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Finanzen sind nur der Anfang. Der Ruhestand birgt unbegrenzte Möglichkeiten! In diesem Buch zeigt Christine Benz, wie finanzielle Sicherheit, vorausschauende Planung und persönliches Glück zusammenfinden können. Sie hat führende Finanzexperten interviewt, die verraten, was wirklich zählt: Von nachhaltiger Finanzplanung über Strategien für Gesundheit und Beziehungen bis hin zur sinnvollen Freizeitgestaltung. Dieses Buch weist den Weg zu einem Ruhestand, der nicht nur finanziellen Schutz bietet, sondern auch inspiriert und erfüllt.
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Veröffentlichungsjahr: 2025
Mehr über unsere Autorinnen, Autoren und Bücher:
www.piper.de
Aus dem amerikanischen Englisch von Heike Maillard, Hans Freundl und Moritz Langer
ISBN 978-3-492-61190-9
Die Originalausgabe erschien 2024 unter dem Titel How to Retire bei Harriman House Ltd
Originally published in the UK by Harriman House Ltd in 2024, www.harriman-house.com.
© Christine Benz 2024
© der deutschsprachigen Ausgabe 2025:
Piper Verlag GmbH, Georgenstraße 4, 80799 München, www.piper.de
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Covergestaltung: BÜRO JORGE SCHMIDT, München, nach einem Entwurf von Christopher Parker
Konvertierung auf Grundlage eines CSS-Layouts von digital publishing competence (München) mit abavo vlow (Buchloe)
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Text bei Büchern ohne inhaltsrelevante Abbildungen:
Cover & Impressum
Widmung
VorwortJonathan Clements
Einleitung
Kapitel 1: Michael Finke
Struktur und gesunde Gewohnheiten
Könnte man nicht auch länger arbeiten?
Gesundheit und Beziehungen erhalten
Kapitel 2: Fritz Gilbert
Ein Datum festlegen
Freundschaften und Sinn finden
Praktische Schritte: fünf Jahre vor dem Ruhestand
Praktische Schritte: drei Jahre vor dem Ruhestand
Praktische Schritte: zwei Jahre vor dem Ruhestand
Praktische Schritte: ein Jahr vor dem Ruhestand
Kapitel 3: Laura Carstensen
Was trägt zur Langlebigkeit bei?
Wie sich soziale Netzwerke verändern
Aufbauen sozialer Netzwerke
Die Rolle der Arbeit
Kapitel 4: David Blanchett
Die Ausgaben nehmen mit dem Alter ab
Welche Rolle ein garantiertes Einkommen spielt
Annuitäten
Gesundheitskosten in späteren Lebensjahren
Festlegen Ihrer Entnahmerate
Kapitel 5: Jonathan Guyton
Ausgaben im Ruhestand: Wo fängt man an?
Wie sich die Ruhestandsausgaben in der realen Welt verändern
Variable Ausgabensysteme
Flexible Strategien: Vor- und Nachteile
Die Rolle der Vermögensallokation
Die Rolle von Einkommensquellen außerhalb des Portfolios
Kapitel 6: Ramit Sethi
Bewusstes Geldausgeben
Der sorgenfreie Betrag
Eine Bucketlist für fünf Jahre
Tägliche kleine Freuden
Sich die Erlaubnis geben, Geld auszugeben
Kapitel 7: Wade Pfau
Warum sollte man den eigenen »Rentenstil« definieren?
Sind Sie eher chancen- oder sicherheitsorientiert?
Wie stehen Sie zum Thema Optionalität versus Verbindlichkeit?
Ruhestandseinkommen Typ 1: der Gesamtertrag (Total Return)
Ruhestandseinkommen Typ 2: zeitliche Segmentierung
Ruhestandseinkommen Typ 3: Einkommensschutz
Ruhestandseinkommen Typ 4: Risikoabfederung
Kapitel 8: William Bernstein
Vier wichtige Fragen
Das Fundament
Über das Grundgerüst hinaus
KAPITEL 9: JL Collins
Die Vorteile von Indexfonds
Es einfach halten im Ruhestand
Genug Geld sparen
Leibrenten und andere Einkommensquellen
Abzahlung einer Hypothek
Kapitel 10: Christine Benz
Hintergrund
Der Topf-Ansatz
Wie man die Anlagenaufteilung eines Topf-Portfolios individuell gestaltet
Topf-Logistik
Kapitel 11: Mark Miller
Wichtige Überlegungen
Wohnung und Gemeinschaft
Umzug
Wohneigentum und Kreditaufnahme auf Wohneigentum
Pflege und Pflegeeinrichtungen
Kapitel 12: Maria Bruno
Was es bringt, sich auf das zu konzentrieren, was Sie steuern können
Entwickeln Sie eine Vision für Ihr Leben im Ruhestand
Rechnen Sie es durch
Behalten Sie die Kosten im Auge
Seien Sie diszipliniert, aber bleiben Sie nicht stehen
Kapitel 13: Jamie Hopkins
Arbeiten Sie auf den Ruhestand hin
Hören Sie auf zu sparen, geben Sie Geld aus
Ihr Ruhestandseinkommen bleibt nicht immer gleich
Sie werden mehrere Einkommensquellen haben
Ihre Definition von Erfolg könnte sich verändern
Kapitel 14: Carolyn McClanahan
Werden Sie gesund alt
Organisieren Sie Ihre medizinische Versorgung
So finanzieren Sie Ihre medizinische Versorgung
Berücksichtigen Sie die Langzeitpflege
Planen Sie Ihr Lebensende
Kapitel 15: Jean Chatzky
Besondere Herausforderungen
Ruhestandsplanung für Frauen
Investitionen
Holen Sie sich Rat
Sprechen Sie über Geld
Kapitel 16: Cameron Huddleston
Klären Sie Ihre Angelegenheiten nicht zum schlechtesten Zeitpunkt
Wie Sie mit Ihren Angehörigen kommunizieren können
Wie Sie Ihre Konten organisieren können
Sagen Sie, wie Sie gepflegt werden möchten
Kapitel 17: Jennifer Rozelle
Grundlagen der Nachlassplanung
Setzen Sie ein Testament auf
Benennen Sie Testamentsvollstrecker
Wer erbt das Vermögen?
Beachten Sie steuerliche Aspekte
Erteilen Sie Vollmachten
Planen Sie Ihre medizinische Versorgung
Betrachten Sie es als einen Prozess
Kapitel 18: Jordan Grumet
Fragen Sie sich: Was könnte ich bereuen?
Ihr Lebensrückblick
Geben Sie Ihrem Leben einen Sinn
Legen Sie mit Ihrem Job auch Ihre alte Identität ab
Lernen Sie sich selbst kennen
Zeitmanagement und die Kunst des Weglassens
Schlusswort
Betrachten Sie die Dinge aus unterschiedlichen Perspektiven
Haben Sie keine Angst, als komischer Kauz zu gelten
Versuchen Sie nicht, alles zu optimieren
Probieren Sie es aus
Finden Sie Ihre kleinen Freuden
Danksagung
Inhaltsübersicht
Cover
Textanfang
Impressum
Für Greg, für immer mein Trost und meine Freude
Als ich in meinen 20ern und mit Anfang 30 das erste Mal über meinen Ruhestand nachdachte, betrachtete ich ihn als ein einfaches finanzielles Projekt: Drei oder vier Jahrzehnte lang sparen wie ein Irrer, eine Entnahmerate von 4 Prozent auf die angesammelten Ersparnisse anpeilen, und dann geht’s ab in ein Leben voller Spaß, Spaß und nochmals Spaß.
Wie naiv und ahnungslos man in jungen Jahren doch ist …
Heute, nach einem Jahrzehnt in Altersteilzeit, sehe ich den Ruhestand nicht mehr nur als eine rein praktische finanzielle Angelegenheit, sondern auch als ein Thema voller intellektuell faszinierender Fragen über Risiko, Sinn, Glück, Familie, Seelenfrieden, Vermächtnis und vieles mehr. Auf den folgenden Seiten haben Sie die Möglichkeit, diesen faszinierenden Fragen nachzugehen und dabei einige sehr nützliche Tipps mitzunehmen.
Für dieses Buch hat Christine Benz – selbst eine ausgewiesene Expertin in Fragen des Ruhestands und obendrein eine wunderbare Person – einige der klügsten Köpfe der Finanzwelt zusammengetrommelt. Die Vielfalt der behandelten Themen zeigt, wie vielschichtig das Thema Ruhestand ist. Das Wissen, das Sie erwerben werden, wird Ihnen helfen, den Ruhestand zu dem zu machen, was er sein sollte – nicht einfach nur ein finanzielles Ziel, sondern vielmehr eine fesselnde Reise, die es Ihnen ermöglicht, sowohl Ihre persönlichen Leidenschaften als auch die weite Welt zu erkunden.
Auf Ihrer Reise werden Sie ständig mit zwei Dimensionen jonglieren: Zeit und Geld. Wie können Sie das Geld, das Sie angespart haben, und die Zeit, die Ihnen bleibt, am besten nutzen? Planung ist zwar das A und O, aber Sie werden auch feststellen, dass Pläne ständig überarbeitet werden müssen. Wahrscheinlich erwarten Sie, dass die Turbulenzen des Lebens aufhören, sobald Ihre Vollzeitbeschäftigung endet. Aber gehen Sie der Illusion eines Endes der Geschichte nicht auf den Leim, der falschen Vorstellung, dass alle Veränderungen dann hinter Ihnen liegen und Sie in den darauffolgenden Jahren durch ruhigere Gewässer segeln werden. Ziemlich sicher werden Ihnen die Umbrüche in Ihrem Leben – die guten wie die schlechten – im selben Tempo weiter begegnen.
Zu den unangenehmen Umbrüchen gehört alles von Börsencrashs über gesundheitliche Probleme und familiäre Turbulenzen bis hin zum Nachlassen Ihrer mentalen Kräfte. Aber was ist mit den guten Umbrüchen? Und wie kann ein Umbruch gut sein? Wenn Sie in den Ruhestand gehen, sind Sie vielleicht davon überzeugt, dass Sie genau wissen, was Sie mit Ihrer Zeit und Ihrem Geld anfangen wollen – Sie könnten aber auch ziemlich bald feststellen, dass Sie sich das alles … irgendwie ganz anders vorgestellt haben.
Das liegt zum Teil daran, dass wir nicht besonders gut darin sind herauszufinden, was uns glücklich macht. Es liegt aber auch daran, dass wir uns ständig verändern. Die Dinge, die für uns mit 60 Jahren zu einem erfüllten Leben dazugehören, sind andere als die, die wir mit 80 wichtig finden werden. Das ist jedoch das Schöne am Ruhestand: Sie haben genug Zeit und den geistigen Freiraum, um zu entdecken, was Sie wirklich mit Ihrem Leben anfangen möchten.
Ich probiere mich erst seit einem Jahrzehnt an der Altersteilzeit aus, und die Veränderungen sind förmlich auf mich eingestürzt. Einige Dinge, von denen ich dachte, dass ich sie tun wollte, wie zum Beispiel persönliche Finanzen an der Universität zu lehren, haben sich als Flop erwiesen. Ebenso dachte ich, ich hätte den Ort gefunden, an dem ich den Rest meines Lebens verbringen würde, nur um nach fünf Jahren wieder von dort wegzuziehen.
In der Zwischenzeit entwickeln sich meine Pläne, was ich mit meinem Geld und meiner Zeit anstelle, immer weiter. Ich habe festgestellt, dass mir die Arbeit so viel Spaß macht, dass ich sie nicht ganz aufgeben möchte. Auch meine finanziellen Prioritäten haben sich verschoben. Heute sind meine zwei größten Ausgaben Reisen und Geldgeschenke an meine Kinder und Enkelkinder. Wer hätte gedacht, dass ich nach jahrzehntelanger emsiger Sparsamkeit so gerne Geld ausgeben und verschenken würde?
Was ich mit meinem Portfolio und meiner Zeit mache, ist jedoch keine Blaupause für Sie. Früher lief die Vorbereitung auf den Ruhestand auf eine einzige Frage hinaus: Habe ich genug Geld? Aber seit der Ruhestand zu einem eigenen, ganz speziellen Lebensabschnitt geworden ist – nicht nur ein paar Jahre Pause nach vier Jahrzehnten harter Arbeit, sondern vielmehr eine Lebensphase, die ein Drittel Ihrer Zeit auf der Erde ausmachen kann –, sind viele Fragen hinzugekommen.
Zum Beispiel diese: Soll ich länger arbeiten oder im Ruhestand in Teilzeit weiterarbeiten? Wo werde ich wohnen? Wer werden meine Freunde sein? Wie kann ich meine Zeit am besten nutzen? Wie kann ich für ein Einkommen sorgen, das so lange stetig hereinströmt, wie ich am Leben bin? Wie kann ich mich von einem emsigen Sparer in jemanden verwandeln, der froh und sorglos Geld ausgibt? Was ist, wenn der Aktienmarkt zusammenbricht? Was ist mit der Inflation? Wie werden sich meine Ausgaben im Laufe der Zeit verändern? Wie kann ich mich am besten körperlich und geistig fit halten? Was soll ich tun, wenn ich nicht mehr unabhängig leben kann? Und schließlich: Was werde ich hinterlassen?
Wie Sie auf den nächsten Seiten erfahren werden, gibt es nicht den einen richtigen Weg in und durch den Ruhestand. Manche Menschen wollen ihre Zeit damit verbringen, sich aus der Welt zurückzuziehen, und ein ruhigeres Leben führen. Andere wollen sich weiterhin voll engagieren. Einige werden sich vor allem finanzielle Sicherheit wünschen. Andere werden sich glücklich damit fühlen, weiterhin gewisse Investitionsrisiken zu tragen. Einige werden Unmengen von Geld für wohltätige Zwecke und die Kinder hinterlassen wollen. Wieder andere werden es mit Freuden verjubeln.
Es gibt hierbei keine falschen Entscheidungen, es sei denn, man trifft gar keine Entscheidungen und lässt sich einfach durch den Ruhestand treiben, ohne groß darüber nachzudenken, wie man das Beste aus seiner Zeit macht und sicherstellt, dass es einem bis zum Ende finanziell gut geht.
Was sollte man also tun? Ich möchte Ihnen zwei Ratschläge mit auf den Weg geben. Erstens: Lesen Sie die folgenden Seiten mit einem Stift in der Hand und unterstreichen Sie die aufgeworfenen Fragen und die eingebrachten Vorschläge. (Ups, lesen Sie da gerade ein Exemplar aus der Bibliothek?)
Zweitens: Betrachten Sie den Ruhestand nicht als beschlossene Sache, sondern als eine lange Zeit des Ausprobierens – und seien wir ehrlich, das ist es, was Ihr Leben bisher auch war. Experimentieren Sie mit dem Leben im Ruhestand, das Sie sich wünschen, indem Sie die Aktivitäten ausprobieren, die Ihnen Spaß machen, und viele Monate an dem Ort verbringen, an dem Sie vielleicht wohnen wollen. Probieren Sie aus, ob Sie den Ruhestand schrittweise angehen können, anstatt von einem Tag auf den andern mit der Arbeit aufzuhören. Und denken Sie nicht, dass das Leben, das Sie mit 62 Jahren führen wollen, dasselbe sein wird, das Sie mit 72, 82 oder 92 führen wollen. Wie in Ihrem bisherigen Leben werden Sie vieles einfach improvisieren – und genau darin liegt ja bereits ein großer Teil des Vergnügens.
Wenn es um finanzielle Angelegenheiten ging, hatten meine Eltern ein Arrangement, das, wie ich inzwischen weiß, bei Ehepaaren ihrer Generation sehr gebräuchlich war. Meine Mutter war die Finanzverwalterin für den Haushalt und kümmerte sich um alle Rechnungen (und man kann sagen, dass sie – wie bei den meisten Dingen – ein sehr strenges Regiment führte). Parallel dazu war mein Vater der Investor, und er kümmerte sich auch um die Logistik ihres gemeinsamen Ruhestands: wie ihre Gelder investiert wurden, wie viel sie ausgeben konnten und wann sie zum Beispiel mit der Inanspruchnahme der staatlichen Rentenversicherung[1] beginnen sollten.
Als mein Vater Mitte 80 war, zeigten sich bei ihm erste Anzeichen des Verfalls seiner kognitiven Fähigkeiten. Als Erstes hatte er Probleme mit Technik und Computern, was bis dahin eine seiner Stärken gewesen war. So fiel er auf einen Phishing-Betrug herein. Bislang immer locker und freundlich, begann er nun, sich über Kleinigkeiten aufzuregen. Als er an einer Ampel anhielt und dann bei Rot über die Kreuzung fuhr, wurde uns klar, dass es für ihn an der Zeit war, die Autoschlüssel abzugeben. Damit bestätigte sich auch, was wir schon vermutet hatten: Wir hatten ein ernstes Problem.
Die darauffolgenden Jahre waren in vielerlei Hinsicht schwierig, aber ich war froh, dass ich wenigstens verfügbar war, um dort weiterzumachen, wo mein Vater mit seinen Finanzen aufgehört hatte. Als er noch bei klarem Verstand gewesen war, sprachen er und ich häufig über Investitionsfragen. Er fand es toll, dass ich beim Finanzanalyseunternehmen Morningstar arbeitete und er seinen Freunden Bescheid geben konnte, wenn seine jüngste Tochter auf dem Wirtschaftssender CNBC zu sehen war. Am wichtigsten war, dass er und meine Mutter mir vertrauten. Sie gaben mir Vollmachten für ihre Anlagekonten und erlaubten mir, Entscheidungen in ihrem Namen zu treffen. Schließlich übernahm ich für sie die Begleichung der Haushaltsrechnungen und auch die Überwachung und Bezahlung ihrer häuslichen Pflegekräfte.
Mit diesen Erfahrungen kristallisierte sich mein Wunsch heraus, mehr über die Ruhestandsplanung zu lernen und mich auch beruflich darauf zu konzentrieren. Die Übergabe der finanziellen Angelegenheiten meiner Eltern an mich lief so reibungslos, wie es nur möglich war. Aber was ist mit all den Menschen, die ihren Ruhestand allein regeln müssen und keine Unterstützung von einem vertrauenswürdigen erwachsenen Kind erhalten, das sich auch noch beruflich mit Investments und Finanzplanung beschäftigt? Schließlich sollten auch Menschen, die kompetente Finanzberater haben, wissen, welche Fragen sie stellen müssen.
Als ich begann, mich ernsthaft mit der Ruhestandsplanung zu befassen, erreichten mich bald zahlreiche Rückmeldungen von Lesern und Zuschauern, die mir bestätigten, dass es erheblichen Informationsbedarf gab. Ich hörte von alleinstehenden Frauen, die überfrachtete Portfolios vereinfachen wollten, die ihnen von auf Provisionsbasis arbeitenden Beratern zusammengestellt worden waren. Vorruheständler erzählten mir, wie gut sie sich bei ihrer Ruhestandsplanung mit der sogenannten Eimer-Strategie fühlten, die ich mit Begeisterung übernommen habe, nachdem ich von dem Finanzplaner Harold Evensky davon gehört hatte. Nachdem ich auf einer Konferenz für Privatanleger die Geschichte von der Langzeitpflege meiner Eltern erzählt hatte, konnte ich keine zwei Meter weit gehen, ohne mit persönlichen Geschichten und Fragen über alternde Eltern, Langzeitpflege und deren Finanzierung bedrängt zu werden.
Während ich meine Bemühungen fortsetze, mehr über die Ruhestandsplanung zu lernen und das, was ich gelernt habe, mit anderen zu teilen, ist eine der ermutigendsten Erkenntnisse die, dass ich nicht alles allein herausfinden muss. Das liegt daran, dass es überall fundierte Informationsquellen zu verschiedenen Aspekten der Ruhestandsplanung gibt. Wenn es beispielsweise um die Steuerplanung im Ruhestand geht, sind Mike Piper, Ed Slott und Jeff Levine meine Ansprechpartner. Für nüchterne, forschungsbasierte Ratschläge zum Aufbau von Ruhestandsportfolios kann ich mich unter anderem an Bill Bernstein, Dana Anspach und meine Kollegen von Morningstar Investment Management wenden. Für jeden einzelnen Aspekt der Ruhestandsplanung gibt es jemanden – und in der Regel mehr als nur eine Person –, dessen Wissen zu diesem Thema geradezu enzyklopädisch ist. Jemanden, der anderen gerne hilft, weil die Welt dadurch ein kleines bisschen besser wird.
Der Anstoß zu diesem Buch war, all dieses Wissen an einem Ort zu sammeln. Ich habe einige der von mir bewunderten Experten in Sachen Ruhestand gebeten, mit mir Gespräche über die einzelnen Aspekte der Ruhestandsplanung zu führen. Die entsprechenden Kapitel sind im Wesentlichen Anleitungen dazu, wie man die verschiedenen Aspekte des Ruhestands bewältigt – zusammengestellt von einigen der für diese Themen qualifiziertesten Menschen der Welt.
Auch wenn die Verwaltung der Finanzen im Ruhestand ein Hauptthema des Buches (und mein persönliches Steckenpferd) ist, werden Sie feststellen, dass es in den einzelnen Kapiteln nicht ausschließlich um Finanzen geht. Denn je mehr ich über die Ruhestandsplanung gelernt habe, desto mehr habe ich verstanden, dass die Frage, ob, wann und wie man in Rente geht, zu weniger als 50 Prozent mit Geld zu tun hat. Ja, natürlich braucht man Geld. Aber noch wichtiger ist, dass man ein Netzwerk von Menschen hat, denen man wichtig ist. Sie müssen gesunde Gewohnheiten pflegen und sich um Ihren Körper kümmern. Sie brauchen einen Plan für jeden Tag. Sie brauchen Aktivitäten, die Ihnen Freude bereiten. Für ein glückliches und zufriedenstellendes Leben im Ruhestand sind diese Dinge wichtiger als ein gut zusammengestelltes Portfolio und eine sorgfältig kalibrierte Ausgabenstrategie.
Ich hoffe, dass Sie bei der Lektüre dieses Buches Vertrauen in den finanziellen Aspekt Ihres Ruhestands gewinnen. Das versteht sich von selbst. Vor allem aber hoffe ich, dass Sie auf diesen Seiten einige echte Weisheiten – und damit die Inspiration und den Mut – finden, dieses nächste Kapitel Ihres Lebens so befriedigend und freudvoll wie nur möglich zu gestalten.
Den Lebensstil im Ruhestand visualisieren
Als ich Michael Finke zum ersten Mal vor einem Raum voller Finanzplaner sprechen sah, war ich vom Thema seines Vortrags einigermaßen überrascht. Michael ist promovierter Finanzwissenschaftler und Professor für Vermögensverwaltung, er sprach aber ausschließlich darüber, was die Menschen im Ruhestand glücklich macht. Er stellte Daten dazu vor, welche Aktivitäten und Gewohnheiten zur Zufriedenheit und Lebensfreude im Ruhestand beitragen, und er illustrierte seinen Vortrag mit Beispielen aus seiner Familie, in der einige Mitglieder im Alter sehr unterschiedliche Wege (mit sehr unterschiedlichem Erfolg) eingeschlagen hatten. An diesem Tag – und seitdem bei vielen anderen Gelegenheiten – wurde ich Zeuge von Michaels echtem Interesse an den menschlichen Aspekten der Ruhestandsplanung. Natürlich war er ebenfalls der Ansicht, dass finanzielle Angelegenheiten wichtig sind. Wenn einem Geldsorgen im Nacken sitzen, ist es eher schwierig, glücklich oder gar zufrieden zu sein. Aber letzten Endes geht es ihm um echte Menschen: ihre Beziehungen, ihre Ziele, ihre Schwächen, ihre Wünsche für ihr Leben. Die Ruhestandsplanung ist für ihn kein rein wissenschaftliches Forschungsthema.
Als ich ihn dann fragte, zu welchem Kapitel er in diesem Buch etwas beitragen möchte, war ich nicht überrascht, dass er sich gegen ein trockenes Finanzthema wie Lebenseinkommen oder Entnahmeraten (der Betrag, der verbraucht wird) entschied, obwohl er in diesen Bereichen einige wichtige Forschungsarbeiten verfasst hat. Er sagte, er wolle am liebsten darüber sprechen, wie Menschen sich ihren Lebensstil im Ruhestand vorstellen und wie sie Gewohnheiten einüben können, um diesen zu erreichen.
Christine Benz: Meiner Erfahrung nach konzentrieren sich die Menschen sehr auf den finanziellen Aspekt des Ruhestands. Hast du den Eindruck, dass sie sich möglicherweise zu viel damit beschäftigen, wie viel Geld sie später ausgeben können, und zu wenig damit, womit sie dann ihre Zeit verbringen könnten und wie sie ihren Alltag gestalten wollen? Wenn ja, warum ist das deiner Meinung nach so?
Michael Finke: Unser traditionelles Bild vom Ruhestand sieht so aus, dass wir uns darauf freuen und uns dafür abmühen und Geld zur Seite legen, damit wir ihn später genießen können. Der Ruhestand ist so etwas wie ein Mythos, den wir uns in unseren Köpfen zurechtgelegt haben. Wir denken an Freiheit und Autonomie. An die Möglichkeit, endlich das tun zu können, was wir wollen. Was immer es auch ist.
Deshalb konzentrieren wir uns sehr auf die finanziellen Aspekte, denn das ist natürlich wesentlich dafür, diese Autonomie zu erreichen. Für manche Menschen, vor allem für die, die dieses Buch lesen, ist das eher ein mathematisches Problem, und sie haben das Gefühl, dass sie es gemeistert haben, wenn sie genug gespart haben, wenn sie finanziell abgesichert sind, wenn sie sich um Geld keine Sorgen mehr machen müssen. Das ist natürlich ein sehr wichtiger Teil eines guten Lebens im Ruhestand – nicht das Gefühl zu haben, dass es am Geld hängt und wir nicht die Dinge tun können, die uns wirklich glücklich machen.
Aber man muss auch die Fähigkeiten entwickeln herauszufinden, wie man in seiner freien Zeit glücklich sein kann, wenn es das ist, was man möchte. Und das ist eine große Frage. Ist das eher so wie ein verlängertes Wochenende? Oder wie ein großer Urlaub? Und bist du darauf vorbereitet, längere Zeit so zu leben?
Christine: Sprechen wir über die Schritte, die Menschen unternehmen sollten, um in diesen großen Fragen Klarheit zu finden.
Michael: Ich finde, es ist eine gute Art, über den Ruhestand nachzudenken, wenn man sich das Leben wie eine Reihe von Punkten vorstellt. Eine gesunde Frau wird zum Beispiel 90 Jahre alt werden. Das sind neun Reihen mit zehn Punkten, und wenn man mit 65 in Rente geht, sind noch zwei Reihen mit zehn Punkten und eine Reihe mit fünf Punkten übrig. Das ist alles, was man bekommt.
Und dann stellt sich die Frage, wie man im Voraus nicht nur über sein Geld in den beiden Reihen mit den zehn Punkten und der einen Reihe mit den fünf Punkten nachdenkt, sondern auch darüber, womit man diese Zeit füllen wird. Man arbeitet darauf hin, dann so viel erreicht zu haben, dass man glaubt, diesen Lebensabschnitt genießen zu können. Aber es ist ja kein großer, langer Lebensabschnitt, oder? Es sind ja nur zwei Reihen mit zehn Punkten und eine Reihe mit fünf Punkten.
Christine: Stimmt. Wenn ich nur daran denke, werde ich gleich ein bisschen panisch.
Michael: Eines der Dinge, die uns die Coronapandemie gelehrt hat, ist, dass die Zeit, wenn es einem an Struktur mangelt, schneller zu vergehen scheint. Das kann bedeuten, dass wir vielleicht gewisse Vorstellungen davon haben, was wir erreichen wollen, wir werden das aber nicht unbedingt erreichen, wenn wir uns keine Struktur zulegen und uns nicht überlegen, was wir wollen, und wenn wir das Ganze nicht vorausschauend planen. Haben wir uns schon überlegt, was für uns die zehn wichtigsten Dinge sind, die wir im Ruhestand erreichen wollen? Welche Art von Gewohnheiten wollen wir entwickeln? Was brauchen wir, um dahin zu kommen, wo wir in diesen Jahren sein wollen?
Christine: Wie können Menschen Gewohnheiten und eine Struktur entwickeln, die es ihnen ermöglicht, Dinge zu erledigen und gleichzeitig Spaß zu haben und die Entspannung zu genießen, die mit der arbeitsfreien Zeit einhergeht?
Michael: Wenn man sich völlig aus dem Berufsleben zurückzieht, geht einem möglicherweise das Gefühl von Status und Sinn im Leben verloren, das einem die Arbeit gegeben hat. Wenn es im Ruhestand nur um die Freizeit geht, sollte man sich fragen, ob man mit der ganzen Freizeit überhaupt etwas anfangen kann. Ich bin kein besonders guter Freizeitmensch – ich habe meine Urlaube schon genossen, aber nach einer gewissen Zeit möchte ich wieder etwas tun. Wenn man so ein Mensch ist und seine Zeit im Ruhestand mit kaum oder gar keiner Arbeit verbringt, wird man nicht glücklich. Das kommt leider ziemlich oft vor. Die Leute sagen dann: »Ich weiß gar nicht, was ich den ganzen Tag lang tun soll.« Der Mangel an Struktur ist ein großes Problem, denn sich selbst eine Struktur zu geben, ist etwas, was die meisten nicht besonders gut können.
Christine: Ich glaube, dass viele Leute, wenn es auf den Ruhestand zugeht, denken: »Na ja, das ist wie im Urlaub oder als wäre ständig Wochenende. Ich werde mir alle Serien auf Netflix ansehen, die ich schon immer mal sehen wollte. Und ich werde Ausflüge machen.« Das klingt doch wunderbar. Warum ist das keine gute Art, sich den Ruhestand vorzustellen?
Michael: Das Wochenende oder ein ausgedehnter Urlaub sind eine Abwechslung zum Arbeitsalltag. Man kann etwas anderes tun und sich entspannen. Aber man entspannt sich von etwas. Und wenn du dich die ganze Zeit entspannst, wenn du einen völligen Mangel an Struktur hast, was ist es dann, das dir eigentlich Freude bereitet?
Finanzdienstleister sind meistens großartig darin, ihren Kunden Fantasien zu verkaufen, damit diese einen Grund dafür haben, so viel Geld anzusparen. Eines meiner Lieblingsszenarios ist das berühmte Paar, das am Strand sitzt. Die Mitarbeiter bei den Finanzdienstleistern meinen anscheinend alle, sie müssten dieses Klischee eines Paares heraufbeschwören, in dem die beiden Liebenden glücklich und zufrieden in Liegestühlen am Strand sitzen und in den Sonnenuntergang schauen.
Hast du das schon mal gemacht? Ich habe das ausprobiert. Ich habe am Meer gesessen und einfach nur geschaut, und ich halte das vielleicht eine Stunde lang durch. Vielleicht lese ich auch ein Buch. Aber nach spätestens einer Woche bin ich damit durch, und ich möchte gerne etwas anderes tun. Wenn es nur ein Urlaub ist, ist es herrlich, an einem warmen Tag am Strand zu liegen und etwas anderes zu erleben als den üblichen Trott. Man schätzt die Abwechslung von der Routine. Aber wenn die Freizeitbeschäftigung zur Routine wird, bietet sie dann wirklich noch die gleiche Befriedigung wie früher, als man das nur im Urlaub oder am Wochenende genießen konnte?
Christine: Und was ist mit Menschen, die ihre Freizeit wirklich zielstrebig gestalten und mit einer langen Liste von Aktivitäten in den Ruhestand gehen, die sie gerne abhaken würden – eine Kreuzfahrt durch Europa, ein Familienausflug nach Disney World und so weiter. Was hältst du von der berühmten Bucketlist?
Michael: Wenn es sich um episodische Erlebnisse dreht, wie zum Beispiel um den Besuch eines bestimmten Ortes, dann ist es wahrscheinlich, dass das Erreichen eines solchen Ziels für die Leute nicht so befriedigend sein wird, wie sie es sich vielleicht vorgestellt haben. Was sind die schönsten Erlebnisse, die du auf einer Reise hattest? Die meisten waren wahrscheinlich gemeinsame Erfahrungen mit anderen, durch die du langfristige Beziehungen vertiefen konntest.
Sollte man also eher episodische Erlebnisse auf seiner Liste haben, oder sollte man veränderte Gewohnheiten anstreben? Meiner Meinung nach sind die konstruktivsten Ziele solche, bei denen man sich neue Gewohnheiten zulegt. Wenn das Erreichen von Zielen den Charakter von einmaligen Ereignissen hat, kann es passieren, dass man eine Enttäuschung erlebt. Man steht dann, wenn man es erreicht hat, vielleicht da und denkt: »Hm … na gut … das habe ich jetzt geschafft. Und was nun?«
Wir sind tendenziell nicht gut darin, uns vorzustellen, was uns wirklich glücklich machen wird. Oft ist es am Ende etwas ganz anderes als das, was wir ursprünglich erwartet haben. Und wenn wir unsere Bucketlist erstellt haben – was wir meistens zu einem früheren Zeitpunkt im Leben getan haben –, wird unsere Einschätzung dessen, was uns Erfüllung und Zufriedenheit bringen wird, nicht unbedingt mit unserer neuen Realität als Rentner übereinstimmen.
Meiner Meinung nach sollte man sehr genau auf seine Gewohnheiten achten, sich diese fest ausgetretenen Pfade schaffen, denen man jahrzehntelang folgen wird. Am besten legt man sich diese Angewohnheiten so frühzeitig zu, sodass sie sich produktiv entwickeln können und man im Ruhestand keine Enttäuschungen erlebt. Man sollte wahrscheinlich auf eine Kombination zusteuern. Man sollte sich die gesunden Gewohnheiten zulegen, die man jeden Tag praktiziert, und diese dann mit den freudigen, großen und aufregenden Plänen verbinden.
Christine: Dies ist ein Buch über den Ruhestand, aber die Frage stellt sich natürlich trotzdem, ob die Menschen nicht einfach länger arbeiten sollten? Das scheint viele Punkte zu erfüllen: Sinn, Beziehungen, aktiv bleiben und so weiter.
Michael: In unserer Gesellschaft wird uns die Vorstellung eingeimpft, dass wir ab einem bestimmten Alter einfach aus dem Berufsleben ausscheiden sollten. Das ist, was Ruhestand bedeutet. Ich hoffe, dass wir ihn in Zukunft zunehmend als die Möglichkeit sehen werden, unseren Zeitplan selbst zu bestimmen. Und das muss nicht unbedingt bedeuten, dass wir für immer aufhören zu arbeiten.
Golf spielen ist eine gute Metapher hierfür. Während der Arbeitswoche sind wir mit so vielen intellektuellen Herausforderungen konfrontiert, dass es sich gut anfühlt, von alldem wegzukommen und einfach zu entspannen. Vielleicht gehen wir am Wochenende also Golf spielen. Man verfolgt ein sehr einfaches Ziel, man ist draußen in der Natur, man läuft herum. Aber wenn man auf einmal jeden Tag Golf spielen geht, dann ist Golf plötzlich wie Arbeit. Vielleicht möchte man dann lieber zu seinen früheren Herausforderungen zurückkehren. Mit etwas Abwechslung können wir tatsächlich glücklicher werden.
Christine: Es sieht so aus, dass die äußeren Umstände wirklich wichtig sind – ob man also freiwillig zur Arbeit geht oder ob man arbeiten muss.
Michael: Wenn jemand im Alter von 60 Jahren entlassen wird, halten wir das für eine schlechte Sache. Wenn man sich das nicht ausgesucht hat, empfindet man es als Ablehnung. Tatsächlich zeigen Daten, dass es Jahre dauert, bis man nach einer Entlassung im Alter von 60 Jahren wieder das gleiche Maß an Zufriedenheit erreicht wie zuvor. Um nach einer Zwangsverrentung wieder das vorherige Niveau seiner Lebenszufriedenheit zu erreichen, brauchen Männer vier Jahre. Bei Frauen dauert es etwa zwei bis drei Jahre, bis sie wieder auf demselben Stand sind wie vorher.
Aber wenn man sich mit 62 Jahren freiwillig entscheidet, in den Ruhestand zu gehen, wird das gefeiert, sie schmeißen eine Party für dich, und du bekommst ein nettes Geschenk von den Kollegen.
Warum wird das so unterschiedlich aufgenommen? In beiden Fällen befindet man sich in genau derselben Situation. Man arbeitet nicht mehr Vollzeit und muss von seinen Ersparnissen leben. Einmal ist es geplant, das andere Mal ungeplant. Aber ist es wirklich so eine Tragödie, dass man nicht mehr dort arbeitet, wo man vorher gearbeitet hat? Vieles hängt davon ab, was man vor dem Renteneintritt gemacht hat.
Ich lese oft Beiträge in Diskussionsforen für Rentner, und einige der Leute hassten ihre Arbeit. Sie schreiben etwa: »Ich hätte mal früher in Rente gehen sollen. Ich bin jetzt so viel glücklicher als vorher.« Das sind Menschen, die für ihren Job viel aufgeopfert haben. Und wenn sie diesen Job dann endlich los sind, sind sie viel glücklicher.
Aber es gibt viele andere Menschen, insbesondere Fachkräfte, höhere Angestellte und Akademiker, die ihre Arbeit genossen haben und sehr viel flexibler entscheiden konnten, was sie tun wollten. Sie waren in der Lage, sich zu spezialisieren, bestimmte Fähigkeiten zu erlernen. Für diese Fähigkeiten wurden sie belohnt. Und mit dem Einsatz dieser Fähigkeiten war ein hoher Status verbunden.
Als Belohnung für das Aufrechterhalten eines höheren sozialen Status wird von unserem Körper Serotonin ausgeschüttet, und das wird weniger, wenn wir aus dem Berufsleben ausscheiden. Es ist so, als ob wir während unserer Berufstätigkeit ständig mit einer Droge versorgt würden, und wenn wir in Rente gehen, werden wir auf Entzug gesetzt. Die Leute sagen unter anderem: »Früher wurde mir Respekt entgegengebracht, das ist jetzt vorbei. Wo bringt man mir jetzt Respekt entgegen?« Das kann in einigen Fällen schwierig werden, es sei denn, man tut etwas, wofür man Experte ist. Wenn man ein Hobby wie Golfspielen hat, wofür man nicht so respektiert wird, dann büßt man etwas ein. Dann fehlt einem ein Teil des eigenen Lebens.
Es ist ein wenig umstritten, aber alle Daten deuten darauf hin, dass unsere körperlichen und kognitiven Fähigkeiten mit zunehmendem Alter nachlassen, und das bedeutet, dass es mit 60 und 70 Jahren schwieriger wird, einige der anspruchsvolleren Aufgaben am Arbeitsplatz zu erledigen, die wir mit 40 oder 50 noch gut erledigen konnten.
Christine: Wäre es dann eine Idee, weiterzuarbeiten, aber vielleicht die Art der Arbeit an die Veränderungen anzupassen, die mit dem Älterwerden eventuell einhergehen?
Michael: Absolut. Ich kenne Leute, die das richtig machen. Wir haben einen Assistenten am American College of Financial Services, den wir für die Interaktion mit den Studierenden im Rahmen des Ruhestandseinkommen-Programms Retirement Income Certified Professional (RICP) bezahlen. Eine wirklich interessante Person. Er war früher Ingenieur und hat sicherlich gut verdient; wahrscheinlich bezieht er eine Rente und braucht das Geld von der Arbeit nicht, aber es ist immer schön, etwas zu verdienen. Unter anderem bewundere ich an ihm, dass er bis zu dem Punkt arbeitet, an dem ihm seine Arbeit keinen Spaß mehr macht – und wenn wir ihn dann bitten, noch etwas mehr für uns zu tun, sagt er uns, wir sollen uns verziehen.
Er arbeitet gerne mit den Studierenden. Er mag es, Dinge zu lernen und zu erklären. Das macht ihm Spaß, und das waren auch die Dinge, die ihm schon Spaß gemacht haben, als er noch Vollzeit gearbeitet hat. Er hat die Aspekte seiner früheren Tätigkeit identifiziert, die er weiterhin ausüben möchte. Aber etwas anderes möchte er nicht machen. Ich versuche, ihn für zusätzliche Projekte zu gewinnen, und er sagt: »Nein, ich werde eine Radtour durch Europa machen. Für deinen Kram habe ich keine Zeit.« Das ist für mich der richtige Weg – sich zu fragen: »Was hat mir an meinem Arbeitsplatz am meisten Freude bereitet?«
40 Stunden pro Woche im Job sind eine Menge Zeit, in der man im Wesentlichen seine Freiheit, mit seiner Zeit tun und lassen zu können, was man will, an seinen Arbeitgeber abgibt. Wenn man etwas davon zurückbekommen kann, weil man finanzielle Unabhängigkeit erreicht hat, und gleichzeitig die Teile des Jobs behält, die einem wirklich Spaß gemacht haben, scheint mir das eine bessere Strategie zu sein, als einfach jeden Aspekt des Jobs aufzugeben, den man vorher hatte – wie ein kalter Entzug. Das ist eine große Umstellung der Lebensweise.
Christine: Deine Forschung zeigt, wie wichtig Gesundheit und Beziehungen im Ruhestand sind und dass man in sie genauso investieren sollte wie in finanzielle Vermögenswerte. Wie passen all diese Dinge zusammen?
Michael: Wir müssen im Hinterkopf behalten, dass Geld nicht das ist, was uns glücklich macht. Geld ist nur eine Anordnung von Pixeln auf einem Computerbildschirm. Es ist nur buntes Papier. Es ist ein Hilfsmittel für Aktivitäten, die uns glücklich machen können. Trotzdem ist Geld natürlich wichtig. Es bedeutet, dass wir einem Schützenverein beitreten können, um mehr soziale Kontakte zu knüpfen, mehr Urlaub machen oder uns öfter mit unseren Freunden im Restaurant treffen können. Das sind Beispiele dafür, dass Geld uns glücklicher machen kann. Aber Geld an sich macht uns nicht wirklich glücklich. Darüber müssen wir nachdenken, und das bedeutet, dass wir auch über die anderen Investitionen nachzudenken haben, die wir tätigen müssen, um uns einen glücklichen Ruhestand zu gestalten. Was ist eine Investition? Eine Investition ist ein Opfer, das wir heute bringen, um in Zukunft besser leben zu können. Bei meinen Untersuchungen ist herausgekommen, dass die besten Investitionen die sind, die wir in persönliche Beziehungen und in unsere Gesundheit stecken.
Christine: Sprechen wir über Investitionen in die Gesundheit.
Michael: Sagen wir, ich möchte, wenn ich in den Ruhestand trete, wandern gehen. Das ist eines der Dinge, für die ich mehr Zeit haben möchte. Wenn ich mich kurz vor dem Renteneinstieg nicht körperlich fit halte, werde ich nicht in der Lage sein, auf einen Berg zu wandern. Ich muss Zeit und Ressourcen investieren, um zu trainieren und mich fit zu halten, damit ich mein Ruhestandsziel erreichen kann. Wenn ich diese Investition nicht tätige, dann muss ich dieses Ziel wohl oder übel aufgeben. Ich bin körperlich einfach nicht in der Lage, es zu erreichen.
Das bedeutet, dass ich mich jetzt, mit Mitte 50, ganz besonders anstrengen muss. Was nützt es mir, das Geld für einen Wanderurlaub zu sparen, wenn ich dafür körperlich nicht fit genug bin? Die Investition von Zeit und Mühe könnte unangenehm sein. Aber wenn ich körperlich fit bleiben will, muss ich eben jeden Tag etwas dafür tun.
Christine: Und wie sieht es mit Investitionen in Beziehungen aus?
Michael: Es ist sehr lohnend, über Aktivitäten nachzudenken, die soziale Beziehungen fördern, und dazu gehört auch, wohin man zieht oder wo man lebt. In vielen Fällen sind unsere alten Freundschaften ein äußerst wichtiger Faktor für unsere Lebenszufriedenheit. Wenn wir in der Nähe unserer alten Freunde leben, kann sich das tatsächlich positiv auf unsere Zufriedenheit im Ruhestand auswirken.
Das gilt auch für das Leben in einer Umgebung, die häufigere soziale Interaktionen ermöglicht. Wenn Menschen die 80 erreichen, besteht oft ein hohes Risiko, dass sie sozial isoliert werden, vor allem, wenn sie in ihrem eigenen Haus leben. Ich hatte einen Professor an der Texas Tech University, der darüber geforscht hat, und er fand heraus, dass Menschen, die in ihren eigenen Häusern leben, bis in ihre späten 70er hinein glücklicher sind. Aber ab 80 sind Menschen, die in Wohnungen leben, sogar glücklicher als Menschen, die in Häusern leben, weil sie weniger Gefahr laufen, sozial isoliert zu werden.
Das andere, worüber wir wirklich nachdenken können: Wie legen wir uns solche Gewohnheiten zu, die es uns ermöglichen, unsere sozialen Kontakte aufrechtzuerhalten? Bedeutet das, regelmäßig ins Fitnessstudio zu gehen? Das tut man wahrscheinlich in erster Linie, um fit und gesund zu bleiben, aber auch, um soziale Kontakte zu pflegen. Oder man engagiert sich ehrenamtlich, als Dozent im Kunstmuseum zum Beispiel. Das klingt nach einer hervorragenden Möglichkeit, sich einer kleinen Herausforderung zu stellen, vor allem, wenn es einem Spaß macht, vor Menschen zu stehen. Wenn das etwas ist, das man gut kann, sollte man sich bemühen, diese Gewohnheit zu Beginn des Ruhestands zu etablieren. Andernfalls kann es durchaus leicht passieren, dass man vier oder fünf Jahre nach dem Eintritt in den Ruhestand denkt: »Das ist etwas, das ich tun sollte.« Aber dann kommt man vielleicht nicht mehr dazu, es tatsächlich zu tun.
Wenn man sich Regeln für seine Investitionen und einen Investitionsplan erstellt hat, muss man sich aber ebenso einen Plan machen, um herauszufinden, was man tatsächlich tun möchte. Man muss sich das rechtzeitig überlegen, damit man sich diese wichtigen und hilfreichen Gewohnheiten früh genug aneignen kann.
Christine: Ich habe darüber nachgedacht, wie wichtig es ist, sozial eingebunden zu sein, weil das dazu beiträgt, unser Gehirn aktiv zu halten. Aber auch das Gegenteil ist richtig: Wenn Menschen isoliert sind, können sich ihre sozialen Fähigkeiten verschlechtern, und das führt zu einer Art negativem Selbstläufer. Wenn sie nämlich völlig mit sich selbst beschäftigt sind und nur über das reden wollen, was in ihrer eigenen kleinen Welt vor sich geht, macht es nicht gerade Spaß, Zeit mit ihnen zu verbringen.
Michael: Das ist auf jeden Fall etwas, dessen man sich bewusst sein sollte. Ich bin ehrlich gesagt der Meinung, dass soziale Medien eine gute Sache sein können. Einige Social-Media-Gruppen von Rentnern haben sich zu etwas unglaublich Gesundem entwickelt. Die Leute sind gut gelaunt und gehen ehrlich miteinander um. Sie führen tiefgründige Gespräche mit anderen, die sich in der gleichen Situation befinden, und versuchen herauszufinden, was es bedeutet, in einem modernen Umfeld im Ruhestand zu sein. Das finde ich großartig.
Es gibt aber eben auch viele Möglichkeiten für ungesunde soziale Interaktion oder dafür, sich zu isolieren. Und du hast recht. Das wird zu einer Abwärtsspirale, man isoliert sich immer weiter. Viele Menschen haben, wenn sie älter werden, das Gefühl, unsichtbar zu werden. Das ist eine der Tragödien des Älterwerdens; es wird richtig schwer, sich für relevant zu halten oder zu glauben, dass man für andere wichtig ist.
Christine: Lass uns über einige andere Gewohnheiten sprechen, die Leute im Alter vielleicht verändern möchten. Und inwieweit ist es von Vorteil, wenn wir über diese Veränderungen, mit denen es uns besser gehen soll, im Voraus nachdenken?
Michael: Je älter wir werden, desto anfälliger werden wir für Betrügereien, da unsere Fähigkeit zu erkennen, wann wir von anderen ausgenutzt werden, mit 80 bis 90 Jahren nachlässt. Das ist nicht mehr so wie mit 60 oder 70. Wir müssen wissen, dass Verletzlichkeit ein wichtiger Bestandteil des Ruhestands ist – und uns darauf einstellen, dass wir uns dahin gehend im Alter verändern werden. Wir werden einige der Fähigkeiten verlieren, die wir hatten, als wir jünger waren. Es ist nur natürlich, dass wir tendenziell glauben, wir könnten über unseren gesamten Ruhestand hinweg die Person bleiben, die wir zu dessen Beginn waren. Aber die Daten zeigen, dass das nicht der Fall ist. Wir werden für viele Dinge anfälliger, und wenn wir das rechtzeitig erkennen, ist das am besten für uns.
Zum Beispiel ist es eine gute Idee, ein Alter festzulegen, in dem wir aus unserem Zuhause ausziehen und in eine andere Art von Lebensumgebung wechseln. Das ist besser, als wenn uns unsere Kinder zwingen, in eine Einrichtung für betreutes Wohnen zu gehen, in die wir vielleicht nicht unbedingt wollen.
Das ist nicht der richtige Weg. Niemand möchte diesen Übergang auf diese Weise erleben. Wenn wir erkennen, dass wir mit zunehmendem Alter in ein anderes Lebensumfeld ziehen wollen, dann sollten wir uns vorher ein wenig umsehen. Wir sollten herausfinden, wo wir leben wollen, in welcher Art von Wohnung wir leben wollen und wie viel das kostet, und wir sollten diesen Übergang irgendwann planen und damit beginnen, unsere Sachen zu verkaufen, um ihn möglichst einfach zu gestalten.
Einer der Gründe, warum wir im Ruhestand in Schwierigkeiten geraten, ist, dass wir nicht anerkennen, dass kognitiver und körperlicher Verfall unvermeidlich sind und wir in den späteren Phasen des Ruhestands andere Menschen sein werden als in den frühen Phasen.
Christine: Ich habe ein Ehepaar kennengelernt, das genau das getan hat, was du gerade vorgeschlagen hast – sie sind in ihren 70ern vorsorglich in eine Einrichtung für unabhängiges Wohnen gezogen, lange bevor viele Menschen diesen Schritt vollziehen. Sie sagten, sie wollten reisen und ihre Kinder nicht belasten. Das Erstaunliche ist, dass sie beide in ihren 90ern waren, als ich sie kennenlernte, aber sie sahen 20 Jahre jünger aus und verhielten sich auch so.
Michael: Eine mögliche Erklärung ist, dass sie nicht so in die soziale Isolation geraten sind. Wenn wir mit anderen Menschen kommunizieren, strengt uns das kognitiv sehr an. Es gibt so viele Bereiche unseres Gehirns, die dabei auf Hochtouren laufen. Wir speichern Dinge in unserem Gedächtnis. Wir versuchen zu erkennen, wie die andere Person reagiert. Wir suchen nach Anhaltspunkten. Das Gehirn ist wie ein Muskel, und wenn wir diesen Muskel nicht trainieren, kann er uns irgendwann im Stich lassen.
Sehen wir uns als Beispiel zwei unterschiedliche Menschen an: Einer ist mit Mitte 80 sozial und körperlich aktiv, und er sieht, wie du gesagt hast, aus, als wäre er vielleicht Anfang 70. Ein anderer, der sich gerade zur Ruhe gesetzt hat, hockt die ganze Zeit vor dem Fernseher und geht zum Bingo und hat seine sozialen Netzwerke oder seine körperlichen Fähigkeiten einigermaßen vernachlässigt. Die beiden sehen aus, als lägen sie 20 Jahre auseinander. Der eine sieht traurig aus und der andere lebendig. Diese Lebendigkeit sollten wir anstreben. Aber um das zu erreichen, müssen wir uns darüber im Klaren sein, wogegen wir kämpfen, und wir kämpfen gegen die Natur. Die Natur hat nicht vorgesehen, dass wir so lange leben. Das Einzige, was die Natur interessiert, ist, ob wir lange genug leben, um uns fortzupflanzen. Es gibt jedoch Beweise dafür, dass menschliche soziale Gruppen, deren Älteste das gebärfähige Alter weit überschritten haben, dem Rest der Gruppe Weisheit vermitteln, wodurch die jüngeren Generationen erfolgreicher werden. Es gibt also durchaus einen evolutionären Grund, warum wir noch eine ganze Weile am Leben bleiben. Aber irgendwann sind wir eben nicht mehr da. Es liegt an uns, dagegen anzukämpfen und uns die Fähigkeit zu erhalten, unser Leben bis ins hohe Alter zu genießen.
Was ich mitnehme
Zum Vertiefen
»Michael Finke: Here’s What Makes Retirees Happy«, morningstar.com, 2. Oktober 2019: https://morningstar.com/retirement/michael-finke-heres-what-makes-retirees-happy (zuletzt aufgerufen am 29. 4. 2025).
»Examining Financial Fraud Against Older Adults«, in: National Institute of Justice Journal, 20. März 2024: https://nij.ojp.gov/topics/articles/examining-financial-fraud-against-older-adults (zuletzt aufgerufen am 29. 4. 2025).
»Having Your Retirement Cake and Slicing It, Too«, morningstar.com, 30. September 2021: https://morningstar.com/economy/having-your-retirement-cake-slicing-it-too (zuletzt aufgerufen am 29. 4. 2025).
Wie Sie das Fundament legen
Fritz Gilberts Karriere hatte nichts mit Finanzen oder Ruhestandsplanung zu tun. Aber er gibt einen der hilfreichsten Blogs über den Ruhestand heraus: The Retirement Manifesto. Einer der Hauptgründe, warum Fritz’ Blog so gut ankommt, ist, dass er alles, worüber er schreibt, selbst erlebt hat. Er hat 2018 seinen Job in einem Unternehmen aufgegeben und berichtet offen über die Höhen und Tiefen des neuen Ruhestands sowie über die Planung, dank der alles reibungslos ablaufen kann. Fritz geht in seinem Blog auch unglaublich praktisch und konkret an das Thema heran. Er sagt, dass sein beliebtester Beitrag von den Schritten handelt, die man vor dem Ruhestand unternehmen sollte – in denen es nicht nur darum geht, sich einen Plan für seine Tage zu erstellen und herauszufinden, wie viel man zum Leben braucht, sondern auch darum, lästige Details zu regeln, zum Beispiel die Weiterleitung persönlicher E-Mails an die private Adresse und die Nachverfolgung von Änderungen bei den Ausgaben. Das ist das Gebiet, über das ich ihn bat zu sprechen: Welche Schritte sollte man unternehmen, bevor man in Rente geht?
Christine Benz: Ich möchte zunächst darüber sprechen, wie man einen Termin für den Ruhestand festlegt. Hast du dazu irgendwelche hilfreichen Erkenntnisse oder Ratschläge?
Fritz Gilbert: Ich erinnere mich, dass die Leute zu mir sagten: »Du merkst es dann schon, wenn es an der Zeit ist.« Und ich habe mich immer gefragt: »Was soll das heißen?« Aber es stimmt. Bei mir und bei vielen Menschen, mit denen ich gesprochen habe, war es genau so.
Ich weiß nicht, woran es letztendlich genau liegt. Manche sind ausgebrannt, andere haben den Termin geplant, wieder andere schauen einfach auf ihre Finanzen und richten sich danach. Natürlich sind die Finanzen ein wesentlicher Faktor. Solange die finanzielle Situation nicht passt, spielt der Rest keine Rolle. Man muss es finanziell so weit gebracht haben, dass man den Ruhestand finanzieren kann. Das ist letztlich der entscheidende Faktor.
Aber wenn man seine Finanzen im Blick hat, kommt man an den Punkt, an dem man weiß, wann genau es so weit sein wird, und wenn man vernünftig plant, weiß man mindestens ein Jahr im Voraus, wann der richtige Zeitpunkt zum Aufhören ist.
Ich ermutige die Leute dazu, dieses letzte Jahr zu nutzen und über alle nicht finanziellen Aspekte des Ruhestands nachzudenken, um sicherzustellen, dass man auch emotional und mental auf diesen Übergang vorbereitet ist. Wenn man die finanziellen Aspekte geordnet hat und einige Zeit über die nicht finanziellen nachgedacht hat, wird sich das »Wann« aus diesen beiden ergeben.
Christine: Einige der Personen, die ich für dieses Buch interviewt habe – Laura Carstensen aus Stanford und der Ruhestandsforscher Michael Finke –, haben darüber gesprochen, dass sich viele Menschen ganz bewusst dafür entscheiden, in irgendeiner Form weiterzuarbeiten. Arbeit bietet oft einen Sinn im Leben, ein gewisses Maß an körperlicher Aktivität und soziale Interaktion. Würdest du zustimmen, dass es für viele Menschen möglicherweise besser ist weiterzuarbeiten?