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Eine junge Frau will sich vom Großstadtrubel erholen. Sie fährt in einen Ort an die Küste. Was sie dort vorfindet, ist so unglaublich und nie zuvor dagewesen.
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Veröffentlichungsjahr: 2016
Der Zug tuckerte gemächlich durch die Landschaft. Es dämmerte bereits und dadurch bekamen die unzähligen Windräder, die auf den umliegenden Feldern standen, einen zarten Schimmer. Die beiden Wagons des Zuges waren so gut wie leer; außer mir befanden sich noch zwei Damen mittleren Alters mit einem Hund, so einer Art Yorkshire Terrier, im Abteil. Es herrschte so eine Stille, dass es wie ein Echo hallte, wenn der Hund bellte. Ein Fahrscheinkontrolleur war nicht anwesend. „Genau das Richtige für mich“, dachte ich.
Ich hatte mir diesmal bewusst ein Fischerdorf ausgesucht um Urlaub zu machen. Ich lebte in der Großstadt, war auch fasziniert, ja, schon fast abhängig von ihr, nutzte auch jeden Urlaub, um andere Metropolen kennen zu lernen. Bis ich irgendwann an einen Punkt gekommen war, wo ich einfach raus musste aus der Stadt. Einfach Abstand zu dem Gewusel, der Hektik bekommen. Ich hatte ein „City-Burnout“.
Irgendwohin fahren, ausspannen, ein Zimmer in einer Pension, das Meer und ich. Das war alles, was ich drei Wochen lang wollte. Durch Zufall hatte ich von Hummerich, einem netten kleinen Ort an der Nordseeküste erfahren. Das hatte mich besonders gereizt, die raue, ursprüngliche Nordsee. Mein Zimmer hatte ich gebucht, nachdem mir in einem dieser Wochenblätter die Telefonnummer einer Maklerin in die Finger gekommen war. Diese hatte für mich ein Zimmer in der Pension „Seemannsgeist“ gebucht. Dies wäre provisionsfrei hatte sie mir gesagt. Dies hatte mir die Frau damit begründet, dass an der Westküste doch keine Gebühren für solche Dienste verlangt würden vom Kunden sonders diese der Vermieter zahlt. Auch den Weg zur Pension hatte sie mir erklärt. Nun konnte ich mich zurücklehnen und mich auf die Ankunft freuen. Vor mir lag noch circa eine Viertelstunde Fahrzeit.
Ohnmächtig lag der alte Mann auf dem Deich. Er war mit seiner Frau spazieren gewesen. Sie hatten einen Hafenrundgang gemacht und waren anschließend ans Meer gegangen. Dort hatten sie auf einer Bank gesessen und waren dann über die Stufen auf den Deich gelangt. Als sie sich umgedreht hatten, um noch einen Blick auf das nächtliche Meer zu werfen, hatte der siebzigjährige Mann urplötzlich ein Stechen in der Lungen gespürt, sofort im Anschluss daran wurde sein Atem zu einem Röcheln. „Ich kriege. keine. Luft....ich......verdammt“, stammelte er.
Die Atemnot schien ihm sämtliche Kräfte zu rauben, der Senior sackte auf die Knie. „Ich kann nicht mehr“, ächzte der Mann, der immer kerngesund und fit gewesen war. Seine Frau, eine elegante Fünfundsechzigjährige, schaute sich verzweifelt um, ob jemand, vielleicht ein Spaziergänger kam, der Hilfe leisten konnte, während sie versuchte, ihren Ehemann festzuhalten, damit er nicht auf den harten, kalten Asphaltgehweg fiel. Aber weit und breit war niemand zu sehen. Das einzige Leben ging vom Leuchtturm aus, der perfekt seinen Dienst leistete, indem er sein Licht abgab. Das Cafe an der Promenade war geschlossen, genauso wie das Solarium, das Wellenbad und die biologische Trinkkurhalle, welche sich am Haupteingang zum Strand befanden.
Zu der nächsten Telefonzelle würde sie am Cafe, das bei Dunkelheit sehr ungemütlich wirkte, vorbeilaufen und die Stufen hinuntersteigen müssen. Dann würde sie ihren Gatten aus dem Blickfeld verlieren. Rosemarie Weinmeisters Nerven waren aufs Äußerste angespannt. Sie dachte: „Was für ein Dilemma, oh Gott, was soll ich tun.“ Nur abwarten und hoffen, dass irgendjemand vorbeikam, konnte sie beim Besten Willen nicht. Hermann, ihr treuer Lebensgefährte und Mann, gab mittlerweile nur noch schwach surrende Laute von sich, er konnte nicht mal mehr sprechen, selbst das Schlucken bereitete im starke Anstrengungen. Sein Blick war verschleiert. Rosemarie überlegte kurz. Lange konnten sie hier nicht mehr bleiben. Hermanns Zustand verschlechterte sich sekundenschnell. Schweren Herzens würde ihren Mann für einige Minuten zurücklassen müssen um einen Krankenwagen zu holen. Sie nahm sein Gesicht in ihre Hände, da brach Hermann zusammen. Er war bewusstlos. Rosemarie erschrak, reagierte aber noch intuitiv, um Hermanns Fall abzustützen, damit er nicht mit dem Kopf auf den Asphalt prallte. Nun musste sie sich schnell auf den Weg machen.
Die Frau zog ihren Mantel aus, um ihren Mann zuzudecken, denn es war kalt, zu dem herrschte Windstärke sechs. Und das im Juni. Dann rannte sie los, was sie auch nicht mehr wie eine Gazelle konnte seit der Hüftoperation, die drei Monate zurücklag.
Nach wenigen Minuten hatte sie die beiden Telefonzellen erreicht. In denen waren keine Apparate vorhanden! Über dem Wort“ Telefonzelle“ war, viel kleiner, „Muster“ drüber geschrieben. „Nein“ schrie die arme Frau. Sie wandte ihren Kopf zum Deich, wo ihr Mann lag, der dringend Hilfe brauchte.
„Nächster Halt: Hummerich“ kam die Durchsage, die durch den Lautsprecher etwas verzerrt klang. Der Zug hielt und ich stieg aus. Sofort nahm ich einen Geruch war, der mich an eine Mischung aus Jod und Gas erinnerte, was natürlich nicht sein konnte. Wahrscheinlich roch es hier besonders stark nach Jod und Meersalz, den Hummerich war ja ein Kurort. „Meine Nase ist auch schon völlig gestört durch die ganzen Schadstoffe, die ich tagtäglich in der Stadt einatme“, dachte ich kopfschüttelnd.
Das Bahnhofsgebäude war kleiner als ein Einfamilienhäuschen und war zu dem geschlossen. Richtig süß. An dem Häuschen vorbei gelangte ich zu den Taxis. Oder besser gesagt, zu dem Taxi, denn es war nur eins vorhanden. Erleichtert stellte ich fest, dass die Frauen, die mit mir im Zug gereist waren, in die andere Richtung gingen, wo sich in einer kleinen Straße Einfamilienhäuser befanden.“ Um so besser für mich“, schoss es mir durch den Kopf. Ich hätte jetzt nach der Fahrt keine große Lust gehabt, im Dunkeln nach der Pension zu suchen. Einen Plan von Hummerich besaß ich ebenfalls nicht. Ich wusste, dass ich zum „Hummergrund“ musste, so hieß die Straße, in der sich meine Pension befand. Auch die nette Maklerin hatte mir empfohlen, ein Taxi zu nehmen.Während der ungefähr fünfminütigen Fahrt verschaffte ich mir einen ersten Eindruck von Hummerich. Viel sehen konnte ich nicht, denn draußen war es fast rabenschwarz geworden. Ich kam an einem großen Supermarkt und an einer Sparkasse vorbei und sonst konnte ich nur Häuser erkennen. So gut wie in keinem von denen brannte Licht. Hier würde ich die Ruhe finden, die ich so dringend brauchte. Dann hielt das Taxi vor dem Haus „Seemannsgeist“.
Ich war verblüfft, so elegant hatte ich mir das zweigeschößige Haus nicht vorgestellt. Es besaß im ersten Stock einen großen Balkon, wunderschön mit Säulen der griechischen Art verziert. Das Haus selbst sah aus wie mit Zuckerguss übergossen. Der Zaun, der das Anwesen von dem Bürgersteig des Hummergrunds trennte, reichte mir kaum zu den Kniekehlen. Durch den Garten, der mit Rosensträuchern bepflanzt und mit Engelstatuen dekoriert war, gelangte ich zur Eingangstür, die sich an der rechten Seite des Hauses befand. Auf ihr war ein Kranz aus Stroh und getrockneten Blumen befestigt. Links neben der Tür war der Klingelknopf. Ich betätigte ihn und nach wenigen Sekunden vernahm ich Schritte.