Hunderttausend Lichtjahre weit weg: SF-Romanpaket - Alfred Bekker - E-Book

Hunderttausend Lichtjahre weit weg: SF-Romanpaket E-Book

Alfred Bekker

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Beschreibung

Dieser Band enthält folgende SF-Abenteuer: Dunkle Welten (Alfred Bekker) Das Niemandsland der Galaxis (Alfred Bekker) Revolte im Beteigeuze-System (Alfred Bekker) Galaktischer Jäger (Alfred Bekker) Terra 5500 - Flucht ins All (Jo Zybell) Terra 5500 - Galaktische Jäger (Jo Zybell) Terra 5500 - Sturz auf den Wasserplaneten (Jo Zybell) Terra 5500 - Entscheidungsschlacht (Jo Zybell) Terra 5500 - Todesmond Triton (Jo Zybell) Terra 5500 - Der verbotene Planet (Jo Zybell) Raumschiff Rubikon - Tovah'Zara (Manfred Weinland) Lennox und das Geheimnis der Kristalle (Jo Zybell) Lennox und das Ende der Unschuld (Jo Zybell) Die grüne Folter (A. Rowley Hilliard) Angriff auf Acan (Alfred Bekker) Am Morgen einer neuen Zeit. Der Krieg zwischen den organischen und anorganischen raumfahrenden Völkern konnte im letzten Moment abgewendet werden. Die Menschen jedoch sind nach wie vor fremdbestimmt und als die Erinjij gefürchtet, die sich in ihren Expansionsbestrebungen von nichts und niemandem aufhalten lassen. Abseits aller schwelenden Konflikte kommt es im Zentrum der Milchstraße zu einer von niemand vorhergesehenen, folgenschweren Begegnung. Eine unbekannte Macht hat sich dort etabliert. Schnell zeichnet sich ab, dass es sich um keinen "normalen" Gegner handelt. Die Bedrohung richtet sich nicht nur gegen die heimatliche Galaxie, sondern könnte das Ende allen Lebens bedeuten. Die Geschichte des Kosmos, so scheint es, muss neu geschrieben werden …

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Seitenzahl: 1844

Veröffentlichungsjahr: 2025

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Alfred Bekker, Jo Zybell, Manfred Weinland, A. Rowley Hilliard

Hunderttausend Lichtjahre weit weg: SF-Romanpaket

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Inhaltsverzeichnis

Hunderttausend Lichtjahre weit weg: SF-Romanpaket

​Copyright

Dunkle Welten

Das Niemandsland der Galaxis

​Revolte im Beteigeuze-System

Galaktischer Jäger

Sammelband Terra 5500: Rebellen der Galaxis

Band 1: Flucht ins All

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Band 2: Galaktische Jäger

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Band 3: Sturz auf den Wasserplaneten

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Band 4: Entscheidungsschlacht

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Epilog

Band 5: Todesmond Triton

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Epilog

Band 6: Der verbotene Planet

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GLOSSAR

Zeittafel I

Zeittafel II

Raumschiff Rubikon - Tovah'zara

Lennox und das Geheimnis der Kristalle

Lennox und das Ende der Unschuld

Die grüne Folter: Science Fiction

Angriff auf Acan

Hunderttausend Lichtjahre weit weg: SF-Romanpaket

Alfred Bekker, Jo Zybell, Manfred Weinland, A. Rowley Hilliard

Dieser Band enthält folgende SF-Abenteuer:

Dunkle Welten (Alfred Bekker)

Das Niemandsland der Galaxis (Alfred Bekker)

Revolte im Beteigeuze-System (Alfred Bekker)

Galaktischer Jäger (Alfred Bekker)

Terra 5500 - Flucht ins All (Jo Zybell)

Terra 5500 - Galaktische Jäger (Jo Zybell)

Terra 5500 - Sturz auf den Wasserplaneten (Jo Zybell)

Terra 5500 - Entscheidungsschlacht (Jo Zybell)

Terra 5500 - Todesmond Triton (Jo Zybell)

Terra 5500 - Der verbotene Planet (Jo Zybell)

Raumschiff Rubikon - Tovah'Zara (Manfred Weinland)

Lennox und das Geheimnis der Kristalle (Jo Zybell)

Lennox und das Ende der Unschuld (Jo Zybell)

Die grüne Folter (A. Rowley Hilliard)

Angriff auf Acan (Alfred Bekker)

Am Morgen einer neuen Zeit.

Der Krieg zwischen den organischen und anorganischen raumfahrenden Völkern konnte im letzten Moment abgewendet werden. Die Menschen jedoch sind nach wie vor fremdbestimmt und als die Erinjij gefürchtet, die sich in ihren Expansionsbestrebungen von nichts und niemandem aufhalten lassen.

Abseits aller schwelenden Konflikte kommt es im Zentrum der Milchstraße zu einer von niemand vorhergesehenen, folgenschweren Begegnung.

Eine unbekannte Macht hat sich dort etabliert. Schnell zeichnet sich ab, dass es sich um keinen "normalen" Gegner handelt. Die Bedrohung richtet sich nicht nur gegen die heimatliche Galaxie, sondern könnte das Ende allen Lebens bedeuten.

Die Geschichte des Kosmos, so scheint es, muss neu geschrieben werden …

​Copyright

Ein CassiopeiaPress Buch: CASSIOPEIAPRESS, UKSAK E-Books, Alfred Bekker, Alfred Bekker präsentiert, Casssiopeia-XXX-press, Alfredbooks, Uksak Sonder-Edition, Cassiopeiapress Extra Edition, Cassiopeiapress/AlfredBooks und BEKKERpublishing sind Imprints von

Alfred Bekker

© Roman by Author

© dieser Ausgabe 2025 by AlfredBekker/CassiopeiaPress, Lengerich/Westfalen

Die ausgedachten Personen haben nichts mit tatsächlich lebenden Personen zu tun. Namensgleichheiten sind zufällig und nicht beabsichtigt.

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Dunkle Welten

​Alfred Bekker

Chronik der Sternenkrieger 14

Ein CassiopeiaPress E-Book

© der Digitalausgabe 2013 by AlfredBekker/CassiopeiaPress, Lengerich (Westf.)

www.AlfredBekker.de

>+++<

Mitte des 23. Jahrhunderts werden die von Menschen besiedelten Planeten durch eine kriegerische Alien-Zivilisation bedroht. Nach Jahren des Krieges herrscht ein brüchiger Waffenstillstand, aber den Verantwortlichen ist bewusst, dass jeder neue Waffengang mit den Fremden das Ende der freien Menschheit bedeuten würde. Zu überlegen ist der Gegner.

In dieser Zeit bricht die STERNENKRIEGER, ein Raumkreuzer des Space Army Corps , unter einem neuen Captain zu gefährlichen Spezialmissionen in die Weite des fernen Weltraums auf...

Alfred Bekker schrieb die fesselnden Space Operas der Serie CHRONIK DER STERNENKRIEGER. Seine Romane um DAS REICH DER ELBEN, die GORIAN-Trilogie und die DRACHENERDE-SAGA machten ihn einem großen Publikum bekannt. Er schrieb für junge Leser die Fantasy-Zyklen ELBENKINDER, DIE WILDEN ORKS, ZWERGENKINDER und ELVANY sowie historische Abenteuer wie DER GEHEIMNISVOLLE MÖNCH, LEONARDOS DRACHEN, TUTENCHAMUN UND DIE FALSCHE MUMIE und andere. In seinem Kriminalroman DER TEUFEL VON MÜNSTER machte er mit dem Elbenkrieger Branagorn eine Hauptfigur seiner Fantasy-Romane zum Ermittler in einem höchst irdischen Mordfall. Im November 2012 erschien mit DER SOHN DER HALBLINGE sein nächster großer Fantasy-Epos bei Blanvalet.

>+++<

Das Mini Black Hole gähnte wie ein namenloser Schlund.

Es verdeckte in einer 20.000 Kilometer durchmessenden Zone scheinbar die Sterne. In Wahrheit durchmaß es nur wenige Zentimeter. Die ungeheure und für menschliche Begriffe vollkommen unkontrollierbare Energie einer Reaktion von Materie und Antimaterie hatte dieses Schwarze Loch erzeugt. Die Dunkelzone, in der die Gravitationskräfte derart stark waren, dass es selbst für das Licht kein Entkommen mehr gab, breitete sich mit beachtlicher Geschwindigkeit aus.

In sicherer Distanz warteten zwei keilförmige Schiffe der sauroiden Fulirr, dem einzigen Volk, das Antimaterie beherrschen konnte. In aller Ruhe beobachtete man an Bord dieser Schiffe, wie ein sichelförmiges Objekt auf den Ereignishorizont des Mini Black Hole zutrudelte. In einiger Entfernung blitzte eine Explosion auf, die sofort verlosch, woraufhin sich eine zweite Dunkelzone zu bilden begann.

Von zwei Seiten bewegten sich die schwarzen Fronten der sich ausdehnenden Dunkelzonen auf dieses Space Army Corps Schiff des neuen Typs zu. In Kürze würden sie sich vereinigen und die STERNENKRIEGER unweigerlich verschlucken…

*

Ein Ruck ging durch die STERNENKRIEGER II, dem Prototyp des neuen Sondereinsatzkreuzers im Dienst des Space Army Corps der Humanen Welten.

Die Detonation eines weiteren Antimaterie-Sprengkopfes und die damit verbundene Entstehung eines zweiten Mini Black Hole hatte die STERNENKRIEGER förmlich aus der trudelnden Bahn gerissen, in der sie sich dem Ereignishorizont des ersten Black Hole genähert hatte.

Gerade in dem Moment, in dem es Ruderoffizier Lieutenant John Taranos gelungen war, die Kursstabilität einigermaßen wiederherzustellen und zumindest teilweise die Kontrolle zurückzuerlangen, wirkte dieser zweite Antimaterieangriff wie der Schlag mit dem kosmischen Hammer.

Captain Rena Sunfrost wurde in ihren Kommandantensessel gedrückt. Für Sekunden meldete das Display ihrer Konsole eine Fehlfunktion der künstlichen Schwerkraft und eine Leistungsminderung der Andruckabsorber um 30 Prozent. Die beiden Black Holes wirkten wie gewaltige Mühlsteine, zwischen die der Sondereinsatzkreuzer jetzt geriet und die durchaus stark genug waren, um die STERNENKRIEGER zwischen sich zu zermalmen.

»Andruckabsorber und künstliche Schwerkraft arbeiten wieder normal«, meldete Lieutenant Commander Steven Van Doren, der Erste Offizier, der sich zwischenzeitlich an seiner Konsole hatte festhalten müssen. Seine Finger glitten nun beinahe hektisch über die Sensorfelder des Touch Screens. Er wandte sich an Sunfrost. »Captain, ich schlage vor einen Tangential-Kurs bezogen auf den Ereignishorizont von Black Hole 1 zu fliegen. Nach meinen Berechnungen ist das die einzige Chance.«

»Wie wollen Sie einen Tangential-Kurs programmieren?«, fragte Sunfrost. »Der Ereignishorizont des Black Hole weitet sich ständig aus…«

»Und wird sich irgendwann wieder zurückziehen, bevor das Black Hole kollabiert und verschwindet. Ich weiß, Captain. Leider können wir diesen Vorgang nicht exakt vorausberechnen, aber wir haben Annäherungswerte auf Grund von bisherigen Kampfhandlungen zwischen Space Army Corps Schiffen und den Schiffen der Fulirr.«

Van Doren nahm ein paar Schaltungen vor, woraufhin sich die Anzeige des Hauptschirms veränderte, die im Augenblick von den sich immer weiter ausdehnenden Dunkelzonen gekennzeichnet wurde – einer größeren und einer kleineren.

In einem Bildfenster erschien eine schematische Darstellung mit dem von Van Doren programmierten Tangential-Kurs. Die dabei angenommene Ausdehnung der Dunkelzone von Black Hole 1 war natürlich eine Extrapolation, von der niemand genau vorhersagen konnte, ob sie exakt so auch eintreffen würde. Dazu fehlten den Menschen einfach wichtige technische Daten über die in der Regel von Raketen getragenen Antimateriesprengköpfe der technisch überlegenen Sauroiden.

Andererseits hatte die Gravitation der Black Holes dafür gesorgt, dass die STERNENKRIEGER beschleunigte. Sie raste mit einer Geschwindigkeit von 0,2 LG auf ein Raumgebiet zu, das in Kürze Teil der sich vereinigenden Dunkelzonen beider Black Holes sein würde.

»Können wir nicht bei maximalem Schub in den Sandström-Raum flüchten?«, fragte Rena.

Im Gegensatz zu allen anderen Kriegsschiffen des Space Army Corps brauchte die STERNENKRIEGER nicht acht, sondern nur drei Stunden, um von Null auf die zum Eintritt in den Sandström-Raum nötige Geschwindigkeit zu beschleunigen, die bei vierzig Prozent der Lichtgeschwindigkeit lag. Der neuartige und bisher nur bei Raumjägern eingesetzte Mesonenantrieb machte es möglich, nachdem es der Entwicklungsabteilung des Far Galaxy Konzerns endlich gelungen war, die so genannte Massegrenze zu umgehen. Diese Massegrenze hatte bei allen vorhergehenden Prototypen dafür gesorgt, dass sie ab einer bestimmten Masse von ihrem eigenen Antrieb zerrissen wurden. Die Wissenschaftler hatten sich bemüht, Rena Sunfrost zu erklären, wie sie dieses Problem umgangen hatten, doch der Captain der STERNENKRIEGER hatte bereits nach wenigen Sätzen den Anschluss verloren.

Wahrscheinlich wusste nicht einmal Lieutenant Simon E. Erixon, der Leitende Ingenieur, über die genaue Funktionsweise der betreffenden Bauteile Bescheid, denn die betreffenden Patente gehörten zu den bestgehüteten Geheimnissen von Far Galaxy.

Immerhin funktionierten sie – und das war die Hauptsache.

Bei Fehlfunktionen sollten die entsprechenden Module einfach durch Ersatzteile ersetzt werden.

Auf der schematischen Darstellung innerhalb des Bildfensters veranschaulichte Van Doren, dass Sunfrosts Vorschlag nicht durchführbar war. »Wir werden trotz unseres Mesonenantriebs mindestens eine halbe Stunde vor Erreichen von 0,4 LG in die Dunkelzone geraten – und dann gibt es kein Zurück mehr«, erklärte Van Doren.

Rena Sunfrost erhob sich aus ihrem Schalensitz.

Wie man es dreht und wendet – die Entscheidung liegt bei dir, auch wenn dies vielleicht einer der Augenblicke ist, in denen du dir wünschst, jemand anders würde die Last der Verantwortung tragen, ging es ihr durch den Kopf.

Das Leben der 85 Besatzungsmitglieder und 30 an Bord stationierten Marineinfanteristen hing jetzt von ihrer Entscheidung ab. Ein Fehler bedeutete den sicheren Tod.

»Ruder! Was ist Ihre Meinung?«, wandte sich Rena an Lieutenant John Taranos.

»Es besteht ein gewisses Risiko bei vom I.O. vorgeschlagenen Tangential-Kurs«, erklärte Taranos. »Aber wenn wir innerhalb der Toleranzgrenzen bleiben, wirkt das Black Hole wie eine Gravitationsschleuder. Falls wir dann im richtigen Augenblick den vollen Schub unseres Mesonentriebwerks aktivieren, könnten wir es tatsächlich schaffen, diesem Monstrum zu entkommen.«

»Ohne den Mesonenantrieb hätten wir im Übrigen gar keine Möglichkeit mehr, einen Tangential-Kurs zu fliegen«, warf Van Doren ein.

Einen Augenblick lang herrschte Schweigen.

Die Blicke waren auf den Captain gerichtet. Lieutenant Commander Robert Ukasi, seines Zeichens der Taktikoffizier und in der schiffsinternen Rangfolge die Nummer drei, schien etwas sagen zu wollen. Aber er verkniff sich eine Bemerkung, presste stattdessen die Lippen aufeinander, sodass sie einen dünnen Strich bildeten und hob erwartungsvoll die Augenbrauen.

»Dann versuchen wir es auf diese Weise«, entschied Rena schließlich und ertastete dabei instinktiv das Projektil einer primitiven Steinschlosswaffe, das ihr als Talisman um den Hals hing und jetzt eine kleine Erhöhung unter dem Uniformstoff bildete.

»Aye, aye, Captain«, bestätigte John Taranos, während seine Finger bereits über die Sensorfelder des Terminals glitten, mit dessen Hilfe er die STERNENKRIEGER steuerte.

»Ich überspiele Ihnen meine Berechnungen auf Ihre Konsole, Lieutenant Taranos«, kündigte Van Doren an.

»Danke, Sir. Ich lasse sie noch einmal zur Endkontrolle durch den Bordrechner laufen und werde dann den Kurs eingeben.«

*

Der Angriff der Fulirr-Schiffe war sehr überraschend gekommen. Etwa drei Lichtjahre jenseits der Grenze zwischen dem Einflussbereich der Humanen Welten und dem Königreich der insektenartigen Ontiden befand sich dieser Raumsektor.

Als Orientierungspunkt diente die nahe gelegene Sonne T'kata.

Es handelte sich um einen roten Riesen mit insgesamt 25 Planeten. Etwa auf der Hälfte dieser Himmelskörper gab es kleinere Bergwerkssiedlungen der Ontiden. Insgesamt aber galt das T'kata-System als subventionierter Außenposten des Königreichs, der ohne massive Unterstützung gar nicht überlebensfähig gewesen wäre.

Die STERNENKRIEGER hatte den Auftrag, sich hier mit einer Abordnung der Ontiden zu treffen. Auf diplomatischen Kanälen hatten die Verbündeten der Menschen deutlich gemacht, dass sie über die Moondiv – Angehörige eines mit den Ontiden verwandten insektoiden Volkes, die mit einem Raumschiff durch Wurmloch Alpha in diese Region der Galaxis gelangt waren – an neue Informationen gelangt waren. Diese warfen möglicherweise ein neues Licht auf das Auftauchen der Etnord, jener Spezies von faustgroßen und mit ausufernden Ganglien versehenen Parasiten, die auf der Trans-Alpha Seite des Wurmlochs die menschlichen Siedler befallen und zu ihren willenlosen Werkzeugen gemacht hatte. Eine Spezies, die – wie die Mythen verschiedener Völker verrieten – wahrscheinlich schon seit Jahrtausenden aktiv war und nun die Menschheit bedrohte.

Eine Bedrohung, die so groß ist, dass uns alle Geplänkel zwischen Fulirr, Naarash, Ontiden, K'aradan und Menschen um Besitz und Kontrolle von Wurmloch Alpha wie ein laues Lüftchen vorkommen werden, überlegte Sunfrost.

Bislang war es im hiesigen Ränkespiel der verschiedenen Sternenreiche nur darum gegangen, die Kontrolle über das seit kurzem wieder geöffnete Wurmloch in der Nähe der Sonne Alpha Picus zu gewinnen, versprach es doch die Chance, eine Passage in ein 50.000 Lichtjahre entferntes Gebiet der Galaxis zu kontrollieren und damit unermesslichen Reichtum zu erwerben. Schließlich gab es – soweit es der Menschheit bekannt war – keine Spezies, deren Technik auch nur im Entferntesten dazu in der Lage gewesen wäre, derartige Distanzen mit Hilfe ihrer Antriebssysteme zu überwinden.

Aber innerhalb des Space Army Corps und der politischen Führung der Humanen Welten hatte inzwischen eine ganz andere Sorge die Frage verdrängt, ob man langfristig in der Lage war, Wurmloch Alpha gegen die technisch überlegenen Fulirr und ihren Naarash-Verbündeten zu halten. Das Bündnis mit den Ontiden und die sich zu einer Allianz festigende Verbindung zu den menschenähnlichen K'aradan hatten den Humanen Rat in dieser Hinsicht ohnehin zunehmend optimistischer gestimmt – vor allem seit die K'aradan der Menschheit Sandström-Sonden lieferten, mit deren Hilfe sich angreifende Fulirr-Schiffe bereits im Sandström-Raum orten ließen, sodass man sie beim Übertritt ins Normaluniversum mit einem Geschosshagel erwarten und zerstören konnte, noch ehe sie ihre überlegenen Antimateriewaffen wirklich zur Geltung bringen konnten.

Nur die ebenfalls verbündete Genetiker-Föderation galt in diplomatischen Kreisen als unsichere Kantonisten, die insgeheim davon träumten, die Kontrolle über das Wurmloch doch noch an sich reißen zu können. Aber bislang hatten sich die Kampfverbände der Drei Systeme, wie man das Territorium der von den Humanen Welten abgespalteten Genetiker-Föderation auch nannte, loyal verhalten, auch wenn sich so mancher hochrangige Offizier im Space Army Corps eine tatkräftigere Unterstützung durch die Genetic-Flotte im Krisen geschüttelten Grenzgebiet zwischen den Humanen Welten, dem Königreich der Ontiden und dem so genannten Nalhsara der Fulirr wünschte.

Andere Stimmen – vor allem aus dem politischen Lager – waren ganz froh darüber, dass die Genetics sich einigermaßen im Hintergrund gehalten hatten. Schließlich hätten sie aus einer direkteren und massiveren Beteiligung an den ständig stattfindenden Scharmützeln mit Verbänden der sich im Samtran-System sammelnden vereinigten Fulirr-Flotte auch weiter gehende Ansprüche anmelden können.

Im Augenblick aber wurde diese Bedrohung durch die auf der Trans-Alpha Seite des Wurmlochs wartende Armada der Etnord in den Schatten gestellt. Eine Armada, die nur darauf wartete, das Wurmloch zu durchqueren und einen Eroberungsfeldzug ohne Beispiel zu beginnen.

Rena Sunfrost hatte dies vorläufig durch die Zerstörung der STERNENKRIEGER I verhindern können. Die Detonation des überladenen Sandström-Aggregats hatte für eine vorübergehende Instabilität von Wurmloch Alpha gesorgt und den Raumstreitkräften der Humanen Welten auf diese Weise die Möglichkeit gegeben, die Region um die Porta des Wurmlochs zu verminen.

Aber es war allen klar, dass dies nur eine vorläufige Lösung sein konnte.

Früher oder später war mit einer direkten Konfrontation zu rechnen. Und bis dahin mussten die Humanen Welten gewappnet sein. Allein war die Etnord-Gefahr aber wohl kaum abzuwehren. Dazu war die technische Überlegenheit der Etnord einfach zu deutlich.

Doch bereits kurz nachdem die STERNENKRIEGER aus dem Sandström-Raum ausgetreten war, um sich dem vereinbarten Treffpunkt mit den Ontiden zu nähern, waren zwei Keilschiffe im Normalraum materialisiert. Die relativ langsamen Sandström-Sonden der K'aradan brauchten ungefähr acht Stunden, um auf 0,4 LG zu beschleunigen und in den Sandström-Raum vorzudringen, wo sie dann herannahende Objekte orten und ihren voraussichtlichen Austrittspunkt anvisieren konnten.

Aber für jedes Space Army Corps Schiff galt, dass es nach dem Eintritt in den Normalraum zunächst ein paar Stunden gab, in denen die Ortung zumindest im Hinblick auf den Sandström-Raum blind war, da die Sonden nicht schnell genug auf 0,4 g gebracht werden konnten.

Die Fulirr hatten die STERNENKRIEGER sofort angegriffen.

Glücklicherweise verfügten die Sauroiden nicht ebenfalls über Sandström-Sonden und so hatten sie die STERNENKRIEGER nicht bereits an ihrem Austrittspunkt erwarten können. In diesem Fall wäre auch der neue Sondereinsatzkreuzer rettungslos verloren gewesen. Die Fulirr hätten nur früh genug einen ihrer Antimateriesprengköpfe zünden und dafür sorgen müssen, dass die Region um den Austrittspunkt innerhalb der Dunkelzone lag.

Aber auch so war es noch schwer genug, sich einer Attacke mit Antimateriewaffen zu erwehren.

Die Raketen, mit denen die Sprengköpfe transportiert wurden, brauchten noch nicht einmal besonders treffsicher zu sein. Es reichte, wenn das gegnerische Schiff in den Einflussbereich des mörderischen Gravitationsfeldes geriet.

Fulirr-Schiffe pflegten deshalb auch stets in sehr weit auseinander gezogener Formation anzugreifen, da ansonsten immer die Gefahr bestand, dass die eigenen Schiffe von den Mini Black Holes verschlungen wurden, die bei der Detonation der Antimateriesprengköpfe entstanden.

»Abweichung vom Tangential-Kurs nähert sich der Toleranzgrenze«, meldete Lieutenant Taranos. »Wir brauchen mehr Saft, verdammt noch mal!«

Van Doren stellte eine Interkom-Verbindung zu Lieutenant Erixon her, der sich im Kontrollraum A des Maschinentrakts befand. »Was gibt es, Sir?«

»Wir brauchen mehr Schub!«

»Ich hole aus dem Mesonenantrieb bereits heraus, was herauszuholen ist! Mit dem alten Ionenantrieb wären wir schon längst nicht mehr in der Lage gewesen, dem Schwerefeld zu widerstehen, dessen Kräften wir im Augenblick ausgesetzt sind.«

»Lieutenant, es wäre in unser aller Interesse, wenn Sie noch ein paar Reserven mehr mobilisieren könnten!«

Erixons Gesicht war auf einem kleinen Nebenbildschirm zu sehen. Seine infrarotsichtigen Facettenaugen gaben dem Genetic immer etwas Nichtmenschliches. Wegen dieser Augen war es nie so ganz einfach, die Mimik dieses Mannes richtig zu deuten, der eigentlich dazu geschaffen worden war, als Bergwerksingenieur auf Extremwelten mit Methanatmosphäre tätig zu sein.

Sein Mund bildete einen geraden Strich.

Er wirkte blass.

Dass es jetzt um alles oder nichts ging, hatte er so gut begriffen wie alle anderen Mitglieder der STERNENKRIEGER-Crew.

»Ich werde tun, was ich kann«, versprach Erixon.

Van Doren wandte sich an Sunfrost. »Wir können nur hoffen, dass dem L.I. noch ein paar Tricks einfallen«, sagte er düster.

Rena Sunfrost betrachtete die schematische Darstellung im kleinen Bildfenster des Panoramaschirms. Die Toleranzgrenze war deutlich markiert. Wenn die STERNENKRIEGER den vorher berechneten Korridor ihres Tangential-Kurses verließ, würde sie in die Dunkelzone hineindriften. Dann gab es kein Zurück mehr.

Scheinbar unaufhaltsam näherte sich das sichelförmige Schiff dieser Grenze.

Der Grenze zwischen Leben und Tod, dachte Rena. Sein oder nicht sein. Die Bezeichnung Ereignishorizont sagt eigentlich alles. Dahinter gibt es nichts mehr. Nichts, was ein Mensch sich vorzustellen vermag.

Augenblicke vergingen, ohne dass mehr gesagt wurde als Routinemeldungen der einzelnen Brückenoffiziere.

Lieutenant Wiley Riggs betete in mehr oder minder regelmäßigen Abständen herunter, wie groß die Distanz zur Todeszone noch war. Vielleicht brauchte der junge Mann dies, um sich selbst etwas zu beruhigen und die Nerven nicht zu verlieren.

Etwas zu tun, ist besser, als nichts zu tun – selbst wenn Letzteres sinnlos sein sollte, überlegte Rena. Der Mensch ist eben doch ein Fluchttier… Gleichzeitig tauchte eine andere Frage glasklar in ihrem Bewusstsein auf. Woher wussten die Fulirr, dass sie uns hier antreffen würden?

Die Frage war berechtigt.

Schließlich lagen die Koordinaten des Treffpunkts mitten im interstellaren Raum – der gigantischen Leere, die den allergrößten Teil des Universums ausfüllte. Es war schon schwer, hier draußen ohne besondere Orientierungspunkte jemanden oder etwas zu finden, mit dem man ein Rendezvous vor sich hatte und dessen Ortungssysteme auf Hochtouren nach einem suchten.

Dass die Fulirr hier rein zufällig vorbeigeflogen waren, daran mochte Rena Sunfrost einfach nicht glauben.

Die Konsequenz aus der Annahme, dass sie ganz gezielt hier aufgetaucht sind, um unser Rendezvous mit den Ontiden zu verhindern, liegt eigentlich auf der Hand, ging es ihr durch den Kopf.

Spionage!

Die NEPTUN unter Commander Wong hatte erst jüngst einen geheimen Horchposten der Fulirr auf dem Gebiet des Ontiden-Reichs vernichtet. Ein ähnlicher Horchposten hatte sich auch in der Nähe von Alpha Picus auf dem Territorium der Humanen Welten befunden.

Vielleicht ist das nur die Spitze des Eisbergs, dachte Sunfrost.

Gut möglich, dass die Fulirr wesentlich besser über uns und die Ontiden informiert sind, als wir es bisher geglaubt haben!

»Die Beschleunigungswerte steigen!«, stellte Taranos jetzt fest. »Zwar nur gering, aber es scheint, als hätte Erixon noch ein paar Tricks auf Lager gehabt!«

Auf dem großen Panorama-Schirm nahm jetzt die Dunkelzone von Black Hole 1 fast zwei Drittel der gesamten Bildfläche ein. Dahinter war die Sonne T'kata als roter Fleck zu sehen. Das Licht wurde durch die ungeheure Masse des Schwarzen Lochs derart gestaucht, dass es an Bord der STERNENKRIEGER so erschien, als ob das rote Auge von T'kata zweimal vorhanden gewesen wäre. Auch vier- oder achtfaches optisches Erscheinen ein und desselben Himmelskörpers war in unmittelbarer Nähe eines Black Hole nichts Ungewöhnliches.

Es wirkte wie eine kosmische Linse, die das Licht verzerrte.

Ein Vorgeschmack dessen, was jeden erwarten würde, der sich über den Ereignishorizont hinauswagt, dachte Rena.

»Beschleunigung steigt weiter!«, rief Taranos.

»Ja, aber diesmal dürfte der Grund dafür nicht in unseren Mesonentriebwerken zu suchen sein«, stellte Van Doren fest.

Das Black Hole wirkte jetzt wie eine Gravitationsschleuder.

»Ortung, was machen die Fulirr-Schiffe?«, fragte Sunfrost.

»Befinden sich auf Abfangkurs«, meldete Riggs.

»Wir könnten ihnen entkommen, wenn wir jetzt einen Eintritt in den Sandström-Raum anstreben würden«, informierte Taranos.

»In diesem Fall wären unsere ontidischen Verbündeten, die jeden Moment eintreffen müssten, leichte Beute für sie«, gab Van Doren zu bedenken.

Es ist schwer erträglich, jemanden in seiner Umgebung zu wissen, der so oft Recht hat, schoss es Sunfrost durch den Kopf.

»Wir greifen an.« Sie biss sich fast auf die Zunge, um nicht selbst die entsprechenden Befehle zu erteilen. Doch nach der Doktrin der neuen Sondereinsatzkreuzer(SEK)-Klasse war das Leiten des Kampfes Aufgabe des Ersten Offiziers, damit der Captain den Kopf frei für strategische Überlegungen hatte.

Van Doren nickte zustimmend. »Ruder, Kurskorrektur! Gehen Sie Ihrerseits auf Abfangkurs! Maximale Beschleunigung bis wir innerhalb der Non-A-Zone sind! Danach wird abgebremst!«

»Aye, Sir!«, bestätigte Taranos.

Die Non-A-Zone war eine Bezeichnung für den Bereich um ein Fulirr-Schiff, in dem es unmöglich war, Antimaterie-Sprengsätze zu zünden, wenn die Sauroiden nicht ihre eigene Sicherheit gefährden wollen.

»Raketen von dreißig Grad Backbord«, meldete unterdessen Riggs. »Den Sensoren zu Folge handelt es sich um einfache Fusionsraketen.«

»Na, da ist aber jemand übervorsichtig«, murmelte Van Doren. Die STERNENKRIEGER hatte die Non-A-Zone noch nicht erreicht. »Taktik, Abwehrfeuer!«

»Jawohl, Sir«, sagte Ukasi.

Die Abwehrlaser begannen sofort zu feuern. Sie waren bei weitem zu schwach, um eine gepanzerte Schiffshülle zu zerstören, doch bei Raketen wurde zu Gunsten von Beschleunigung von Panzerung abgesehen.

»Die Signaturen sind nicht mehr zu orten«, meldete Riggs wenige Sekunden später. »Doch! Einschlag jetzt!«

Das wars! Rena hielt unwillkürlich den Atem an – und schalt sich im nächsten Moment einen Narren.

Wenn die Rakete explodiert wäre, hätte Riggs das nicht mehr melden müssen. Jeder an Bord hätte es gemerkt.

Glücklicherweise war der Fusionssprengsatz nicht detoniert, was möglicherweise durch eine vorherige Beschädigung der Rakete durch die Laser-Cluster hervorgerufen worden war.

Ein Streifschuss konnte da schon vollkommen ausreichen.

Die Rakete dümpelte als Trümmerstück ins All. Die STERNENKRIEGER ließ die Überreste hinter sich. Wenig später blitzte es dann doch noch auf dem Schirm. Der Blick zurück zeigte ein Licht auf, das sich sehr schnell ausbreitete und für Sekunden eine Kunstsonne entstehen ließ.

Rena schluckte trocken. Glück gehabt!

»Taktik!«, wandte sich Van Doren an Ukasi. »Feuer, wenn bereit.«

Da es den Fulirr offensichtlich bereits jetzt zu riskant war, eine Antimateriewaffe einzusetzen, standen die Chancen der STERNENKRIEGER deutlich besser. Gegen die Gauss-Projektile kannten die Sauroiden keine Gegenwehr.

Beide Fulirr-Schiffe versuchten abzudrehen und die Distanz zu vergrößern – sowohl untereinander als auch zur STERNENKRIEGER. Es schien die Kommandanten zu verwirren, dass die STERNENKRIEGER völlig von dem erwarteten Verhaltensmuster abwich und eben gerade nicht die Flucht ergriff.

Allenfalls die Flucht nach vorn, dachte Sunfrost.

»Gauss 1 bis 6, Feuer frei«, sagte Ukasi in sein Mikro.

Die nach hinten ausgerichteten Geschütze 7 bis 10 hatten natürlich kein Ziel.

»Jetzt werden wir den Sauriern mal ein paar Löcher in ihre Schiffe brennen!«, erklang die Stimme von Lieutenant Branco Delkey, dem Waffenoffizier an Gauss 1, in seinem Kopfhörer.

Die Ortung meldete wenig später den ersten Treffer.

Ukasi verzog das Gesicht, als Kai Retseb von Gauss 2 ein Triumphgeheul ausstieß, das ihm die Ohren klingeln ließ. Er war froh, dass der Captain von dieser Disziplinlosigkeit nichts mitbekam.

Auf dem getroffenen Keilschiff brach ein Brand aus. Ein Teil der Außenverkleidung platzte ab, nachdem sie von einem Gauss-Projektil getroffen und durchdrungen worden war.

Einen zehn Zentimeter durchmessenden Kanal zog dieses Projektil anschließend quer durch das Schiff.

»Bandit 1 und 2 beschleunigen und versuchen, in den Sandström-Raum zu entkommen«, meldete Riggs. »Beide sind beschädigt.«

»Dann lassen wir sie ziehen«, entschied Sunfrost.

Ihr Erster Offizier blickte sie irritiert an und öffnete den Mund zum Widerspruch.

»Wir haben eine andere Mission«, erinnerte ihn Rena, bevor er etwas sagen konnte.

»Es ist Ihre Entscheidung, Captain.«

»Es reicht, wenn die beiden Schiffe kampfunfähig geschossen sind – und ich persönlich denke, dass sie heil froh sein werden, überhaupt noch auf 0,4 LG hochzukommen und in den Sandström-Kaum zu entkommen. Lieutenant Taranos?«

»Ja, Ma'am«, meldete sich der Ruderoffizier.

»Gehen Sie auf Verfolgungskurs. Wir wollen uns schließlich nicht allzu weit von ihnen entfernen, sonst kommen sie noch auf die Idee, uns doch noch einen ihrer Antimateriesprengsätze vor die Füße zu werfen!«

*

Wenige Stunden später entmaterialisierten die beiden Keilschiffe schwer beschädigt in den Sandström-Raum.

Wie groß die Schäden tatsächlich waren, ließ sich mit Hilfe der Ortungstechnik der STERNENKRIEGER nicht exakt bestimmen. Aber immerhin schienen sich die Sauroiden keine Fortsetzung des Gefechts mehr zuzutrauen.

»Wir sollten uns darauf nicht allzu viel einbilden«, riet Steven Van Doren. »Schließlich sind die Fulirr dafür bekannt, dass sie zumeist auf Nummer Sicher gehen und das Risiko scheuen.«

»Nur diesem Umstand verdanken wir es wohl, dass sich Wurmloch Alpha noch unter Kontrolle des Space Army Corps befindet«, äußerte sich Robert Ukasi. »Die Fulirr fürchten doch nur hohe Verluste. Aber wenn sie die in Kauf nehmen würden, hätten wir keine Chance – selbst dann nicht, wenn unsere wackelige Front von Alliierten ausnahmsweise mal loyal sein sollte!«

Van Doren hob die Augenbrauen. »Sie spielen damit auf das Verhalten der Ontiden während der ersten Angriffswelle auf Alpha Picus an?«

»Ja.«

»Ich würde das nicht überbewerten«, gab der Erste Offizier zurück. »Seit die Ontiden gesehen haben, dass wir mittels der Sandström-Sonden die angreifenden Fulirr-Schiffe an ihren Austrittspunkten erwarten und vernichten können, trauen sie sich auch sich selbst wieder mehr zu!«

Rena Sunfrost verfolgte die Diskussion ihrer Offiziere interessiert, aber zurückhaltend. Sie erhob sich aus ihrem Schalensitz. »Riggs!«

»Ja, Ma'am?«

»Lassen Sie die Abtaster mit höchster Auflösung arbeiten.«

»Aye, Captain.«

»Sobald sich die Ontiden sehen lassen, geben Sie mir bitte umgehend Bescheid.«

»Natürlich, Ma'am.«

»Lieutenant Jamalkerim!«, wandte sich Sunfrost nun an ihre Kommunikationsoffizierin. »Rufen Sie Bruder Guillermo in meinen Raum!«

»Jawohl, Ma'am.«

»I.O.«, sagte Rena zu Van Doren, »Sie haben bis auf weiteres die Brücke!«

Dann verschwand der Captain durch eine Schiebetür, die von der Brücke in den Konferenzraum führte. Sunfrost atmete tief durch, bevor sie den spartanisch eingerichteten Raum durchschritt. Im Gegensatz zum Konferenzraum der alten STERNENKRIEGER war er deutlich geräumiger – allerdings hatte die STERNENKRIEGER II auch mehr Offiziere.

Der Konferenzraum war so ausgelegt, dass abgesehen von sämtlichen an Bord Dienst tuenden Offizieren noch bis zu vier Gäste an den Besprechungen teilnehmen konnten, ohne dabei auf einen Sitzplatz verzichten zu müssen.

Die Kommunikationstechnik war wie üblich in den schlichten Möbeln verborgen. Eine der Wände ließ sich auf Knopfdruck in einen riesigen Bildschirm mit Touch-Funktionen verwandeln.

Eine weitere Tür führte in einen weiteren, sehr engen Raum.

Rena betrat ihn und dachte: Da hat man jetzt jede Menge Platz auf der neuen STERNENKRIEGER und ausgerechnet mein Büro hat die Ausmaße eines etwas luxuriöseren Wandschranks!

Zwar musste ihr Büro jetzt nicht auch noch die Funktion des Konferenzraums erfüllen wie auf der alten STERNENKRIEGER, aber Rena fühlte sich in ihrem neuen Raum eigentlich nur wohl, wenn die Tür zum Konferenzraum geöffnet blieb. Also hätte man auch gleich alles in einem Raum unterbringen können!

Ein Summton war zu hören und Bruder Guillermo trat ein.

Der Angehörige des Wissenschaftler-Ordens der Olvanorer befand sich als Berater an Bord der STERNENKRIEGER und war kein Teil der offiziellen militärischen Hierarchie des Space Army Corps – was seinen Blick auf manche Probleme vielleicht etwas objektiver machte.

Rena bedeutete ihm, Platz zu nehmen und aktivierte ihren Zugang zum Bordrechner. Sie würde sich anschließend noch in das Informationsmaterial vertiefen müssen, das ihr Commodore Soldo, der Kommandant der im Picus Sektor mit der Verteidigung der Territorialgrenze und des Wurmlochs betrauten Space Army Corps-Einheiten, überlassen hatte. Teilweise handelte es sich dabei um brisantes Geheimdienstmaterial sowie neuere Erkenntnisse über die so genannten Alten Götter, jene überlegene Superrasse, die vor Äonen weite Teile der Milchstraße auf eine Weise beherrscht haben musste, wie es sich wohl kein Angehöriger der heute bekannten Völker vorstellen konnte.

Eine Rasse, auf deren fantastische Relikte man immer wieder gestoßen war. Die zu einem Siebeneck angeordneten Monde von Heptagon im Tardelli-System, eine Hohlwelt, künstlich angeordnete Sonnen… Was werden wir noch über die mehr als erstaunlichen Fähigkeiten dieser Meister einer an Magie grenzenden Technik erfahren?, ging es ihr durch den Kopf.

Rena ging an den Getränkespender, der sich im Konferenzraum befand. Das immerhin war eine Neuerung, die sie begrüßte. In der spartanischen Ausstattung der STERNENKRIEGER I war dafür nur in den Aufenthalts- und Freizeitbereich Platz gewesen. Dass man auch bei einer Konferenz durstig werden konnte, hatte sich in den Planungs-und Konstruktionsstäben des Space Army Corps offensichtlich ebenso wenig herumgesprochen wie in den entsprechenden Abteilungen der Zulieferer.

Sunfrost zog sich einen Kaffee.

Sergeant Ndona Wugu, die für die Versorgung an Bord zuständig war, arbeitete noch an dem Problem, den Getränkespender so zu kalibrieren, dass auch ein antikes und völlig aus der Mode gekommenes Getränk wie Kaffee in annehmbarer Qualität geboten wurde. Die Syntho-Drinks hatten den Kaffee in der Gunst der Konsumenten weit nach hinten gedrängt. Nur noch einige wenige Kenner und Nostalgiker gaben sich dem Genuss des einzigartigen Aromas hin und versuchten, das Wissen um die Herstellung von über hundert Kaffeespezialitäten zu bewahren.

Ich gehöre eben einer aussterbenden Art an, überlegte Sunfrost, während sie an ihrem Becher nippte und einen Moment später leicht lächelte. Langsam wird er besser…

Um Bruder Guillermos Lippen spielte ein jungenhaftes, leicht verlegenes Grinsen, als er sie dabei beobachtete. Er war Mitte zwanzig, wirkte aber noch ein paar Jahre jünger. Doch diese äußerliche Jugend täuschte so manchen darüber hinweg, dass es sich bei ihm um eine sehr reife Persönlichkeit handelte, deren innere Stabilität, gepaart mit der Fähigkeit zu genauester Beobachtung immer wieder verblüffte. Sein diplomatisches Geschick hatte sich schon auf vielen Missionen der STERNENKRIEGER bewährt, sowohl bei der Kontaktaufnahme mit fremden Völkern als auch, wenn es um Schwierigkeiten der Besatzungsmitglieder untereinander ging.

»Es geht um die bevorstehende Begegnung mit den Ontiden«, eröffnete Sunfrost.

»Ich werde Ihnen gerne unterstützend zur Seite stehen, Captain.«

»Das weiß ich!«

»Professor Jack Metz weilt mal wieder an Bord unseres Schiffes…«, setzte Rena mit einem säuerlichen Blick an.

»Das macht doch Sinn. Schließlich scheinen die Ontiden von den Moondiv Kenntnisse über einen völlig neuen, fünfdimensionalen Kommunikationskanal erhalten zu haben!«

»Ich weiß!«, unterbrach Sunfrost den Olvanorer. Sie nippte an ihrem Kaffee.

»Mir ist wohl bewusst, dass es zwischen Ihnen und dem Professor eine gewisse Antipathie gibt«, stellte Bruder Guillermo schließlich fest.

»Ich habe Schwierigkeiten mit seiner arroganten Art, das stimmt«, gab Sunfrost zu.

Der Olvanorer biss sich kurz auf die Unterlippe. »Vor einiger Zeit fragten Sie mich um Rat im Umgang mit Ihrem Ersten Offizier. Van Doren ist ein degradierter Captain und verfügt über wesentlich mehr Dienst- und Kommandoerfahrung als Sie – und Sie schilderten mir, welche Probleme Sie damit hatten, dass ein möglicherweise kompetenterer Mann Ihr Untergebener ist.«

Rena hatte plötzlich das Gefühl, einen Kloß im Hals stecken zu haben, der ihr schier den Atem raubte. Er beobachtet jedes Detail, registriert es und zieht seine Schlüsse daraus. Wenn ich menschliches Verhalten nur halb so gut beurteilen könnte wie dieser relativ junge Mann, dann wäre mein Job als Kommandantin eines Raumschiffs um einiges leichter.

Vielleicht sollte ich dem Space Army Corps Oberkommando mal vorschlagen, dass alle Offiziere der Raumstreitkräfte ein halbes Jahr auf der Brüderschule der Olvanorer auf Sirius III verbringen sollten…

»Die Sache mit Van Doren hat nichts mit meiner Abneigung gegen Metz zu tun«, behauptete Rena. »Das ist einfach nur Antipathie – und die soll vorkommen!«

»Wenn das alles gar kein Problem ist, brauchen wir auch nicht weiter darüber zu reden, Captain. Allerdings sollten Sie in Betracht ziehen, dass ihre Abneigung gegen Metz einem Muster entspricht.«

»Worauf wollen Sie hinaus, Guillermo?«

»Darauf, dass es nicht seine Arroganz ist, die Sie abstößt, sondern seine Kompetenz«, folgerte der Olvanorer.

Es ist was dran an dem, was er sagt!

Eine Pause entstand.

»Bruder Guillermo«, sagte Rena schließlich, »der eigentliche Grund für diese Unterredung ist, dass ich mich mit Ihnen zusammen auf das Treffen mit den Ontiden vorbereiten möchte. Es ist gerade im Moment sehr wichtig, dass wir nicht in irgendwelche diplomatischen Fettnäpfchen treten, wie Sie sich denken können.«

»Natürlich, Captain.«

*

Zwei Stunden später meldete die Brücke das Auftauchen eines ontidischen Schiffs aus dem Zwischenraum. Es trug einen für Menschen unaussprechlichen Namen, der in der Übersetzung des Translatorsystems DAS LIEBLICHE KLICK-KLACK DES KÖNIGREICHS lautete.

Kommandant Sa'ktor übersandte etwas, das man mit einer persönlichen Grußbotschaft vergleichen konnte. Rena nahm sie in ihrem Raum entgegen.

Der Insektenkopf füllte dabei fast den gesamten Bildschirm aus. Nur fünfzehn Jahre war die Lebenserwartung eines Ontiden, die darum gezwungenermaßen in der Lage waren, schnell zu lernen. Ihre Physis war sehr robust. Soweit Rena das verstanden hatte, atmeten sie nicht einmal. Für die Aufrechterhaltung ihres Metabolismus benötigten sie Selen, das sie einfach in ausreichendem Maß zuführen mussten.

»Wir freuen uns auf das Zusammentreffen mit Ihnen«, sagte Sa'ktor. »Eine erkenntniserweiternde Mission liegt vor uns. Unser alliiertes Wissen wird sich vermehren.«

Unser »alliiertes Wissen« – da liegt der Teufel wohl in der Detailprogrammierung unseres Translators, dachte Rena.

»Ich freue mich ebenfalls auf unser Zusammentreffen und bin gespannt auf Ihre neuen Erkenntnisse«, erwiderte sie – und fragte sich, ob die Abfolge von Klick- und Klacklauten, die auf ontidischer Seite aus dem Translator kamen, ihre Botschaft auch nur annähernd wiedergab…

*

Stunden vergingen, ehe sich beide Raumschiffe schließlich auf einem Parallelkurs mit geringer Geschwindigkeit befanden, wodurch ein Rendezvous möglich wurde.

Eine Fähre der Ontiden setzte über. An Bord befand sich unter anderem Kommandant Sa'ktor, der auf einer persönlichen Begegnung bestanden hatte.

Sunfrost, Van Doren, Bruder Guillermo und Lieutenant Erixon empfingen die Delegation der wie eine Mischung aus Gottesanbeterin und Zentaur wirkenden Ontiden bereits in der Luftschleuse, an die die Fähre angedockt hatte. Professor Jack Metz verspätete sich etwas und traf erst ein, als das Begrüßungszeremoniell bereits vorbei war.

Kommandant Sa'ktor stellte anschließend die Mitglieder seiner dreiköpfigen Delegation vor. Darunter war auch ein Moondiv, dessen Rückenpanzer im Gegensatz zu den dunkelbraun gefärbten Ontiden kupfern schimmerte.

»Das ist GanArai«, stellte Sa'ktor den Moondiv vor. »Er ist Priester an Bord jenes Schiffes unserer Verwandten gewesen, das von der anderen Seite des Wurmlochs kam!«

»Ich hoffe, dass die Moondiv-Gruppe an Bord der FREIHEIT durch das Fehlen ihres Priesters nicht in spirituelle Not kommt«, ergriff Bruder Guillermo das Wort.

»Kommandantin KaraGai hat meine Teilnahme an dieser Mission ausdrücklich befürwortetet«, sagte GanArai. »Ein Priester ist in unserer Kultur der Hort des Wissens. Und so entsprach es der allgemeine Ansicht unserer Gastgeber, dass meine Anwesenheit unverzichtbar sei, zumal es um Fragen geht, die sowohl für das Volk von Ontis als auch für uns von schicksalhafter Bedeutung sein können…«

Die Gäste-Delegation wurde in einen der Freizeiträume geführt, der in diesem Fall als Konferenzraum dienen musste.

Der Grund dafür, dass dafür nicht der Konferenzraum neben dem Büro des Captains gewählt wurde, war einfach. Für die etwa 2,30 m aufragenden Ontiden war das menschliche Sitzmobiliar schlicht und ergreifend völlig ungeeignet, und es war leichter, einen Aufenthaltsraum davon zu befreien, als den nur über die Brücke zugänglichen Konferenzraum für die Offiziere.

»Unsere Moondiv-Verwandten verfügen über einen Kommunikationskanal, der uns bisher unbekannt war und der offenbar auch von den Etnord benutzt wird«, eröffnete Kommandant Sa'ktor. »Unseren bisherigen Erkenntnissen nach handelt es sich um eine Impulsart, die über ein dimensional übergeordnetes Kontinuum verbreitet wird, bei dem es sich jedoch nicht um den Sandström-Raum handelt, den sowohl Sie als auch wir für die überlichtschnelle Raumfahrt benutzen. Diese Impulse erzeugen im Normal-Universum eine Resonanz, die angemessen werden kann. Aber vielleicht sagt Ihnen der ehrenwerte GanArai dazu mehr.«

Sa'ktor verschränkte seine beiden oberen Extremitätenpaare.

Ob diese Geste irgendeine besondere Bedeutung hatte, schien nicht einmal Bruder Guillermo genau sagen zu können.

Jedenfalls wandte der ontidische Kommandant leicht den Kopf in Richtung des Moondiv-Priesters, der sich unmittelbar neben ihm befand.

GanArai hob leicht das Rüsselmaul und bewegte die Beißwerkzeuge, wodurch ein schabender Laut entstand, der sich auf unangenehme Weise mit dem Schall von unterschiedlichsten Lautäußerungen vermischte, die in den nächsten Augenblicken aus dem Schlund des Priesters kamen.

Das Translatorsystem versuchte, diese zumeist recht hart und kurz klingenden Geräusche so gut es ging in für Menschen verständliche Worte zu übersetzen, was auch einigermaßen gelang. Kleinere Fehlleistungen natürlich inbegriffen.

»Unsere Messinstrumente sind ständig auf der Lauer nach Impulsen, um sie zu fangen«, sagte der Priester.

Rena blickte auf die Anzeige ihres Translators, der ihr anbot, einen erneuten Versuch zu unternehmen, sich sprachlich dem Bedeutungsinhalt dessen zu nähern, was GanArai von sich gegeben hatte. Aber Rena verzichtete darauf. Es lag auf der Hand, was der Priester mit seinen Worten hatte sagen wollen.

»Unsere Moondiv-Vettern haben diese Impulse, die sie ›das Flüstern‹ nennen, auch auf dieser Seite des Wurmlochs anmessen können«, erklärte Sa'ktor.

»Für uns ist das alarmierend«, ergänzte der Moondiv-Priester.

»Wir gehen davon aus, dass es auch hier Feinde gibt. Und wir hatten schon die Hoffnung, endlich Rettung gefunden zu haben…«

»Wir brauchen genauere Daten, um Ihre Angaben zu überprüfen«, mischte sich jetzt Metz ein.

»Alles Nötige werden Sie in diesem Datenträger finden«, erklärte Sa'ktor und reichte ihm mit der rechten Feinhand einen metallischen, würfelförmigen Gegenstand. »Wir hielten die von Schiff-zu-Schiff-Übertragung dieser Daten für zu risikovoll. Schließlich könnten wir nicht garantieren, dass diese Transmission nicht doch abgehört werden kann. Die Königsverächter sind, wie wir beide ja wissen, technisch überaus hoch entwickelt und sowohl Ihnen als auch uns technologisch überlegen.«

»Als Königsverächter bezeichnen die Ontiden die Fulirr«, erläuterte Bruder Guillermo an Rena gewandt.

Offenbar handelte es sich bei dem Begriff um eine Anspielung auf die radikale Form der Demokratie, die im Nalhsara der Fulirr herrschte, die über jedes politische Problem eine Abstimmung unter sämtlichen Nalhsara-Bürgern durchführten.

Für die ihrer gegenwärtigen Königin treu ergebenen Ontiden war ein derartiges Regierungssystem vollkommen außerhalb ihrer Vorstellungskraft.

»Wir werden uns intensiv mit Ihrem Datenmaterial beschäftigen«, versprach Sunfrost.

»Uns ist es gelungen, den Ursprungsort dieser Impulse zu orten«, erklärte nun GanArai. Der Moondiv-Priester beugte den Oberkörper mit dem Rüsselmaul und den dazugehörigen Beißwerkzeugen etwas nach vorn. Die Augen erschienen kalt und fast maschinenartig zu sein.

Bruder Guillermo würde da wohl von einer Projektion sprechen, dachte Sunfrost. Wer vermag schon zu sagen, was für Emotionen im Inneren dieses Insektenschädels toben? Die Augen sind dafür sicherlich kein Anhaltspunkt, geschweige denn der starre Chitinpanzer…

»Unserer Meinung nach kommen diese Signale aus einer etwa 300 Lichtjahre in vertikaler Richtung gegen die galaktische Ebene entfernten Region, die sehr sternenarm ist«, erklärte Sa'ktor. »Die Astronomen waren bisher der Ansicht, dass dieses Gebiet nur eine Anomalie in der galaktischen Masseverteilung darstellt – aber offensichtlich ist dort doch irgendetwas…«

»…was zu untersuchen sicher lohnend wäre«, stimmte Professor Metz zu.

»Die Bedrohung durch die Etnord ist sowohl für Sie als auch für uns gegeben. Das macht uns zu natürlichen Alliierten«, stellte der Kommandant des LIEBLICHEN KLICK-KLACK

DES KÖNIGREICHS fest. »Wir sollten gemeinsam dorthin fliegen, unser Wissen teilen und der Ursache der Signale auf den Grund gehen.« Die beiden Ontiden und der Moondiv tauschten einen Blick, bevor der Kommandant fortfuhr.

»Captain Sunfrost, sind Sie sich bewusst, warum wir Sie für diese Mission angefordert haben?«

Mir war bis eben nicht einmal bewusst, dass sie mich überhaupt angefordert haben, dachte Rena. »Ich nehme an, weil ich und meine Crew bereits Kontakt mit den Moondiv hatten und…«

»Das ist nicht der Fall«, unterbrach GanArai sie.

Während einer schon etwas länger zurückliegenden Routinemission war die STERNENKRIEGER auf eines der mysteriösen und in den Legenden vieler Völker erwähnten Kristallschiffe der Basir gestoßen. Fundamentale Erkenntnisse über dieses geheimnisvolle neue Volk hatten sich dabei allerdings nicht ergeben. Über die Basir wusste man nach wie vor so gut wie nichts – abgesehen von einigen mehr oder weniger deutlichen Hinweisen in den Überlieferungen extraterrestrischer Völker. Doch allein diese wenigen Hinweise waren schon Anlass genug, davon auszugehen, dass die Basir allen bisher bekannten galaktischen Zivilisationen technologisch um ein Vielfaches überlegen waren.

»Uns geht es viel mehr um Ihr Zusammentreffen mit einem Kristall-Raumer der Basir«, erläuterte Sa'ktor. »Laut unseren Historikern liegt in unseren Legenden von den Strahlenden Göttern viel Wahrheit verborgen. Vor knapp 200 Generationen – etwa 2500 Jahre Ihrer solaren Jahre – wurde unser Volk von mächtigen Wesen in kristallenen Schiffen beinahe vernichtet. Ein Verfall unserer Zivilisation war die Folge. Nach den neusten Erkenntnissen sind die Historiker zu dem Schluss gelangt, dass es sich bei den Vernichtern um die Basir handelt. Unsere Forscher sind nun der Ansicht, dass sich die Basir in das Gebiet zurückgezogen haben, in das wir jetzt vorstoßen.«

»Da wir wissen, dass die Ontiden früher den Etnord gedient haben«, führte der Moondiv weiter aus, »liegt der Schluss nahe, dass die Basir deren Feinde sind – und damit möglicherweise mächtige Verbündete für uns.«

*

Über 70 Lichtjahre entfernt… Im Orbit von Tardelli IV (Trivialname: Heptagon)

Commander Raphael Wong, der Captain des Leichten Kreuzers NEPTUN, blickte auf den großen Panoramaschirm.

»Stabiler Orbit um Heptagon erreicht«, meldete Lieutenant Pierre Templeton, Pilot und Ruderoffizier der NEPTUN.

Die sieben, in Form eines exakten, regelmäßigen Vielecks angeordneten Monde, die dem vierten Planeten des Tardelli-Systems den Namen Heptagon gegeben hatten, waren zweifellos nicht durch die Kräfte der Natur so angeordnet worden. Wesen, die in den Mythen der fischähnlichen Fash'rar als die Alten Götter bezeichnet wurden, hatten sie vor Äonen in ihre heutige Positionen gebracht und damit ein unfassbares Denkmal ihrer technischen Überlegenheit geschaffen. Ein Denkmal, das die Zeiten schadlos überdauert hatte.

Die Alten Götter selbst waren verschwunden.

Wong erinnerte sich noch gut an die Mission der STERNENKRIEGER im Tardelli-System, an der er als Erster Offizier und unter Commander Sunfrost teilgenommen hatte.

Die Fash'rar waren seinerzeit dazu überredet worden, den Humanen Welten die Heptagon-Monde als Relaisstationen eines gigantischen Horchpostens zur Verfügung zu stellen, der für die Menschheit enorme Bedeutung gehabt hatte.

Schließlich war es mit Hilfe der auf den Heptagon-Monden installierten Technik möglich, bis tief in das Heilige Imperium der Qriid hinein Funkbotschaften abzuhören und auszuwerten. Dadurch waren Space Army Corps und der Geheimdienst GalAb erstmals in die Lage geraten, die inneren Kräfte dieses sich mit erschreckendem Tempo durch einen kompromisslosen Glaubenskrieg ausbreitendem Imperiums besser zu verstehen.

Raphael Wong wusste sehr wohl, wie kriegsentscheidend der Heptagon-Horchposten letztlich gewesen war, denn nur durch ihn hatten die Humanen Welten zunächst davon gehört, dass es innerhalb der nach außen hin scheinbar so monolithischen Front der vogelähnlichen Qriid durchaus auch Bestrebungen gab, den Krieg nicht weiter fortzusetzen.

Die Humanen Welten hatten die so genannte Ketzerbewegung natürlich nach Kräften unterstützt.

Jetzt, nach dem Ende des Qriid-Krieges – zumindest mit den Humanen Welten –, hatte der Horchposten Heptagon nicht mehr dieselbe Bedeutung wie während der heißen Phase dieses Konfliktes. Trotzdem war der Humane Rat daran interessiert, die Anlagen auf den Heptagon-Monden weiter betreiben zu dürfen.

Schließlich wollte man auch in Zukunft darüber informiert sein, was sich im Heiligen Imperium tat. Es war ja nicht auszuschließen, dass dort diejenigen die Oberhand gewannen, die im Heiligen Krieg etwas Unvermeidliches sahen.

Andererseits war es für Commander Wong überdeutlich, dass diese Mission vom Humanen Rat nicht dasselbe Gewicht zugemessen wurde, wie es einst beim Flug der STERNENKRIEGER I ins Tardelli-System der Fall gewesen war.

Das dokumentierte sich schon dadurch, dass damals ein Botschafter des Humanen Rates die Mission begleitet hatte. Bei der NEPTUN-Mission schien man das für überflüssigen Luxus zu halten.

Der Humane Rat war offensichtlich der Ansicht, dass in diesem Fall das diplomatische Geschick eines zwar frisch gebackenen, aber sehr talentierten und von seinen bisherigen Vorgesetzten immer nur mit Bestnoten bedachten Raumkapitäns wie Commander Raphael Wong völlig ausreichend war.

Die Gründe dafür lagen auf der Hand.

Es war nicht die Tatsache, dass der Qriid-Konflikt für die Humanen Welten inzwischen ein Kapitel war, das man als abgeschlossen betrachtete, sondern auch der Umstand, dass es im Moment an anderen Fronten eine sehr viel brenzligere Lage gab. Vor allem im Picus-Sektor…

»Wir empfangen eine Signalsequenz mit einer Grußbotschaft!«, meldete Lieutenant Pemmo Nebbson, der Kommunikationsoffizier der NEPTUN.

»Auf den Schirm damit, sofern es sich um eine Videobotschaft handelt!«, befahl Commander Wong.

Etwa ein Dutzend der vergleichsweise primitiven und nicht zum Überlichtflug fähigen Raumschiffe der Fash'rar hatten die NEPTUN auf den letzten 0,5 astronomischen Einheiten ihres Weges eskortiert. Nur auf diesem Abschnitt der Strecke waren die Fash'rar Schiffe schnell genug, um den abbremsenden Leichten Kreuzer überhaupt begleiten zu können.

Auf dem Panoramaschirm erschien nun das fischartige Gesicht eines Fash'rar.

»Hier spricht Hensaw«, meldete sich der Fash'rar zu Wort. »Ich bin der Diensthabende Offizier unserer Raumkontrolle.«

Der Kopf des Fash'rar war haarlos. Schuppenartige Strukturen kennzeichneten seine Oberfläche und erinnerten einen menschlichen Betrachter tatsächlich an einen Fisch. Der Körper wies sechs Extremitäten mit vierfingrigen Greifhänden auf. Die Finger waren durch Schwimmhäute verbunden. Das unterste Extremitätenpaar war besonders kräftig ausgebildet und diente vor allem der Fortbewegung.

»Seit meinem letzten Besuch hier, hat sich viel getan, Kommandant Hensaw«, sagte Raphael Wong. »Die Bedrohung durch qriidische Feinde besteht nicht mehr. Aber das bedeutet nicht, dass wir in Zukunft nicht wachsam sein müssten.«

»Sie wissen, dass im Moment die Zeit der Flut noch nicht beendet ist und unsere Regierung sich darum in einem Zustand eingeschränkter Handlungsfähigkeit befindet«, sagte Hensaw.

»Dennoch muss die Zukunft unserer Horchposten auf den sieben Monden bald entschieden werden – und zwar möglichst langfristig.«

»Dieses Anliegen verstehen wir. Sie sind als Freunde willkommen und eingeladen, an den Feiern zu Ehren des Flutgottes teilzunehmen. Eine Landeerlaubnis für ihre Raumfähre ist hiermit erteilt. Außerdem werden Ihnen die innigen Grüße des Oberpriesters übermittelt!«

»Ich wäre Ihnen sehr dankbar, wenn Sie diese Grüße erwidern würden«, sagte Wong.

»Möge Sand sich in Wasser verwandeln und Wasser in Sand und das Leben in der Flut wachsen unter den Augen des Flutgottes«, erwiderte Hensaw mit einer traditionellen religiösen Grußformel der Fischabkömmlinge.

Wenig später wurde die Verbindung unterbrochen.

»Eine heikle Situation«, meinte Lieutenant Brian Mayer, der Erste Offizier an Bord der NEPTUN, nachdem auf dem Panoramaschirm wieder die größtenteils bräunliche Kugel des Planeten Heptagon zu sehen war.

Die Welt der Fash'rar war extrem trocken und die Fischabkömmlinge hatten sich an das Leben außerhalb des Wassers im Laufe ihrer Evolution gewöhnen müssen. Über Jahrhunderte – manchmal auch Jahrtausende – hinweg gab es kein einziges offenes Gewässer auf dem Planeten, bis dann der Zeitpunkt der Flut kam. Dann brachen aus zahllosen Geysiren gigantische Wassermassen aus den tief unter der Oberfläche gelegenen Reservoire hervor, getrieben von vulkanischen Kräften und dem hohen Druck, der sich dort im Lauf der langen Trockenperioden aufgestaut hatte. Die Flut ergoss sich und bedeckte anschließend mehrere große Senken. Zwanzig Prozent der Planetenoberfläche nahmen diese Binnenmeere dann für einen Zeitraum ein, der manchmal nur ein paar Monate, im günstigsten Fall einige Jahre dauerte, bis sich das Wasser wieder zurückzog.

»Oberpriester Rewsay ist recht umgänglich«, urteilte Commander Wong.

»Sie kennen ihn noch von der STERNENKRIEGER-Mission?«, fragte Lieutenant Commander Mayer.

Wong nickte. »So ist es.«

»In den Dossiers der GalAb heißt es, dass ein neuer Herrscher erwählt wurde. Das könnte unsere Situation erschweren. Schließlich sind sämtliche alten Zusagen von Rewsay gemacht worden.«

Der Captain der NEPTUN atmete tief durch. »Ja, da haben Sie genau den entscheidenden Punkt angesprochen, I.O.«, bestätigte er. »Der Oberpriester machte seine damaligen Zusagen im Namen des künftigen Herrschers. Jetzt, da er unter den mutierten Nachfahren offenbar gefunden wurde, müssen sie erneuert werden. Aber da brauchen wir uns wohl keine Sorgen zu machen. Der neue Herrscher ist noch ein Kind und die Entscheidungsgewalt liegt weiterhin in Rewsays Händen.«

Mayer hob die Augenbrauen. »Für mich klingt das ganze eher wie ein Vorwand.«

»Ein Vorwand? Wofür, I.O.?«

»Um das Abkommen noch einmal in Frage zu stellen und vielleicht mehr herauszuholen. Vielleicht wollen sie uns auch einfach loswerden…«

Wong äußerte sich nicht weiter dazu. Aber Mayers Befürchtungen entsprachen auch seinen eigenen. Schließlich hatten die Fash'rar vor etwas mehr als einem Jahr, als Botschafter Aljanov an Bord der STERNENKRIEGER I im Tardelli-System eintraf, gegenüber dem Heiligen Imperium der Qriid einen Status gehabt, der einem Vasallen entsprach.

Daraus hatte das Eingreifen der Humanen Welten das Volk der Fischartigen befreit.

Vielleicht wollen sie sich jetzt auch aus der Abhängigkeit uns gegenüber befreien, dachte Wong. Umso bedauerlicher, dass der Humane Rat dieser Mission offenbar eine derart geringe Priorität zumisst, dass es nicht einmal nötig erscheint, diplomatisches Personal zur Verfügung zu stellen!

»Captain, ich orte hier eine eigenartige, höherdimensionale Resonanz«, meldete in diesem Augenblick Ortungsoffizier Lieutenant Derek Batista.

Wong runzelte die Stirn. »Können Sie das irgendwie spezifizieren?«

»Derzeit noch nicht, Captain. Allerdings scheint mir diese Resonanz Signalcharakter zu haben. Unsere Sensoren müssten modifiziert werden, um genaueres sagen zu können.«

»Ziehen Sie den L.I. zu Rate. Lieutenant Kwon soll Sie dabei unterstützen.«

»Jawohl, Sir.«

Derek Batistas Finger glitten über die Sensorfelder seiner Konsole. In einem Bildfenster des Hauptschirms erschien eine schematische Darstellung des Planeten Tardelli IV und der sieben in einem regelmäßigen Heptagon angeordneten Monde, die diese Welt in geostationären Umlaufbahnen auf Äquatorhöhe umkreisten. Aufblinkende Markierungslinien veranschaulichten, wo die von Batista angemessene höherdimensionale Resonanz anzutreffen war.

Das Ergebnis war verblüffend.

Raphael Wong nahm an seiner eigenen Konsole ein paar Schaltungen vor, ließ sich ein paar Einzelwerte anzeigen und starrte schließlich nur noch verwundert auf die schematische Darstellung der Heptagon-Monde.

Lieutenant Commander Brian Mayer sprach als Erster aus, was auch Raphael Wong bereits durch den Kopf geschwirrt war.

»Da benutzt jemand die Heptagon-Monde als Relaisstation für irgendeine Art von Signalen, die wir bisher noch nicht kennen!«, stellte er fest.

»Gibt es irgendwelche energetischen Aktivitäten auf den Monden?«, fragte Wong an Batista gewandt.

»Negativ, Sir.«

»Nehmen Sie einen Tiefen-Scan vor.«

»Das habe ich bereits getan, Sir«, erklärte der Ortungsoffizier. »Wenn dort etwas ist, dann ist es zu gut für unsere Sensoren getarnt.«

»Dort muss etwas sein!«, stellte Wong fest. »Etwas, das in der Lage ist, diese Impulse weiterzuleiten! Nebbson, öffnen Sie mir einen geschützten Sandström-Kanal zum Oberkommando!«

*

Zwei Stunden später wurde eine der drei Landefähren der NEPTUN ausgeschleust. An Bord befanden sich abgesehen von Commander Raphael Wong und der Pilotin Laticia Namsoon noch Sergeant Clint Reiniger, der Kommandant der an Bord stationierten Einheit von Marines mit fünf seiner schwer bewaffneten Soldaten.

Allerdings war nicht geplant, dass sie in schweren Kampfanzügen ausstiegen. Die wurden zwar mitgeführt, befanden sich jedoch im hinteren Teil der Fähre, um im Bedarfsfall benutzt werden zu können. Die diese Mission zu Grunde liegende Prämisse war nach wie vor, dass hier ein Besuch unter Freunden und Verbündeten stattfand, bei dem übertriebene Sicherheitsmaßnahmen nur das Vertrauen störten.

Lieutenant Commander Brian Mayer führte unterdessen das Kommando auf der NEPTUN.

Insgeheim ärgerte sich Wong darüber, dass er die Brücke verlassen musste. Schließlich konnte er auf diese Weise nicht unmittelbar verfolgen, was Batista in Zusammenarbeit mit der Leitenden Ingenieurin Edna Kwon über die höherdimensionalen Signale herausfand, von denen bislang eigentlich nur feststand, dass es sich um irgendeine Form der Kommunikation handeln musste.

Es fragt sich nur, wer hier wem etwas sendet, ging es Wong durch den Kopf. Wer mag es geschafft haben, diese uralte Anlage zumindest teilweise wieder in Betrieb zu nehmen?

Die Heptagon-Monde hatten ihre Geheimnisse offenbar noch lange nicht preisgegeben. Unter der Oberfläche von Heptagon hatte die Crew der STERNENKRIEGER I seinerzeit ja ebenfalls eine gut getarnte Anlage der Alten Götter gefunden, die leider inzwischen vollkommen zerstört war.

Ein Selbstzerstörungsmechanismus hatte dafür gesorgt, dass letztlich nichts weiter als geschmolzenes Metall von ihr geblieben war. Inzwischen lag dieser Metallbrocken nicht nur unter Unmassen von Sand begraben, sondern befand sich auch noch am Grund eines der Meere, die durch die Wassermassen der einsetzenden Flut gefüllt worden waren.

Wie eine runzelige Orange mit großen blauen Schimmelflecken sah Tardelli IV jetzt aus dem Weltraum aus.

Die Landefähre entfernte sich zusehends von der NEPTUN.

Auf dem Hauptbildschirm waren auch die eskortierenden Schiffe der Fash'rar zu sehen.

»Die erweisen uns alle Ehre, Sir!«, fand Sergeant Clint Reiniger. »Ich denke, dass keine besonders schwierigen Verhandlungen vor Ihnen liegen.«

»Ich hoffe, Sie haben Recht, Sergeant«, sagte Wong.

*

Oberpriester Rewsay sah zu, wie der Wagen mit dem surrenden Elektromotor hereinfuhr. Seine Ladefläche war mit feuchtem Sand gefüllt.

Der neue Herrscher war noch klein und grub sich gerne in den Sand ein. Er würde noch einige Planetenumläufe lang vollkommen unselbstständig sein, wie Rewsay sehr wohl bewusst war. Wie viel Zeit vergehen würde, bis er fähig war, tatsächlich die Regierungsgewalt zu übernehmen, musst man abwarten.

Das hängt ganz davon ab, wie seine Erziehung verläuft, überlegte der Oberpriester.

Er selbst war entschlossen dazu, aus dem neuen Herrscher so schnell wie möglich ein wirkliches Band der Ahnen zu machen.

Denn das war die Hauptfunktion eines Fash'rar-Herrschers. Er war als Mutant der Einzige, der in der Lage war, mehrere Flutzyklen zu überleben und damit die kulturelle Kontinuität des Fischvolks zu gewährleisten. Nur während der in unregelmäßigen Abständen wiederkehrenden Fluten war ein DNA-Austausch unter den sieben Geschlechtern der Fash'rar möglich.

Wenn ein Fash'rar glaubte, dass die Zeit des Todes gekommen war, so ließ er sich lebendig in den Sand der Wüste begraben. Dort konnte sein Körper bei extrem reduziertem Metabolismus notfalls Jahrtausende überdauern, um zum Zeitpunkt der nächsten Flut erneut zum Leben zu erwachen –

allerdings nur für kurze Zeit, denn nach der Eiablage starben die Fash'rar recht bald. Sie konnten ihre Jungen nicht in den nächsten Flutzyklus begleiten.

Die Fash'rar sammelten die befruchteten Eier ein und bewahrten sie auf. Nur einen geringen Teil davon ließen sie schlüpfen. Die anderen wurden konserviert und nach und nach erst zur vollen Reife gebrütet. Doch wenn der Abstand zwischen zwei Flutzyklen extrem groß war, bestand immer die Gefahr, dass die Fash'rar zunächst ausstarben. Zwar erwachte ihre Spezies bei Einsetzen der Flut, wenn die Begrabenen aus ihren Sandlöchern heraus krochen, zu neuem Leben – aber nach dem Tod der Eierleger war die nächste Generation dann vollkommen auf sich gestellt. Im Extremfall musste sie bei Null anfangen.

Um das zu verhindern, war das Band der Ahnen so wichtig.

Der Herrscher bildete es mit Hilfe seines Gedächtnis, dass selbst dann eine über Jahrtausende hinwegreichende Brücke darstellte, wenn er für Jahrhunderte als letzter und einziger Fash'rar auf Tardelli VI gewandelt war.

Die Lebenserwartung der Mutanten, aus deren Reihen der neue Fash'rar-Herrscher gesucht wurde, war im Vergleich zu einem Menschen – geschweige denn zu einem Ontiden! – unvorstellbar groß. Den Priestern war es möglich, an Hand gewisser Merkmale vorherzusagen, ob ein befruchtetes Fash'rar-Ei die Merkmale der Mutation in sich trug. Es gab eine Fehlerquote, aber im Prinzip war die Bestimmung der heiligen Mutanten sehr sicher.

Natürlich wurde auch hier nach dem Prinzip größtmöglicher Sicherheit für den Fortbestand der kulturellen Kontinuität gehandelt. Mit den aufgefundenen Mutanten-Eiern ging man noch sparsamer um, als mit gewöhnlichen Fash'rar-Nachwuchs.

Die meisten dieser Eier wurden zunächst in einem heiligen Schrein konserviert, um sie für den Fall der Fälle immer parat zu haben.

Und während sich der auserwählte Herrscher im warmen, feuchten Sand etwas herumwälzte und tatsächlich den Fischkopf an die Oberfläche reckte, gab es in einem anderen Gebäudekomplex der Residenz ein zweites Fash'rar-Kind, das sich exakt im selben Entwicklungsstadium befand.

Der neue Herrscher wird es ertragen müssen, notfalls ersetzbar zu sein, überlegte Rawsay.

Die Gesetze waren hart. Die Geschichte der Fash'rar hatte einfach gezeigt, dass es stets zu verhängnisvollen Verwicklungen geführt hatte, wenn es mehr als einen langlebigen Mutanten gab. Es war in der Vergangenheit bereits zu schrecklichen Bürgerkriegen gekommen, weil der Ersatz-Herrscher versucht hatte, einen rechtmäßigen Herrscher aus dem Weg zu räumen.

Daher wurden die Zweit- und Drittmutanten vernichtet, sobald der Herrscher dazu in der Lage war, die Regierung tatsächlich auszuüben und sich als fähig erwiesen hatte.

Es gab für Rewsay kaum einen Zweifel daran, dass sich der im Sand spielende und sich immer wieder an die Oberfläche grabende Herrscher prächtig entwickeln würde. War einmal klar, dass man den Ersatz nicht brauchte, war dessen Schicksal natürlich besiegelt.

Der fischartige Kopf des kleinen Herrschers schaute jetzt aus dem Sand hervor, der durch eine in den Wagen integrierte Sprinkleranlage ständig feucht gehalten wurde. In diesem Moment setzte ein Sprechgesang aus Schmatzlauten ein, den ein Chor von Unterpriestern intonierte, die aus spirituellen Gründen nur aus Angehörigen der Geschlechter Nummer 3,4 und 7 rekrutiert wurden.

Der kleine – noch namenlose – Herrscher schien sich über den Gesang zu freuen, denn er stieß entsprechende Gluckslaute aus. Seine sechs Extremitäten waren noch unvollständig ausgebildet und erinnerten mehr an Flossen. Noch fehlten die Greifhände an den Enden, die sich erst im Alter von frühestens zehn Planetenumläufen bildeten und als äußeres Zeichen der Reife galten – zumindest bei Geschlecht Nummer 1 – dem der Herrscher stets zu entstammen hatte.

Die Fash'rar-Jungen sämtlicher sieben Geschlechter waren zwar von dem Augenblick an, da sie ihrem Ei entschlüpften, vollkommen überlebensfähig und konnten notfalls auch ohne die Aufzucht durch Erwachsene auskommen. Aber wenn dies geschah, ging natürlich die kulturelle Prägung verloren.

Sprache, Technik und Kultur mussten neu erfunden werden, was in der durch die Fluten geprägten Geschichte dieses Volkes schon einige Male vorgekommen war.

Der Flutgott war unberechenbar.

Niemand wusste, wann die heißen Wassermassen wieder an die Oberfläche kamen, in gigantischen Fontänen und mit ungeheurem Druck emporspritzten, um schon nach kurzer Zeit weite Gebiete mit seichten Süßwassermeeren zu bedecken.

Jetzt, da sich das Wasser bereits wieder auf breiter Front zurückzuziehen begann und die im letzten Jahr entstandenen Meere wieder schrumpften, begannen überall die Hilfskräfte der Priesterschaft die befruchteten Eier zu bergen und in die Reservoire zu bringen, wo ihr Reifungsprozess künstlich aufgehalten wurde. Einigen von ihnen wurde vielleicht erst in Jahrtausenden gestattet, voll auszureifen und zu einem Fash'rar heranzuwachsen.

Die Paarungszeit in den Meeren war nach einem Jahr der Flut so gut wie vorbei. Die im Laufe der letzten Jahrhunderte in den wüstenartigen Meeresgrund eingegrabenen Fash'rar siebenerlei Geschlechts erwachten zu einem kurzen zweiten Leben. Die heiligen Überlieferungen rieten jedem Fash'rar, sich nicht zu spät einzugraben. Zwar war es verständlich, dass jeder Fash'rar diesen Zeitpunkt so weit wie möglich ans Ende seiner Existenz zu legen versuchte, aber wenn er nach dem Erwachen aus dem vielleicht ein Jahrtausend dauernden Tiefschlaf mit reduziertem Stoffwechsel nicht mehr kräftig genug war, um sich mit Angehörigen aller sechs anderen Geschlechter, die es bei den Fash'rar gab, zu verbinden, blieb der Betreffende ohne Nachwuchs. Für die meisten Fash'rar war dies eine Horrorvorstellung, die selbst die Angst vor dem Tod noch weit in den Schatten stellte.

Einige wenige zogen es sogar vor, sich bereits in jungen Jahren in der Wüste zu vergraben, um auf diese Weise ihr Leben in einem weit in der Zukunft gelegenen Flutzyklus fortzusetzen. Doch die Gesetze der Priesterschaft missbilligten dies. Zumeist wurde diese Praxis auch nur von Fash'rar geübt, die mit ihrem gegenwärtigen Leben unzufrieden waren.

Manchmal waren es Individuen, die aus irgendeinem Grund zu Außenseitern der Fash'rar-Gesellschaft geworden waren und sich eine bessere Existenz in einer Zukunft erhofften, in der –

abgesehen vom langlebigen Mutanten-Herrscher – niemand mehr existierte, den sie kannten.

Oberpriester Rewsay stülpte die wulstigen, feucht glänzenden Fischlippen nach außen. Dabei handelte es sich um eine Geste der Ehrerbietung gegenüber dem noch namenlosen Herrscher. Dieser klatschte seine kindlichen Flossen gegeneinander, dass es patschte und der Chor der Schmatzlaute von ihm umgebenden Unterpriester dadurch beinahe aus dem Takt zu kommen drohte.

Innerhalb der nächsten Zyklen würde der Herrscher zu gewaltiger Größe heranwachsen. Die meisten seiner Vorgänger waren gegen Ende ihrer Existenz nicht mehr in der Lage gewesen, sich auf eigenen Beinen zu bewegen. Ein unrühmlicher Herrscher der Vergangenheit, dessen Name nicht mehr genannt wurde, weil er als Synonym des Unglücks galt, hatte den Zeitpunkt seines Eingrabens so weit hinausgezögert, dass er vorher am eigenen Gewicht erstickte und damit ohne die Möglichkeit starb, Nachwuchs zu zeugen.

Ein Unterpriester betrat jetzt die Halle. Er verneigte sich, stülpte ebenfalls ehrfurchtsvoll die Lippen nach außen und näherte sich dem Oberpriester dann in gebeugtem Zustand.

Der kleine Herrscher patschte derweil noch einmal seine oberen beiden Flossenpaare zusammen und tauchte dann in den feuchten Sand hinein. Der Chor verstummte daraufhin.

»Ehrwürdiger Oberpriester, unsere Gäste warten in der Empfangshalle«, verkündete der Unterpriester in wohl gesetzten Schmatzlauten.

Rewsay wandte den schuppenbedeckten Kopf in seine Richtung. An den geöffneten Poren zwischen den Schuppen, aus denen hier und da ein paar Tropfen Körpersekrete hervortraten, sah der Oberpriester, dass sein Gegenüber durch irgendetwas in ein Stadium höchster Erregung versetzt worden war.

»Was ist noch, Ganatizu?«, fragte Rewsay.

Der Unterpriester gehörte einem für seine übermäßige Erregbarkeit berüchtigten Geschlecht an, sodass Rewsay diese äußeren Zeichen noch nicht sonderlich alarmierend fand.

Ganatizu schnappte nach Luft und verwechselte dabei für einen Augenblick wohl die Lungen mit den Kiemen, sodass sein Kopf dunkel anlief.

»Das Orakel«, äußerte er in gestammelten, sehr hektisch und abgehackt wirkenden Schmatz- und Zischlauten. »Der Oberwächter sagt, dass es möglicherweise sprechen wird…«

»Das Orakel hat seit vielen Flutzyklen nicht mehr gesprochen…«

»Aber wir wissen aus unseren Überlieferungen, dass es noch zu Lebzeiten des Herrschers Asazunu Botschaften der Alten Götter aus dem Jenseits übertragen hat!«

»Dann richte unserem Sprecher Asgashlan aus, er möge die Gäste zuvorkommend behandeln und sie unterhalten, bis ich selbst beim Orakel gewesen bin.«

»Jawohl, Oberpriester. Gepriesen sei der Schlick, aus dem dein Ei geborgen wurde!«

»Gepriesen sei der Wüstensand, in den deine Vorfahren sich eingruben«, erwiderte Rewsay diese sehr traditionelle, aber innerhalb der Priesterschaft durchaus nicht unüblichen Verabschiedungsformel.

Der Unterpriester verneigte sich abermals und tiefer als je zuvor und verließ den Raum.

*

Kurz nachdem die Fähre gelandet war, hatte Raphael Wong über einen geschützten Kanal noch einmal Kontakt zur NEPTUN.

Es war Ortungsoffizier Derek Batista, der sich gemeldet hatte. »Captain, wir haben jetzt ein klareres Bild von dem, was dort stattfindet. Die Resonanz wird durch Signale erzeugt, die sich ähnlich wie der Sandström-Funk verhalten.«

»Lassen sie sich entschlüsseln?«, fragte Wong.

»Bislang noch nicht. Und ich bezweifle, dass wir mit unserer Technik tatsächlich die Möglichkeit bekommen, mehr als nur Bruchstücke davon zu sichern. Im Sandström-Spektrum lässt sich die mehrdimensionale Resonanz auch nachweisen. Die Parallelität der Impulse liegt bei 85 Prozent, sodass da jeglicher Zufall ausgeschlossen ist.«

»Vielleicht ist es genau das!«, meinte Wong. »Eine modifizierte Form des Sandström-Funks, den diese Alten Götter vielleicht vor vielen Zeitaltern benutzten.«

»Nein, Sir, das ist ausgeschlossen. Es handelt sich definitiv nicht um Sandström-Funk, sondern um eine Signalart, die in einem weiteren Kontinuum übertragen wird. Ich habe im wissenschaftlichen Archiv unseres Bordrechners nachgesehen und…«

»…da sind Sie zufällig auf den X-Raum gestoßen!«, stellte Wong fest.

Batista starrte ihn verblüfft an. »Das stimmt…«

Der X-Raum war ein höherdimensionales Kontinuum ähnlich dem Sandström-Raum. Es hatte Versuche gegeben, auch auf X-Raum-Basis einen Antrieb zu entwickeln, was auch gelungen war. Insbesondere der TR-Tec-Konzern hatte Schiffe mit derartigem Antrieb zur Besiedlung der späteren Genetic-Welten benutzt. Allerdings war dieser Weg der überlichtschnellen Raumfahrt rasch wieder verlassen worden, als sich Fälle häuften, in denen beim Sprung durch den X-Raum Schiffe aus nicht geklärten Gründen verschwanden und nie wieder auftauchten.

»Eine unerfreuliche Begegnung mit Besuchern aus dem X-Raum ist mir noch in recht lebhafter Erinnerung«, erklärte Wong.

»Sie meinen damit die Parasiten, die dafür verantwortlich waren, dass der Mars zeitweilig unter Quarantäne stand?«, vergewisserte sich Batista. »Ich habe davon gehört.«

»Ich hatte es nicht so gut, lediglich davon zu hören. Zusammen mit den anderen Offizieren der STERNENKRIEGER nahm ich zu diesem Zeitpunkt nämlich gerade an dem pflichtgemäßen Survival Kurs bei den Real Martians in Camp Latanor teil.«

Batista nickte verstehend. »Ich habe noch eine Neuigkeit für Sie, Sir.«

»Und die wäre?«

»Es hat sich vor kurzem eine neue, nicht sehr stabile Impulslinie gebildet. Ihr Ziel liegt unterhalb

der Planetenoberfläche – in der Nähe der Herrscherresidenz.«

Wong atmete tief durch. »Wir werden unsere Ortungsgeräte aktiviert halten«, versprach er. »Geben Sie mir Mayer.«

»Ja, Sir.«

Im nächsten Moment tauchte auf dem Nebenbildschirm an Bord der Landefähre das Gesicht des Ersten Offiziers auf.

»Ist der Bericht an das Oberkommando schon weg?«, fragte Wong.

»Ja, Sir.«

»Liegt schon eine Reaktion vor?«

»Bislang negativ, Captain«, antwortete Mayer.

»Wenn dass der Fall ist, möchte ich es wissen. Holen Sie mich notfalls auch aus jeder noch so heiklen Verhandlung raus, wenn es sein muss.«

»Aye, Captain.«

Die Verbindung wurde unterbrochen. Wong wandte sich an Laticia Namsoon, die Fährenpilotin. »Ich habe in Ihren Unterlagen gelesen, dass Sie mal versucht haben, Ortungsoffizier zu werden.«

»Ich habe die Ausbildung abgebrochen und mich für die Pilotenlaufbahn entschieden«, erwiderte Namsoon. »Aber ohne die Bedienung von Ortungssystemen kommt man auch da nicht aus, wie Sie sicher wissen, Sir.«

Der Captain nahm eines der mobilen, mit Magnethalterungen an der Wand befestigten Ortungsmodule und warf es Namsoon zu. Die fing es auf.

»In diesem Fall wird etwas mehr an Auswertungsarbeit von Ihnen erwartet, als man in dieser Hinsicht einer Pilotin ansonsten zumuten würde«, sagte er. »Aber da Sie ja wohl zumindest die Grundkurse in Ortungstechnik besucht haben, müsste Ihnen das keine unüberwindlichen Hindernisse verursachen. Funken Sie die NEPTUN an, damit man Ihnen die Vergleichsparameter überspielt, sodass Sie auch wissen, wonach wir hier und heute Ausschau halten…«

»Und wer bleibt bei der Fähre?«, fragte Namsoon etwas verwirrt.

Wong wandte sich an Clint Reiniger. »Stellen Sie jemanden von Ihren Leuten dazu zur Bewachung der Fähre ab, Sergeant.«

»Jawohl, Sir!«, bestätigte Reiniger.

*