Hurra, wir lieben noch! - Bill Mockridge - E-Book

Hurra, wir lieben noch! E-Book

Bill Mockridge

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Beschreibung

Das Comedy-Paar Bill & Margie ist Kult:
Endlich erzählen sie ihre Geschichte


Ganz Deutschland liebt das Powerpaar Bill Mockridge und Margie Kinsky. Die beiden Standup-Comedians füllen die Theater von Berlin bis Stuttgart und gehören zu den beliebtesten Gästen der Talkshows auf allen Kanälen. Bill Mockridge als Erich Schiller in der „Lindenstraße“ ist Legende, bei Margie Kinsky folgt Tournee auf Tournee und inzwischen gibt es die ganze Familie samt allen sechs (!) Söhnen als WDR-Sitcom „Die Mockridges – Eine Knallerfamilie“. Wie eine Ehe das alles aushält und wie es überhaupt dazu kam, davon erzählen Bill & Margie in ihrem ersten gemeinsamen Buch.

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Seitenzahl: 295

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Das Buch:

Bill Mockridge und Margie Kinsky – endlich ihr erstes gemeinsames Buch!

»Wir haben von Anfang an gesagt: Jeder von uns ist frei und kann sofort abhauen. Die Bedingung: Wer gehen will, muss die Kinder, die Schulden und die Omma mitnehmen. Der andere bleibt im Haus.«

Ganz Deutschland liebt das Powerpaar Bill Mockridge und Margie Kinsky. Jetzt lüften die beiden Standup-Comedians die Geheimnisse ihres 33 Jahre alten Ehelebens. Erzählen vom Casting, das ihr Leben veränderte, von einer Hochzeitsreise der anderen Art, von entflohenen Schlangen im Wohnzimmer und davon, was es heißt, sechs Jungs gleichzeitig großzuziehen. Margie erzählt ihre Version und Bill die Wahrheit – oder andersherum? Die urkomische Bilanz eines Lebens zwischen Bühne und Kindergeburtstag, Madonnenstatuen und Playmobil, zwischen Deutschland, Kanada und Italien.

Die Autorin:

BILL MOCKRIDGE und MARGIE KINSKY sind Schauspieler, Kabarettisten und seit 33 Jahren verheiratet. Ursprünglich aus Toronto und Rom, lernten sich die beiden in Bonn kennen, wo sie 1982 das Improvisationstheater »Die Springmaus« gründeten. Hier war Margie 30 Jahre lang als Frontfrau zu erleben, bevor sie 2010 ihr Soloprogramm »Kinsky legt los« startete. Bill Mockridge wurde durch seine Rolle als Erich Schiller in der »Lindenstraße« deutschlandweit bekannt. Das Paar hat sechs Söhne; gemeinsam stehen alle für die Comedy-Serie »Die Mockridges – eine Knallerfamilie« vor der Kamera. Sowohl Bills humorvoller Altersratgeber »Je oller, je doller« als auch Margies »Ich bin so wild nach deinem Erdbeerpudding« schafften es auf die Bestsellerlisten. »Hurra, wir lieben noch!« ist ihr erstes gemeinsames Buch.

Weitere Informationen zu unserem Programm unter www.knaus-verlag.de

Margie Kinsky &Bill Mockridge

Knaus

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1. Auflage

Copyright © der Originalausgabe 2017

beim Albrecht Knaus Verlag, München,

in der Verlagsgruppe Random House GmbH,

Neumarkter Straße 28, 81673 München

Mitarbeit: Tania Kibermanis

Redaktion: Matthias Bischoff

Illustrationen: Inka Hagen (Illu 1, Illu 2, Illu 3, Illu 4)

Umschlaggestaltung: FAVORITBUERO, München

Foto Umschlagvorderseite: Boris Breuer

Satz: Buch-Werkstatt GmbH, Bad Aibling

ISBN 978-3-641-20955-1V001

www.knaus-verlag.de

Vorwort oder sowas in der ArtSechs Jungs sagen mehr als 1000 Worte

1. Gibt es Liebe auf den ersten Blick?

2. Schwanger!

3. Manche nennen es Hochzeitsreise

4. Jetzt sind wir zwei zu dritt

5. Scheiß auf Prinzipien!

6. Wir brauchen ein Haus!

7. Von drei auf sechs

8. Jonglage mit sechs Bällen

9. Let’s talk about Sex

10. Unsere große Zettelwirtschaft

11. Kinder und Katastrophen

12. Ich platz gleich! – Wenn’s bei Mockridges manchmal kracht

13. Von acht auf zwei plus Mops

14. Kleine Schwächen

15. Holzfäller und Shopping-Queen lieben sich immer noch!!

Dankeschön!

So, nun ist es endlich mal passiert: Margie und Bill haben zusammen ein Buch geschrieben! Eigentlich ist Margie ja eine faule Socke, die es am liebsten gemütlich hat, aber bei uns gilt immer: Einfach mal JA sagen und dann durchziehen. Genau das haben wir dann auch gemacht – ausgepackt über uns, unsere Geschichte erzählt vom Kennenlernen über unsere Knallerfamilie mit sechs Jungs bis hin zu der spannenden Aufgabe, sich in der inzwischen sturmfreien Bude neu zusammenzufinden. Mit allem Spaß und Irrsinn, der in 33 Jahren so dazwischenkam. Und das Allerwichtigste: Warum wir uns immer noch lieben! Und das, obwohl wir uns ganz oft überhaupt nicht einig sind.

Deshalb erzählt Bill in diesem Buch seine Version, Margie ihre eigene, und wir wetten mit euch: Ihr werdet uns beide verstehen!

Natürlich kommen nicht nur Käpt’n Bill und Leichtmatrose Margie zu Wort, sondern die gesamte phantastische Crew – unsere sechs Richtigen! Und die erzählen euch jetzt schon mal, mit wem ihr es hier überhaupt zu tun habt. Viel Spaß und wir geben das Mikro an unsere Jungs:

Nicholas, (Regisseur, geb. 1984)

»Wenn man im Gespräch erstmalig erwähnt, man habe fünf Geschwister, sorgt das in den meisten Fällen für erhöhte Aufmerksamkeit. ›Alles Brüder.‹ – ›Echt?‹ – ›Ja.‹ – ›Oh Gott, die arme Mutter!‹ Dabei ist unsere Mutter doch gar nicht ›arm‹ dran. Sie hat ihren eigenen Hofstaat und unseren Vater an ihrer Seite. Der ist ziemlich geduldig und kann gut kochen. Überhaupt hat sich das Modell ziemlich bewährt. Warum das so ist, dafür kann man einiges heranziehen: Leidenschaft für die Bühne, Familiensinn, ein gesunder Glaube, das Brüsseler Restaurant ›Scheltema‹ und unsere Babička (die Oma, Margies Mutter). Letztlich liegt es wohl schlicht daran, that they really love each other. Das wird auch so bleiben, da sorgen wir sechs schon für.«

Teo (Matthew, Autor, geb. 1986)

»Die Ansage meines Vaters für dieses Vorwort war wie immer kurz und klar: ›Geschichten, Erinnerungen … Matthew, schreib einfach über das, was die Beziehung zwischen deiner Mutter und mir für dich immer ausgemacht hat.‹

Es klingt so einfach, aber ich komme nicht ins Schreiben – ein ungewohntes Gefühl. Es ist normal, dass mir die Worte fehlen, es ist sogar gut! Denn es ging bei meinen Eltern nie nur um die Worte! In den letzten dreißig Jahren gab es natürlich unzählige Worte, Ratschläge und Geschichten, aber ich erinnere mich nur an wenige. Was ich jedoch niemals vergessen werde, so klar und im Detail, als wäre es heute erst passiert, sind die Gefühle, die ich gespürt habe, als die Worte gesprochen wurden: echte Geborgenheit, bedingungslose Liebe, tiefes Interesse, unendliches Verständnis, ewige Geduld, unglaubliche Großzügigkeit … ich könnte ewig weiterschreiben. Wenn es nicht mehr um die Worte geht, schreibt sich die Geschichte von selbst. Ganz ehrlich: Wir wissen alle nicht genau, wie es funktioniert, meine Eltern auch nicht. Wer weiß das schon? Aber nicht zu wissen, dass etwas unmöglich ist, macht es doch wieder möglich. So wie sechs tolle Jungs in die Welt zu setzen, Träume zu verwirklichen und über dreißig Jahre wirklich verliebt zu sein – der beste Weg, um herauszufinden, ob man dem Leben wirklich vertrauen kann, ist, ihm zu vertrauen. I love you, Mama and Dad, you’re amazing!«

Luke(Comedian, geb. 1989)

»La Mamma und Dad: Beide zusammen eine perfekte Mischung aus Disziplinator, Fußballtrainer, Erzieher, Vorbild, Kollege, Freund und für die ersten achtzehn Jahre auch Chauffeur. Um in der Fußballmetaphorik zu bleiben: meine Eltern wirken auf mich immer wie zwei Mittelfeldspieler. Der eine ruhig, überlegt, mit übersichtlichem Spiel – die andere schnell, überall auf dem Platz, laut, clever und manchmal eiskalt vor dem Tor. Unterschiedlich, aber dennoch ein Team, das sich komplettiert. In einer Zeit, in der es schien, dass sich die Eltern aller meiner Freunde haben scheiden lassen, begriff ich schon sehr früh, dass das a) bei uns niemals passieren würde und b) ein großer Segen ist, in so einer Familie groß zu werden. Zurückblickend ist das Leben, welches ich als Kind führen durfte, auch eines, welches ich irgendwann mal meinen Kindern geben möchte. Wir hatten unsere eigene Anglo-Germanisch-Italienische Sprache, unsere Insider, die nur wir verstanden, und immer wieder die gemeinsame Vision, Menschen zu begeistern. Sicher gab und gibt es auch immer wieder Konflikte – was bei einer solchen Masse an Menschen nicht ausbleibt –, aber weil alle wissen, dass der Nährboden dieser Familie aus Liebe und Zusammenhalt besteht, waren und sind diese Probleme nie dauerhaft. Wenn ihr als Leser nur halb so viel Spaß habt, wie ich ihn als Kind hatte, in dieser Familie groß zu werden, dann wird es das lustigste und schönste Buch, das ihr jemals gelesen habt.«

Lenny (Leonardo, Komponist, geb. 1991)

»Eins der vielen Bilder, die ich von meinen Eltern habe, ist, wie ich sie vom Balkon aus beobachtet habe, wenn sie abends im Garten über das ›Springmaus‹-Theater sprachen: Wie genial konnte man einen schlechten Gag erzählen? Warum funktionierte die Pointe manchmal sehr gut und andere Male miserabel? Oft wurde ich dabei erwischt und musste wieder ins Bett gebracht werden. Dann gab es zum Glück immer eine Gute-Nacht-Geschichte. Bei meiner Mutter: ›Sigismund Lakritz‹ – ein kleiner Pirat, der einen Regenschirm als Fuß hatte. Bei meinem Vater: ›Dad Shrinks‹ – verschiedene Situationen, in denen sich mein Vater als kleiner Junge selbst schrumpfen konnte. Die Geschichten meiner Eltern leben immer weiter, und ich freue mich jetzt schon darauf, meinen Kids zu erzählen, wie Opa sich klein schrumpfen konnte und Oma mit Piraten auf Abenteuern war …«

Jeremy (Schauspieler, geb. 1993)

»Meine Eltern sind Profis, was Beziehungen angeht. Das macht es für Freundinnen nicht so einfach, wenn es irgendwann Meet the parents heißt: Mein Vater löchert mit Fragen und nimmt den kompletten bisherigen Lebensentwurf der Damen unter die Lupe, während Mama sich überhaupt nicht bemüht. Die weiß schon beim Betreten der Türschwelle oder spätestens nach der ersten Umarmung: ›Dat is nix.‹ Leider hat sie meistens recht. Nein. Immer recht. Aber anstatt sich davon abschrecken zu lassen, versucht man, von ihnen zu lernen. Die beiden beherrschen einfach ihr Handwerk. Selbst nach 33 Jahren Ehe findet man kleine Kärtchen mit Liebesbekundungen im Haus … Wie geht das? Wir Jungs haben es ihnen auf gar keinen Fall leichter gemacht.

P. S. ICH hab die teure Marmorvase in der Küche kaputtgemacht. Sorry!«

Liam (DJ, geb. 1997)

»Es gibt drei Dinge, die meine Eltern gut können: Schaffen, Lachen, Kindermachen.«

Sechs Richtige im Cut!

Nicholas, Teo, Luke, Lenny, Jeremy und Liam, bei der Hochzeit ihrer Cousine Giada Dobrzensky in Prag.

Gibt es Liebe auf den ersten Blick?

Margie: Nee, natürlich gibt’s das nicht! Niemals! Wie soll das denn gehen? Kommst du irgendwo rein, siehst einen Typen, und – whoosh! – taucht eine Fee auf, schmeißt mit Glitzerpulver um sich, und dann bist du verknallt? Und jetzt stell dir mal vor, die Fee ist ganz schlecht im Zielen und trifft den Typen gar nicht, während du ihn, vollgesaut mit Glitzer von oben bis unten, bespringst wie ein wild gewordenes Pony, während er panisch die Flucht ergreift? Ich hatte mich vor Bill schon ein paarmal verliebt (oder mir das wenigstens eingebildet), aber die Fee war eine Schlampe und hatte jedes Mal zu wenig Streuglitzer dabei, das hat dann leider nur für mich gereicht. Ich hab schon als Kind Disneyfilme geliebt und wollte, dass es bei mir genauso läuft – wenn sich die beiden Streuner Susi und Strolch endlich kriegen! Und wenn nicht so – dann eben gar nicht.

Aber je naiver du gestrickt bist, desto einfacher läuft’s dann doch: Ich war 1982 bei einem Casting für das Improtheater »Springmaus« in Bonn. Ich komme also in den Workshopraum rein, wie immer eine kleine Idee zu spät. Und als ich durch die Tür komme, rufe ich (ich hatte schon damals vielleicht nicht das letzte, aber immer das erste Wort!): »Bin ich hier richtig? Bist du der kanadische Schauspieler, der hier den Workshop gibt?«

Margie und Bill, Regiebesprechung unten am Rheinufer, 1983.

Da sitzt also so ein Musketier im wallenden Leinenhemd, mit schulterlangen Haaren, in knallenger, gestreifter Büx und Piratenstiefeln. Typ D’Artagnan, Fluch der Karibik gab’s ja damals noch nicht, aber das hätte auch gepasst. Das war Bill. Und er rasselte auch sofort mit dem Säbel, denn er knurrte: »Ja. Und DU bist zu SPÄT! Dann kannst du gleich mal auf die Bühne!« Das waren seine ersten Worte. Wie geil, hab ich gedacht, biste ja gleich dran. Wir hatten damals in unserer WG einen Kühlschrankmagneten, auf dem stand: »Wer zu spät kommt, muss nicht warten!« Ich gehe also direkt auf die Bühne und kriege meine Aufgabe: Ich sitze in einem überfüllten Bus, und neben mir stinkt jemand bestialisch – und das ohne Worte! Kein Problem für die Römerin, die gefühlte hundert Jahre immer mit öffentlichen Verkehrsmitteln zur Schule gefahren ist, bei vierzig Grad Hitze und natürlich ohne Klimaanlage. Und ich hab den italienischen Zwiebelsuppenschweiß sofort wieder in der Nase – so doll, dass ich fast aufs Bühnenparkett kotze. Und das muss wohl ziemlich glaubwürdig gewesen sein. Bingo! Römischer Personennahverkehr trifft auf kanadischen Holzfäller – ein Abenteuer ging los! Bill war zwar für mich kleine, verklemmte Römerin erstmal ein komischer Vogel. Aber auch irgendwie der Inbegriff von großer, weiter Theaterwelt mit ordentlich Glamour, schon fast sowas wie der erste Schritt nach Hollywood! Und das mit einer ordentlichen Ladung Abenteuerspielplatz obendrauf.

Bill und die pünktlichen Theaterkollegen wurden sofort zu meiner neuen Familie. Wir hießen Springmäuse, und wir waren ein geiles, eingeschworenes Team – und talentiert! Und Bill war für mich sofort vertraut – mit ihm war’s wie zu Hause mit meinen zwei großen Brüdern. Ich hab mich manchmal gefragt, ob das vielleicht mein heimlicher Bruder sein könnte, von dem ich bisher nix wusste. Wir konnten uns über die gleichen Witze scheckig lachen. »Kommt ’n Pferd in den Blumenladen: ›Haben Sie Ma-geritten?‹« Wir mochten die gleichen Filme und konnten die gleichen Lieblingsstellen daraus auswendig. Wir standen auf die gleiche Musik und waren beide richtig bunte Vögel, und das im staubgrauen Bonn! Sogar unsere Familiengeschichten waren ähnlich schräg: Bill kam als adoptiertes Kind in so eine poshe, oberwichtige Anwaltsfamilie in Toronto, und ich war das uneheliches Kind einer böhmischen Gräfin, die wohl doch nicht so konservativ war, wie sie gern getan hat, sonst hätte sie sich nicht ausgerechnet mit meinem italienischen Journalistenpapa eingelassen. Wir waren ja jeder für sich schon ein ganz eigener Cocktail aus den wildesten Zutaten – was würde eigentlich passieren, wenn wir uns für eine krachende Cocktailparty zusammentun? Jedes Mal, wenn wir uns gesehen haben, hatte ich das Gefühl, eine komplette Baggerladung mit Schmetterlingen donnert durch meinen Bauch. Da war sofort was zwischen uns. Es reichte nur ’ne kleine Kopfbewegung, und wir wussten sofort, was der andere meint. Immer, wenn kleine Kinder auf mich zurannten, haben sich unsere Blicke erwischt. Und ich dachte: Mit Bill kannste dir das vorstellen. Wenn ’n Mann, dann so einer, vor dem dir nichts peinlich ist und vor dem du dich nicht verstellen musst. Mit dem es sich einfach so anfühlt wie Heimat.

Bill: Liebe auf den ersten Blick? Natürlich gibt es das. Jungs, ihr kennt das doch auch, oder? Ihr steht mit euren Kumpels an der Theke, auf einmal öffnet sich die Tür, und herein schreitet – ach was! – gleitet – noch besser: schwebt! ein Wesen von überirdischer Schönheit. So als hätte man ein ganzes Filmteam engagiert, nur um diesen Auftritt zu inszenieren. Ein Tontechniker schaltet die Geräuschkulisse in der Kneipe aus, ein Spot geht an und taucht die Göttliche von Kopf bis Fuß in ein schmeichelndes, weiches Licht. Ein Bildmischer verlangsamt die Abspielgeschwindigkeit um fünfzig Prozent. Sie bleibt mitten im Raum stehen, ihr Blick fällt auf dich, während ihr seidiges Haar in Zeitlupe schwingt. Blüten rieseln von oben auf die Szenerie, und ein Streichorchester spielt herzzerreißende Melodien dazu. Die Göttliche reicht dir mit anmutiger Geste ihre Hand, und du schließt sie zärtlich in die Arme. Zwei Herzen schlagen im selben Takt. In diesem Moment fühlen zwei Liebende, dass ihre Suche jetzt endlich zu Ende ist. So funktioniert Liebe auf den ersten Blick. Ja, Freunde, sowas gibt’s wirklich. Ich weiß das. Denn als ich Margie zum ersten Mal erblickte, war das ganz, ganz anders.

Ich war 1982 als Schauspieler am Bonner Theater engagiert. Doch weil mich das amerikanische Improvisationstheater schon immer fasziniert hatte, war ich nebenher dabei, eine neue Theaterform zu finden. Einmal saß ich im Betriebsbüro des Theaters und bastelte mit der damaligen Disponentin einen Aushang für das schwarze Brett: »Bill Mockridge sucht Teilnehmer für ein Impro-Workshop. Bitte im Betriebsbüro melden«. Draußen auf dem Flur blökte plötzlich eine laute, hohe Frauenstimme auf Italienisch. Und schon flog die Tür auf, und es segelte eine junge Frau herein, die jetzt plötzlich breitestes Bönnsch sprach. »Tach Annemarie, isch muss flöck datt Teil hier avgeve. Hier hasse den Wisch.« Sie warf einen Personalbogen auf den Schreibtisch. »Tschööö, un schönen Tach auch! Bin fott.«

Und schon war sie wieder abgerauscht, mit laut knallender Tür. Annemarie guckte mich an und sagte: »Bill, das wäre eventuell jemand für deinen Workshop.«

»Was war das grade?«, fragte ich. Annemarie grinste. »Sie heißt Maria Grazia Kinsky, aber alle hier im Theater nennen sie nur Margie. Sie kommt aus Rom, spricht sechs Sprachen, studiert hier an der Uni und arbeitet bei uns in der Oper als Statistin. Ich glaube, sie ist ein bisschen verrückt, aber genau das suchst du ja, oder?«

Am Wochenende darauf versammelten sich etwa vierzig theaterbegeisterte Menschen auf der Probebühne des Theaters zum Workshop. Ich erklärte ihnen, dass ich auf der Suche nach jungen Talenten sei, um die erste Impro-Theater-Truppe in Deutschland zu gründen. Wir legten mit einfachen Übungen los. Mitten in einer sehr leisen Sensibilitäts-Übung flog die Tür auf (bei Margie fliegen Türen immer auf), und ein Wesen wirbelte durch den Raum: »Ich weiß, ich bin ’ne Idee zu spät, aber draußen geht so ein Wind, das kannste dir gar nicht vorstellen! Das dauert ewig, bis man da mit Rollschuhen vorwärtskommt. Dann hab ich den Scheißaufzug nicht gefunden und musste die Treppe hochlaufen, aber da kamen mir auf halber Höhe ein paar Typen mit ’nem Klavier entgegen, und weil ich nicht an denen vorbeikam, musste ich wieder ganz runter und jetzt wieder ganz hoch. Aber jetzt hab ich’s ja geschafft! Wo ist denn der Typ, der das Casting leitet? Ich hab nämlich nicht viel Zeit!«

Da stand Margie mit wüst zerzausten Haaren, im auf links gedrehten Pullover und die Rollschuhe an zusammengeknoteten Schnürsenkeln um den Hals. Sie schaute mich an, und dieser Blick überraschte mich völlig. Er war überhaupt nicht verrückt, sondern ganz ruhig und auf seltsame Weise ganz vertraut. Als ob ich ihn aus meiner Kindheit kannte und nur jahrelang vergessen hatte. Ich habe aber erstmal auf Regisseur gemacht und sagte: »Der Typ bin ich, und du bist nicht ›eine Idee‹ zu spät, sondern inzwischen (Blick auf die Uhr) fast eine halbe Stunde. Leg die Rollschuhe ab und geh auf die Bühne, ich gebe dir gleich eine Übung.«

Margie sprang zu den anderen auf die Bühne, und wir konnten alle dabei zuschauen, wie sich ihr Gesicht von einem Moment auf den anderen verwandelte. Mal riss sie vor Verwunderung Mund und Augen auf, in der nächsten Sekunde schüttelte sie sich dermaßen vor Ekel, dass ich schon befürchtete, gleich kotzt sie mir die ganze Bühne voll. Sie hielt sich eine Hand auf den Mund, die andere auf ihren Bauch und stand mit wackligen Beinen auf. Inzwischen brüllten wir alle vor Vergnügen, während Margies wunderbares Gummigesicht zwischen Rot, Orange und Purpur changierte. Am Ende der Szene roch sie kurz an ihrer Achselhöhle, rollte mit den Augen und wurde dann ohnmächtig. Wir alle hielten die Bäuche vor Lachen, und mir war klar, dass ein komödiantisches Naturtalent vor mir stand. Ich müsste aber lügen, wenn ich behaupten würde, dass ich mich in diesem Augenblick in Margie verliebt hätte. Ich hatte eher das Gefühl, sie seit Jahren zu kennen – wie eine kleine Schwester, die man einfach längere Zeit nicht gesehen hat. Weder kochte mein Blut vor Begierde, noch spielte irgendein Orchester im Hintergrund. Und falls mal was vom Himmel herunterrieselte, waren das zumindest keine Blüten. Was sich allerdings deutlich regte, war mein Zwerchfell. Ich hatte schon mit vierzehn entdeckt, dass ich Frauen mit Humor besonders mochte. Und Margie hatte mich mit ihrer Spontanität und Gespür für Situationskomik völlig von den Socken gehauen. Ich sah meine Aufgabe also erstmal darin, ihr Talent zu fördern und aufzubauen. Das hat auch am Anfang ganz gut funktioniert.

Casting für die »Springmaus«, 1983. Ich kam zu spät. Musste NICHT warten!

Ein Improvisationstheater, wie ich es mit den sechs jungen Studenten aus dem Workshop gründen wollte, gab es damals in Deutschland noch gar nicht. Meine Idee war, die Themen und Probleme der Zuschauer mit der Improtruppe sofort, spontan und mit Komik auf der Bühne zu zeigen. Das klang theoretisch prima und ganz einfach – in Wirklichkeit saßen wir oft tage- und vor allem nächtelang zusammen und diskutierten. Probten, diskutierten, dann diskutierten wir gleich nochmal. Margie hatte überhaupt keinen Kopf dafür, und das zeigte sie mir mehr als deutlich, indem sie bei den langen Diskussionen regelmäßig einschlief. Immer, wenn ich sie fragte: »Margie, was meinst du?«, hörte ich aus ihrer Ecke nur ein gemütliches »Zzzzzzzzz«. Aber sobald es darum ging, jetzt auf die Bühne zu gehen, etwas Neues auszuprobieren, war sie sofort wach und stand als Erste in den Startlöchern. Margie spielte aus dem Bauch und konnte jede Idee blitzschnell umsetzen. Und dabei blieb sie immer und in jeder Situation hundert Prozent Margie. Sie konnte sich einfach nicht verstellen. Wenn sie auf der Bühne stand, strahlte sie, als hätte sie einen Scheinwerfer verschluckt. Sie war einfach was Besonderes. Die Zuschauer liebten sie, ihre Kollegen liebten sie. Und ich? Ich wahrscheinlich auch, aber vielleicht habe ich es da noch nicht gemerkt. Ganz langsam schlich sich mein Gefühl von kollegialer Bewunderung rüber zu etwas Intimerem. Vielleicht hatte das auch etwas mit einem Film zu tun: »La Strada«. Kennt ihr den noch? Ein wunderbarer Film über die melodramatische Liebe unter Schaustellern – natürlich ohne Happy End, wie es sich für die wirklich großen Filme gehört. Das gab es dafür jenseits der Leinwand. Der Regisseur Federico Fellini hatte sich in die junge Schauspielerin Giulietta Masina verguckt und machte sie mit diesem Film unsterblich. Und während der Dreharbeiten, als er ihr unglaubliches Talent sah, verliebte er sich mehr und mehr in sie. Ich glaube, bei mir war das ähnlich. Aber ich wollte zuerst das, was alle Männer wollen – die Lage im Griff behalten. Deshalb behandelte ich Margie eher wie eine jüngere Schwester. Sie ist ja tatsächlich elf Jahre jünger als ich, und ich fand, die Rolle des wohlwollenden, großen Bruders stand mir ziemlich gut. Auch wenn ich es bisweilen vielleicht ein bisschen übertrieb: Ich gab ihr Ratschläge, wie sie ihr Geld besser einteilen konnte, und lieh ihr Bücher, die sie meiner Meinung nach unbedingt lesen sollte. Ich nahm sie in den Arm, wenn sie unglücklich war, und versuchte dann auch noch, sie mit einem sehr netten und witzigen Kollegen vom Theater zu verkuppeln. Ich fand, die beiden passten gut zusammen. Sie nicht. Und die Sache ging natürlich vollkommen in die Hose.

»Springmaus«!

Ich kam zwar spät. Aber ich habe schon die richtige Position.

Andreas Etienne, Anka Zink, Bill, Helmut Lauerbach, Michael Müller, Sue Schulze, Margie.

Zwischen Margie und mir gab es diesen bestimmten Blick. So einen Partners-in-Crime-Blick wie zwischen zwei Einbrechern, von denen der eine genau weiß, welches Werkzeug er dem anderen als Nächstes reichen soll. Totales Einverständnis, ohne dass man auch nur ein einziges Wort sagen muss.

Zum ersten Mal gab es diesen Blick zwischen Margie und mir bei einer Manöverkritik nach einer »Springmaus«-Vorstellung. Am Nebentisch saß ein junges Paar mit seinem Baby. Ich merkte, dass Margie überhaupt nicht mehr zuhörte, sondern nur noch zu dem Baby rüberschaute. Es war in der Tat sehr niedlich, und die Eltern schienen überglücklich zu sein. Ich sagte dann etwas ungehalten: »Margie, es geht um dich, könntest du bitte zuhören?« Margie entschuldigte sich und schaute mich an, als schaute sie mitten in mich hinein. In diesem Moment herrschte zwischen uns völliges Einverständnis – eine ganz neue, geheime Dimension. Das war unerwartet schön und gleichzeitig so beängstigend, dass ich zuerst mal versuchte, es ganz schnell wieder zu verdrängen. Aber es passierte immer häufiger. Wir gastierten oft in einem Theater, dessen Betreiber einen kleinen Sohn hatten, der Margie heiß und innig liebte. Ständig turnte er hinter Bühne herum, guckte Margie mit riesigen braunen Bambiaugen an und fragte, ob sie mit ihm spielen würde. Margie war hinreißend mit ihm, und weil ich das Kerlchen genauso klasse fand, kam es oft vor, dass wir zu dritt miteinander herumalberten. Fast wie Eltern, dachte ich einmal. Über unsere Kinderwünsche hatten wir bis dahin natürlich nie miteinander geredet. Aber da waren wieder diese Blicke – und die waren eindeutig.

So blieb es, bis wir bis eines Nachts über unsere Zukunft sprachen. Margie spekulierte über ihr Studium, ihre Karriere als Komikerin, und auf einmal fing sie an, von Kindern zu reden. Besser gesagt: von ihrem ersten Kind. Sie war sich sicher, dass das ein Junge werden würde, und sie beschrieb ihn mit einer solchen Hingabe und Genauigkeit bis hin zur Augenfarbe und den Sommersprossen, die er haben würde, bis ich ihn fast leibhaftig vor mir sah. Dann schaute sie mir direkt in die Augen: »… und wenn er da ist, möchte ich, dass du der Patenonkel bist.« Ich antwortete spontan: »Ich wäre lieber der Vater.« Und in diesem Moment wusste ich: So redet ganz sicher kein Bruder mit seiner Schwester. Wenigstens hoffe ich das.

Es war also keine Liebe auf den ersten Blick. Aber das war der erste Blick, der so voller Liebe war.

»Huhu, Odysseus! Warum in die Ferne schweifen? Hier sitze ich doch! Reihe 6, Platz 15!«

Margie: Bill war 1984 für ein Gastspiel in Basel und machte den Schweizern auf der Bühne den Odysseus. Und wir, die ganze Improtruppe, entschieden uns, den Chef mal bei seinem Auswärtsjob zu überraschen. Wir mieteten also einen Bus – ohne Rücksitzbank, das war billiger – und gurkten in der klapprigen Kiste von Bonn nach Basel. Wir hatten Butterbrote und Chianti im Tetrapack dabei, und außer mir quarzten alle wie die Braunkohlewerke. Die Stimmung war bombig auf unserem kleinen Betriebsausflug, und nach ungefähr hundert Stunden, die sich anfühlten, als hätten wir sie auf einem knochigen Kamel mit Hüftschaden abgeritten, kamen wir pünktlich zu Bills Vorstellung im Theater an. Und da irrte er auch schon im weißen Wallawallagewand auf der Bühne herum und suchte seine Frau. Hallo – hier sitzt se doch! Reihe 6, Platz 15! Genau in diesem Moment hat’s nämlich bei mir geschnackelt, ich hockte da im dunklen Zuschauerraum, und mein Herz hämmerte in den müffelnden Plüschsitz.

Als Odysseus’ Irrfahrt zu Ende war, donnerte ein Riesenapplaus auf die Schauspieler runter, wir sprangen alle mit ’ner Rose in der Hand nach vorne und überreichten sie unserem Guru, dem vor Überraschung fast die Augen aus dem Kopp fielen. Danach haben wir uns in der Theaterkantine vor lauter Wiedersehensfreude erstmal schön einen auf die Lampe gegossen und dann mit unserem Odysseus im Gepäck die Heimreise angetreten. Und – was für’n Zufall aber auch! – als Bill und ich in die Klapperkiste gestiegen sind, hatten sich die Kollegen schon auf den vorderen Sitzplätzen breitgemacht. Es blieb für uns also nur noch die Ablage ganz hinten – und da war schon für einen zu wenig Platz! Wir drängelten uns also zusammen auf den paar Quadratzentimetern und klebten aneinander wie diese kitschigen Magnetpüppchen, die ganz automatisch aufeinanderklatschen, wenn man sie nur nah genug zusammenstellt. Und so’ne Fahrt von Basel nach Bonn, die zieht sich. In jeder Kurve und bei jeder scharfen Bremsung kullerten wir übereinander. Eigentlich war es arschkalt, die Kollegen vorne haben gefroren wie nix, aber wir lagen so ineinander verheddert zwischen Sitzbank und Kofferraumklappe, dass wir’s wenigstens schön warm hatten. Und warm ums Herz war mir sowieso. Deshalb hab ich wohl auch zu ihm gesagt: »Wenn ich mal Kinder hab, dann wirst du der Patenonkel.« Und er hat geantwortet: »Ich wär aber viel lieber der Vater!« Ups! In Bonn angekommen haben wir uns dann wieder brav entknotet und professionelle Distanz eingenommen. Die Kollegen haben nix geschnallt. Und ich hab zum ersten Mal gemerkt, wie gut sich der Holzfäller eigentlich anfühlt.

Kurz danach musste unsere Improtruppe ins Kino, Auftrag vom Chef: »Kentucky Fried Movie« gucken und was dabei lernen – Pointenaufbau, Timing, Blabla. Mir ging’s damit wie bei allem anderen in meinem Leben auch: Ich muss das nicht verstehen, ich muss es einfach nur machen. Na ja, ich hab das Pflichtseminar dann geschwänzt, ich wäre ja eh wieder zu spät gekommen. Stattdessen bin ich eben zu Hause geblieben in meinem kleinen Zimmerchen mit Dusche und zwei Herdplatten auf’m Flur. Meine WG war an diesem Abend komplett ausgeflogen, und auf einmal klingelte es an der Tür. Muss ich noch mehr sagen, oder habt ihr genug Phantasie? Ich war dann jedenfalls nicht mehr alleine. Wie gesagt: Wer zu spät kommt, muss nicht warten. Und mein alter Plattenspieler dudelte »It might be you« aus meinem Lieblingsfilm »Tootsie« dazu. Den Plattenspieler gibt’s übrigens immer noch – den haben inzwischen unsere Jungs und sind megastolz.

Den Kollegen haben wir natürlich nix davon erzählt. Sowas kommt immer ganz schlecht, wenn sich die Neue aus der Truppe ausgerechnet den Chef krallt. Ein paar Wochen später bin ich in den Semesterferien nach Rom gefahren – und hab nicht mal gemerkt, dass ich schwanger bin!

Und wie es wirklich war

Margie: Echt? Wir sind uns vorher schon mal begegnet? Echt? Ich hab dich doch bei dem Casting zum ersten Mal gesehen. Da wo ich ein paar Minuten zu spät kam.

Bill: Du hattest schon immer ein Gedächtnis wie ein Mops – und das gleiche Zeitgefühl! Ja, wir haben uns vor dem Casting schon mal gesehen, und nein, du warst nicht nur ein paar Minuten zu spät!

Margie: Und du warst damals schon so pingelig! Übrigens hatte ich nie zerzauste Haare – das nennt man Locken!

Und wo wir schon mal dabei sind – was war das denn für eine chefige Nummer, mich beim Casting sofort auf die Bühne zu jagen? Wolltest du mir einen reinwürgen oder was? Ich finde auch nicht, dass man das hier unbedingt alles erzählen muss!

Bill: Aber wenn wir schon zusammen ein Buch schreiben, dann müssen wir das doch erzählen! Die Leser wollen doch etwas über uns erfahren!

Margie: Aber ich komme dann rüber wie ’ne doofe Nudel!

Bill: Überhaupt nicht! Das bildest du dir ein! Ich hab mir damals bei dem Casting gewünscht, ich wäre so witzig wie du …

Margie: Ich war überhaupt nicht witzig! Ich hab mich einfach nur an meinen stinkenden, überfüllten Schulbus in Rom erinnert, mehr war das nicht.

Bill: Eben! Bei dir geht das alles so einfach …

Margie: Hömma, du machst es dir aber auch immer selber so schwer! Damals immer deine Manöverkritiken, diese endlose Diskutiererei – das war sowas von öde!

Bill: Das sagst du mir jetzt? Dreißig Jahre später?

Margie: Deutlicher, als dabei wegzupennen, geht doch nicht, oder? Wenn die Vorstellung verkackt war, dann machen wir’s morgen eben besser! Lass uns lieber noch’n Bier trinken, statt endlos drüber zu reden …

Bill: Aber man muss doch darüber reden, damit man es am nächsten Tag besser machen kann!

Margie: DU musst drüber reden! Ich nicht. Ich mach’s dann einfach besser.

Bill: Das fällt aber nicht jedem so leicht wie dir …

Margie: Geht das schon wieder los? Müssen wir jetzt schon wieder diskutieren? Ich fand dich damals sowieso klasse! Aber du mich anscheinend nicht so … Du hättest dich übrigens damals in Basel auch ruhig mal’n bisschen mehr freuen können, als wir dich überrascht haben!

Bill: Ich fand dich auch toll, aber in Basel hatte ich einfach nur nackte Angst! Ich dachte zuerst, da kommt eine Horde Aktivisten, so laut habt ihr im Theater herummarodiert. Ich wollte schon in den Orchestergraben springen, bevor ich den ersten Farbbeutel abkriege!

Margie: Und ich dachte noch, jetzt sind wir den ganzen Tag durch die Gegend gegurkt, und jetzt freut der sich nicht mal richtig!

Bill: Ich stand grade auf der Bühne, da konnte ich mich nicht so freuen, das war eine ernste Rolle. Müssen wir sonst noch was klären? Willst du mir noch irgendwas sagen?

Margie: Das sehn wir dann …

Schwanger!

Margie: Ich also ab in eine römische Apotheke, Pinkeltest gemacht und unter dem Namen »Maria Mokri« abgegeben, das klang so schön italienisch. Heute holt man einfach so’n Stäbchen in der Drogerie, keiner kriegt was mit, und nach fünf Minuten weißte Bescheid. Damals musstest du mit einer Pipiprobe (ich hab damals einfach eine leere Filmdose genommen) in die Apotheke, alle gucken dich an und fragen sich: Ist die überhaupt verheiratet? Dann geht das Ding ins Labor, das Ergebnis kriegste frühestens am nächsten Tag. Ich hab also die ganze Nacht gegrübelt, gebibbert und kein Auge zugetan. Am nächsten Morgen fiel mir der Apotheker erstmal freudestrahlend um den Hals: »Auguri, auguri, herzlichen Glückwunsch, das ist ja toll!« Die versammelte Kundschaft in der Apotheke gratulierte mir mit Küsschen und Umarmungen – die haben sich viel mehr über meine Schwangerschaft gefreut als ich. Nu ist ja aus dem Wunschpatenonkel tatsächlich der Vater geworden! Wie soll das denn jetzt alles gehen? Als katholische Neurotikerin bin ich dann erstmal in die Kirche. Jawoll, ich glaub an sowas – da könnt ihr jetzt denken, was ihr wollt! In der Kirche stand ein Stuhl, auf dem eine Heilige gesessen hatte, als ihr die Muttergottes erschienen ist. Und auf diesem Stuhl konnte man kleine Fürbitte-Briefchen ablegen. Das rote Samtpolster war völlig unter den Zetteln vergraben und kaum noch zu sehen, so viele Leute hatten da schon um ein Wunder gebeten. Weil ich ja für jeden Katholikenspaß zu haben bin, hab ich meinen Brief dann auch noch dazugelegt. Kann ja nie schaden, wenn man von oben auch noch ’n bisschen Unterstützung hat. Und als ich am Bahnhof in Bonn ankam – wer stand da am Gleis? Und Bills erste Reaktion war einfach nur: »Wie schön!«

Und da hab ich wieder gemerkt: Ich muss es gar nicht verstehen – einfach nur machen. Und was soll schon schiefgehen, wenn aus zwei so prima Menschen was Neues entsteht?

Na ja, ganz so happy lief’s dann erstmal nicht weiter – die Kollegen waren sauer, fühlten sich ein bisschen verarscht, und wie das mit zwei Gauklern und einem Kind jetzt funktionieren sollte, wussten wir auch nicht. Aber ich hab immer gedacht: Wenn du auf der Seite des Lebens bist, dann biste auf der richtigen Seite – und dann wird schon alles gut. Und ich war mir von Anfang an sicher: Das Kind wird sowieso klasse! Geht ja gar nicht anders. Und da habe ich es zum ersten Mal gespürt: Als Mama bin ich unschlagbar! Und das hat sich geil angefühlt!

Als ich im vierten Monat war, sagte Bill: »Ich ziehe jetzt zu dir!« Also zog mein WG-Kumpel aus und der Holzfäller ein. Wir waren also auf einmal zweieinhalb. Und da habe ich zum ersten Mal kapiert: Egal, wie groß oder klein die gemeinsame Höhle sein mag – sieh zu, dass du als Erste durch die Tür kommst und dir eine schöne Ecke sicherst! Sofort das Handtuch auf die Liege schmeißen und dein kleines Revier abstecken – das wirst du brauchen, wenn’s mal nervig wird. Bill hatte seinen kompletten Krempel in seiner alten Bude gelassen und zog ganz lässig mit nur einer Tasche ein. Unglaublich, mit wie wenig Kram so ein Kerl auskommen kann: Drei Unterhosen, zwei Piratenhemden, die gestreifte Hose, eine Johnny-Cash-Platte und ein zerknitterter Umschlag mit alten Fotos – mehr nicht! Aber mehr Platz für seine Axt und sein Stapelholz hätte der Holzfäller von mir sowieso nicht gekriegt. Alles meins, haha!

Bill: Jungs, gleich kommt meine Version – und die hört sich ganz anders an!

Margie: