HR-Analytics - Greta Ontrup - E-Book

HR-Analytics E-Book

Greta Ontrup

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Beschreibung

Die Zukunft des Personalwesens ist datengestützt – so die These dieses Buches, das sich aus arbeits- und organisationspsychologischer Perspektive mit dem Einsatz von Datenanalyse und Künstlicher Intelligenz im Human Resource Management befasst. HR-Analytics (auch: People Analytics oder Workforce Analytics) umfasst hierbei alle Prozesse, bei denen Daten der Mitarbeitenden gesammelt, ausgewertet und dahingehend aufbereitet werden, dass die Analyseergebnisse als Entscheidungsgrundlage für strategische Unternehmensfragen genutzt werden können. In diesem Buch wird aufgezeigt, wie HR-Analytics einen Beitrag zum strategischen Unternehmenserfolg leisten kann und welche Rahmenbedingungen beachtet werden müssen, um die Akzeptanz aller beteiligten Personengruppen im Unternehmen sicherzustellen. Es bietet eine Orientierungshilfe im Hinblick auf Fragen wie: Welche Personengruppen muss ich auf welche Art und Weise informieren? Welche technischen, organisationalen und rechtlichen Rahmenbedingungen sind zu beachten? Wird HR-Analytics von den Beschäftigten akzeptiert? Wie kann ein erstes HR-Analytics-Projekt im Unternehmen aussehen? Was können mir Daten sagen – und was nicht? Den Leserinnen und Lesern wird das erforderliche Grundwissen vermittelt, um Sinnhaftigkeit, Möglichkeiten und Rahmenbedingungen von datengestütztem Personalmanagement zu reflektieren und auf diese Weise zu einer verantwortungsvollen Gestaltung von HR-Analytics-Projekten beizutragen. Praktische Anwendungsbeispiele aus den Bereichen Rekrutierung, Leistungsbeurteilung, Training, Personalentwicklung, Kompetenzmanagement, Talent Management sowie Personalbindung und Personalplanung runden den Band ab. Darüber hinaus enthält das Buch einen detaillierten Leitfaden, der insbesondere in mittelständischen Unternehmen bei der erstmaligen Durchführung eines HR-Analytics-Projektes unterstützen kann, und der nach erfolgter Registrierung zusätzlich von der Hogrefe Website heruntergeladen werden kann.

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Greta Ontrup

Vera Hagemann

Annette Kluge

HR-Analytics

Eine Einführung in ganzheitliches, datengestütztes Personalmanagement

Wirtschaftspsychologie

HR-Analytics

Dr. Greta Ontrup, Prof. Dr. Vera Hagemann, Prof. Dr. Annette Kluge

Begründer der Reihe:

Prof. Dr. Heinz Schuler

Dr. Greta Ontrup. Seit 2018 wissenschaftliche Mitarbeiterin am Lehrstuhl für Arbeits-, Organisations- und Wirtschaftspsychologie an der Ruhr-Universität Bochum. Forschungsschwerpunkte: Teamarbeit in Organisationen, HR-Analytics, Proaktivität in Arbeitsteams.

Prof. Dr. Vera Hagemann. Seit 2018 Professorin für Wirtschaftspsychologie und Personalwesen an der Universität Bremen. Forschungsschwerpunkte: Teamarbeit, Personalentwicklung, Feedback, Human-AI Teaming, HR-Analytics.

Prof. Dr. Annette Kluge. Seit 2014 Professorin für Arbeits-, Organisations- und Wirtschaftspsychologie an der Ruhr-Universität Bochum. Forschungsschwerpunkte: Lernen und Vergessen als Voraussetzung für Veränderungen in Organisationen, Kompetenzerwerb und -erhalt im Rahmen von Safety Management, Digitalisierung und Digitale Assistenz, menschenzentrierte KI-Entwicklung und HR-Analytics.

Wichtiger Hinweis: Der Verlag hat gemeinsam mit den Autor:innen bzw. den Herausgeber:innen große Mühe darauf verwandt, dass alle in diesem Buch enthaltenen Informationen (Programme, Verfahren, Mengen, Dosierungen, Applikationen, Internetlinks etc.) entsprechend dem Wissensstand bei Fertigstellung des Werkes abgedruckt oder in digitaler Form wiedergegeben wurden. Trotz sorgfältiger Manuskriptherstellung und Korrektur des Satzes und der digitalen Produkte können Fehler nicht ganz ausgeschlossen werden. Autor:innen bzw. Herausgeber:innen und Verlag übernehmen infolgedessen keine Verantwortung und keine daraus folgende oder sonstige Haftung, die auf irgendeine Art aus der Benutzung der in dem Werk enthaltenen Informationen oder Teilen davon entsteht. Geschützte Warennamen (Warenzeichen) werden nicht besonders kenntlich gemacht. Aus dem Fehlen eines solchen Hinweises kann also nicht geschlossen werden, dass es sich um einen freien Warennamen handelt.

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Deutschland

Tel. +49 551 999 50 0

Fax +49 551 999 50 111

[email protected]

www.hogrefe.de

Umschlagabbildung: © iStock.com by Getty Images / peshkov

Satz: Sabine Rosenfeldt, Hogrefe Verlag GmbH & Co. KG, Göttingen

Format: EPUB

1. Auflage 2024

© 2024 Hogrefe Verlag GmbH & Co. KG, Göttingen

(E-Book-ISBN [PDF] 978-3-8409-3112-3; E-Book-ISBN [EPUB] 978-3-8444-3112-4)

ISBN 978-3-8017-3112-0

https://doi.org/10.1026/03112-000

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Diese Bestimmungen gelten gegebenenfalls auch für zum E-Book gehörende Download-Materialien.

Zitierfähigkeit: Dieses EPUB beinhaltet Seitenzahlen zwischen senkrechten Strichen (Beispiel: |1|), die den Seitenzahlen der gedruckten Ausgabe und des E-Books im PDF-Format entsprechen.

|5|Vorwort

Liebe Leserin, lieber Leser,

als Wissenschaftlerinnen interessiert uns, was in Organisationen passiert, wie sich Arbeitsinhalte und Arbeitsprozesse verändern und was dies mit den Menschen in Organisationen macht. Gleichzeitig bereiten wir als Dozentinnen unsere Studierenden auf die Arbeitswelt von morgen vor und möchten ihnen zukunftsrelevantes Wissen und Fertigkeiten für ihre Tätigkeiten in Personalabteilungen, Beratungen, etc. vermitteln. Dabei fragen wir uns regelmäßig: Was für Wissen und Fertigkeiten sollten wir vermitteln? Was „braucht“ die Arbeitswelt von morgen?

Seit einigen Jahren sehen wir, dass in Wissenschaft und Praxis die Bedeutsamkeit von datengestützten Personalmanagementpraktiken diskutiert wird. Unter dem Begriff HR-Analytics werden auf Daten gestützte Personalentscheidungen als der „Game Changer“ für das Personalmanagement propagiert: Mehr strategischer Einfluss der Personalabteilung und Entscheidungen von höherer Qualität, das sind einige der versprochenen positiven Effekte von HR-Analytics. Gleichzeitig wird vor negativen Effekten gewarnt: Reduzieren wir Menschen auf Zahlen, wenn wir HR-Analytics anwenden und entmenschlichen wir so die Arbeit der Personalabteilung?

Wir sind davon überzeugt, dass beide Seiten der Medaille wichtig sind und beleuchtet werden sollten. Datengestütztes Personalmanagement kann strategisch zum Unternehmenserfolg beitragen – aber nur, wenn es aus arbeits- und organisationspsychologischer Sicht ganzheitlich gestaltet wird.

Wie eine ganzheitliche Gestaltung von HR-Analytics aussehen kann, möchten wir Ihnen in diesem Buch vermitteln. Einer Sorge möchten wir direkt begegnen: Auch wenn es um den Einsatz von Daten und Technologien im Personalmanagement geht, ist dies weder ein statistik- noch ein technologiezentriertes Buch. Im Fokus steht für uns die sinnvolle und verantwortungsvolle Anwendung von HR-Analytics. Wir möchten Ihnen Grundwissen vermitteln, um aus arbeits- und organisationspsychologischer Perspektive Sinnhaftigkeit, Möglichkeiten und Rahmenbedingungen von HR-Analytics zu reflektieren: Unter welchen Bedingungen und für welche Fragestellungen kann HR-Analytics funktionieren? Wie kann den Bedürfnissen aller beteiligter Personengruppen Rechnung getragen werden? Welche Kompetenzen sind notwendig, um HR-Analytics durchzuführen? An welchen Anwendungsbeispielen können wir uns orientieren? Für uns als Wissenschaftlerinnen ist es dabei folgerichtig, dass wir zur Beantwortung dieser Fragen in die wissenschaftliche Literatur schauen. Wir werden Ihnen Einblicke in zentrale arbeits- und organisationspsychologische Erkenntnisse geben, um Ihnen so Orientierungshilfen an die Hand zu geben.

Wir möchten Dr. Marc Hesenius einen Dank aussprechen, der uns mit seiner technischen Expertise unterstützt und so verhindert hat, dass sich bei den technischen Beschreibungen von KI, Big Data, etc. Fehler einschleichen. Danke auch an Paula Volkmann und Thomas Schmitz, die uns gerade im Endspurt mit dem Buch großartig unterstützt und sehr viel Fleißarbeit abgenommen haben.

Unser Ziel ist es, Ihnen mit diesem Buch einen Überblick, konkrete Handlungsanweisungen und Anwendungsbeispiele für menschzentriertes HR-Analytics und Ihr erstes HR-Analytics-Projekt mitzugeben. Wir stellen uns vor, dass Sie als Praktiker:innen, als Studierende, |6|als Wissenschaftler:innen und als Interessierte in diesem Buch Anregungen finden, um den Diskurs um HR-Analytics gestalterisch zu prägen. Inspiriert wurden wir beim Schreiben dieses Buches unter anderem von Yuval Noah Harari, der das Buch Eine kurze Geschichte der Menschheit mit dem Satz beendet: „Was wollen wir wollen“? Wir glauben, dass dies eine Frage ist, die wir uns auch für datengestütztes Personalmanagement stellen sollten: Unabhängig der technischen Möglichkeiten – was wollen wir wollen? Wir wünschen uns eine Zukunft des Personalmanagements, der es gelingt, gleichzeitig auf Daten und auf den Menschen zu schauen.

Wir hoffen, Sie haben beim Lesen so viel Freude, wie wir beim Schreiben.

Bochum und Bremen, im Herbst 2023

Greta Ontrup,

Vera Hagemann und

Annette Kluge

Inhaltsverzeichnis

Vorwort

Teil I: Grundlagen

1  HR-Analytics und Künstliche Intelligenz im Personalmanagement: Möglichkeiten und strategische Ausrichtung

1.1  Einführung

1.1.1  Was wird Ihnen dieses Buch nicht vermitteln?

1.1.2  Was können Sie durch dieses Buch lernen?

1.2  Was verstehen wir unter Human Resource-Analytics?

1.2.1  Definition von Human Resource-Analytics

1.2.2  HR-Analytics und Evidence-Based Management

1.2.3  Exkurs: E-HRM

1.2.4  Reifegradmodelle von HR-Analytics

1.2.5  Verschiedene Arten von HR-Analytics-Projekten

1.3  Die Begriffe Big Data, KI und automatisierte Entscheidungen

1.4  Wie funktioniert HR-Analytics?

1.5  Was bringt HR-Analytics?

2  Technische und organisationale Rahmenbedingungen

2.1  Technische Rahmenbedingungen

2.1.1  Technologisch generierte Daten: Datenbestandsanalyse

2.1.2  Datenintegration

2.1.3  Datenqualität

2.2  Organisationale Rahmenbedingungen

2.2.1  Organisationskultur

2.2.2  Gerechtigkeit in Organisationen

2.2.3  Vertrauen der Mitarbeiter:innen

2.2.4  Einfluss von Kultur, Gerechtigkeit und Vertrauen auf die Invasivität von HR-Analytics

3  Gesetzliche und gesellschaftliche Rahmenbedingungen

3.1  Eine Gedankenreise

3.2  Gesetzliche Rahmenbedingungen

3.3  Gesellschaftliche und ethische Rahmenbedingungen

4  Ein Leitfaden für die Durchführung von HR-Analytics-Projekten

5  Kompetenzen für HR-Analytics: Die Rolle von HR-Analyst:innen

5.1  Kompetenzen und Kompetenzmodelle

5.2  HR-Kompetenzmodelle

5.3  HR-Analyst:in

5.4  Interdisziplinäre Teamarbeit

5.5  HR-Analyst:in im interdisziplinären Teamarbeitskontext

5.6  Fazit

6  HR-Analytics und Stakeholder Management

6.1  Der Ansatz des Stakeholder Managements

6.2  Etablierung eines Stakeholder-Dialogs

6.2.1  Auswahl der Stakeholder

6.2.2  Stakeholder Alignment

6.2.3  Die Landkarte der Messgrößen

6.3  Die Rolle der internen Unternehmenskommunikation

Teil II: Anwendung

7  HR-Analytics in der Personalrekrutierung

7.1  Der Rekrutierungsprozess

7.1.1  Anforderungsanalyse

7.1.2  Personalmarketing/Employer Branding

7.1.3  Personalauswahl/Eignungsdiagnostik

7.1.4  Evaluation

7.2  Von analoger zu digitaler KI-basierter Rekrutierung

7.2.1  E-Recruiting

7.2.2  KI-Recruiting

7.3  Recruiting Analytics

7.4  Psychologische Betrachtung von digitalisierter und KI-basierter Rekrutierung

7.4.1  Urteilsverzerrungen

7.4.2  Erklärbarkeit und Kontrolle

7.4.3  Motivation der Recruiter:innen

7.4.4  Fairness von KI-Systemen

7.5  Abschließende Betrachtung

8  HR-Analytics in der Leistungsbeurteilung

8.1  Leistung sowie Sinn und Zweck der Leistungsbeurteilung

8.2  Elektronische Leistungsbeurteilung und ihre Varianten

8.3  Chancen von elektronischer Leistungsbeurteilung

8.4  Herausforderungen bei der Nutzung von elektronischer Leistungsbeurteilung

8.5  Performance Analytics

8.6  Abschließende Betrachtung

9  HR-Analytics im Kontext von Lernen und Entwicklung: Training, Personalentwicklung, Kompetenzmanagement und Talent Management

9.1  Technologische Trends als Grundlage von Training, Learning und Development Analytics

9.2  Learning Analytics und Learning Experience Management

9.3  Actionable Analytics in der Personalentwicklung

9.4  HR-Analytics und Kompetenzmanagement

9.5  HR-Analytics und Talent Management

9.6  Abschließende Betrachtung

10  HR-Analytics im Kontext von Personalbindung und Personalplanung

10.1  Fluktuation und Bindung

10.2  Turnover Analytics

10.3  Turnover Analytics und Personalbindungsmaßnahmen

10.4  Die Rolle von arbeitsbezogenen Einstellungen für die Fluktuation

10.5  Strategische Personalplanung

10.6  Workforce Planning Analytics

10.7  Abschließende und integrierende Betrachtung

Anhang

Literatur

Leitfaden zur Durchführung von HR-Analytics-Projekten (insbesondere in mittelständischen Unternehmen)

Hinweise zu den Online-Materialien

|11|Teil I: Grundlagen

|13|1  HR-Analytics und Künstliche Intelligenz im Personalmanagement: Möglichkeiten und strategische Ausrichtung

1.1  Einführung

“Reasons Why Employees Hate HR”: Die Human Resource (HR)-Abteilung trägt nicht zum Unternehmenserfolg bei. HR arbeitet weder objektiv noch fair. HR bedeutet Verwaltung und Büropolitik – für strategische Unternehmensbeiträge ist HR zu inkompetent. Die von Heathfield (2021) provokant formulierten Thesen zur Unbeliebtheit der Personalabteilung spiegeln auf extreme Art eine verbreitete Sichtweise auf die Personalabteilung wider. Der Tenor lässt sich zusammenfassen in: HR hat das falsche Mindset, die falschen Skills, den falschen Fokus und die falsche Kommunikation, um bei den entscheidenden, strategischen Unternehmensfragen mitzureden (Hammonds, 2018). Diese einleitenden Worte malen im besten Fall das Bild eines verstaubten Human Resource Managements (HRM) – im schlechtesten Fall zeichnen sie HR als sinkendes Schiff.

Nun ist die Perspektive eines sinkenden Schiffes vermutlich nicht das, was Sie sich vorgestellt haben zu lesen und zu lernen, als Sie dieses Buch aufgeschlagen haben. Das sinkende Schiff soll auch nicht die Metapher des Buches sein, denn die eingeführten Stimmen bleiben nicht ohne Widerspruch. Den Aussagen widersprechen Stimmen, die die Rolle von HR als Brückenbauer zwischen Unternehmens- und Mitarbeiter:inneninteressen hervorheben und den wertschöpfenden Beitrag von HR betonen (Reindl & Krügl, 2017). Dieses Buch teilt die Vision eines wertschöpfenden HRM. Denn wenngleich die Vision des strategischen HRM, von HR als strategischem Partner, keine neue Idee ist (Barney & Wright, 1998), so führen drastische Veränderungen in unserer Arbeitswelt aktuell dazu, dass HR die Chance ergreifen kann, das verstaubte Image abzulegen und eine neue Funktion im Unternehmensgefüge einzunehmen. Die aktuellen Veränderungen sind getrieben durch eine wachsende Datenmenge, ein Daten-Meer, durch und auf dem HR schwimmt. Das Meer speist sich aus Mitarbeiter:innen- und Unternehmensdaten, aber auch aus externen Quellen, und HR kommt zunehmend die entscheidende Rolle zu, das Unternehmen auf der Basis dieses Daten-Meers zu navigieren und zu leiten. Im Sinne dieser Metapher liegt die Zukunft des HRM darin, das Daten-Meer zu verstehen und daraus Empfehlungen für den einzuschlagenden Kurs abzuleiten.

Der Einsatz von Daten und statistischen Analysen im HRM wird unter dem Schlagwort Human Resource-Analytics (HR-Analytics) diskutiert (Marler & Boudreau, 2017). Wachsende Bestände verfügbarer Daten und die Analyse eben dieser sollen als Werkzeuge dienen, um die weit verbreitete administrative Rolle des HRM abzulösen und durch eine strategischere Rolle zu ersetzen. Das bedeutet für das HRM, Entscheidungsprozesse datengetrieben und evidenzbasiert zu begleiten. Verfechter:innen von HR-A versprechen dadurch einen größeren Einfluss der Personalabteilung auf wichtige Unternehmensentscheidungen. HR-A wird als Lösung gesehen, das oben gezeichnete negative Image abzulegen. So soll HR durch den Einbezug von Daten und Datenanalysen in Entscheidungsprozesse eine strategischere Ausrichtung bekommen, was im Endeffekt als Wettbewerbsvorteil für das gesamte Unternehmen gesehen wird (McIver, Lengnick-Hall & Lengnick-Hall, 2018). Zudem sollen bisher häufig als subjektiv und intuitiv skizzierte Entscheidungsfindungen durch den Einbe|14|zug von Datengrundlagen unterstützt – nicht ersetzt – werden, sodass diese objektiver und fairer gestaltet werden können. Davon ist die Personalarbeit in all ihren Funktionsbereichen betroffen, vom Employer Branding über die Rekrutierung zur Leistungsbeurteilung bis hin zur Personalbindung (Isson & Harriott, 2016; Marler & Boudreau, 2017).

Beispiele für Fragestellungen für HR-A

HR-A kann als Werkzeug dienen, um strategische Fragestellungen in verschiedenen Personalarbeitsbereichen zu beantworten. Beispiele für solche Fragestellungen, welche wir im Verlauf des Buches erneut aufgreifen werden, sind:

Wie viele Bewerbungen wird eine Stellenanzeige pro Kanal generieren? (Recruiting Analytics)

Hängen Charakteristika der Abteilungen (z. B. Arbeitszeiten, Arbeitszeitmodelle, Führungsstrukturen) mit der Leistung der Mitarbeiter:innen zusammen? (Performance Analytics)

Führen mehr Trainingsangebote zu einer geringeren Kündigungsabsicht bei den Beschäftigten? (Training & Learning Analytics)

Sollte ein Onboarding-Programm, welches zu einem Leistungsanstieg in den ersten sechs Monaten führt, der danach jedoch verschwindet, beibehalten werden? (Development Analytics)

Gibt es Gruppen von Mitarbeiter:innen (Cluster), die sich in ihren Wünschen und Bedürfnissen im Hinblick auf Personalbindungsangebote ähnlich sind? (Turnover Analytics)

Bei den skizzierten positiven Aussichten stellt sich die Frage, wieso nicht längst alle Personalabteilungen auf durch HR-A gesteuerte Schiffe setzen. Die Nutzung von HR-A-Strategien ist im deutschsprachigen Raum noch wenig verbreitet (Guenole, Feinzig, Green & Zhang, 2017). Gründe hierfür sind, dass die Verwendung und Verknüpfung von Personaldaten häufig mit Datenschutz- und Privatsphäreverletzungen assoziiert wird (Applin & Fischer, 2013). Die negative Presse, die Datenskandale auslösen, wirkt abschreckend und signalisiert „Gefahr“ im unternehmensinternen Sammeln und Analysieren personalbezogener Daten. Ende des Jahres 2019 ging beispielsweise der Datenskandal um die Modekette H&M durch die Presse, bei welchem sensible private Informationen und Gesundheitsdaten der Mitarbeiter:innen ohne Zustimmung von Führungskräften digital und zugänglich dokumentiert worden seien (Dannewitz, 2019). Das geht mit einer großen Unsicherheit und vielen Fragezeichen um das Thema Datenschutz und Datenrechtssicherheit einher: Welche Daten darf ich auf welchem Weg sammeln? Welche Daten darf ich integrieren? Muss ich meine Mitarbeiter:innen in jedem Einzelfall über Zweck und Ziel der Datensammlungen informieren? Mit dem Einsatz von Big Data, Künstlicher Intelligenz (KI) und automatisierten Entscheidungen stellen sich darüber hinaus moralische und ethische Fragen: Darf ein Algorithmus Bewerbungsunterlagen selektieren? Kann Künstliche Intelligenz objektiv sein? (Reindl & Krügl, 2017). KI-Systeme im Bereich der Rekrutierung werden von der Europäischen Kommission als Hochrisikosysteme eingestuft und unterliegen damit strengen Regularien (Europäische Kommission, 2021). Der Einsatz von HR-A ist damit nicht nur eine technische Frage, sondern es ist unabdingbar, dass sich Organisationen mit rechtlichen, ethischen und organisationskulturellen Fragen auseinandersetzen.

Zusammengefasst befinden sich viele Organisationen im Spannungsfeld zwischen der Frage nach dem erhofften Wettbewerbsvorteil durch analytische HR-Strategien und den lähmen|15|den antizipierten Schwierigkeiten im rechtssicheren Datenhandling sowie offenen moralischen und ethischen Fragen. Etablieren wir mit HR-A objektive, faire und effiziente Personalstrategien? Oder schaffen wir gläserne Mitarbeiter:innen und schüren Misstrauen im Angesicht von Datenschutz- und Privatsphärebedenken?

Was wir beobachten können, ist: Die Personalarbeit verändert sich, und die Zukunft des HRM wird zunehmend von Daten, Analysen, Technik, Künstlicher Intelligenz und automatisierten Entscheidungen bestimmt. Dieses Buch ist von dem Gedanken geleitet, dass es neben der Schwarz-Weiß-Debatte um das Thema HR-A viele Graustufen gibt, die es auszuloten und zu navigieren gilt. Wir gehen dabei davon aus, dass es lohnend ist, auf das Analytics-getriebene HR-Schiff zu setzen. Wir gehen jedoch auch davon aus, dass es dabei von entscheidender Bedeutung ist, die richtigen Fragen zu stellen, um einen ethischen, gewinnbringenden Kurs einzuschlagen. In dem Sinne drehen sich die Inhalte dieses Buches um die Frage, wie wir unser psychologisches Wissen über die Wahrnehmung und Motive des Menschen und die Abläufe und Prozesse in Organisationen dafür nutzen können, akzeptierte, ethische und gewinnbringende HR-A-Prozesse zu gestalten.

1.1.1  Was wird Ihnen dieses Buch nicht vermitteln?

Im Rahmen verschiedener Debatten um das weite Themenfeld „Datenanalyse im HRM“ begegnen uns wiederholt zwei Arten von Reaktionen. Zunächst weckt das Thema bei vielen Personen die „Statistik-Angst“. Die Statistikausbildung liegt vielleicht weit zurück, ist nicht vorhanden – oder mathematische Zusammenhänge zu verstehen oder zu nutzen, hat noch nie Spaß gemacht. Die Idee, Personalarbeit datengestützt zu gestalten, führt vielfach zu der Vorstellung, dass Personalarbeit nun bedeutet, die Rolle eines Data Scientists einzunehmen. Dass HR-Arbeit nun also Mathematik und Statistik statt Menschen und Beziehungen bedeutet. Die zweite Reaktion bezieht sich auf den technologisch rasanten Fortschritt. Dabei kommen Zweifel daran auf, wie sinnvoll es ist, ein Buch über Technologien zu schreiben, wenn sich diese doch so rasant verändern. So ist anzunehmen, dass sich die Technologien vom Zeitpunkt des Schreibens bis zum Zeitpunkt des Publizierens eines Buches weiterentwickelt haben.

Wir möchten diesen beiden Fragen nachkommen: In diesem Buch geht es weder darum, eine Statistikausbildung anzufangen, nachzuholen oder auszubauen. Es geht auch nicht darum (nicht mehr), aktuelle Technologien in ihrer Funktionsweise zu diskutieren und zu verstehen. Denn obgleich ein datengestütztes HRM nicht ohne Technologie, Daten und die Analyse dieser auskommt, soll dieses Buch vermitteln, dass es bei all dem nicht um Einsen und Nullen, sondern nach wie vor um Entscheidungen in Bezug auf Menschen geht und um die geschickte Einbindung der Technologie und der Statistik in altbekannte Prozesse. Wir möchten dabei die Frage nach dem Vorgehen und der Gestaltung von datengestützten HR-Prozessen in den Fokus rücken, welche im Kern unabhängig von der aktuellen Technologie oder durchgeführten Analyse sind. Auch wenn wir uns im Folgenden zur Veranschaulichung aktueller (technologischer) Beispiele bedienen werden, sind diese eben genau das – Beispiele.

1.1.2  Was können Sie durch dieses Buch lernen?

In diesem Buch stehen also nicht die Technik oder die Statistik im Vordergrund, sondern die Möglichkeiten und die Sinnhaftigkeit von verschiedenen Formen des Datensammelns |16|und -auswertens sowie die sinnvolle und verantwortungsvolle Anwendung und Unterstützung ebensolcher Prozesse. Unabhängig davon, welche Technologien wir uns anschauen und welche Daten analysiert werden sollen, stellen sich ähnliche Fragen: Welche Personengruppen muss ich auf welche Art und Weise informieren? Welche technischen und rechtlichen Rahmenbedingungen sind zu beachten? Werden HR-A-Prozesse von Mitarbeiter:innen akzeptiert? Wie kann ein erstes HR-A-Projekt in einem Unternehmen aussehen? Was können mir Daten sagen – und was nicht? Dieses Buch orientiert sich an arbeits- und organisationspsychologischen Erkenntnissen, die sich mit dem menschlichen Erleben und Verhalten in Organisationen beschäftigen, und bietet auf dieser Basis eine Orientierungshilfe im Hinblick auf Fragen dieser Art. In diesem Buch werden wir uns zunächst den allgemeinen technologischen, organisationalen, gesetzlichen und gesellschaftlichen Rahmenbedingungen widmen. Im Gastbeitrag von Jonas Galemann wird ein ausführlicher Leitfaden für die Durchführung von HR-A-Projekten vorgestellt, welcher insbesondere bei der erstmaligen Durchführung von HR-A in mittelständischen Unternehmen unterstützen kann. Anschließend reflektieren wir die Frage, welche Kompetenzen aufseiten von HR für die Durchführung der beschriebenen Schritte, Prozesse und Projekte notwendig sind und wie sich diese in der Aus- und Weiterbildung von HR-Analyst:innen etablieren lassen. Das Thema der Kommunikation – welche Personen sollten Sie wann, wie informieren – werden wir unter dem Schlagwort „Stakeholder Management“ bearbeiten, bevor wir zu Anwendungsbeispielen für die Personalarbeitsbereiche Rekrutierung, Leistungsbeurteilung, Training, Personalentwicklung und Kompetenzmanagement sowie Personalbindung und Personalplanung kommen.

Nicht zuletzt wegen der dargestellten Kontroverse um das Thema soll dieses Buch dazu beitragen, Arbeits-, Organisations- und Wirtschaftspsycholog:innen auszubilden, die den Diskurs um HR-A nicht nur verstehen, sondern führen, leiten und lenken können, um die Zukunft des HRM entscheidend mitzugestalten. Wir hoffen, dass das Buch Handwerkszeug zu diesem Zweck vermittelt und Ihnen die Brücke zu den Kompetenzen aufzeigt, die Sie als Leser:innen, Praktiker:innen, Studierende bereits mitbringen und einsetzen können, um die Zukunft des HRM strategisch gewinnbringend und humanzentriert zu gestalten.

1.2  Was verstehen wir unter Human Resource-Analytics?

1.2.1  Definition von Human Resource-Analytics

Human Resource-Analytics, kurz HR-Analytics, verfolgt das Ziel, Daten in Bezug auf Mitarbeiter:innen zu sammeln, zu analysieren und aufzubereiten, sodass diese als Entscheidungsgrundlage für strategische Unternehmensfragen dienen können (Marler & Boudreau, 2017). Dabei wird nicht immer von HR-Analytics gesprochen, beispielhaft finden auch die Begriffe People Analytics und Workforce Analytics Verwendung (Tursunbayeva, Di Lauro & Pagliari, 2018). Da die Begrifflichkeit HR-Analytics in Europa weit verbreitet ist (van der Laken, 2018) und den Fokus auf die Rolle und Funktion der HR-Abteilung legt (van den Heuvel & Bondarouk, 2017), werden wir im Buch von HR-Analytics (im Folgenden abgekürzt als HR-A) sprechen, wobei wir die Begrifflichkeiten People oder Workforce Analytics als Synonyme ansehen.

|17|Definition: HR-Analytics

Unter HR-Analytics (HR-A) verstehen wir eine auf Informationstechnologie gestützte HR-Praxis, welche zur Beantwortung einer unternehmensrelevanten Fragestellung unternehmensinterne und externe Daten auf ethische Art und Weise unter Einbeziehung der Stakeholder integriert, analysiert, an diese rückkoppelt und die Analyseergebnisse als Entscheidungsgrundlage in Bezug auf strategische Unternehmensfragen heranzieht. Dies ist in Abbildung 1 grafisch verdeutlicht.

Abbildung 1:  Im Rahmen von HR-Analytics-Prozessen werden Daten zur strategischen Entscheidungsfindung analysiert.

HR-A umfasst alle Prozesse, bei denen zur Beantwortung einer unternehmensrelevanten Fragestellung mitarbeiter:innenbezogene Daten ethisch gesammelt, ausgewertet und kommuniziert werden und die Analyseergebnisse als Entscheidungsgrundlage herangezogen werden (Falletta & Combs, 2021). Die finale Entscheidung, also die Frage nach der Interpretation, der Kommunikation und den schlussendlichen Handlungsentscheidungen, liegt immer noch beim Menschen. Damit wird HR-A als ein Prozess zur Unterstützung oder Erweiterung üblicher Personalarbeitsprozesse diskutiert, es geht nicht um einen Ersatz menschlicher Entscheidungen durch Daten und Statistik (Davenport, Harris & Shapiro, 2010). HR-A zielt darauf ab, aktive Forschung innerhalb des Unternehmens und Experimente zur Generierung von Evidenz zu steigern (Falletta & Combs, 2021). Diese durch die Evidenz erweiterte Entscheidungsgrundlage soll dann zu objektiveren, valideren, besseren Entscheidungen für Mitarbeiter:innen und Organisationen führen (King, 2016).

Sie können sich HR-A als zusätzliches Werkzeug vorstellen, welches strategische, evidenzbasierte Entscheidungen ermöglicht.

Denken Sie z. B. an die Planung Ihrer nächsten Dienstreise. Für eine Konferenz reisen Sie nach Portugal und Sie möchten Ihren Koffer packen: Wie entscheiden Sie, was Sie einpacken? Vielleicht waren Sie schon einmal in Portugal und erinnern sich an warme Temperaturen. Sie könnten sich auch auf Berichte des Reisebüros oder von Kolleg:innen verlassen (im Juli ist es heiß in Portugal). Oder Sie greifen zur Wetter-App, die auf |18|der Basis verfügbarer Daten Prognosen für die Zukunft abgibt: Nächste Woche wird es ungewöhnlich kalt für portugiesische Verhältnisse. Der Einbezug dieser prädiktiven Analysen der Wettervorhersage in Ihre Entscheidung liegt bei Ihnen. Vielleicht packen Sie zur Sicherheit ein paar dickere Pullover ein?

Im HR-Kontext mag es nun statt Kleidung beispielsweise um Kompetenzen gehen und die Frage danach, welche davon in welchem Unternehmensbereich in den kommenden Jahren benötigt werden. Auch hier könnten wir uns auf unsere eigene Erfahrung beziehen oder auf Meinungen von anderen berufen. Oder wir kombinieren Daten aus unserem Wissensmanagementsystem (Kompetenzmatrix) mit Daten, die wir aus externen Jobportalanzeigen gewinnen (geforderte Kompetenzen) und schauen uns an, ob die auf dem Jobmarkt geforderten Kompetenzen auch durch die eigenen Mitarbeiter:innen abgedeckt werden. Wir könnten zusätzlich simulieren, was passiert, wenn eine Gruppe von Mitarbeiter:innen in Rente gehen oder abgeworben werden: Wo muss ich mich auf einen Verlust an Kompetenzen einstellen? (zur Rolle von KI und Big Data im Kontext von HR-A siehe Abschnitt 1.3). Die Kombination dieser Datenquellen (Bauchgefühl, Meinungen, Datenanalyse) im Hinblick auf eine Empfehlung oder Entscheidung liegt nun bei Ihnen.

1.2.2  HR-Analytics und Evidence-Based Management

HR-A wird oftmals als Gegenstück zu intuitiven, subjektiven Entscheidungen gesehen und fällt damit in den Bereich des Evidence-Based Managements, d. h. einer Management Praxis, die sich auf die beste verfügbare Evidenz berufen möchte (Raghunadha Reddy & Lakshmikeerthi, 2017). Die Evidenz im Fall von HR-A bezieht sich auf die Mitarbeiter:innen des eigenen Unternehmens. Die Idee, Entscheidungen auf der Basis von Evidenz zu treffen, ist nicht neu. Empirische Evidenz ist beispielsweise das erklärte Ziel bei der Ableitung und Auswertung von HR-Metriken (Fitz-Enz, 1984) oder bildet den Dreh- und Angelpunkt der „Principles of Scientific Management“ (Taylor, 1911). Neu sind jedoch die wachsenden Datenmassen, die Unternehmen in der heutigen Zeit zur Verfügung stehen und die – gerade in ihrer Integration – vielfältige Ansatzpunkte zur Beantwortung diverser Fragestellungen liefern. In Kombination mit den bereits vielfach digitalisierten, administrativen HR-Prozessen (Schlagwort E-HRM, siehe Abschnitt 1.2.3) ergeben sich neue Möglichkeiten, Daten über die eigenen Mitarbeiter:innen auszuwerten und die eigene Organisation besser zu verstehen. Und auch die zur Verfügung stehenden Analysemethoden werden zunehmend ausgereifter und anspruchsvoller. Datenanalyse bedeutet nicht mehr nur zu beschreiben, was war oder was ist, sondern auch was (wahrscheinlich) sein wird.

1.2.3  Exkurs: E-HRM

HR-A geht über das hinaus, was vorher als E-HRM bekannt war, nutzt aber die mit E-HRM erfassten Daten. Seit Mitte der 1990er Jahre entwickelt sich das Thema HRM zum Thema E-HRM (Marler & Fisher, 2013). Beim E-HRM stehen jedoch nicht die Analysen im Fokus, sondern die Digitalisierung. E-HRM bezieht sich auf die Art und Weise, wie HRM-Strategie, -Politik und -Praktiken durch den bewussten und gerichteten Einsatz von Web-Technologien unterstützt werden können (Parry & Tyson, 2011; Ruël, Bondarouk & van der Velde, 2007). Dazu gehörten in den Anfängen des E-HRM (Dixit, 2017):

|19|Digitalisierung des Rekrutierungsprozesses: Die Nutzung von sozialen Medien zur Bewerber:innenansprache und Kommunikation; Automatisierung von Feedback an Bewerber:innen und kurzfristige Beziehungen zu Interessenten; Verzahnung der Rekrutierungsaktivitäten mit dem globalen Talent Management, in dem erfolgskritische Positionen und deren Anforderungen identifiziert werden und Bewerber:innen gezielt angesprochen werden, die diese Kriterien erfüllen; der Einsatz von Firmen-Websites zur Information über zu besetzende Stellen und das Unternehmen; die Nutzung kommerzieller Job-Portale.

Digitalisierung der Personalentwicklung: Die Nutzung von Datenbanken über die Qualifikationen und Kompetenzen von Mitarbeiter:innen (Kompetenzmanagement); Management von gesetzlich vorgeschriebenen wiederkehrenden Schulungen, Weiterbildungen oder Kursen zum Qualifikationserhalt; Umstellung von Lernangeboten auf elektronische Lernplattformen; E-Learning, Blended Learning, Web Based Training mithilfe von YouTube-Tutorials, Wikimedia und weiteren sogenannten Knowledge-Management-Werkzeugen.

Digitalisierung des Performance Managements: Die Verwaltung und Gestaltung von Performance-Management-Faktoren wie z. B. Anreizsysteme und Bonussysteme, die von der Organisation gewünschtes Verhalten verstärken.

Zusammengefasst verfolgt E-HRM drei Ziele (Parry & Tyson, 2011):

Erhöhung der Kosteneffizienz, z. B. durch elektronisch geführte Arbeitszeitkonten, elektronisch geführte Entgeltabrechnungen und die Vereinfachung von Dateneingaben und Verschlankung von Prozessen. Digitalisierung erhöht hier vor allem die Geschwindigkeit und die Transparenz der Prozesse, die Abrufbarkeit aus den Systemen und die Entlastung von Führungskräften von administrativen Aufgaben. Global agierende Unternehmen können auf der Basis von E-HRM erst global operieren, indem sie Prozesse standardisieren.

Optimierung des Service für die eigenen Führungskräfte, indem HRM-bezogene Daten mit anderen Systemen (z. B. Enterprise Resource Planning, ERP) genutzt werden können. Zudem werden Führungskräfte darin unterstützt, HRM als Führungsaufgabe wahrzunehmen. Nach Bissola und Imperatori (2014) führt die sinnvolle Anwendung von E-HRM zu einem erhöhten Vertrauen in die prozedurale Gerechtigkeit der Organisation, da die HRM-Prozesse als transparent, respektvoll, explizit und auf gleichbleibenden und geteilten Regeln basierend wahrgenommen werden (Bissola & Imperatori, 2014; Folger & Cropanzano, 1998).

Unterstützung der strategischen Ziele (Obeidat, 2016; Panos & Bellou, 2016; Parry & Tyson, 2011) beziehungsweise operationalen, relationalen und transformationalen Ziele (Lepak & Snell, 1998; Strohmeier, 2007; Strohmeier & Kabst, 2014). E-HRM kann durch die Einführung neuer Technologien die Transformation von Organisationen unterstützen, z. B. die Einführung virtueller Teamarbeit oder Network-Organisationen ermöglichen sowie sich zum HR Strategic Business Partner entwickeln. Es gibt aber bisher wenige Evidenzen, dass E-HRM die strategischen Ziele tatsächlich auch erreicht, wie Marler und Fisher (2013) in ihrem Review sowie in einer weiteren empirischen Untersuchung (Marler & Parry, 2016) zeigen. Es scheint aber die Tendenz zu geben, dass je umfangreicher und ganzheitlicher E-HRM eingeführt und genutzt wird, desto eher auch strategische Ziele der Organisation erreicht werden.

Die mit E-HRM erhobenen Daten und die Prozesse zu deren Erfassung sind wichtige Voraussetzungen für HR-A, jedoch erst die Verknüpfung dieser zur Beantwortung konkreter, strategischer Fragestellungen innerhalb der Organisation macht E-HRM zu HR-A. Dadurch können nicht mehr nur deskriptive Analysen realisiert werden, sondern es werden auch zu|20|nehmend prädiktive Analysen möglich. Was das genau bedeutet, schauen wir uns im Folgenden anhand von Reifegradmodellen für HR-A an.

1.2.4  Reifegradmodelle von HR-Analytics

Reifegradmodelle beschreiben den Grad, in dem die Personalarbeit als Ganzes analytisch ist, d. h. inwieweit Daten strukturiert und verfügbar sind und inwieweit Daten (strategisch) in Entscheidungsprozesse einbezogen werden. Das „Talent Analytics Maturity Model“ (Bersin, 2013) ist der Ausgangspunkt verschieden ausdifferenzierter Reifegradmodelle. Oft werden folgende, in Abbildung 2 dargestellte, Reifegrade unterschieden: (a) intuitive oder meinungsgesteuerte Entscheidungsfindung, (b) deskriptives HR-A, (c) prädiktives HR-A und (d) präskriptives/strategisches HR-A (Mühlbauer, Huff & Süß, 2018).

Abbildung 2:  Analytischer Reifegrad der Entscheidungsfindung in HR (eigene Darstellung in Anlehnung an SAP SE, 2019 und Reindl & Krügl, 2017)

Der erste Reifegrad, die intuitive Entscheidungsfindung, fällt noch nicht in den Rahmen analytischer Entscheidungsprozesse und damit nicht in den Bereich HR-A. Entscheidungen basieren hier weder auf Daten noch auf statistischer Analyse, sondern vielmehr auf Intuition, Erfahrung oder Bauchgefühl (Reindl & Krügl, 2017). Bezogen auf das Beispiel der Dienstreise (siehe Abschnitt 1.2.1), würden Sie in diesem Kontext aus dem Bauch heraus entscheiden, ob Sie einen Pullover einpacken.

Reifegradmodelle

Reifegradmodelle beschreiben den Grad der ganzheitlichen Integration und Verzahnung von HR-Analytics-Prozessen im Sinne der strategischen Entwicklung eines Unternehmens. Sie erlauben eine Einordnung bezüglich des Entwicklungsstandes datengestützter, strategischer Entscheidungen. Annahme ist, dass die Reifegrade Entwicklungsstufen darstellen, die aufeinander aufbauen oder nacheinander durchlaufen werden und sich progressiv von simplen Anwendungen hin zu einer hohen Integration entwickeln. Implizit ist ebenso die Annahme, dass ein höherer Reifegrad ein anzustrebender, wünschenswerter Zustand ist.

|21|Deskriptives HR-A wird als der einfachste Reifegrad von HR-A angesehen (Fischer et al., 2018) und beinhaltet klassisches HR-Reporting und HR-Controlling. HR-Kennzahlen, wie z. B. Anzahl der Mitarbeiter:innen oder Fluktuationsraten, werden deskriptiv (d. h. rein beschreibend) analysiert. Die Daten sind in der Regel im HRIS (Human Resource Information System) vorhanden; die Analysen konzentrieren sich hauptsächlich auf das betriebliche Ad-hoc-Reporting (Isson & Harriott, 2016). Wieder bezogen auf die Dienstreise nach Portugal würden Sie sich hier die Wetterdaten der Vergangenheit anschauen und die Entscheidung auf dieser Basis treffen. Einen Schritt weiter gehen wir im Rahmen des prädiktiven HR-A, welches darauf abzielt, Ursache-Wirkungs-Beziehungen aufzudecken (Fitz-Enz, 2010). Sie schauen sich also die Daten der Vergangenheit an und analysieren, welche Bedingungen zu welcher Wetterlage geführt haben. Schließlich stellt präskriptives oder strategisches HR-A die ausgereifteste Form dar. Strategische Analysen ermöglichen Modellierung und Vorhersage, wobei das Ziel darin besteht, zukünftige Ergebnisse in Bezug auf die Wahrscheinlichkeit zu identifizieren (Fitz-Enz, 2010). Dabei kommen Methoden wie maschinelles Lernen und Künstliche Intelligenz zum Einsatz (Fischer et al., 2018), die uns z. B. Prognosen liefern, wie das Wetter kommende Woche werden wird. Im Rahmen von HR werden (große) Datenströme mit klassischen Personal-, d. h. organisationsinternen Daten kombiniert.

Trotz der Unterteilung verschiedener Reifegrade, bleibt der Begriff und die Beschreibung von HR-A breit und lässt ein großes Spektrum an Anwendungsszenarien offen. Wenn wir nach einem unternehmensinternen Training Feedbackbögen statistisch auswerten, ist das schon HR-A? Oder benötigt es ausgereiftere Technologien, z. B. Sprachanalysesoftware, die mithilfe Künstlicher Intelligenz das Persönlichkeitsprofil einer/eines Bewerber:in erstellt? Sprechen wir dann von HR-A? Wir werden im Verlauf des Buches verschiedene Anwendungsszenarien kennenlernen und dabei Möglichkeiten, Sinnhaftigkeit und Grenzen beleuchten.

1.2.5  Verschiedene Arten von HR-Analytics-Projekten

Das Buch soll zeigen, dass HR-A in vielen Personalarbeitsbereichen Anwendung finden kann und dabei viele verschiedene Probleme, Fragestellungen, Vorgehensweisen, Datengrundlagen und Auswertungsstrategien umfassen kann (Weibel, Schafheitle & Ebert, 2019). Dabei ist häufig von HR-A-Projekten die Rede (Mühlbauer et al., 2018), also einem zeitlich begrenzten Vorhaben, bei dem ein einmaliges Ziel (z. B. eine einmalige Dienstleistung oder die Herstellung eines neuen Produkts), verfolgt wird (Project Management Institute, 2013).

Definition: HR-Analytics-Projekte

Unter HR-Analytics-Projekten verstehen wir zeitlich begrenzte Vorhaben, bei denen unternehmensinterne und -externe Daten im Hinblick auf eine strategisch relevante Fragestellung im Personalwesen gesammelt, analysiert und ausgewertet werden und die Ergebnisse als Grundlage für eine Entscheidung oder für Handlungsempfehlungen genutzt werden.

Die Vielfalt möglicher HR-A-Projekte führt mitunter zu Missverständnissen in der Kommunikation um HR-A. Es ist gut vorstellbar, dass die Evaluation eines Trainings oder smarte Bürostühle (die Hinweise auf [nicht] ergonomische Haltung geben) ganz anders akzeptiert werden als die Einführung einer Sprachanalysesoftware in der Rekrutierung oder eine |22|Drogenscreening-Toilette (smarte Toiletten, die Drogen- oder Gesundheitsprobleme diagnostizieren) im Unternehmen (Weibel et al., 2019). Die Bewertung und damit auch die Akzeptanz eines HR-A-Projekts kann dabei von der wahrgenommenen „Invasivität“ des Projekts abhängen. Invasivität meint das Ausmaß, in welchem eine Technologie (oder ein Datensammlungsprozess) Mitarbeiter:innen sichtbarer macht (z. B. digitale Nachvollziehbarkeit von Arbeitsprozessen oder Standortanalysen) und ihre Erreichbarkeit steigert (z. B. Abrufbarkeit von E-Mails über das Smartphone oder ständige Erreichbarkeit über das Smartphone; Chandra, Shirish & Srivastava, 2020). Für die in den nachfolgenden Kapiteln beschriebenen Schritte und Fragen im Hinblick auf die Einführung und Durchführung von HR-A-Projekten ist es zunächst also wichtig, sich darüber Gedanken zu machen, was für eine Art von HR-A-Projekt verfolgt wird. Eine Übersicht der im Folgenden vorgestellten Faktoren, die die Invasivität eines HR-A-Projekts beeinflussen und daher bei der Einführung und Gestaltung von HR-A-Projekten zu beachten sind, findet sich in Abbildung 3.

Abbildung 3:  Modell zur Bewertung der Invasivität von HR-A-Projekten

Zunächst einmal spielt die Art der betrachteten Datenquelle eine Rolle. Im nachfolgenden Kapitel (Kapitel 2) werden Sie sehen, dass in Unternehmen sehr unterschiedliche Datenquellen vorliegen und verschiedene Technologien zur Generierung von Daten berücksichtigt werden können. Es ist davon auszugehen, dass aktiv generierte Daten (z. B. eine Mitarbeiter:innenbefragung) eine von Mitarbeiter:innenseite stärker akzeptierte Art der Datensammlung darstellt als eine passive Form der Datensammlung (z. B. über smarte Arbeitsplätze). Nicht umsonst müssen Daten im Sinne der Transparenz und des Datenschutzes immer zweckgebunden erfasst werden (siehe Abschnitt 3.2). Darüber hinaus spielt die Art der Auswertung eine Rolle. Auf der einen Seite ist es – gerade bei einfachen Reifegraden von HR-A – üblich, einzelne Daten aus einem Quellsystem in Beziehung zu setzen, z. B. die im gleichen Kontext (und damit System) erhobenen Daten über Trainingsteilneh|23|mer:innen und die Bewertung des Trainings durch diese (Liebert & Talg, 2018). Auf der anderen Seite gehen fortgeschrittenere Reifegradstufen von HR-A häufig mit einem größeren Anspruch an die Verknüpfung von Daten aus verschiedenen Quellsystemen einher. Die Verknüpfung von passiv generierten Gesundheitsdaten (z. B. über smarte Tastaturen) mit über Fragebögen erhobenen Burnout-Indikatoren kann z. B. prädiktive Analysen mit Aussagen in Hinblick auf Gesundheitsrisiken ermöglichen (Lanwehr & Gober, 2017). Der Zugewinn an Aussagekraft geht jedoch mit einem höheren Datenmissbrauchsrisiko einher (z. B. Datenschutzfolgeabschätzung nach DSGVO) und es ist intuitiv nachvollziehbar, dass die Verknüpfung verschiedener Datenquellen eine höhere Barriere im Hinblick auf die Akzeptanz des HR-A-Projekts darstellt. Das Fallbeispiel der Verknüpfung von Gesundheitsdaten verdeutlich gleichzeitig die Dimension der inhaltlichen Fragestellung. Je nach Anwendungsbereich kann die Sensibilität und damit die wahrgenommene Invasivität eines HR-A-Projekts stark variieren. So ist davon auszugehen, dass ein HR-A-Projekt im Bereich des Gesundheitsmanagements (z. B. zur Burnout-Prävention; Lanwehr & Gober, 2017) aufgrund der Sensibilität der Thematik als invasiver bewertet wird als ein Projekt im Rahmen der Kompetenzentwicklung (z. B. zur Entwicklung adaptiver Lernsysteme; Liebert & Talg, 2018). Je höher die Invasivität eines Datensammlungsprozesses in einer Organisation von den Mitarbeiter:innen wahrgenommen wird, desto mehr fühlen sich diese davon gestresst und desto weniger wird dies akzeptiert (z. B. erforscht im Rahmen von Leistungsbeurteilungsprozessen, z. B. Ravid et al., 2020).

Abbildung 3 liefert Organisationen eine Orientierung, anhand derer die Invasivität eines HR-A-Projektes abgewogen werden kann, wobei das Ziel die Reduktion der Invasivität sein muss. Da mitunter gerade die Verknüpfung von Datenquellen einen strategischen Mehrwert bieten kann, ist es wichtig, die empfundene Invasivität von Datensammlungsprozessen und von HR-A auch durch entsprechend gesteuerte Unternehmensmerkmale und -prozesse (z. B. Stakeholder-Dialog, interne Kommunikation) zu steuern. Deswegen werden wir auf diese Aspekte im Verlauf des Buches einen Fokus legen (siehe z. B. Kapitel 6).

1.3  Die Begriffe Big Data, KI und automatisierte Entscheidungen

Wer sich mit dem Thema HR-A auseinandersetzt, wird zwangsläufig Begegnungen mit den Themen Big Data und Künstliche Intelligenz machen, denn HR-A wird häufig in einem Atemzug mit Big Data, Künstliche Intelligenz und Automation genannt. Auch diese – häufig undifferenzierte Darstellung – kann zu Verwirrungen im Hinblick auf die Frage „Was ist HR-A?“ führen. In diesem Kapitel ist dies bereits im Rahmen der Reifegradmodelle angeklungen: In der fortgeschrittensten Form von HR-A, d. h. bei der Vorhersage von Ereignissen, haben wir bereits über den Einsatz von ausgereiften Statistiken wie maschinellem Lernen gesprochen. Dennoch sind all diese Begriffe keine Synonyme. HR-A muss nicht Big Data bedeuten und nicht jeder Einsatz von Künstlicher Intelligenz in einem Unternehmen ist gleich HR-A.

Big Data wird definiert durch die sogenannten „5V“, durch ein hohes Volumen, Geschwindigkeit (Velocity), Vielfalt, Variabilität und den Wert (Value) der Daten (Shah, Irani & Sharif, 2017). Dazu gehören beispielsweise große, unstrukturierte Daten wie E-Mails, Social-Media-Aktivitäten, Web-Suchen, digitale Bilder und Daten von Smartphones oder anderen elektronischen Geräten (Angrave, Charlwood, Kirkpatrick, Lawrence & Stuart, 2016). Da|24|rüber hinaus wird zunehmend als bestimmendes Merkmal betrachtet, wie „smart“ Daten im Zusammenhang mit den Erkenntnissen und Einsichten sind, die diese liefern könnten (George, Haas & Pentland, 2014).

Ein Algorithmus beschreibt einen Prozess oder Regeln, der oder die zur Lösung von Problemen herangezogen werden können (Zhang & Lu, 2021). Zur Erklärung von Algorithmen werden diese häufig mit Rezepten verglichen: klare Anweisungen für aneinandergereihte Handlungsschritte zu einem definierten Zweck. Ein Algorithmus umfasst also primär eine Reihe von Anweisungen.

Mit dem Begriff Künstliche Intelligenz (KI) werden Automationen beschrieben, die in der Lage sind, komplexe Probleme zu lösen (Dellermann et al., 2021). Mit KI assoziieren viele Personen Maschinen mit menschlichen Fähigkeiten (Jäger & Petry, 2018). Dieses Verständnis ist irreführend, da es eine „starke KI“ impliziert, die einen eigenen verstehenden „Geist“ besitzt (Searle, 1980). Was wir jedoch bisher erleben und in näherer Zukunft erleben werden, sind „schwache KIs“, die ein sehr leistungsstarkes Werkzeug darstellen, um komplexe Probleme zu lösen, aber eben keine kognitiven Fähigkeiten i. S. menschlicher Kognition besitzen (Searle, 1980). Eine schwache KI dient in der Regel der Erkennung von visuellen oder auditiven Mustern, um beispielsweise Objekte, Gelände, Bilder o. Ä. zu identifizieren und zu klassifizieren (Zhang & Lu, 2021). Die meisten KI-Methoden liefern eine Wahrscheinlichkeit für das ausgegebene Ergebnis. KI ist ein Überbegriff, der verschiedene Verfahren umfasst.

Maschinelles Lernen beispielsweise fällt in den Bereich der (schwachen) KI und ist wiederum ein Sammelbegriff für das Erkennen von Mustern in Daten (Kersting, Lampert & Rothkopf, 2019). Deep Learning beschreibt eine Form von maschinellem Lernen (Marr, 2018a).

Für einen Überblick über verschiedene Verfahren des maschinellen Lernens eignet sich das Buch „Wie Maschinen lernen“, in dem Kersting et al. (2019) in die Verfahren des maschinellen Lernens einführen. Interessierte Leser:innen finden bei James, Witten, Hastie und Tibshirani (2017) eine Einführung in verschiedene Verfahren statistischen Lernens, also verschiedene Methoden für die Generierung von statistischen Modellen. Eine Einführung in Anwendungsmöglichkeiten von maschinellem Lernen im Kontext psychologischer Fragestellungen geben Yarkoni und Westfall (2017). Wichtig zu verstehen ist, dass maschinelles Lernen und Deep Learning aktuell sehr fortgeschrittene Verfahren sind und wir daher auf diese als Beispiele zurückgreifen können. In einiger Zeit mögen diese Verfahren jedoch von neueren Verfahren abgelöst und erweitert werden.

Häufig wird ein KI-gestützter Prozess mit einem HR-A-Projekt gleichgesetzt (Lewinski, De Barros Fritz & Biermeier, 2019), wir halten eine Differenzierung jedoch für wichtig. Die Abgrenzung und Schnittstellen können wir so verstehen, dass Big Data, KI, maschinelles Lernen und Algorithmen Werkzeuge für ein HR-A-Projekt sein können. Beispielsweise könnte das Ziel eines HR-A-Projekts darin bestehen, bessere (im Sinne von validere) Entscheidungen in der Rekrutierung zu treffen. Dafür könnte ein Lösungsansatz sein, mithilfe von KI-gestützter Sprachanalysesoftware Interviewdaten auszuwerten und diese Analysen in die Entscheidungsfindung einzubeziehen (Chamorro-Premuzic et al., 2017). Wichtig zu verstehen ist, dass ein KI-gestützter Prozess in diesem Szenario einen von vielen möglichen Anwendungsfällen darstellt. Auch ein weniger fortgeschrittenes Verfahren, z. B. die Analyse historischer Bewerber:innendaten, die digital archiviert wurden, könnte bei gleicher Fragestellung ebenso ein HR-A-Projekt darstellen – welches sich einfach nur eines anderen Werkzeugs bedient.

|25|Wir haben in Abschnitt 1.1 bereits beschrieben, dass aktuelle Technologien eine Grundlage für HR-A-Projekte bilden und eine grundsätzliche Kenntnis oder beispielhafte Anwendungsfälle aktueller innovativer Verfahren hilfreich sind, um HR-A zu illustrieren und zu verstehen. Wie bereits beschrieben, ist anzunehmen, dass sich die Art der „Werkzeuge“ in den kommenden Jahren drastisch weiterentwickeln wird und z. B. unsere aktuell als innovativ geltenden maschinellen Lernsysteme in einiger Zeit bereits veraltet sind. Dennoch wird die Art der Einführung und Kommunikation von HR-A-Projekten, die sich im Zweifelsfall solcher Werkzeuge bedienen und diese einsetzen, gleichbleiben. Denn: Bei der digitalen Transformation geht es primär um Menschen, d. h. um deren Wahrnehmung, deren Bedürfnisse und Empfinden gegenüber den neuen Prozessen – nicht (nur) um Technologie (Green, 2020).

1.4  Wie funktioniert HR-Analytics?

Abbildung 4:  Integration der drei HR-Analytics-Prozessmodelle: I-CAN-ENABLE (Mühlbauer et al., 2018), IMPACT (Isson & Harriott, 2016) und PAP (Reindl & Krügl, 2017)

HR-A-Projekte umfassen verschiedene Phasen, die in Prozessablaufmodellen zusammengefasst werden. Es gibt eine Vielzahl von Prozessmodellen, die den Ablauf eines HR-A-Projekts beschreiben. Boudreau und Ramstad (2004) haben das einflussreiche LAMP-Framework formuliert. Sie gehen davon aus, dass eine bestimmte „Logik“ eine „Analyse“ impliziert, für die die richtigen „Messungen“ angewandt werden müssen und die durch einen effektiven Wissensmanagement-“Prozess“ eingeführt und durchgeführt wird. Daneben stehen beispielhaft das IMPACT-Modell (Isson & Harriott, 2016), das I-CAN-ENABLE-Modell (Mühlbauer et al., 2018) oder das People-Analytics-Prozessmodell (PAP; |26|Reindl & Krügl, 2017). Wie in Abbildung 4 beispielhaft anhand der drei zuletzt genannten Modelle dargestellt, stimmen die Modelle in vielen Punkten überein und unterscheiden sich mitunter nur im Detaillierungsgrad der Beschreibung der einzelnen Phasen.

Die Logik, die die Modelle eint, ist, dass es zunächst eine strategisch relevante Fragestellung braucht, die ein HR-A-Projekt notwendig macht. HR-A ist kein Mittel zum Selbstzweck, sondern dient – wie oben beschrieben – dazu, das Unternehmen bei strategisch relevanten Fragestellungen zu unterstützen (siehe die Definition von HR-Analytics in Abschnitt 1.2.1). Diese strategisch relevante Fragestellung bildet den Ausgangspunkt und bestimmt, welche Daten zur Beantwortung benötigt werden. Wichtig ist, dass der Fokus bei diesem Schritt auf das gesamte Unternehmen, d. h. strategische Fragen auf Unternehmensebene, gerichtet wird: Welche (mitarbeiter:innenbezogenen) Erkenntnisse sind notwendig, um organisatorische Prozesse zu verbessern, die Strategieumsetzung des Unternehmens zu unterstützen oder die organisationale Effizienz zu steigern? (Levenson, 2018).

Um die Relevanz dieses Schrittes hervorzuheben, ist es hilfreich, HR-A in verschiedene Abstraktionsphasen zu unterteilen: Die Bestimmung der strategischen Frage kann als eigene Analytics-Phase verstanden werden, die sogenannte Wettbewerbs-Analytics-Phase (Levenson, 2018), welche den Start eines jeden HR-A-Projekts bilden sollte. Wettbewerbs-Analytics bedeutet, Themen für HR-A-Projekte im Kreis wichtiger Anspruchsgruppen (sog. Stakeholder) zu thematisieren und zu priorisieren. Auf diese Weise wird nicht nur ein zielgerichteter Einsatz von Ressourcen gewährleistet, sondern dies kann auch entscheidend dazu beitragen, die Unterstützung der Stakeholder zu garantieren (siehe auch Kapitel 6).

Anschließend an die Wettbewerbs-Analytics-Phase, sollte im Rahmen einer Unternehmens-Analytics-Phase das Level der Analyse für das HR-A-Projekt festgelegt werden (Levenson, 2018). Haben Faktoren auf Unternehmensebene (z. B. Arbeitsgestaltung, Kultur), Teamebene (z. B. Teamdynamiken) oder Mitarbeiter:innenebene (z. B. Führungsverhalten oder Motivation) den stärksten Einfluss im Hinblick auf das strategische Problem? Nicht immer müssen im Rahmen eines HR-A-Projekts individuelle Daten (z. B. der Leistung) herangezogen werden. Viele Probleme manifestieren sich eher auf einer aggregierten Ebene (z. B. die Rolle von abteilungsübergreifender Kooperation für Innovation) und müssen auf eben dieser analysiert werden (z. B. durch das Heranziehen von Finanzdaten auf Abteilungsebene).