HR in der Falle - Klaus D. Mittorp - E-Book

HR in der Falle E-Book

Klaus D. Mittorp

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Beschreibung

In den meisten Unternehmen arbeiten Personalabteilungen engagiert und professionell. Von den Ergebnissen sind dennoch Führungskräfte und Mit-arbeitende oftmals enttäuscht, Personaler frustriert. In diesem Buch geht der Autor diesem Phänomen auf den Grund, bei dem HR sich oft wie in einer Falle befindet. Er analysiert den Status Quo, zeigt die Folgen auf und geht den strukturellen Ursachen nach. Auf dieser Grundlage entwickelt er Denkanstöße für eine neue Perspektive und konkrete Schritte zu möglichen Veränderungen.

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Für alle, die sich jeden Tag mit großer Leidenschaft und Professionalität der Personalarbeit widmen

Über dieses Buch

In den meisten Unternehmen arbeiten Personalabteilungen engagiert und professionell. Von den Ergebnissen sind dennoch Führungskräfte und Mitarbeitende oftmals enttäuscht, Personaler frustriert. In diesem Buch geht der Autor diesem Phänomen auf den Grund, bei dem HR sich oft wie in einer Falle befindet. Er analysiert den Status quo, zeigt die Folgen auf und geht den strukturellen Ursachen nach. Auf dieser Grundlage entwickelt er Denkanstöße für eine neue Perspektive und konkrete Schritte zu möglichen Veränderungen.

Über den Autor

Klaus D. Mittorp war viele Jahre Mitglied im ‚Global HR Executive Committee‘ und im ‚Global Sustainability Committee‘ eines DAX-30-Konzerns, arbeitete ein knappes Jahrzehnt als Senior Vice President in einer großen internationalen Unternehmensberatung und war Global Vice President HR eines familiengeführten mittelständischen ‚Hidden Champion‘. Er verfügt somit über langjährige Erfahrung in einem sehr breiten Spektrum der Personalarbeit und kennt zahlreiche Branchen. Er spricht vier Sprachen fließend und hat in sechs Ländern gelebt und gearbeitet. Aktuell lebt und arbeitet er in Frankfurt am Main.

Klaus D. Mittorp

HR in der Falle

Warum Personalabteilungen oft enttäuschen – und was in elf Schritten dagegen getan werden kann

© 2021 Klaus D. Mittorp

Umschlag, Illustration:   Jan Genge/Unsplash (Cover-Foto), Jessica Mittorp,

Svenja Mittorp Lektorat, Korrektorat: Mentorium GmbH, Berlin

Verlag & Druck: tredition GmbH, Halenreie 40-44, 22359 Hamburg

ISBN

Hardcover        ISBN 978-3-347-28609-2

e-Book               ISBN 978-3-347-28610-8

Kontakt: [email protected]

Das Werk, einschließlich seiner Teile, ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung ist ohne Zustimmung des Verlages und des Autors unzulässig. Dies gilt insbesondere für die elektronische oder sonstige Vervielfältigung, Übersetzung, Verbreitung und öffentliche Zugänglichmachung.

Inhaltsverzeichnis

EINFÜHRUNG

WIE HR SICH MIT EINEM SCHÖNEN SELBSTBILD BERUHIGT

WIE DAS SELBSTBILD ZUSTANDE KOMMT

WIE DAS SELBSTBILD TRANSPORTIERT WIRD

WELCHE ROLLE VERBÄNDE, KONGRESSE UND PREISE SPIELEN

WIE DIE REALITÄT DAS SELBSTBILD VON HR EINHOLT

WIE ES UM DIE REPUTATION WIRKLICH STEHT

WIE VIEL EINFLUSS HR TATSÄCHLICH HAT

Finance/Controlling

Externe Berater

WARUM NICHT ALLE HR VERTRAUEN

WARUM DIE EFFIZIENZ IMMER NOCH ZU WÜNSCHEN ÜBRIG LÄSST

Unerwünschte Nebenwirkungen

WARUM DER BUSINESS-BEZUG KAUM ENTSTEHT

WIE KOMMUNIKATION IMMER NOCH FALSCH LÄUFT

Kapitalmarkt

Arbeitsmarkt

WIE FÜHRUNGSKRÄFTE ÜBER HR DENKEN

WO DER ANSPRUCH DES BPM (NICHT) ERFÜLLT WIRD

WARUM AUS HR-PROZESSEN HÄUFIG FRUSTRATION ENTSTEHT

WIE HR-PROZESSE GEWICHTET WERDEN

WARUM WICHTIGE HR-PROZESSE OFT FALSCH GESTALTET WERDEN

Personaladministration

Rekrutierung

Führungskräfte-/Personalentwicklung

Engagement/Mitarbeiterbefragungen

Strategische Personalplanung

Performance-Management

WARUM DYSFUNKTIONALITÄTEN ENTSTEHEN

WAS HR-MITARBEITENDEN ZUGETRAUT WIRD

WAS DIE CORONA-KRISE VERÄNDERT HAT

VIER GRÜNDE, DIE HR IN DIE FALLE GEFÜHRT HABEN

DIE STRUKTUREN SIND VERWIRREND

Das ‚alternativlose‘ Organisationsmodell

Strukturelle Interessenkonflikte innerhalb HR

Schatten-Strukturen

ES GIBT KEIN KLARES ROLLENVERSTÄNDNIS FÜR HR

Sicht der Unternehmensleitung

Sicht der Führungskräfte

Sicht der Mitarbeitenden

Sicht von HR

Pseudo-Rollen und Probleme

Fazit

DAS ‚MINDSET‘ VON HR IST WIDERSPRÜCHLICH

Einstellung zum eigenen Handeln

Einstellung zum Geschäft

Das Menschenbild

DIE GOVERNANCE IN FAMILIENUNTERNEHMEN LIMITIERT HR

ELF KONKRETE SCHRITTE AUS DER FALLE

OPTION 1: NEUE BEZEICHNUNG ANNEHMEN

OPTION 2: SKILLS NEU JUSTIEREN

OPTION 3: KONSEQUENTEN BUSINESS-BEZUG LEBEN

OPTION 4: HR-SERVICE ZUM PREMIUM-TOUCHPOINT MACHEN

OPTION 5: MENSCHENBILD TRANSPARENT MACHEN UND FORMEN

OPTION 6: ORGANISATION VERÄNDERN

OPTION 7: WIE EIN INVESTITIONSBERATER AGIEREN

OPTION 8: DIVERSITY-MANAGEMENT EHRLICH MACHEN

OPTION 9: SICHERHEITSNETZ SPANNEN

OPTION 10: NEUE RECHNUNGSLEGUNGS-STANDARDS FORDERN

OPTION 11: DIGITALISIERUNG VORANTREIBEN – ABER RICHTIG

SCHLUSSBETRACHTUNG

DANKSAGUNG

LITERATURVERZEICHNIS

ABBILDUNGSVERZEICHNIS

Einführung

Seit einigen Jahren bin ich ehrenamtlich als Schöffe an einem deutschen Landgericht tätig. Das, so mögen Sie einwerfen, hat herzlich wenig mit HR zu tun. Stimmt, vordergründig.

Aber abgesehen davon, dass Sie sowohl als Schöffe als auch in HR fast alle Untiefen des menschlichen Wesens kennenlernen, hat diese Tätigkeit mir die potenzielle Kraft des (guten) Plädoyers nahegebracht. Und das wiederum hat mich dazu animiert, dieses Buch in Angriff zu nehmen: als Plädoyer für HR, es aus der Falle zu befreien, in die ich es oft geraten sehe, und einige lieb gewonnene Perspektiven einmal zu wechseln.

Als ich vor vielen Jahren als Teil einer beruflichen Entwicklung meinen ersten Job in HR antrat, wurde mir von meinem seinerzeitigen Chef bedeutet, es gehe für die Personalabteilung (die damals auch immer so hieß) ganz wesentlich darum, sich den Respekt der Geschäftsbereiche zu verdienen.

Im Laufe vieler folgender Berufsjahre habe ich das Privileg erfahren, sehr viele äußerst kompetente und motivierte Menschen kennenzulernen, die in HR tätig waren. Sie alle gingen und gehen ihren Tätigkeiten mit großem Engagement und hoher Professionalität nach, die der in anderen Fachbereichen sicherlich in Nichts nachsteht.

Und dennoch habe ich es immer wieder erlebt, dass HR – aller gegenteiligen Beteuerungen zum Trotz – doch vielfach eher als Verwalter denn als Gestalter gesehen wird und in vielen Organisationen eben oft nicht im ‚innersten Zirkel‘ vertreten ist, in dem die wichtigen Unternehmensentscheidungen besprochen und getroffen werden.

Es hat sich augenscheinlich in den letzten Jahren (oder gar Jahrzehnten) für HR wenig bis nichts geändert. Die Erfahrung, dass dieses stetige, auch professionell umgesetzte Bemühen letztlich sehr häufig außer für das Selbstbild kaum Fortschritte gebracht hat, war mir Ansporn, einige grundsätzliche Fragen zu stellen.

Warum dieses vergleichsweise magere Aufwands-/Ertragsverhältnis? Wenn Unternehmen Hunderte von Millionen in die Führungskräfteentwicklung investiert haben, warum wird Führung nicht als deutlich verbessert wahrgenommen? Warum unterscheidet sich das, worauf Analysten bzgl. HR schauen so sehr von dem, was HR als Ziele verfolgt? Wenn es nicht ausreicht, das Naheliegende zu tun, gibt es strukturelle Gründe? Ist HR vielleicht zu sehr darauf fokussiert, Dinge richtig zu tun, statt die richtigen Dinge zu tun? Und wenn ja, welche sind das?

Auf dieser gedanklichen Reise bin ich immer mehr zur Überzeugung gelangt, dass HR langsam, aber zunehmend in eine Falle geraten und nun weitgehend zwischen Anspruch und Wirklichkeit gefangen ist. Daraus und den Überlegungen, welche anderen Wege es geben könnte, ist dieses Buch entstanden. Es ist die Analyse und das Plädoyer eines langjährigen Praktikers, HR an einigen Stellen anders zu denken.

Der erste Teil des Buches ist dementsprechend der Analyse gewidmet. Ich versuche, nachzuzeichnen, wie in den vergangenen Jahren die Antwort von HR auf die Herausforderungen der Zeit meistens aus der Kombination von drei Elementen bestand: Kosten zu senken, sich nach dem sogenannten Dave-Ulrich-Modell (oder der jeweils eigenen Interpretation davon) aufzustellen und sich auf möglichst hohe Effizienz zu trimmen. Und das immer und immer wieder. Manchmal bis zur Selbstaufgabe. Dabei hat man sich häufig das Ergebnis auch schöngeredet. Daraus hat sich zunehmend eine Selbsttäuschung ergeben, der die HR-Profession allzu oft (gerne) erlegen ist, vielleicht auch aus Selbstschutz.

Da wird in Personalberichten, auf Kongressen und in Gesprächen hervorgehoben, Personalarbeit sei in den letzten Jahrzehnten immer effizienter und professioneller geworden und trage jetzt gleichwertig mit anderen Funktionen zum Geschäftserfolg bei. Tatsächlich zeigen die Ergebnisse meiner Recherchen und Beobachtungen, dass Mitarbeitende und Führungskräfte über den Beitrag von HR eher frustriert sind. HR arbeitet aus ihrer Sicht oft selbstreferenziell und ist weit davon entfernt, unternehmerisch zu handeln.

Als Konsequenz haben sich HR-Prozesse zunehmend aufgeteilt. Die (administrative) Pflicht wird einigermaßen erfüllt, die Kür läuft Gefahr, zu misslingen: Führungstrainings, die Führung nicht verbessern, Performance-Management, das nicht wirkt, Mitarbeiterbefragungen ohne Folgeaktionen, um nur einige Beispiele zu nennen. Es zeigt sich auch, dass die Anfang 2020 eingetretene Corona-Situation, in der verstärkt die administrativen Tugenden von HR gefordert waren, diesen Zustand nur noch verstärkt und beschleunigt hat.

In den nachfolgenden Kapiteln wird genauer geschaut, wo tiefer gehend angesetzt werden könnte. Der Wandel von ‚Personal‘ zu ‚HR‘ wird gerne als überfällige sprachliche Modernisierung gesehen. Er steht aber für einen viel weitergehenden Wandel des Anspruchs: HR will Menschen als Ressourcen optimieren und steuern. Dass dies aber nicht nach denselben Regeln wie für Kapital, Gebäude oder Maschinen funktioniert, ist allzu oft außer Acht gelassen worden und einer der ‚blinden Flecken‘, die in die besagte Falle geführt haben.

Es steht auch für ein aus meiner Sicht fehlgeleitetes Menschenbild, ist organisatorisch verfehlt und bildet eine der strukturellen Ursachen, nach der ich gesucht hatte. Eine weitere liegt darin, dass de facto in vielen Fällen fast jeglicher wirklich tiefer gehende Bezug zum Geschäft fehlt, das unterstützt werden soll. HR ist oft nicht wirklich mit Geschäftsmodellen, Marktgeschehen und Geschäftsverläufen verwoben, will dies sogar teilweise gar nicht sein.

Es täte HR daher gut – so meine Auffassung – einige Ansätze neu zu denken. Positioniert als wirklich integraler Teil des Geschäfts mit einem klar definierten Menschenbild jenseits der ‚Ressource‘: mit neuer Organisation, anderen Qualifikationen, neuen Verantwortlichkeiten und einem anderen Verständnis. Dabei müssten auch die drei Rollen des Personalwesens (Enablement [Administration, Entwicklung], Compliance und Governance) völlig getrennt aufgestellt werden, um inhärente Zielkonflikte zu lösen.

Auf dem Weg dahin möchte ich im letzten Kapitel Denkanstöße für elf konkrete Handlungsoptionen geben.

Gelingen solche Schritte, wird HR sich wie von allein aus der Falle befreien und Anspruch und Wirklichkeit wieder besser zusammenbringen können.

Frankfurt am Main, im April 2021

Wie HR sich mit einem schönen Selbstbild beruhigt

HR sitzt am Tisch

Personaler neigen offenkundig schon länger dazu, mit sich und ihrer Arbeit zufrieden zu sein und ihre Bedeutung entsprechend hoch einzuschätzen. So waren schon in den 1990er-Jahren Personalleitende in Deutschland mehrheitlich der Meinung, dass die Personalabteilung in ihrer jeweiligen Firma als wichtig angesehen werde und als effektiv arbeitende Abteilung bezeichnet werden könne1.

Dieses positive Selbstbild hat sich im Laufe der Zeit über alle Konjunkturzyklen, Transformationen und Veränderungen der Personalfunktion hinweg bis in die heutige Zeit fortgesetzt und teilweise sogar verstärkt.

Wie das Selbstbild zustande kommt

Als die Beratungsgesellschaft Hewitt im Jahr 2006 europaweit Personaler nach der Qualität der Personalarbeit befragte, gaben nur 8 % an, HR erbringe für das eigene Unternehmen eine nicht voll zufriedenstellende Leistung2. Zu ähnlichen Ergebnissen war auch kurz danach Wettbewerber Mercer bei einer ebenfalls europaweiten Befragung gekommen. Hier gaben 76 % der Personaler an, HR habe im Unternehmen eine aktive Rolle, wenn es um die Beratung strategischer Fragen gehe3.

Kurz nach dieser Befragung ereilte die Finanzkrise die Welt und hinterließ zahlreiche Spuren, die die Gesellschaft uns teilweise heute noch beschäftigen. Keine erkennbaren Spuren hinterließ sie allerdings im Selbstbild der meisten Personaler.

Als die Personalberatung Kienbaum im Jahr 2008 im Rahmen einer HR-Trend-Studie Personalverantwortliche in Deutschland, Österreich und der Schweiz bat, Unternehmensfunktionen nach ihrer Wertigkeit für die Unternehmensentwicklung zu beurteilen, kam es zu einem erstaunlichen Ergebnis.

HR landete auf einem bemerkenswerten zweiten Rang. Personaler sahen sich als zweitwichtigste Funktion im Unternehmen, noch vor Forschung und Entwicklung, Produktion und Controlling. Allein der Vertrieb wurde – immerhin – als noch wichtiger eingestuft4. Dass dies nicht nur ein durch die Krise erzeugtes ‚Zwischenhoch‘ war, zeigte ein Jahr später eine umfängliche Untersuchung von Cap Gemini.

Hier stuften 74 % der befragten Personaler ihre Akzeptanz im Unternehmen von ausreichend bis sehr groß ein5. In einem groß angelegten internationalen Forschungsprojekt waren 80 % der Personalleiter damals auch der Meinung, das Personalmanagement leiste einen wesentlichen Beitrag zum Erfolg der eigenen Organisation6.

Bei einem derartig positiven Selbstbild ist es nicht erstaunlich, dass Personaler tendenziell die ‚Kaminkarriere‘ bevorzugen und wenig Neigung zeigen, den eigenen Bereich beruflich zu verlassen. In einer europaweiten Befragung des ‚European Club for Human Resources‘ gaben bereits vor fast 15 Jahren nur 4 % der befragten Personaler an, zukünftig eine Rolle außerhalb HR anzustreben7.

Auch im weiteren Verlauf der 2010er-Jahre hat sich an dem beschriebenen positiven Eigenbild kaum etwas verändert. Prof. Dr. Christoph Beck von der Hochschule Koblenz und Dr. Frauke Bastians von der Heute und Morgen GmbH haben sich 2013 in Zusammenarbeit mit dem Fachjournal „Personal-Magazin“ intensiv mit dem Image von HR befasst8.

In der daraus resultierenden Studie erklären wiederum 77 % der befragten Personaler, dass die Dienstleistungen von HR die übrigen Abteilungen wirksam unterstützen und entsprechend weiterbringen.

Zwei Drittel bewerten den Beitrag ihrer Personalabteilung zum Unternehmenserfolg sogar als sehr hoch und sind überzeugt, dass die Personalabteilung einen guten Ruf im eigenen Unternehmen hat.9

Dabei zeigt sich auch, dass Personaler von sich eine deutlich bessere Meinung haben als von den Nachbarbereichen Controlling, IT und Einkauf. Denen sprechen dieselben Befragten einen deutlich weniger positiven Ruf im Unternehmen zu.

Personaler halten demnach den Ruf ihrer eigenen Abteilung für eindeutig besser als den anderer Support-Funktionen. Auch heute hat sich dieses positive Selbstbild erhalten. In einer im Herbst 2020 veröffentlichten Studie des Bundesverbandes der Personalmanager (BPM) gaben 78 % der befragten Personalmanager und -managerinnen an, die Leistung von HR erfülle die Erwartungen der Abnehmer10.

Eine für dieses Buch durchgeführte Befragung in Deutschland, Österreich und der Schweiz bestätigt dies11. Knapp 72 % der HR-Mitarbeitenden sind demnach überzeugt, dass ihre Firma/Organisation ohne den Beitrag von HR nicht so gut funktionieren könnte (s. Abb. 1).

Demnach glauben HR-Mitarbeitende in ihrer überwältigen Mehrheit, sie seien kompetent, stellen im Unternehmen verbindliche Regeln auf, sichern Richtlinien und sorgen für die Einhaltung gesetzlicher Regelungen.

Abbildung 1: Positive Ansichten von HR-Mitarbeitenden

Betrachtet man diese sehr unterschiedlichen und über einen langen Zeitraum durchgeführten Untersuchungen, deutet all das darauf hin, dass das positive Selbstbild der Personaler

■ langfristig stabil ist,

■ nicht von der jeweiligen Konjunktur oder wirtschaftlichen Entwicklung des unternehmens abhängt,

■ von zahlreichen Transformationswellen nicht beeinflusst wurde,

■ kein auf den deutschsprachigen Raum beschränktes Phänomen ist.

Es wird in späteren Kapiteln allerdings noch gezeigt, dass dieses sehr tief verwurzelte, positive Eigenbild teilweise eher trügerisch ist und an vielen Stellen einem Realitäts-Check nicht standhält.

In einem Kommentar im Magazin „Harvard Business Manager“12 brachte es Prof. Dr. Boris Kaehler von der Hochschule Merseburg im November 2019 auf den Punkt:

„Viele Personaler leben in einer Blase der Selbstgefälligkeit.“

Ob es sich tatsächlich um reine Selbstgefälligkeit handelt oder ob es hier nicht sogar auch um ein Stück Selbstschutz geht, wird im weiteren Verlauf dieses Buches noch hinterfragt werden.

 

Wie das Selbstbild transportiert wird

Es liegt nahe, dass, wenn man von sich selbst eine positive Meinung hat, diese auch nach außen darstellen möchte. Entsprechend sind viele externe Darstellungen der Personalbereiche bzw. der Personalarbeit. eher schmeichelhaft.

Ein Beispiel hierfür ist der schon erwähnte Bundesverband der Personalmanager (BPM), der Anfang 2021 auf seiner Homepage folgendes Statement als Teil seiner „sieben Thesen für HR“ veröffentlichte:

„Human Resources (HR) hat durch die Corona-Pandemie und die beschleunigte Digitalisierung eine massive Aufwertung erfahren. […] HR steht mittlerweile im Zentrum des [Unternehmens-]Geschehens, denn der kritische Engpassfaktor jeder Form von Arbeit ist der Mensch. […] Jahrelang hat die Personalfunktion um ihre Rolle im Konzert der Fakultäten gerungen. Einst als pure Verwaltung gestartet, wurde sie viel zu lange lediglich als unterstützende Funktion gehandelt“.13

Hier sieht ein einschlägiger Berufsverband gleich zwei neue positive Trends für HR:

1. HR als Nutznießer der Corona-Krise

2. HR (endlich angekommen) als Schlüsselfunktion im Unternehmen

Auf Unternehmensebene sind Personalberichte – oft auch integriert in Geschäfts- oder CSR-Berichte – zumindest für große und auch mittlere Organisationen eine der besten Formen, ihre HR-Arbeit extern darzustellen.

Investoren, Kunden, potenzielle Bewerber und Interessenten sind hier die eigentlichen Zielgruppen. Für die entsprechenden Texte und Darstellungen sind in der Regel die jeweiligen Personalabteilungen verantwortlich.

In solchen Berichten erscheint die Personalarbeit und die Personalabteilung – nicht verwunderlich – oft in einem positiven, wenn auch teilweise diffusen Licht. Dies wird an einigen nachstehend aufgeführten Beispielen besonders deutlich. Die Auswahl der Beispiele soll dabei lediglich ein möglichst breites Spektrum abbilden und keine unternehmensspezifische Wertung oder Würdigung darstellen.

Grundsätzlich wird stets die Bedeutung der Mitarbeitenden beteuert:

„Unsere Mitarbeitenden und Mitarbeitende tragen maßgeblich zum langfristigen Erfolg […] bei14.“

„Unsere Mitarbeitende sind für uns einer der wertvollsten Grundsteine sowie der Schlüssel zum Erfolg unseres Unternehmens. Ohne sie wäre es unmöglich, unsere Geschäftsstrategie umzusetzen und unsere Ziele zu erreichen15.“

„Der Geschäftserfolg […] beruht maßgeblich auf der Mitarbeit qualifizierter Arbeitnehmer16.“

„Als führendes Technologieunternehmen sind wir uns der Bedeutung der Menschen bewusst, deren Fachwissen in unsere Produkte und Technologien einfließt. Wir sind stolz auf die Ausgewogenheit unserer Belegschaft“17.“

Ergänzt wird das durch eine kurze, positive Darstellung der Kernanliegen der Personalarbeit:

„Unsere Mitarbeiter bereiten wir auf neue Möglichkeiten und veränderte Anforderungen in ihrem Arbeitsumfeld bestmöglich vor und beziehen sie in den Veränderungsprozess ein18.“

„Wir wollen Talente für unser Unternehmen gewinnen, sie halten und dabei unterstützen, sich weiterzuentwickeln. Dazu schaffen wir eine Arbeitsumgebung, die inspiriert und verbindet19.“

„Wir verändern unsere Arbeitsweise, werden flexibler, arbeiten selbstverantwortlicher und interagieren stärker themenübergreifend. 2019 haben wir deshalb erfolgreich in vielen Bereichen agiles Arbeiten eingeführt. Agiles Arbeiten hilft uns, effektiver sowie im Sinne unserer Kunden zu arbeiten, und motiviert unsere Beschäftigten20.“

„Durch die gezielte Qualifizierung und Entwicklung unserer Mitarbeiter bauen wir wichtige Kompetenzen auf und aus. Nur so kann Vonovia für Kunden eine qualitativ hochwertige Arbeit gewährleisten21.“

„[Wir] wollen ein Umfeld schaffen, in dem sich unsere Mitarbeiter im Hinblick auf ihre Fähigkeiten bestmöglich entwickeln können22.“

„Daher kann nicht genug betont werden, wie wichtig es für uns ist, unsere größten Talente zu behalten, ihre Motivation sicherzustellen und dadurch ihr Engagement hochzuhalten. Dies ist nur möglich, wenn Talente richtig gemanagt und fair entlohnt werden, Inklusion und Arbeitnehmerrechte stark sind und Wohlbefinden und Engagement der Mitarbeitende stetig gefördert werden. Dazu stützen wir uns auf strategische HR-Rahmenbedingungen, -Prinzipien und -Instrumente23. “

„Mit unserem ausgeprägten Zielbewusstsein und der langfristigen Vision demonstrieren wir unsere Fürsorge für unsere Mitarbeitenden. Da die nachhaltige Gestaltung der Arbeit bei uns höchste Priorität hat, ermutigen wir unsere Mitarbeiter, sich fit für die Zukunft zu machen und lebenslanges Lernen als eigenverantwortliche Aufgabe zu betrachten24.“

Zwar scheinen jeweils unterschiedliche Ansätze und Schwerpunkte durch, etwa ob Kultur, Vergütung oder Talent-Management im Fokus stehen sollen. Trotzdem ist es selten so, dass aus dem Text das dazugehörige Unternehmen ‚blind‘ abgeleitet werden könnte25.

Einige Unternehmen gehen auch noch weiter und erwähnen explizit lobend ihre Personalabteilung. Das geschieht meistens dort, wo ein separater Personalbericht veröffentlicht wird:

„Unser Personalbereich spielt eine entscheidende Rolle dabei, die wichtigsten organisatorischen Faktoren zu definieren und zu fördern, die eine nachhaltige Wertschöpfung sicherstellen und dadurch unsere Ziele in den Bereichen Umwelt, Gesellschaft und Unternehmensführung (Environmental, Social and Governance – ESG) untermauern. Grundlegend ist dabei unser positiver Beitrag für das Engagement, das Wohlbefinden und die Weiterentwicklung unserer Mitarbeiter, die Förderung von Vielfalt und Integration, die Investition in unsere Nachwuchskräfte sowie die faire und transparente Vergütung von Leistungen26.“

„Nur wenn jede und jeder Einzelne unserer Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter erfolgreich ist, können sie auch im Team für Infineon Höchstleistungen bringen. Aus diesem Grund erwartet das Team von Human Resources (HR) von sich selbst nicht weniger als Höchstleistungen. HR-Exzellenz bedeutet für uns nicht nur, reibungslosen HR-Service zu gewährleisten. Wir erarbeiten auch ständig neue Programme und Initiativen, um uns weiterzuentwickeln und uns den neuen Herausforderungen zu stellen27.“

Interessant am Rande ist hier sicherlich auch, dass die skandalgeplagte und inzwischen insolvente Wirecard AG ebenfalls zu den Unternehmen zählte, die ein Lob auf ihre Personalabteilung veröffentlichte:

„Die Personalabteilung unterstützt die Führungskräfte dabei, Mitarbeiter bestmöglich entsprechend ihren individuellen Fähigkeiten und Qualifikationen zu entwickeln. Für die Führungskräfte der Wirecard AG sind die Beachtung sozialer Grundprinzipien sowie ausgeprägtes unternehmerisches Handeln unerlässlich28.“

Es ist augenscheinlich so, dass den Investoren und Kunden sowie der Öffentlichkeit in vielfältiger Weise dieses positive Bild von HR vermittelt werden soll.

Im weiteren Verlauf des Buchs wird noch zu sehen sein, dass die eigentlichen Adressaten dieser Kommunikation eher kritisch sind, das fest verankerte Bild somit nicht nur fest, sondern in Teilen auch trügerisch ist.

 

Welche Rolle Verbände, Kongresse und Preise spielen

Eine weitere Facette des Selbstbildes, das gelebt oder zumindest angestrebt wird, sind die Bilder, die die Standes- oder Berufsverbände vermitteln.

Für Personaler im deutschsprachigen Raum ist es da sicherlich nicht unerheblich, was der Bundesverband der Personalmanager (BPM) als „Selbstverständnis“ vermittelt29.

Darin werden acht Ansprüche postuliert und näher erläutert:

1. Human Resource Management ist Führungsaufgabe.

2. Ein erfolgreiches ‚People Business‘ erfordert eine integrierte Personalorganisation.

3. Personalmanager haben eine Vorbildfunktion.

4. Human Resource Management ist Teil des zentralen Managements.

5. HR-Manager sichern Richtlinien und Compliance.

6. HR-Manager sind Träger einer modernen, kooperativen Mitbestimmungskultur (‚Sozialpartnermanagement‘)

7. Human Resource Management stellt eine Verbindung zwischen Unternehmen und Gesellschaft her.

8. HR-Manager müssen unbequem sein.

Dies ist ein hoher und weitgehender Anspruch, der nicht ohne Weiteres zu realisieren ist. In späteren Teilen des Buches werden diese Schwierigkeiten noch näher beleuchtet.

Auch bei den zahlreichen Tagungen und Kongressen, die für Personaler veranstaltet werden, scheint – bei aller Unterschiedlichkeit der behandelten Themen – ein deutlich positives Grundverständnis durch. So zitierte das Fachjournal „Personalmagazin“ die Vorsitzende des BPM mit folgenden Worten zur Eröffnung des Personalmanagementkongresses 2017:

„In der Mitte der Hauptstadt zu tagen, gefällt uns Personalern, die wir in der Mitte der Unternehmen stehen30.“

Der Herausgeber des „Personalmagazin“ kommentierte den gleichen Kongress wie folgt:

„[Die Vorsitzende] versuchte auf dem Kongress dem Berufsstand mehrfach Orientierung zu geben, die sehr traditionell klingt … Mit diesem Traditionalismus gelang es [ihr], die BPM-Mitglieder abzuholen. Das zeigte ihre einstimmige Wiederwahl als Präsidentin ebenso wie der große Beifall, den Sie auf dem Kongress bekam. [Sie]) präsentiert sich nicht als Visionärin, die eine Idee verfolgt und andere mitreißt.31“

Das zeigt, dass ein traditionelles mit sich selbst im Reinen befindliches Selbstbild die Stimmungs- und Meinungslage der Personaler treffend wiedergibt. Dazu noch einmal Prof. Kaehler:

„Die Profession der Personalmanager scheint mit sich zufrieden. Zwar entwickelt sich die seit über 20 Jahren geführte Debatte um die eigene Rolle und den erhofften strategischen Einfluss zur endlosen Nabelschau. Dennoch – oder gerade deshalb? – lassen die großen Standesorganisationen keine Gelegenheit aus, die Personalerseele zu streicheln. "proud2bHR" lautet etwa ein Motto desBundesverbands der Personalmanager (BPM)32.“

Auch sind einschlägige Kongresse stark darauf ausgerichtet, sich selbst und die Profession zu feiern. So kommentierte das Portal „Managerseminare“:

„Der Preis ist heiß: Bald gibt es im HR-Bereich keinen Kongress mehr, der keinen Award verleiht. Die Tendenz geht zum Zweitgar Drittpreis33. “

Für derartige Preise kann man sich in aller Regel bewerben, eine mehr oder weniger unabhängige Fach-Jury entscheidet über die Vergabe.