Hui und Pfui der Welt - Abraham a Sancta Clara - E-Book

Hui und Pfui der Welt E-Book

Abraham a Sancta Clara

0,0
10,99 €

-100%
Sammeln Sie Punkte in unserem Gutscheinprogramm und kaufen Sie E-Books und Hörbücher mit bis zu 100% Rabatt.
Mehr erfahren.
Beschreibung

Witzig, mitreißend, volksnah – und von zeitloser Aktualität: ein Lesevergnügen, nicht nur für Christen

Drastisch, saftig, volkstümlich – selten gerät Glaubensverkündigung so kurzweilig wie in den Reden und Schriften Abraham a Sancta Claras. Dank erfindungsreicher Wortspiele und einprägsamer Rhetorik wurde der Augustinermönch zum bedeutendsten Barockprediger deutscher Sprache. Die Höhepunkte seines Werks finden sich in diesem Band versammelt.

Bestechlichen Beamten und raffgierigen Kaufleuten, lamentierenden Regenten und schmarotzendem Volk– allen hielt er den Narrenspiegel vors Gesicht. «Wer heucheln kann und schmeicheln kann, der ist heut ein gemachter Mann», dichtete er und hatte auch für die Sündhaftigkeit menschlicher Genüsse deutliche Worte parat. Aus ihnen spricht die Erkenntnis, dass der direkte Weg in Hirn und Herz übers Zwerchfell führt. In einer Zeit, da die Kirche neben der moralischen Erbauung auch für die breite Volkserziehung zuständig war, unterhielten seine mit Märchen- und Fabelmotiven gespickten, vor zeitgeschichtlichen und literarischen Anspielungen strotzenden Predigten ein breites Publikum.

Abrahams rhetorischer Erfindungsreichtum lässt an die Sprachgewalt eines Martin Luther denken – wie manch überbordende Wortspielerei ihn zugleich als das barocke Vorbild eines Ernst Jandl oder H. C. Artmann ausweist. «Eine Vorahnung von zukünftiger Avantgarde» sieht Franz Schuh und bescheinigt in seinem Nachwort Abrahams Analyse der conditio humana eine Aktualität, die zuweilen «in eine beschämende Nähe zu unserer Zeit» gerät.

Das E-Book können Sie in Legimi-Apps oder einer beliebigen App lesen, die das folgende Format unterstützen:

EPUB
MOBI

Seitenzahl: 324

Bewertungen
0,0
0
0
0
0
0
Mehr Informationen
Mehr Informationen
Legimi prüft nicht, ob Rezensionen von Nutzern stammen, die den betreffenden Titel tatsächlich gekauft oder gelesen/gehört haben. Wir entfernen aber gefälschte Rezensionen.



MANESSE BIBLIOTHEK DER WELTLITERATUR

Inhaltsverzeichnis

MANESSE BIBLIOTHEK DER WELTLITERATURAllerlei seltsame und verwunderliche Geschichten, mit vielen Konzepten und sittlichen Lehren unterspickt
Der heilige Antonius predigt den FischenDer verlorne SohnUndank ist der Welten LohnDie Katz lässt das Mausen nichtDer Hund lässt das Bellen nichtWer dem anderen eine Gruben gräbetDer fremden Sachen nachstrebt, verliert das SeinigeDas Geld richt alles in der WeltWie gewonnen, also zerronnenEin neues Kleid für den HerrgottGeld, du vermagst alles in der WeltSchön und jungDer Schein trügtDie gerettete BärenhautDer BeutelfischerFesttage sind FresstageDer Student mit der LappenkappenDer Teufel holt einen AdvokatenWie es dreien Liebesnarren ergangenVom Fisch verschlucktLächerliche Geschicht eines hoffärtigen DoctorisEin Weib erbt eine OchsensennEin schändliche GewohnheitEin unverschamter AufschneiderDer GuguWie die Narrheit der Lieb beide Augen ausgestochen
Ausbündige Narren und Närrinnen zur lustigen Zeitvertreib und wohlgemeinten Warnung
Der KreditnarrDer delikat und leckerhafte NarrDer HausratnarrDer BüchernarrDer eifersüchtige NarrDer GalanterienarrDie Fontange- oder HaubennärrinDie schöne NärrinDer HundsnarrDer FeuerwerknarrDer Antiquität- oder MünznarrDer aufschneiderische NarrDer interessierte NarrDer falsche NarrDer aberglaubige NarrDer KalendernarrDer ArzneinarrDer SaufnarrDer wankelmütige Narr
Des geflügleten Mercurii etliche Postbrief  wegen der Weiber Frommkeit etc.Eine kurze Beschreibung allerlei Stands-, Amts- und Gewerbspersonen. Allen und jeden heilsam und leitsam, auch so gar nicht ohndienlich denen Predigern
Der WirtDer DienstbotDer Advokat und RechtsgelehrteDer SchulmeisterDer Koch
Hui und Pfui der Welt. Hui oder Anfrischung zu allen schönen Tugenden. Pfui oder Abschreckung von allen schändlichen Lastern
Der MenschDie JugendDas hohe AlterEs muss gestorben seinDie rechte JungfrauDie EifersuchtDas HeiratenDer EhestandUngeratene KinderDas böse GewissenDer HochmutDer NeidDer KriegDer Tod als unmilder Pedell
GLOSSARANMERKUNGENEDITORISCHE NOTIZNACHWORTCopyright

Abraham a Sancta Clara (1644–1709)

Allerlei seltsame und verwunderliche Geschichten, mit vielen Konzepten und sittlichen Lehren unterspickt

Der heilige Antonius predigt den Fischen

Der wundertätige Antonius Paduanus1 predigte einsmal in der Stadt Rimini die Lehr Jesu Christi, welcher Doktrin der Ketzer Bombellus samt den mehresten Inwohnern zuwider waren, welches dann verursachet, dass Antonius unter seiner Predigt wenig Zuhörer bekommen, ja mit der Weil nichts als hölzerne Zuhörer, nämlichen die Herren von Bankenried und Stühlingen, will sagen, nichts als Stühl und Bänk in der Kirchen. Solches schmerzte Antonium, dass denen Riminesern besser schmeckten die ägyptische Knobloch des Bombelli2 als das süße Manna des Worts Gottes.« Wann dann», sagt Antonius,«der Samen des göttlichen Worts dieser Erden missfället, so will ich ihn werfen in das Wasser, und weilen mich die Menschen verachten, so werden mich doch die Fisch anhören.»

Antonius in großer Begleitschaft gehet zu dem Gestad des Meers, fängt an zu predigen das Evangelium Jesu Christi. Siehe Wunder! Bei dem schönen trucknen Wetter lauter nasse Zuhörer, maßen alle Fisch ganz eilfertig dem Gestad zugeschwummen, die Köpf aus dem Wasser gehebt und der Predig zugehöret.

Die Karpfen mit Rogen Seind all hieher zogen, Habn d’ Mäuler aufgrissen, Sich des Zuhörens beflissen. Kein Predig niemalen Den Karpfen so gfallen.

Spitzgoschete Hechten, Die immerzu fechten, Seind eilends hergschwummen, Zu hören den Frommen. Kein Predig niemalen Den Hechten so gfallen.

Platteisl, so da klein, Wolltn die Letzte nicht sein, Antonii zu Ehren Sein Predig zu hören. Kein Predig niemalen Den Fischln so gfallen.

Auch jene Phantasten, So gmein’glich beim Fasten, Tue Stockfisch verstehen, Hat man auch da gsehen. Kein Predig niemalen Dem Stockfisch so gefallen.

Sardellen gut Bissln, Wann s’ liegen in Schüssln, Schwimmen emsig zum Port, Zum göttlichen Wort. Kein Predig niemalen Den Fischln so gfallen.

Gut Aalen, gut Hausen Vornehme gern schmausen, Sich daher bequemen, Die Predig vernehmen. Kein Predig niemalen Dem Hausen so gefallen.

Die Sälbling und Äschen, Sonst trefflich zum Näschen, Vor Freuden schier gsprungen, Zu hören die Zungen. Kein Predig niemalen Dem Fisch so gfallen.

Auch Krebsen, Schildkroten, Sonst langsame Boten, Steigen eilends vom Grund, Zu hören diesen Mund. Kein Predig niemalen Den Krebsen so gefallen.

Fisch große, Fisch kleine, Vornehme und gmeine, Heben in d’ Höh die Köpf Wie verständige Geschöpf. Auf Gottes Begehren Antonium anhören.

Nach vollendter Predig des wundertätigen Manns haben alle Fisch die Köpf geneigt und sich bedankt der wunderschönen Lehr, nachmals wiederum unter das Wasser geschwummen, aber Fisch verblieben wie zuvor. Der Stockfisch ein plumper Großkopf geblieben wie zuvor. Der Hecht ein Karpfendieb geblieben wie zuvor. Die Krebsen zurückgangen wie zuvor. Die Aalen geile Gesellen geblieben wie zuvor. In summa: Die Predig hat ihnen gefallen, aber sie seind geblieben wie zuvor. Also gehen viel Neidige in die Predig, hören, wie Gott so scharf gestraft den Neid des Kains, des Sauls, des Esaus, der Brüder Josephs, aber bessern sich nicht. Viel Hoffärtige gehen in die Predig, hören, wie der gerechte Gott so scharf gezüchtiget die Hoffart der Babylonier, der Agar, des Luzifers, des Nabuchodonosor, des Antiochi, des Amman etc., aber bessern sich nicht. Viel Dieb gehen in die Predig, hören, wie die göttliche Justiz ist kommen und gestraft hat den Diebstahl des Achan, des Judae, des Nabaths etc., und bessern sich nicht. Viel Unzüchtige gehen in die Predig und vernehmen nicht ohne Schrecken, wie der Allmächtige gestraft hat den Ammon, den Herodes, den Holofernes, die Sodomiter, die Sichemiter etc., und bessern sich nicht, dann sie können es nicht mehr lassen, wie die Katz das Mausen, wie der Wolf das Zausen, wie der Ochs das Röhren, wie das Schaf das Plärren. Die Gewohnheit ist ein eiserne Pfaid, die Gewohnheit ist schon in der Natur, und die Natur ist in der Gewohnheit. Einen alten Baum biegen, das kann ich nicht, ein alten Hund kuschen lehren, das kann ich nicht, ein altes Mal aus einem Kleid bringen, das kann ich nicht, einem ein alte Sünd abgewöhnen, das kann ich noch weniger. Sicut erat in principio3 ein Weinkaufer et nunc ein Weinsaufer et semper ein Weintaufer. Er lässt es nicht.

Der verlorne Sohn

Was der verlorne Sohn vor ein Landsmann gewest, ist eigentlich nicht bekannt, ich glaube aber ein Irländer. Wie er geheißen hat, ist nicht bewusst, ich glaube aber Malefacius4. Von was vor einem Ort er sich geschrieben hab, allweil er ein Edelmann, hat man noch nicht erfahren, ich glaube aber wohl von Mädlsberg und Frauenhofen etc. Was er im Wappen geführt, hat es niemand beschrieben, ich glaub aber wohl ein Saumagen im grünen Feld.

Dieser Gesell reiste mit wohlgespicktem Beutel in die Länder und Provinzen, aber aus denselben ist er nicht frömmer, sondern schlimmer kommen, und werden noch gar oft manchem adeligen Jüngling die Länder in Elender verwandelt. Auch reiset nicht selten ein guter Germanus aus und kommt ein schlechter Hermannus nach Haus. Was Ehr und Ruhm ist es dann dem ansehnlichen Fluss Donau, dass er in die Länder reist, durch Schwaben, Bayrn, Österreich und Ungarn, endlich aber in die Sau5 fließt. Der fromme Jakob hat auf seiner Reis ein Leiter gen Himmel gesehen, aber leider, viel aus unserm Adel finden auf ihrer Reis ein Leiter in die Höll. Wann derzeit niemand gereist ist, so hält man ihn für einen Stubenhocker, der sein Lager hinter dem Ofen aufgeschlagen, aber sagt mir, liebe Halb-Teutsche, dann ganze seiet ihr schon lang nicht mehr gewest, ist es nicht wahr, ihr schicket eure Söhne aus, damit sie in fremden Ländern mit großem Unkosten fremde Laster lernen, da sie doch mit wenigerem Unkosten zu Haus die Tugenden erwerbten. Spitzfindiger kommen sie nicht zurück, ausgenommen, dass sie neue Modi von Spitzen mit sich bringen, galanter kommen sie nicht zurück, müsst dann sein, dass galant vom Galanisieren herrühret, herrlicher in Kleidern kehren sie zwar oft nach Haus, es wäre aber besser ehrlicher als herrlicher. Neue Modihüt, Modiparücken, Modikrägen, Modiröck, Modihosen, Modistrümpf, Modischuh, Modibänder, Modiknöpf, auch Modigewissen schleichen durch euere Reis in unser liebes Teutschland, und veränderen sich euere Narrenküttel täglich mit dem Mondschein. Es werden bald müssen die Schneider ein Hohe Schul aufrichten, worauf sie doktormäßig gradieren und nachmals den Titul«Ihr Gestreng Herr Modidoktor»erhalten.

Wenn ich alle Modiröck von vierundzwanzig Jahren beieinander hätt, ich wollt darmit fast einen Fürhang vor die Sonnen machen, dass man beim Tag müsste mit der Latern gehen, oder wenigst getraute ich mir die ganz Türkei darmit zu verhüllen, dass sich die Konstantinopolitaner möchten einbilden, ihr Mahomet wollt mit ihnen Blind Katzen spielen etc. Eine alte Hex hat auf Begehren des Königs Saul den Propheten Samuel von den Toten erweckt, damit er durch ihn den Ausgang seiner Waffen wissen möchte. Es wird bald dahin kommen, dass man auch denselben Schneider und Meister wird wünschen von den Toten zu erwecken, welcher der schönen Esther das Kleid gemacht, als sie den Augen des Ahasveri so wohlgefällig war.6

Vor Jahren ist in einer vornehmen Stadt eine Kleiderpolizei aufkommen, und durch scharfes Dekret einem jeden über«standmäßig sich zu halten»verboten worden; es hat aber solches eine geringe Zeit gedauert, weswegen der abgestorbenen Polizei einer diese Grabschrift aufgericht:

Hier liegt begraben Eine Frau, gefressen von Schaben. Die papierene Polizei, Der Weiber Pein und Keierei, Schneider, Kaufleut und Kramer dazu, Die wünschen ihr eine ewige Ruh.

Nimmt also gar zu stark überhand der Kleider Pracht, welche mehrist andere Nationen uns mit höchstem Schimpf spendieren. Bringt demnach das Ausschweifen in fremde Provinzen uns Teutschen oft mehrer Last als Lust ins Land etc.

Auf gleichen Schlag7 hat wenig Guts erlernt der verlorne Sohn in fremden Ländern, sondern sein Studieren war Galanisiern, seine Bücher waren Becher, sein Lateinischreden war«Proficiat »8, sein Welischreden war«Brindisi»9, sein Böhmischreden war«Sasdravi»10, sein Teutschreden war«Gesegne es Gott»etc. Mit einem Wort, er war ein sauberer Bruder, voller Luder, ein Vagant, ein Bacchant, ein Amant, ein Turbant, ein Distillant etc.

Nachdem er nun dergestalten das Seine verschwendt in fremden Provinzen und samt dem Gewissen auch die Kleider zerrissen, welcher wohl mit Wahrheit hat können sagen dem Vater, was die Brüder Josephs ohne Wahrheit dem Jakob vorgetragen, als sie ihm den blutigen Rock gezeigt: Fera pessima11 etc. Ein übels Tier hat den Joseph also zugericht. Ein übles Tier hat den verlornen Sohn also zugericht, ein übles Tier, der« Güldene Adler», ein übles Tier, der«Güldene Greif», ein übles Tier, der«Güldene Hirsch», ein übles Tier, der«Güldene Bär»etc. Diese Tier der Wirtshäuser haben das Bürschel also zugericht, dass ihme die Hosen also durchsichtig worden wie ein Fischernetz, dass ihm der Magen zusammengeschrumpft wie ein alter Stiefelbalg und der Spiegel seines Elends auf dem schmutzigen Wammesärmel zu sehen war etc. Nachdem endlich diesem Früchtl das Sau-Konvikt12 nicht mehr geschmeckt, seind ihm heilsamere Gedanken eingefallen, er solle ohnverzüglich zu seinem alten Vater kehren und bei dessen Füßen ein glückliches Gehör suchen, welches ihme dann nach allem Wunsch vonstatten gangen, und ist dem schlimmen Vocativo sein eigner Vater ganz liebhaft um den Hals gefallen, dem sonst ein Strick am Hals gebühret, ja, mit absonderlichen Freuden und Jubeln ist er in die väterliche Behausung eingeführet worden, alle schnelle Anstalt gemacht zur Kuchl und Keller, und musste gleich das beste und gemäste Kalb geschlacht werden, kocht werden, geröst werden, braten werden etc. Auf die Seiten mit den zerrissenen Lumpen, ein sammeten Rock her, ein Hut mit Blumäschi her, ein guldenen Ring her, Spielleut her, allegro.

Unterdessen kommt der ander Bruder nach Haus, hört aber von fern Geigen, Pfeifen, Leuren, Tanzen, Hupfen, Jugetzen, Jaugetzen etc.« Holla», sagt er,«was ist das, potz Teubel, was ist das? Es wird ja mein Schwester nicht Hochzeit haben, hab ich doch heut frühe noch um kein Braut gewusst.»Indem er in diesen Gedanken schwebet, so bringt ihm einer ein Glas Wein zum Fenster heraus, der Hausknecht lauft ihm entgegen mit der Zeitung, sein Bruder seie nach Haus kommen, deme so schlecht in der Fremde gangen, er soll hurtig hineingehen auf ein kälbernes Brätl. Dieser wurde alsobald hierüber ganz bleich vor lauter Neid, um weilen man seinem Bruder also aufgewartet. Er setzte sich vor der Haustür nieder, er kifflet die Nägel, er knarret mit den Zähnen, er kratzt im Kopf, er rumpft die Nasen, er seufzet von Herzen, er fast und plaget sich also durch den Neid, dass wenig gefehlt, dass er vom Schlag nicht getroffen worden. O Narr! Wär dieser Gispus lieber hineingangen, hätte den Bruder bewillkommt, und so er ihm endlich auch ein Filz hätt geben, der ohnedas kein Hut mit sich gebracht, hätt es wenig Schaden verursacht. Wär er mit ihm zu Tisch gesessen, hätte den kälberen Braten helfen verzehren, auf etliche Gesundtrünk fein wacker Bescheid getan, auch bei der hellklingen Schalmeien etc. ein öftern Hupf herumgesprungen und anderthalb Schuhsohlen abgetanzt, so wär es viel besser gewest und Gott nicht also beleidiget, aber mit seinem Fasten, mit seinem Neid, der ihn mehr gequält als die feurige Schlangen das Volk Israel, hat er die Höll verdient. Sonst ist Trübsal ein Straß zum Himmelsaal, sonst ist Leiden ein Weg zu ’n ewigen Freuden, sonst seind Schmerzen allezeit ein Vortrab des ewigen Scherzen, aber des neidigen Lappen sein Marter ist ein Leikauf 13 der ewigen Verdammnüs.

Undank ist der Welten Lohn

Ein Bauer wollte einest etwas in die nächstentlegene Stadt tragen zu verkaufen, unterwegs aber wegen des schweren Lasts tät er bei einem Felsen rasten, in welchem Felsen ein große Schlangen versperrter gelegen. Wie diese den Bauren wahrgenommen, so fanget sie an inständig zu bitten, er wolle sich doch ihrer erbarmen.«Ich bitte dich um Gottes willen, welcher dem Moysi in dem Alten Testament von dem Erz und Glockenspeis 14 auf eine hohe Saulen mich zu setzen befohlen, ich bitt, ich bitt und bitt dich tausend und tausend Mal, hilf mir doch aus diesem Loch, dann ich wegen des schweren Steins nicht kann herauskriechen.» –«Wie wirst du mich aber belohnen?», fragt der Bauer. –«O mein herzallerliebster Mann, ich will dir den Dank geben, mit welchem die Menschen die größte Guttaten pflegen zu bezahlen.» –«So sei’s dann.»Der Bauer wälzet den großen Stein hinweg, dass also die Schlangen im freien Luft kommen und des langen Arrests entlediget worden.

Wie sie sich nun in der Freiheit befunden, so will sie mit großem Gewalt den Bauren umbringen.« Holla», schreit der Bauer,«was ist das? Soll das mein Belohnung sein um die große Guttat? Ist das der Welt Dank?» –«Ja», spricht die Schlangen,« die Menschen pflegen in der Welt das Gut mit dem Bösen zu vergelten, und solchen Weltdank hab ich dir versprochen.» –«Weißt du was, mein Schlangen», entschuldiget sich der Bauer,« ich bin ein einfältiger Mann und nicht schriftgelehrt, ich will mich mit dir ohne gelehrte Zeugen in kein Disputation einlassen, sondern wir wollen andere suchen, welche hierinfalls verständig urtlen werden. Ist es Sach, dass ich unrecht habe, so will ich gern sterben.»

Begeben sich demnach beede, der Bauer und die Schlangen, auf den Weg und treffen bald einen alten Schimmel, welcher nichts als Haut und Bein tragte. Dieser hatte sein Weid auf einem dürren Feld und ware allbereits schon dem Schindophilo übergeben.«Willkomm, Herr Schimmel, wie, dass Ihr Euch ganz alleinig auf diesen öden Feld aufhaltet. Aus was Ursachen ist der Herr nicht zu Haus im Stall bei einer guten Haberkost?» –«Ach, meine Herren», antwortet der Schimmel,« Ihr dörft euch deswegen so stark nicht verwundern, es ist schon allbereits der Welt ihr Brauch. Ich bin 30 Jahr bei einem Edlmann gewest, dem dieses Geschloss vor Euren Augen zugehörig, hab ihm gedienet, wie es einem redlichen Pferd zustehet. Ich weiß mich wohl zu erinnern, dass ich ihn in den vorigen Türkenkrieg bei Comorren15 etlich Mal hab vom Tod errettet. Jetzt, dass ich alt, schäbig und ganz kraftlos bin, so hat er mich dem Schinder übergeben.» –«Siehest du es, Baur, hast es vernommen, wie die Welt das Gute mit dem Bösen belohnet. Allo, jetzt bring ich dich um», sagt die Schlangen.«Gemach», bittet der Bauer,« gemach! Die Sach muss durch einen allein nicht geschlichtet werden. Wann mehrere dieses Urteils werden sein, alsdann will ich mich ganz urbietig ergeben.» –«Gut!»

Diese zwei beurlaubten sich von dem Schimmel und nehmen ferners ihren Weg fort. Bald aber trafen sie einen Hund an, welcher an einen alten Strick an einem Zaun angebunden.«Willkomm, Herr Melampus, wie so melancholisch. Ihr müsst ein schlechte Kost haben, weilen Ihr so beindrechslerisch ausschauet! Wie kommt es, dass Euer Hundheit also bei diesem Zaun sich befindet? » –«Ach», seufzet der Hund,«das ist mein Lohn, dass ich meinem Herrn so getreu gedienet hab. Was Strapaza habe ich in mancher Jagd und Hötz ausgestanden! Wie viel Hasen hab ich meinem Herr gefangen und ihme also mit eignen Zähnen manches Schnappbissel erhäset! Will geschweigen, dass ich Schelmen und Dieb mit meinem Wachen und Bellen nächtlicherweil hab abgetrieben. Anjetzo, da ich alt, matt, müd und verdrossen bin, hat er mich an den Zaun binden lassen, und wird bald einer kommen, der mich erschießen wird.» –«Allo», sagt die Schlang,«Baur, halt her, dein Handl ist nun verloren, zwei haben dich schon überstritten.» –«Ei, nicht so gäch, mein Schlang! Dafern der dritte auch solcher Meinung wird sein, so will ich mich nachmalens keinesweges weigern.»

In währendem Zank lasst sich ein Fuchs sehen, welcher sich selbst freimütig für einen Richter bei dieser streitenden Parteien aufgeworfen, ruft dahero den Bauren ein wenig beiseits und fragt denselben, ob er mit Hennen versehen seie und wie viel er ihme wolle spendieren, wann er ihne aus dieser äußersten Lebensgefahr salviere.«Ich schenke dir alle Hennen, mein guldener Fuchs», sagt der Bauer. Über solchs fangt der Fuchs mit besonderer Wohlredenheit die Sach vorzutragen, alle Umständ reiflich zu erwägen.«Damit aber hierinfalls keinem ein Unbild oder Unrecht geschehe», sagt der Fuchs,«also ist notwendig, den Augenschein einzunehmen, wie sich der Handel hat zugetragen.»Begeben sich dahero alle drei zu dem Felsen. Der Fuchs schüttlet den Kopf und lasst sich verlauten, als komme es ihme unmöglich vor, dass die große Schlang in diesem Loch seie gestecket.«Mein Schlangen, gehe her und zeig mir’s, wie bist du darinnen gewest?»Die schlieft hinein, der Bauer musste den Stein fürwälzen, alsdann fragt mehrmalen der Fuchs:« Mein Schlang, ist es also gewest?» –«Ja, ja, ganz natürlich ist es also gewest.» –«Nun, nun», antwortet der arge Fuchs,«ist es also gewest, so solle es also verbleiben.»

Dergestalten war der Bauer aus seiner Gefahr errettet und voller Freuden dem Fuchsen versprochen, er solle frühmorgens um 7 Uhr im Haus auf ein gute Hennensuppen erscheinen.

Der Bauer kommt etwas spat nach Haus, wessenthalben das Weib das Gestirn schon mit trotzigen Runzlen ausgepoliert und den armen Mann mit rauhen Worten bewillkommt.«O mein Weib», sagt der Bauer,«wann du sollt wissen, wie es mir ergangen, du wurdest weit anderst reden. Mein guldene Urschel, du hättest bei einem Haar dein Mann verloren. Gedenke, was mir für ein Unstern begegnet, in augenscheinlicher Lebensgefahr bin ich gewest», und erzählet ihr mit allen Umständen.«Doch hat der Himmel einen ehrlichen Fuchsen zu mir geschicket, der hat mich durch seinen Witz wunderbarlich erlediget, dessentwegen ich ihme aus schuldigster Dankbarkeit all unser Hennen versprochen, und morgen, will’s Gott, in der Fruhe um 7 Uhr wird er dieselbige abholen.» –«Was? Holen?», sagte sie.«Was? Hennen holen? Meine Hennen holen? Hol dich der Teu – – – , was hast du mit meinem Geflügelwerk zu schaffen, du Schmarotzer! Wer wird dir nachmals die Eier legen? Du Bengel, du Büffel! Komm mir nur der Fuchs, ich will ihm schon einen hölzernen ‹Vergelt’s Gott› zu verkosten geben.»

Der arme Fuchs wusste um all die Bosheit nichts, dahero ist er in der Fruhe in guter Sicherheit und Vertrauen in das Haus kommen, hoffte denselbigen Tag ein absonderliche Mahlzeit. Kaum aber, dass er ein guten Morgen abgelegt, hat ihm die Bäurin mit einem Scheitholz den Ruckgrat eingeschlagen, dass also der arme Fuchs in diesen seinen Todsnöten nichts mehrers lamentiert als die Undankbarkeit der Welt, wie solche das Gute mit dem Bösen so vielfältig vergelte und bezahle.

Die Katz lässt das Mausen nicht

Lächerlich ist es, was ein Poet dicht und phantasiert von einer Katzen eines Schusters. Diese Katz war schneeweiß und dem Meister Paul absonderlich angenehm, um weilen diese pelzerne Mausfall die Mäus und das schädliche Unziefer aus dem Weg geraumet. Die Mäus als verstohlene Mauser beklagten sich dessen nicht wenig, dass sie einen so tyrannischen Feind haben, und halten mehrmalen dessentwegen ein Zusammenkunft, reiflich beratschlagend, wie doch größerem Ubel vorzukommen seie, sonst seien sie gezwungen, das Losament zu quittieren und endlich ihr harte Nahrung auf dem Feld zu suchen. Die Sach wurde letztlichen beschlossen, man solle ein Allianz eintreten mit des Meister Paul seinem Haushund, auch zu diesem End ein Schreiben und Missiv verfertiget worden, worinnen gedachter Cordian zur guten Verständnüs möchte gezogen werden. Alsdann werde dieser tapfere Hauswächter ihrem Feind wohl gewachsen sein.

Unterdessen, als solches Schreiben im Werk ware, so ist der Katzen ein Unglück widerfahren, indem sie unvermuterweis in ein Schaff gefallen, welches voll mit Schusterschwärz, wordurch der weiße Kater ganz kohlschwarz worden. Wie nun ein paar Mäus als Gesandte dem Haushund den Brief zu überbringen würklich unterwegs waren und aber wahrgenommen, dass die weiße Katz wider alle Hoffnung schwarz dahergehe, haben sie eilends in der Sachen ihre Prinzipalen bericht, unter welchen dann ein ungewöhnlicher Jubel und Freudenschall entstanden. Dann alle Mäus, alle, alle waren der unfehlbaren Meinung, es seie die Katz in ein Kloster gangen und habe ein schwarz Kutten angelegt, wessenthalben sie ohne Zweifel jetzo nicht mehr wird dörfen Fleisch essen. Seie also hierdurch den armen Mäusen das freie Passieren wiederum vergünnet, wie sie dann haufenweis aus ihren Löchern herausgeschlichen. Sobald aber die Katz diese freche Bursch ersehen, hat sie deren etliche erlegt, die übrigen aber sich kümmerlich mit der Flucht salvieret und mit größtem Schaden erfahren, dass wahr seie und wahr bleibe das gemeine Sprichwort: Die Katz lässt das Mausen nicht.

Es ist ihre Natur. Die böse Gewohnheit ist nicht allein eine eiserne Pfaid, sondern auch eine andere Natur, welche sich nicht mehr lasst verbessern.

Der Hund lässt das Bellen nicht

Judas hat gestohlen, hat das Stehlen gewohnt, hat die Gewohnheit nicht mehr lassen können. Judas hat viel seinesgleichens. Ein solcher war jener in dem kölnischen Gebiet, von dem Cäsarius16 registriert, welcher so vieler verübter Diebstahl halber aufgehenkt worden. Weilen nun gleich dazumalen ein Diener eines vornehmen Dumherrns zu Köln vorbeigeritten und vermerkt, dass dieser arme Sünder sich noch ein wenig rühre, hat er alsobalden aus Mitleiden den Strick mit dem Degen abgehauen, mit seinem Hut aus dem nächst vorbeirinnenden Bach ein Wasser eilends herbeigebracht, wormit er den elenden Tropfen erquicket, welcher nachmals noch mit ihme in das entlegene Dorf gangen, aber noch nicht lassen können das Stehlen, auch nachdem er den Strick schon gekost. Dann eben in diesem Dorf wollt er diesem seinem Guttäter, der ihn vom Tod errettet hat, diesem seinem Erlöser wollt er das Pferd stehlen. Weilen er aber ertappet und überziegen worden, hat er an denselbigen Galgen, wo er kurz vorhero ein Frühstück genossen, ein solche Jausen müssen verkosten, woran er erstickt.

Das heißt ja: Raro funesto fur sine fune perit.17 Der Hund lässt das Bellen nicht, der Dieb lässt das Stehlen nicht, wann er’s gewohnt hat. Der Dachs lässt das Graben nicht, der Geizige lässt das Schaben nicht, wann er’s gewohnt hat. Die Sau lässt das Wühlen nicht, der Löffler lässt das Buhlen nicht, wann er’s gewohnt hat. Das Kalb lässt das Plärren nicht, der Flucher lässt das Schweren nicht, wann er’s gewohnt hat. Der Hirsch lässt das Laufen nicht, der Schlemmer lässt das Saufen nicht, wann er’s gewohnt hat.

Holofernes hat das Schlemmen gewohnt und hat’s nicht gelassen. Sennacherib18 hat das Gottslästern gewohnt und hat’s nicht gelassen. Herodes hat das Buhlen gewohnt und hat’s nicht gelassen. Annaias19 hat den Geiz gewohnt und hat ihn nicht gelassen. Judas hat das Stehlen gewohnt und hat’s nicht gelassen.

Wer dem anderen eine Gruben gräbet

Ein Pferd hat sich einmal bis auf den spaten Abend auf der Weide aufgehalten, welches in dem nächsten Forst ein Wolf erblicket, dahero alsobald dahin geloffen und dem Kaball ein guten Abend gewunschen, anbei befraget, warum es nicht mit anderen Rossen nach Haus gegangen. Das Pferd merkte die Bosheit des Wolfs, sagte demnach, dass es einen üblen Zustand im Fuß habe, indeme es unlängsten in einen gespitzten Nagel getreten. Es wisse aber auch beinebens, dass er, Herr Wolf, ein guter und erfahrner Medikus oder Arzt seie, bitte derentwegen um Hilf, es solle in allweg vergolten werden. Dem Wolf gedunkte dieses ein guter Vorteil, bekannte zugleich, dass er ein guter Arzt seie, doch müsste er vorhero den Schaden sehen, glaubte aber, er möchte bei solcher Gelegenheit den Fuß ertappen und folgsam einen guten Raub darvontragen. Aber das Pferd war diesfalls schlauer und gabe dem Wolf mit dem Fuß, so mit einem starken Eisen bewaffnet gewesen, einen solchen Streich in die Goschen, dass er zuruckgefallen und fast halbtot dahin gelegen. Das Pferd aber sagte:«Mein Wolf, weil du mir einen guten Abend gewunschen, also wünsche ich dir eine gute Nacht»; galoppierte hierüber nacher Haus. Sic ars deluditur arte.20

Es geschicht mehrmal, dass einer, welcher dem anderen eine Gruben gräbet, selbst darein fället.

Der fremden Sachen nachstrebt, verliert das Seinige

Ein arglistiger Knab ist auf ein Zeit bei einen Bronnen gestanden, hat mit den Händen im Kopf gekratzt und bitterlich geweint. Als solches einer wahrgenommen, der sonst seiner Kunst ein guter Bankfischer, so fragt er den Knaben, warum er so sehr lamentiere. Deme der Knab die Antwort gabe, er habe dessen Ursach. Dann sein Herr hab ihn mit ein guldenen Pokal zum Bronnen geschickt, Wasser zu schöpfen, weilen er des Weins nit gewohnt; sein Frau aber könne den Wein wohl leiden und nehme mit der kleinen Maß nicht verlieb, also seie ihme das kostbare Geschirr hinuntergefallen, wessenthalben er sich nicht nacher Haus getraue. Hierauf hat dieser Gesell seine Kleider ausgezogen und ist hinuntergestiegen, der Hoffnung, eine gute Beut zu erhaschen. Der Bub aber nimmt ihme alle Kleider hinweg, und wie dieser vermeint, gar reich zu werden, da hat er nit allein kein Pokal gefunden, sondern nit einmal ein Hemd anzulegen gehabt.

Der fremden Sachen nachstrebt, verliert gemeiniglich auch das Seinige.

Das Geld richt alles in der Welt

Ein adelige Frau hat ein bolognesisches Hündl sehr lieb, also zwar, dass sie gewunschen, ihr Hündl möchte nach seinem Tod bei dem Hund in Himmel, welcher die größte Sonnenhitz dem Erdboden spendiert, seinen Sitz haben. Nachdem solches durch einen groben Kettenbeißer ungefähr stark verwundt worden und also wegen dieses zugefügten Schadens hat müssen das Leben lassen, ware die adelige Frau sehr sorgfältig, wie sie doch möchte das liebste Bellen ehrlich zur Erden bestätten, dahero in eigener Person den Herrn Burgermeister selbigen Orts heftigst ersucht, er wolle doch Erstgedachtes, ihr liebes Hündl, lassen in den mittern Platz des Rathaus bei der schön marmorsteinernen Saulen begraben.« Ei», sagt hierüber der Burgermeister,«das lasst sich auf kein Weis tun. Es kann nit sein. Wann es auch der Hund wäre, welcher dem heiligen Rocho einen Kostherrn abgeben,21 so konnt man dies nicht zulassen.»Ein solches vernunftloses Tier gehöre zum Meister Puffenberger und seie sein gebührende Begräbnus auf der Rabengestätten. Es wurde seinem Namen ein übler Nachklang erwachsen, dafern er solche Ungebühr sollte zulassen.

« O Herr Burgermeister», sagte sie,«wann er das Hündl hätte kennet, er wurde weit anderst sich lassen verlauten, dann es solche stattliche Gaben an sich gehabt, dass es auch ein Supernumerari-Stöll 22 in dem Magistrat hätte verdient. » –«Was», sagt er,«das seind Hundspossen. Es kann nit sein.» –«Soll’s nicht sein können?», sagt sie hinwieder,«indeme doch das liebste Närrl so bescheit ware, dass es auch kurz vor seinem Tod in Beisein zweien wackern Fleischhackerhunden ein Testament aufgericht, auch des Herrn Burgermeisters mit 30 Taler ingedenk gewest. Soll dem also sein?» –«Nit anderst. Wann es ein solche Beschaffenheit hat», sagt der Burgermeister,« so kann’s sein, gar wohl.»

Pecuniae obediunt omnia.23 Das Geld richt alles in der Welt.

Wie gewonnen, also zerronnen

Was kann argers und ärgers sein, als was sich zu Genua zugetragen. In dieser berühmten Stadt wurde auf ein Zeit ein sehr hochfeirliches Fest in gewissen Kirchen begangen, und war ein volkreicher Zulauf zu dieser erstermeldter Solennität. Unter andern wollt auch ein Teutscher (welcher teils aus Andacht, anderseits auch aus Vorwitz etwas Neues zu sehen begehrte) in besagte schöne Kirchen sich begeben, deme aber unweit dieses Gotteshaus ein anderer begegnete mit lachendem Mund und freudenvollem Angesicht und ihn ganz trostreich bewillkommt, sprechend:« Grüß dich Gott, mein tausend Bruder, wie treffen wir so wundersam einer den andern an. Von Grund meines Herzens erfreue ich mich, dass ich dich noch in gewünschter Gesundheit befinde, mein liebster Bruder!»Der gute Teutsche verwundert sich hierüber, konnt sich auf keine Weis dieser unverhofften Brüderschaft oder Bekanntschaft entsinnen, schüttelt derhalben manierlich den Kopf, mit dem Verlaut, er kann sich gar nicht erinnern, dass er einmal des Herrn seie ansichtig, viel weniger bekannt worden. Dieser Erzschalk aber verstellte auch in etwas sein Angesicht, sagend:«Mein Bruder, gedenkst du dann nicht mehr an die Verträulichkeit, so wir vor drei Jahren zu Wien in Österreich im Hasenhaus gepflogen. Bitt dich um Gottes willen, soll dir dann schon entfallen sein jener Possen, den wir beide der Köchin daselbst erwiesen. Da sie einsmal einen guten schweinernen Schunken beim Feuer kochte, seind wir beide ihrer unvermerkt hingangen, den Schunken aus dem Hafen herausgezogen, anstatt dessen des Hausknechts alten Stiefelbalg hineingesteckt, welches nachmals die gleichglaubige Köchin für ein Zauberei gehalten, der betörten Meinung, der Schunken seie durch böse und missgönnende Leut in einen Stiefelbalg verkehrt worden. Mein tausend Bruder, sollst du diesen erfreulichen Gespaß schon vergessen haben? Ei, du lächerlicher Vocativus, stell dich doch nicht so fremd.»

« Ich», sagte hierauf der Teutsche,«nimm mein eigenes Gewissen zum Zeugen, dass ich die Zeit meines Lebens mit dem Herrn nicht habe ein einiges Wort geredet, tut sich also der Herr wegen etwan gleichgestalten Angesicht irren und mich vor einen andern ansehen.»

Der verschmitzte Böswicht gibt hierüber Glauben und bittet um Vergebung, dass er ihn also verträulich hat empfangen. Es wäre aber dessen kein andere Ursach, als weilen er im Gesicht und Leibsbeschaffenheit einem seiner besten Freund ganz ähnlich und gleich seie. Fragte beinebens, wohin er seinen Weg nehme, und wie er verstanden, dass er obbesagte Solennität wegen sehr fremden Zeremonien wolle beiwohnen, gab er ihm diesen äußerlichen Scheins halber sehr guten Rat.

« Mein lieber Herr», sprach er,«weilen der Herr Gesicht und Gestalt halber meinem wertesten Freund ganz gleichet, so will ich den Herrn vor einem Schaden und Ubel warnen. Vermutlich wird der Herr mit etlichen Dukaten versehen sein. Es wisse aber, mein Herr, was arglistige, spitzfindige, durchtriebene Beutlschneider allhier sein, welche gemeiniglich bei solchen Festtägen ihre besten Jahrmärkt haben und denen Leuten aus den Säcken, sogar das Geld aus denen Händen praktizieren. Der Herr folge meinem Rat, die etliche Dukaten, so er bei sich hat, nehme er ins Maul, desgleichen ich auch, solchergestalten werden wir beide der schlauen Beutlschneider ihre Ränk hinterlistigen.»

Dieser gute, ehrliche Teutsche halt diesen Rat für angenehm und heilsam, verbirgt etliche Dukaten ins Maul und gehet samt diesem in die Kirchen. Was folgt? Unter währendem feirlichen Gottesdienst, da jedermann niederkniet, hat der Mitgespan, ofternennte Böswicht, das Schnupftüchel aus dem Sack gezogen, sich stellend, als hätte er ein gewisses Geld ohnbehutsam darmit herausgestreuet, krabbelte also auf der Erden hin und her und lamentierte. Die Gegenwärtige bucken sich auch etwas, und fragt einer den andern, was er suche.«Ach Gott», versetzt er hierüber ganz kläglich,«ich habe mit dem Schnupftuch etliche Dukaten herausgezogen und kann s’ nicht mehr finden. Oh», sagt der obbemeldte Erzschalk und Hauptdieb,«ich hab gesehen, dass dieser Teutscher sich auch gebucket, die Dukaten aufgeklaubt und ins Maul geschoben.»

Als nun die Umstehende ihn mit harten Worten angriffen, er soll dem armen Tropfen das Seinige erstatten. Er, der gute Teutsche, aber wegen seiner eignen Dukaten, die er vorhero aus Einratung dieses Erzschelm ins Maul gesteckt, konnte derenthalben nicht recht reden, viel weniger sich entschuldigen, und weilen die Anwesende vermerkt, dass er Geld im Maul hatte, strengten sie ihn noch heftiger an, dass er also zur Vermeidung größers Unheils sein eignes Geld aus dem Maul dem andern musste darstrecken. Das heißt ja nicht das Brot, sondern gar das Gold vom Maul weggeschnitten.

Dergleichen spitzfündige Diebstahl hätte ich ein große Menge beizubringen, die ich mit allem Fleiß umgehe, damit nicht hierdurch andere in ihren Diebsanschlägen mehrer unterrichtet werden.

Dieb und Judasbrüder glauben fast, dass sie durch Stehlen reich werden, aber es zeigt die beständige Erfahrenheit das Widerspiel, und erfährt man allemalen, dass wahr seie, was die Alten im Sprüchwort hatten: Wie gewonnen, also zerronnen.

Ein neues Kleid für den Herrgott

Es war unlängst einer, welcher zwar kein anders Stammenhaus wusste als ein arme Baurnhütten, gleichwohl hat er klar an Tag geben, dass nit alles Stroh im Kopf hat, was unter dem Strohdach geboren, maßen dieser durch die Studien so viel gezeigt, dass auch die Knöpf zu Rosen werden.

Als solcher noch in den untern Schulen mit dem Häferl in eines großen Herrn Hof sein Kost suchte und derenthalben nicht allein mit dem Hausgesind und Dienstboten in die Bekanntschaft geraten, sondern sogar auch mit der Herrschaft selbst, welche ein sehr gnädiges Wohlgefallen an der bescheiden und bescheidenen Ansprach und sehr witzigen Schnacken dieses Ollaris Scholaris24 hatten, unter andern bracht er einest Ihro Gnaden die sinnreiche Frag vor, wie viel Gott der Allmächtige Ellen Tuch brauche zu einem Rock und Paar Hosen, allweil Gott unendlich und so groß, dass er Himmel und Erd einfülle. Der gnädige Herr kratzte hierüber in den Haaren und wusste keineswegs diesen Knopf aufzulösen. Er glaubte wohl, sprach er, die Hosen müssen größer sein als des Herrn Burgermeisters zu Luzern in Schweizerland.

« O nein», sagt hierauf der Scholar,«mit sieben oder acht Ellen aufs mehrest kann Gott gar wohl bekleidt werden zu Hosen, Wammes und Rock. Dann Gott bei dem Evangelisten Matthäus, 25. Kapitl, spricht: Quamdiu fecistis uni ex his fratribus meis minimis, mihi fecistis. Was ihr einem aus meinen mindesten Brüdern habt getan, das habt ihr mir getan. Ich aber bin einer aus denselben mindesten, wer also mich, wie ich dann von Euer Gnaden nit anderst hoffe, wird von Fuß auf kleiden, der hat Gott selbst ein nagelneues Kleid gespendieret. »

Geld, du vermagst alles in der Welt

Es waren einsmals etliche Kompetenten zu einem guten und wohlerträglichen Amt berufen. Damit man aber möcht erkennen, welcher aus ihnen der witzigiste und hierzu der tauglichste wäre, ist ein Examen von drei gelehrten Männern angestellt worden, welche einem jeden in der Stille und in das Ohr ein Frag aus dem Jure Civili 25 vorgetragen, mit dem Verheiß, wer es zum besten solvieren werde, dem soll das vacierende Amt verliehen sein.

Einer aus den Kompetenten war ein unverständiger Knospinianus und Hauptidiot, welcher gar nicht wusste, ob Zachaeus und Zacharias zweierlei Namen seien, und glaubte, Epiphania seie des Herodis Saugammel gewest. Er wusste sogar nit, an was vor einem Tag dasselbige Jahr der Karfreitag falle. Solchem Mopso gab ein Examinator ein Fragstuck in die Ohren, auf welches aber der Phantast nit geantwort, sondern hinwieder ganz beherzt dem Examinatori ohne weiters Nachsinnen mit diesen Worten begegnet, auch ganz in das Ohr:«Herr, seid auf meiner Seiten und helft mir diesmal fort, mit 100 Taler will ich mich per bar einstellen.» –«Wahrhaftig», schreit der Examinator auf, nit ohne sondere Verwunderung,« wahrhaftig , dieser hat die Question auf das allervollkommeneste mit wenig Worten nach allem Contento solviert (aber solvere heißt auch bezahlen), ist demnach billig, dass er allen andern soll vorgezogen werden.»

O vermaledeites Geld, du vermagst alles in der Welt, derenthalben man dir noch den Titul gibt« allmächtiges Gold».

Schön und jung

In der Stadt Heilbrunn hat sich vor wenig Jahren was Lustiges zugetragen. Daselbst hat ein Markschreier durch offentlichen Trommelschlag lassen ausrufen, wie dass er neben vielfältigen andern Künsten auch könne die alte Weiber jung machen. Kaum dass solches ruchbar worden, da haben sich ein große Anzahl der alten Weiber bei ihme angemeldt, die er aber alle verbescheidt, dass sie sollen des andern Tags ihre Namen samt den Jahren in besondere Zetteln schriftlich bringen, welches auch geschehen. Da waren zu lesen: Katharina Glöcklin, alt 101 Jahr; Magdalena Stuhlfüßin, alt 88 Jahre; Ursula Pausellin, alt 94 Jahr; Veronika Schurtzin, alt 69 Jahr; Regina Storchin, alt 92 Jahr, und dergleichen viel andere mehr. Nachdem alle diese den dritten Tag wieder erschienen, da beklagt sich dieser schlimme Vogel, wie dass er die Zetteln verloren und muss ihme solche ein Böswicht gestohlen haben, seie also vonnöten, neue Zettel zu bringen. Unterdessen aber sagt er ihnen es vorhinein! Die Allerälteste aus ihnen müsste zu Aschen verbrennt werden, welcher Aschen nachmals tauge für die Medizin, wormit er aus Alten könne Junge machen.« Holla!», gedacht ein jede,«vielleicht bin ich die Älteste; will also weniger Jahr schreiben, damit solcher Aschermittwoch nicht über mich komme.»

Wie nun der arge Gesell die neue Zettel erhalten, da hat er auch die vorige Zetteln hervorgezogen, mit Vermeldung, er hab sie wiedergefunden. Er sahe aber einen großen Unterschied: In den ersten Zetteln war Katharina Glöcklin 101 Jahr alt, in den andern nur 49; Ursula Pausellin vorhin 94 Jahr, anjetzo 36; Regina Storchin vor zwei Tagen 92 Jahr alt, anjetzo 32, und also die andern alle etc.

« Wohlan», sagt dieser verschlagener Markschreier,« ihr alle seid im Gewissen schuldig, mich zu bezahlen, dann nach euer eigenen schriftlichen Bekanntnus seid ihr durch mich jünger worden.» Welches dann bei männiglich ein sonders Gelächter verursacht hat, und man hierdurch leicht hat können schließen, dass die Weiber gern schön und jung wollen sein; aber ihr Gestalt ist nicht wie der Israeliter ihre Kleider in der Wüsten, welche vierzig ganzer Jahr hindurch unversehrt seind geblieben.

Der Schein trügt

Viel dergleichen Leute gibt es in der Welt, welche so nasenwitzig sind, dass sie einen jeden Menschen aushöhnen, deme etwan, Gestalt halber, die Natur eine Stiefmutter gewesen.

Einer ware, der einen großen Buckel gehabt, als trage er immerfort einen Ranzen auf dem Rücken. Als solcher in aller Frühe, da die liebe Morgenröt aufgangen, über die Gassen getreten, hat einer aus seinem Zimmer heruntergeschrien:« Wie kommt’s, dass du in aller Frühe so stark hast aufgeladen?»Dieser schaute in die Höhe und sahe, dass dieser Schimpfer nur ein Aug habe, gabe also geschwind zur Antwort:«Ja, Herr, es muss wohl frühe sein, weil Ihr nur ein Fenster offen habt!»Wurde also dieser Einäugige gar wohl von dem Buckleten bezahlt.

Gar schön redet hierinfalls der Ecclesiasticus26, Kapitel XI: Non spernas hominem in visu suo. Verachte einen Menschen nicht nach seinem äußerlichen Ansehen, dann die Biene ist klein unter den fliegenden Tieren, und ihre Frucht hat den Vorzug in der Süßigkeit. Unverständig handlen alle diejenige, welche den Menschen urtlen nach seiner äußerlichen Gestalt, zumalen gar oft in einer schönen Statur und Leibsgröße ein ungeformtes Gemüt verborgen, entgegen in einer kleinen Person ein große Tapferkeit und Wissenschaft gar oft gefunden wird. Wann es an der Größe wäre gelegen, so täte ein Mühlstein mehrer gelten als ein Edelgestein. Wann es an der Größe wäre gelegen, so würde oder sollte ein Rab weit lieblicher singen als eine Nachtigall. Wann es auch an der Schöne wäre gelegen, so nutzte ein Pfau weit mehrer als ein Kamel. Äsopus neben andern Ungestalten hatte auch einen großen Buckel. Unterdessen hatte er einen weltkündigen Verstand. Die Rachel ist über alle Maßen schön gewesen, entgegen ihre Schwester Lea triefäugig und ungestalt; diese aber war fruchtbar und die andere nicht. Es hat mancher ein wildes Larvengesicht, anbei aber voller Witz und guten Gebärden. Es schmecket besser ein herrlicher Wein aus einem Glas als ein sauerer Plempel in einem kostbaren