsere Zivilisation auf einen neuen Weg bringen, und wir können das schnell erreichen. Wie Richard Heinberg, der Autor von Jenseits des Scheitelpunkts, feststellt: »Um uns zu retten, brauchen wir keine neuen Organe zu entwickeln; wir brauchen nur unsere Kultur zu ändern. Und unsere auf Sprache basierende Kultur kann sich sehr schnell ändern, wie die industrielle Revolution gezeigt hat.«

Ganz Ähnliches schreibt Alexis Zeigler in Culture Change: »Die Lösung zur Änderung des westlichen Lebensstils ist der einfache und doch unmögliche Akt der Erschaffung sozialer Netzwerke, die außerhalb des Mainstreams im Kontext einer wirklich nachhaltigen Gesellschaft soziale Unterstützung aufbauen.« Wenn wir das noch nicht erreicht haben, dann haben wir es vielleicht nicht wirklich versucht.

Psi-Kräfte

Auf der materiellen Ebene können wir weltweit die Methoden in Landwirtschaft, Industrie und Energieproduktion innerhalb von ein paar Jahrzehnten ändern. Wir können den Planeten wieder aufforsten, was eine große Menge überschüssigen Kohlendioxids auf der Erde binden würde. Parallel zu diesen technologisch-industriellen Maßnahmen für den Wandel, müssen wir jedoch auch unsere Werte, Glaubenssätze und Gewohnheiten grundlegend verändern. Anders gesagt, müssen wir neben den technologischen Grundlagen auch unser politisches und wirtschaftliches System sowie unser Bewusstsein und unsere Kultur ändern – unsere Art, sich auf die Welt zu beziehen. Ich weiß, dass das keine leichte Aufgabe ist, aber es ist möglich. Ein wichtiger Wendepunkt könnte sein, dass eine kleine Gruppe von Menschen eine neue Art zu leben für sich entdeckt, die sich dann mit einem Mal auf das Ganze ausbreitet – was sehr schnell geschehen könnte.

Aus meiner Perspektive – auf die ich noch zurückkommen werde – haben wir allen Grund zur Hoffnung. Und diese Hoffnung liegt weit außerhalb von dem, was im Mainstream unter Wissenschaftlern und Akademien für möglich gehalten wird. Es gibt Aspekte der Realität, die die meisten Menschen weder erkennen noch erreichen werden. Beispielsweise gibt es viele Hinweise darauf, dass wir verborgene psychische Fähigkeiten in uns tragen, die von einigen Forschern Psi-Kräfte genannt werden.

Diese Kräfte können den Wandel um ein Vielfaches stärker vorantreiben als Elektrizität, wenn wir herausfinden, wie wir sie einsetzen können.

»Psi ist ein enorm wichtiges Abenteuer. Es ist bei unserem anscheinend hoffnungslosen Versuch, den Menschen wieder von der Liste der gefährdeten Arten zu streichen, der Joker im Kartendeck«, schreibt Lawrence LeShan in Unglaublich! Unerklärliche Phänomene. »Wir müssen uns für die Möglichkeit öffnen, Dinge zu entdecken, die so neu und verblüffend sind, dass sie unsere Begriffe von dem ändern, wer wir sind und in was für einem Universum wir leben«, schreibt er. »Bisher haben wir dazu den Mut noch nicht gehabt. Vielleicht werden wir jetzt, konfrontiert mit dem Aussterben unserer Spezies, den Mut dazu finden.«

Ich halte es für möglich, dass sich die ökologische Krise als ein kosmischer Auslöser erweisen könnte, der uns nicht nur eine schnelle technologische und soziale Erneuerung aufzwingt, sondern auch die Entwicklung neuer übersinnlicher Fähigkeiten.

Prophezeiungen

In meinem letzten Buch 2012: Die Rückkehr der gefiederten Schlange, befasste ich mich mit der These, die Menschheit sei im Begriff, einen Entwicklungssprung von einer Bewusstseinsebene, einem Daseinszustand, zum nächsten zu machen. Obwohl ich mich mit dem 5125 Jahre währenden Zyklus des Maya-Kalenders befasst habe, der am 21. Dezember 2012 endete, hatte ich an diesem Datum nie so etwas wie die Apokalypse oder die Entrückung erwartet.

Ich plädierte stattdessen dafür, dass der Kalender den Übergangspunkt markiert, der uns hilft, den Sprung zu wagen. Ich sah im Ende dieser langen Zeitzählung eine Einladung an die Menschheit zu einem globalen Erwachen und dazu, einen neuen Weg einzuschlagen. Das würde bedeuten, dass wir einige Aspekte der Weltanschauung und Gewohnheiten indigener Völker annehmen.

Diese kleinen, traditionellen Gesellschaften haben Methoden langfristiger Kontinuität entwickelt, die auf ihrer spirituellen Gesinnung der gegenseitigen Abhängigkeit und der Verbindung zur Natur beruhen. Der indigene US-Soziologe Jack D. Forbes meinte dazu: »Das Leben der Indianervölker dreht sich um die Heiligkeit, Schönheit, Stärke und Verbundenheit aller Formen der Existenz. Kurz gesagt sind die Ethik und die moralischen Werte der Ureinwohner integraler Bestandteil ihrer Kosmologie und ihrer gesamten Weltanschauung.«

Ich denke, wir können wesentliche Aspekte der Weltanschauung indigener Völker, aber auch Teile ihrer sozialen und ökologischen Praktiken mit unseren fortschrittlichen, technischen Fähigkeiten verbinden. Wenn wir das schaffen, können wir lernen, die Begrenzungen zu respektieren, die uns das Erdenleben auferlegt, und unsere globale Zivilisation wieder ins Gleichgewicht bringen.

In unserer modernen Welt verstehen wir Zeit als etwas Lineares und Räumliches. Wir können sie verschwenden, sie kann uns ausgehen und wir vergleichen sie mit Geld. Es wird von uns erwartet, dass wir »Fortschritte« machen, hin in Richtung auf ein vages, technologisches Ziel. Das ist jedoch nur eine Möglichkeit, Zeit zu verstehen und ihre vielen Dimensionen zu erforschen. Es gibt auch die Traumzeit, den für immer gegenwärtigen Ursprung, das Zeitverständnis der Aborigines, der Ureinwohner Australiens.

Die Aborigines haben keine Vorstellung von Geschichte, Fortschritt und Erlösung oder Niedergang und Absturz. Für sie ist das Universum ein heiliges Kontinuum, eine fortwährende Zeremonie. Für sie gibt es nur einen einzigen heiligen Moment, der sich auf ewig ausdehnt. Dieses Zeitverständnis ist mindestens ebenso vernünftig wie unseres.