Humoresken (Zweites Bändchen) Wider den Strom. - Die Feuerspritze. - Eine Abendwanderung. - Der alte Schreiber. - Eckstein, Ernst - kostenlos E-Book

Humoresken (Zweites Bändchen) Wider den Strom. - Die Feuerspritze. - Eine Abendwanderung. - Der alte Schreiber. E-Book

Ernst, Eckstein

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Project Gutenberg's Humoresken (Zweites Bändchen), by Ernst EcksteinThis eBook is for the use of anyone anywhere in the United States and mostother parts of the world at no cost and with almost no restrictionswhatsoever.  You may copy it, give it away or re-use it under the terms ofthe Project Gutenberg License included with this eBook or online atwww.gutenberg.org.  If you are not located in the United States, you'll haveto check the laws of the country where you are located before using this ebook.Title: Humoresken (Zweites Bändchen)       Wider den Strom. - Die Feuerspritze. - Eine Abendwanderung.              - Der alte Schreiber.Author: Ernst EcksteinRelease Date: July 7, 2015 [EBook #49381]Language: German*** START OF THIS PROJECT GUTENBERG EBOOK HUMORESKEN (ZWEITES BÄNDCHEN) ***Produced by The Online Distributed Proofreading Team athttp://www.pgdp.net

Anmerkungen zur Transkription

Im Original gesperrter Text ist so ausgezeichnet.

Im Original in Antiqua gesetzter Text ist so ausgezeichnet.

Weitere Anmerkungen zur Transkription finden sich am Ende des Buches.

Philipp Reclam'sUniversal-Bibliothek. Bis Dezember 1895 sind 3470 Nummern erschienen. Jedes Werk ist einzeln käuflich. – Preis: 20 Pfennig die Nummer. Ein vollständiges Verzeichnis ist durch jede Buchhandlung gratis zu beziehen.

Neueste Erscheinungen:

3434. Musiker-Biographien. 18. Band: Cherubini. Von Maxim. Emil Wittmann.

3435. Wagner, O., Der stille Portier. Berliner Lebensbild mit Gesang in 1 Aufz.

3436. Staack, S. C., Die Else vom Erlenhof. Volksstück aus dem Schwarzwalde in fünf Aufzügen.

3437. Bornstein, Arthur, Der Theaterarzt und andere Humoresken.

3438. Hebbel, Friedrich, Demetrius. Trauerspiel in fünf Aufzügen und einem Vorspiel. Ergänzt und für die Bühne bearbeitet von Heinrich Teweles.

3439. Neera, Die Strafe. Erzählung. Frei nach dem Italienischen von Dr. Siegfried Lederer.

3440. Peschkau, Emil, Moderne Probleme. Ein Zeitbrevier.

3441. Stobitzer, Heinrich, Die Barbaren. Lustspiel in vier Aufzügen.

3442. Webers Demokrit. 3. Band: Das Weib.

3443. Arnold, Friedrich, Unsere einheimischen Stubenvögel. Schilderungen von deren Frei- und Gefangenleben, Anleitung zu ihrer Wartung und Pflege. 2. Bändchen. Die Körnerfresser. Mit einer Abbildung.

3444. Olden, Hans, Thielemanns. Lustspiel in vier Aufzügen.

3445. Siklósy, J., Londoner Geschichten.

3446–50. Brüder Grimm, Kinder- und Hausmärchen. Vollst. Ausgabe. 3 Bd.

3451–53. Fürst Bismarcks Reden. Mit verbindender geschichtlicher Darstellung herausgeg. v. Philipp Stein. 4. Bd.: Bundeskanzler Graf Bismarck. 1868–71. (Bis zur Errichtung des Deutschen Kaiserreichs.)

3454. Voß, Richard, Die blonde Kathrein. Ein Märchenspiel nach Andersen in drei Teilen. Mit dem Bildnis des Verfassers.

3455/56. Petöfi, Alexander, Prosaische Schriften. Aus dem Magyarischen von Dr. Adolph Kohut.

3457. Werther, Julius v., Der Kriegsplan. Histor. Intriguenstück i. 4 Aufzügen.

3458. Schlicht, Frhr. von, Militaria. Heitere Soldatengeschichten.

3459. Kipling, R., Schlichte Geschichten aus Indien. Nach dem Englischen von Hans Helling.

3460. Heine, Heinrich, Ratcliff. Eine Operndichtung. Vollst. Buch. Herausgegeben von C. Friedr. Wittmann. 30. Bd.

3461. Bötticher, Georg, Neue Allotria.

3462. Marschner, Hans Heiling. Vollständiges Opernbuch. 31. Bd.

3463. Mikszáth, Koloman, Gesammelte Erzählungen. Aus d. Ungarischen übersetzt von C. Langsch. 1. Bändchen.

3464/65. Emerson, Repräsentanten d. Menschengeschlechts. Aus dem Englischen übersetzt und mit biographischer Einleitung versehen von O. Dähnert.

3466. Weiser, Karl, Penelope. Lustspiel in fünf Aufzügen.

3467. Scott, Walter, Des letzten Minnesängers Sang. Aus d. Englischen übersetzt von C. Cornelius.

3468–70. Das Buch des Propheten Jesaja. Aus dem Grundtext übersetzt und mit Erläuterungen versehen von Franz Herrmann. Mit 2 Karten.

Einband-Decken in Ganzleinen zur Universal-Bibliothek (wie dieselben zu Reclam's Miniaturausgaben) ohne Titeldruck in 9 Größen, für Bände im Umfang von 5, 8, 12, 16, 20, 25, 30, 35 u. 42 Bogen, sind, pro Stück 30 Pf., durch alle Buchhandlungen zu beziehen.

Humoresken

von

Ernst Eckstein.

Zweites Bändchen.

Wider den Strom. – Die Feuerspritze. – Eine Abendwanderung. Der alte Schreiber.

Leipzig. Druck und Verlag von Philipp Reclam jun.

Vorbemerkung.

Die erste der hier folgenden humoristischen Kleinigkeiten, die Novellette »Wider den Strom«, basirt auf einer allerdings nicht streng beglaubigten Mittheilung Pigault-Lebruns, der uns irgendwo die betreffenden Briefe Napoleons und Jérôme's reproducirt, und über die Straf-Mission des Generals Rapp kurz, aber energisch Bericht erstattet.

Der zweite Scherz, »Die Feuerspritze von Gressinet«, beruht auf freier Erfindung. Wenn verschiedne Kritiker, die den harmlosen Schwank s. Z. mit Referaten beehrt haben, in dem Streite zwischen Clatou und Gressinet eine »Satire auf das politische Parteiwesen im Allgemeinen« erkennen wollten, so lass' ich's gelten; daß einer dieser Herren jedoch so weit ging, hinter jedem der hier geschilderten Spießbürger eine bekannte Tagespersönlichkeit zu vermuthen, – das ist zu viel des interpretirenden Scharfsinns. Die Separatausgabe der »Feuerspritze von Gressinet« war mit dem Motto von Gustav Droz geschmückt: »… petite fantaisie sans prétention, qui veut être lue, comme elle a été écrite; gaiement, au coin du feu, et les pieds sur les chenets.« Hiermit ist in der That Alles gesagt.

Numero drei endlich, – »Eine Abendwanderung«, – erhebt nur die Ansprüche eines psychologischen Stimmungsbildes.

E.

Wider den Strom.

Eine Erinnerung an die lustigen Tage der Wilhelmshöhe.

Es war im August des Jahres 1810.

Durch die weitgeöffneten Fenster des königlichen Schlosses wehte eine erquickende Abendkühle. In einem der oberen Eckzimmer saß Jérôme, der glückliche Beherrscher des Königreiches Westphalen, und blickte hinüber nach seiner guten Hauptstadt Kassel, deren Thürme sich im Golde des scheidenden Tages badeten.

Er war sonst kein Schwärmer, der kleine Bruder des großen Eroberers. Heute indeß schien das bezaubernde Landschaftsbild, das sich in leuchtender Pracht vor ihm entfaltete, auf seine königliche Seele einen außergewöhnlichen Eindruck hervorzubringen. Träumerisch neigte er das Haupt rückwärts wider die Lehne des üppigen Fauteuils. Die Hände vor dem Magen gefaltet, die Füße auf einem elastischen Tabouret ausgestreckt – so saß er da, ein personificirtes Dolce-far-niente, eine verkörperte Lebensregel Epikurs, ein Fürst nach dem Herzen Gottes. Und doch lag ein leiser Schatten von Wehmuth auf diesem behäbigen Antlitz, eine dämmernde Nüance seelischer Verstimmung, ein Hauch von Trübsinn, der seltsam mit der herrlichen Scenerie der nächsten und fernsten Umgebung contrastirte.

Plötzlich rang sich aus dem Busen des Königs ein tiefer Seufzer los.

»Befehlen Ew. Majestät?« erklang es im Hintergrunde des Gemaches.

Jérôme wandte unmerklich den Kopf.

»Nichts, mein lieber Pigault …« stotterte er; »ich dachte nur …«

Pigault-Lebrun, der Bibliothekar und Vorleser des Königs, der sich bisher in bescheidener Verborgenheit gehalten hatte, um die Meditationen, beziehungsweise die Verdauung seines hohen Gebieters nicht zu stören, trat ein paar Schritte näher.

Er durfte dies wagen, denn niemand bei Hofe genoß das Vertrauen Jérôme's in gleichem Maße wie er. Eine Bibliothek existirte nicht; vom Vorlesen war der König kein Freund: Pigault-Lebrun hatte also eine sehr leichte Amtsführung, und er verwendete die vierundzwanzig Mußestunden, über die er täglich verfügte, nach Abzug eines sechsstündigen Schlafes, ausschließlich im Interesse des allerhöchsten Amüsements. Italienische Nächte, Feuerwerke, Bälle, Festessen, musikalische Unterhaltungen, Liebesabenteuer, kurz die gesammten Regierungssorgen des westphälischen Hofes standen unter seiner obersten Leitung, und da er ein unvergleichliches Vergnügungsgenie entwickelte, so schenkte ihm Jérôme den ganzen Schatz seiner fürstlichen Liebe.

Pigault-Lebrun trat also vor und sagte mit melodischer Stimme:

»Ah, Sire, Sie sind nachdenklich? Sollte jemand so unglücklich gewesen sein, Dero Mißfallen zu erregen?«

Seine Majestät schüttelte das Haupt.

»Nein, Pigault,« entgegnete er langsam; »ich bin mit dir und allen meinen Getreuen vollkommen zufrieden; allein, siehst du …«

Er stockte.

Pigault-Lebrun näherte sich abermals um ein paar Schritte. Er konnte jetzt dem König voll ins Gesicht sehen. Der eigenthümliche Schleier von Melancholie, der auf diesen sonst so heiteren Zügen ruhte, berührte ihn peinlich.

»Eure Majestät sind verstimmt,« sagte er sorglich. »Fanden Sie die heutige Tafel nicht ganz nach Dero Geschmack …? Ich werde sofort die Entlassung des Küchenmeisters anordnen.«

»Beileibe nicht,« flüsterte Jérôme. »Meine Köche sind Meister ihrer Kunst, und wenn die Etikette nicht wäre, ich würde sie sämmtlich in den erblichen Grafenstand erheben.«

»So hat Ihnen die Königin eine Scene gemacht? Ah, Sire, ich bin sicher … die Königin … Ich kenne die Eifersucht Ihrer Majestät …«

»Du irrst dich, mein Freund! … Seitdem der Kaiser, unser gestrenger Bruder, die kleine Helene mit Gewalt von dannen geführt hat, ist die Königin mit mir ausgesöhnt. Sie hegt, Dank unserer Vorsicht, nicht den geringsten Verdacht mehr … Ah, es war ein niederträchtiger Streich von meinem Herrn Bruder!«

»Ich wage nicht zu widersprechen, Sire. Indeß, bedenken Sie, die Etiquette! Sie sind König, Sie müssen wenigstens den Schein wahren. Die kleine Frau hatte Ihre Majestät ja vollständig verdrängt … Der ganze Hof lag Helenen zu Füßen, und Ihre legitime Gemahlin zog sich ganz und gar aus der Öffentlichkeit zurück … Der Kaiser ist ja auch kein Ausbund von Tugend, aber er hält doch darauf, daß die Welt nicht scandalisirt wird … verzeihen Sie diesen Ausdruck …«

Das Antlitz des Königs war mit jedem Worte seines Vertrauten finsterer und erregter geworden. Er stützte den Kopf in die Hand und blickte eine Minute lang starr vor sich hin.

»Pigault,« sagte er endlich, »seien wir aufrichtig! Was hältst du von meinem Verhältnis zu meinem kaiserlichen Bruder?«

»Die Frage ist schwer zu beantworten, Sire,« erwiderte der Bibliothekar.

»Keine Phrasen, mein Freund … Laß jetzt einmal das langweilige Geschwätz von Sire und Majestät und steh' mir ordentlich Rede … Siehst du, wie ich da so hinausschaute in das herrliche Land, das ich mein nennen könnte, wenn nicht … wenn … wenn es eben mein wäre …«

»Ich verstehe Sie nicht; sind Sie nicht König?«

Ein bitteres Lächeln spielte um Jérôme's Lippen.

»König!« wiederholte er höhnisch; »ja, König, wie der König im Schachspiel, eine Puppe, die durch die erste, beste Laune einer höhern Potenz matt gesetzt werden kann.«

»Wie meinen Sie das, Sire?« stotterte Pigault-Lebrun.

Jérôme machte eine Bewegung des Mißbehagens.

»Pigault,« sagte er, »ich bitte dich, stell' dich nicht dümmer als du bist. Du willst mich schonen. Du fürchtest meine Eitelkeit zu verletzen. Das lass' ich gelten, wenn wir im Kreise unserer Höflinge sind. Hier aber ist die Maske Luxus. Ich fordere deine Meinung, und zwar ohne Rückhalt, verstehst du?«

»Zu Befehl, Sire. Fragen Sie!«

»Du weißt,« fuhr der König fort, »daß ich trotz aller Herrlichkeit nur der elende Sclave meines Bruders bin …«

»O, Sire …«

»Aber, ich gestehe dir's offen … ich fange nachgerade an, des Possenspiels müde zu werden. Es ist weit gekommen, wenn dieser … dieser Tyrann sich erlauben darf, in meine Privatverhältnisse einzugreifen … Ich bin fest entschlossen, bei der ersten Gelegenheit ein eclatantes Exempel zu statuiren … Willst du mich dabei unterstützen?«

»Ich stehe jederzeit zu Eurer Majestät Verfügung,« lautete Pigaults diplomatische Antwort.

»Was hieltest du zum Beispiel davon, wenn ich den Prinzen von Paderborn kurzer Hand zum Teufel jagte? Der Kerl ennuyirt mich so wie so mit seinem Geschwätz von Kirchenverfassung und Clerus mehr als ich sagen kann, und die Geschichte würde stark nach Unabhängigkeit schmecken!«

»Aber die Folgen?«

Der König warf sich trotzig in die Brust.

»Pah,« entgegnete er, »der Kaiser wird sich fügen, wenn er sieht, daß ich standhaft bin. Was kann er machen?«

»Sire,« sagte Pigault in bedächtigem Tone, »ich glaube, Sie täuschen sich selbst … Sie wissen nur zu gut, daß Napoleon nicht mit sich spaßen läßt, und was Ihre eigene Standhaftigkeit anbetrifft, so verzeihen Sie, wenn ich keine allzuhohe Meinung davon habe …«

»Du bist aufrichtig.«

»Ich bitte Eure Majestät, mich nicht mißzuverstehen. Aber Ihre angeborene Herzensgüte, Ihre Friedensliebe …«

»Schon recht,« murmelte Jérôme, »spare deine Beredsamkeit! Ich glaube selbst, der Streich wäre als erster Schritt zur Emancipation ein wenig verwegen … Aber weißt du nichts Besseres?«

In diesem Augenblick trat ein Kammerjäger in das Gemach und meldete in tiefster Devotion:

»Der pariser Courier!«

Instinctiv fuhr der König von seinem Sessel auf. Es hätte wenig gefehlt und er wäre selbst in das Vorzimmer geeilt, um die Briefschaften in Empfang zu nehmen. Er besann sich jedoch noch zur rechten Zeit und setzte sich wieder, während Pigault-Lebrun von dannen eilte, um nach einigen Secunden mit einer schweren Fuhre von Papieren zurückzukehren.

»Da wir nichts Wichtigeres zu thun haben,« sagte Jérôme mit schlecht erkünstelter Gleichgiltigkeit, »so kannst du die Geschichte einmal durchsehen und mir das Amüsanteste vorlesen.«

Pigault setzte sich und begann seine Musterung.

»Depesche des Cultusministeriums …«

»Weg damit!«

»Das Ministerium der auswärtigen Angelegenheiten an die königliche …«

»Weiter, weiter!«

»An Ihre Majestät die Königin.«

»Von wem?«

»Nicht zu errathen. Vermutlich eine Busenfreundin …«

»Weiter …«

»Ein Brief des Kaisers an Eure Majestät.«

»Schon wieder … Was kann er wollen? Gieb her … Oder nein … Lies vor … Du weißt, ich finde mich in diesen Krähfüßen nicht zurecht …«

Pigault-Lebrun entfaltete das Schreiben und begann wie folgt:

»Mein Bruder Jérôme Napoleon, König von Westphalen!«

»Wie?« fragte Jérôme, »›mein Bruder‹ schreibt er? Nicht, ›mein lieber Bruder‹? Das wird mir wieder eine saubere Epistel sein! Weiter!«

Der Bibliothekar fuhr fort.

»Alles, was ich von Ihnen erfahre, liefert mir den Beweis, daß meine Rathschläge, meine Anordnungen, meine Befehle nicht den geringsten Eindruck auf Sie machen. Die Geschäfte sind Ihnen lästig. Die Pflicht der Repräsentation ennuyirt Sie. Mein Bruder, bedenken Sie, daß das Metier eines Königs gelernt sein will! Ein Souverän ohne die gehörige Repräsentation ist ein Unding. Sie lieben die Freuden der Tafel. Sie lieben die Frauen. Beides wird Sie zu Grunde richten. Machen Sie's wie ich: bleiben Sie eine halbe Stunde bei Tische und lassen Sie die Weiber – Weiber sein!« …

»Diese Unverschämtheit!« stammelte der König in höchster Aufregung. »Was hat er sich darum zu kümmern, ob ich mein Leben genieße oder nicht! So was ist in der Geschichte noch nicht dagewesen! Ich möchte wissen, wozu ich König bin, wenn ich mich nicht amüsiren soll! Gieb Acht, Pigault, es ist wieder auf eine von meinen … Freundinnen abgesehen!«

»Ach, ich glaube nicht daran … Wir gehen zu vorsichtig zu Werke … Gilt die reizende Caroline nicht allenthalben für meine Gemahlin? … Und die deutsche Gräfin, die wir aus München geholt haben, hält man sie nicht allgemein für die Frau Ihres Leibarztes …?«

»Aber die kleine Heberti, die Tänzerin?«

»Pah! haben wir sie nicht als Kammerfrau bei der Justizministerin untergebracht? Kein Gedanke, Sire! Niemand kann ernstlichen Verdacht geschöpft haben!«

»Du siehst alles im rosigsten Lichte. Leider weiß ich nur zu genau, daß jeder meiner Schritte überwacht wird. Wer zählt die Spione, die mein liebenswürdiger Bruder besoldet? Nirgends sind wir sicher, nicht einmal mehr bei unseren intimen Soupers …«

»O, Sire, Sie sind Pessimist. Im Kreise Ihrer Vertrauten findet sich kein Verräther!«

»Ich wollte, du hättest Recht. Aber nun lies einmal weiter! Ich bin doch begierig zu hören, wo das hinausläuft.«

Pigault-Lebrun fuhr in der Lectüre fort:

»Der Prinz von Paderborn, den ich Ihnen zum Aumônier gegeben habe, schreibt meinem Cultusminister, Sie gingen nie darauf ein, wenn er mit Ihnen von kirchlichen Angelegenheiten sprechen wolle. Das ist nicht in der Ordnung. Man muß sich mit allem befassen, sogar mit der Religion.«

»Es ist zu stark! Ich soll mich von dem langweiligen Tropf anschnattern lassen, blos weil mein Herr Bruder die Marotte hat, das gehöre zum Handwerk! Aber warte nur! Du sollst mich kennen lernen! – Weiter!«

»Sie haben Ihren Kammerherrn Merfeldt nach Hannover versetzt, weil er Ihnen, wie Sie sich ausdrückten, mit seinen beständigen Predigten über die Etiquette lästig fiel. Ich möchte wissen, wie Sie Ihre Rolle als König spielen wollen, wenn Ihnen der Souffleur fehlt. Ich wünsche, daß Sie besagten Kammerherrn sofort zurückberufen, und zwar so, als thäten Sie dies aus freien Stücken!«

»Sehr gut, sehr gut!« sagte der König erbittert. »Ich sehe wohl, daß mein Entschluß, diesem unwürdigen Zustand ein Ende zu machen, nicht zu früh kommt! – Weiter!«

»Sie vernachlässigen die Königin. Ist sie Ihnen etwa nicht vornehm genug? – Warum berücksichtigen Sie nicht meine Wünsche? Ich erwarte unter allen Umständen, daß ich demnächst von der bevorstehenden Geburt eines Prinzen höre … Meine weiteren Anordnungen übermittle ich dem Minister Siméon. Er wird Sie davon in Kenntnis setzen. Ich verbleibe Ihr wohlgewogener Bruder

Napoleon.«

Der König war bei den letzten Phrasen vom Fauteuil aufgesprungen. Sein Antlitz bedeckte sich mit einer brennenden Zornesröthe. Er ballte die beiden Fäuste und rang sichtlich nach Athem.

»Pigault!« rief er. »Du weißt, ich verstehe nicht viel von Stylistik und derartigem gelehrten Krame … Aber du … Du bist ein Genie … Du kennst alle Kniffe der Redekunst … Du bist, wie man zu sagen pflegt, mit allen Hunden gehetzt …«

»Eure Majestät haben eine zu schmeichelhafte Meinung von mir,« entgegnete der Bibliothekar mit einer artigen Verbeugung, indem er den Brief des französischen Imperators wieder zusammenfaltete.

»Pigault!« fuhr der König fort, »du bist der Mann dazu: du mußt mir auf dieses Schandgesudel eine Antwort verfassen, die sich gewaschen hat!«

»Aber Sire, bedenken Sie …«

»Keine Ausrede; – ich gebe dir mein königliche Wort darauf, daß ich dich nicht verrathen werde. – Setze mir eine Epistel auf, die der Kaiser nicht hinter den Spiegel stecken wird! – Ich werde den Brief abschreiben, und dir das Original zurückerstatten. Kein sterblicher Mensch erfährt, daß du der Urheber bist!«

»Wenn Eure Majestät mir in der That versprechen …«

»Mein Wort darauf, Pigault, mein königliches Ehrenwort! Ich wiederhole dir's: niemand soll den wahren Zusammenhang ahnen.«

»Gut denn, Sire. Allein ich wage nochmals einzuwenden … Der Streich könnte doch seine üblen Folgen haben!«