Hypersexed and Overporned? - Kurt Möller - E-Book

Hypersexed and Overporned? E-Book

Kurt Möller

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Beschreibung

Sex-Selfies als Social-Media-Trend, frauenfeindliche Rap- und Partysongs zum Mitgrölen, Sexshops in Innenstädten mit Masturbationsgerätschaften in der Auslage, Sexting und DickPics-Versendung per Smartphone, digitale Darstellungen von sexualisierter Gewalt und Missbrauch von Kindern, Cybermobbing und -grooming, Herabwürdigung und sexuelle Ausbeutung per Dating-Apps und Unmengen von kinderleicht zugänglichen Pornoangeboten im Internet … Alles Anzeichen für eine bedenkliche Hypersexualisierung und Pornographisierung unserer Gesellschaft? Insbesondere für eine Überformung des Aufwachsens von Kindern und Jugendlichen mit sexindustriell vorgefertigten Skripts? Oder nicht auch ebenso sehr Anlässe für notwendige Auseinandersetzungen über die Chancen und Grenzen sexuellen Eigensinns, vielleicht sogar in Teilen Impulse für emanzipatorische Sexualität und mehr sexuelle Vielfalt? Dieses Buch sucht Antworten. Im Schwerpunkt nicht aus wissenschaftlicher Außenperspektive, sondern aus der authentischen Innensicht von unmittelbar Beteiligten an derartigen Prozessen: von Leuten, die ihr Brot im Sexgeschäft verdienen, von Personen, die den Pornomarkt als Konsument:innen erleben, von Menschen, die Lust, aber auch Leid dabei erfahren, und von solchen, die mit all dem klarzukommen scheinen und sich zu helfen wissen.

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Seitenzahl: 483

Veröffentlichungsjahr: 2024

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Die Autor:innen

Chrysi Blank, Helena Dadakou, Sina Dankesreiter, Thea-Maria Elwert, Jule Groitzsch, Maike Hämmerle, Anna Horn, Sarah Hoyler, Luisa Ifländer, Leonardo Gabriel Irizarry Ruiz, Sophia Kälberer, Eva Marie Lehmann, Karina Litau, Marina Mock, Kurt Möller, Alina Müns, Alba Quintieri, Nadja Schairer, Lena Scheel, Lotta Schmid, Lilly Schweyer, Kira Stefikos

Originalausgabe

© 2024 Hirnkost KG, Lahnstraße 25, 12055 Berlin;

[email protected]; https://www.hirnkost.de/

Alle Rechte vorbehalten

1. Auflage März 2024

Vertrieb für den Buchhandel:

Runge Verlagsauslieferung; [email protected]

Privatkunden und Mailorder:

https://shop.hirnkost.de/

Umschlaggestaltung: Jenny L. L. Schick

Layout: Conny Agel

ISBN:

PRINT: 978-3-98857-027-7

PDF: 978-3-98857-029-1

EPUB: 978-3-98857-028-4

Dieses Buch gibt es auch als E-Book – bei allen Anbietern und für alle Formate.

Unsere Bücher kann man auch abonnieren: https://shop.hirnkost.de/

Hirnkost versteht sich als engagierter Verlag für engagierte Literatur.Mehr Infos: https://www.hirnkost.de/der-engagierte-verlag/

KURT MÖLLER/PROJEKTGRUPPE SEXWARE 2.0

HYPER$EXEDAND OVERPORN€D?

Erfahrungen zwischen Lust und Leid

Inhalt

Ein Vorspiel …

Zur Einführung: Kurt Möller: „Wie geil ist das denn?“ – Pornographie und (Hyper-)Sexualisierung

Voll Porno – oder was?

„Mir macht’s halt einfach Spaß, Sex zu haben“

„Die Pornoindustrie und der Sex mit einer Partnerin sind zwei Paar Schuhe“

„Ab wann fängst du an, deine Würde zu verlieren?“

„… warum ist der Fokus bei Frauen auf Titten und Arsch?“

„Egal, ob es Alkohol ist, ob es Drogen sind oder Pornos gucken: Kinder machen Sachen, die verboten sind“

„Diese Extreme, dieses Verbotene, diese Tabus, die haben immer mehr zugenommen“

„… es ist nicht real, und wenn ich die Brille abnehme, bin ich wieder in meinem Zimmer drin“

„Damals masturbierte ich regelmäßig auf der Arbeit“

Porno – aber anders!?

„Hey, Pornographie ist vielfältig!“

„Nach 15 Minuten war es gar nicht mehr strange, sich gemeinsam einen Porno anzuschauen“

„Juhu, ich bin auf einer rosa Porn-Wolke, alles ist super trooper!“

„… rip off the condom and just jizz, jizz, jizz […]. Die denken, sie müssen das so machen, weil sie es aus den Pornos kennen“

PORNstitution – fließende Übergänge?

„Pornographie ist die Theorie, Prostitution die Praxis“

„Prostitution ist der Ort, wo das nachgemacht wird, was Pornographie vorführt“

„Ich denke nicht, dass die Seele nicht geblutet hat, wenn eine in diesem Job gearbeitet hat“

„Du wirst nur noch bestellt wie eine Ware“

Kids im Blick – völlig grenzenlos?

„Herr Doktor, ich glaube, ich stehe auf Kinder“

„Der Pädophile ist nicht der mit der Hornbrille und schwarzen Ledertasche, der an einem dunklen Rasthof herumläuft und wartet, bis Klein-Joel in die Hecken zum Pipimachen geht“

„Menschen mit einer Pädophilie werden nicht zwangsläufig zu Täter:innen“

Ein Zwischenspiel … – Sex(A)wareness

Sich helfen (lassen) – Gewinn durch Verzicht?

„Die Sachen dienen einfach nur stumpf der Bedürfnisbefriedigung“

„Da wird die Frau nicht mehr als Person gesehen, sondern als Objekt, das Erlösung ausstrahlt“

„Gott möchte, dass wir in Freiheit leben“

„Man schaut anderen durchs Schlüsselloch beim Sex zu, aber man erlebt selbst rein gar nichts“

Recht auf Sex – für alle?

„Bloß zu sagen: ‚Ich will ficken‘, ist nicht der richtige Anmachspruch“

„Um Gottes Willen, du bist im Rollstuhl und du bezahlst einen Menschen, um Sex zu haben!“

„Warum, zur Hölle, geht jeder davon aus, dass Menschen mit Handicap keinen Sex haben wollen?“

„Mensch mit Behinderung braucht keinen Sex: völliger Blödsinn!“

„Sexualität sollte man auch behinderten Menschen nicht absprechen“

„Auf der einen Seite spielt er mit Lego, auf der anderen Seite onaniert er jeden Abend im Bad“

Business & Entertainment – alles total versext?

„… ein schöner Joint. Ein geiles Tattoo. Geile Frauen und ein sexy Tiger“

„Jeder redet über Frauenrechte und Gleichberechtigung, aber umgesetzt wird es nie“

„Keiner kann mir sagen, dass er noch nie Pornos geschaut hat“

„Man sieht, dass Frauen durch und durch sexualisiert werden“

„Sexualität ist wirklich ein Innovationstreiber“

„Es ist halt ein Kampf gegen Windmühlen“

„… kann sein, du siehst gut aus, aber es bringt dir nichts, wenn du einen schlechten Charakter hast“

„… man will sich natürlich nach außen hin so gut wie möglich verkaufen“

„Ein bisschen mehr Realness im Reality-TV wäre einfach ganz cool“

„Wenn wir unsere Pobacken nicht mehr zeigen, dann können wir potenziell keine Sponsoren anwerben“

Algorithmen – Date or Fake?

„Ich habe jahrelang versucht, die Videos zu löschen. Es ist einfach unmöglich!“

„Länge oder Technik?“

„… dass ich mich so entfalten kann, wie ich möchte, und jeder profitiert davon“

„Ich habe immer versucht, keine zu matchen, die vom Profil schon wirken wie – Ficker“

„… einfach so ein Jungsding“

Nachspiel und Anhang

Ein Nachspiel: Lösungen für das Zwischenspiel Sex(a)wareness

Hilfe-Adressen

TRIGGERWARNUNG!

Die Inhalte des vorliegenden Buches können bei manchen Leser:innen schmerzhafte Erinnerungen und unangenehme Gefühle auslösen. Denn in ihm geht es um Themen wie Prostitution, Pornographie, Pädophilie und Sucht.

Ein Vorspiel …

… ist doch eigentlich unverzichtbar bei gutem Sex, oder? Und auch in diesem Buch gehört es einfach dazu. Denn hier geht’s um Sex und Pornos – und um fast alles, was damit zusammenhängt.

Aber beginnen wir gleich mit ein paar Fragen an Dich! Schon mal einen Porno gesehen, porngames gespielt oder eine Web-Cam ausprobiert und dabei vielleicht nicht ganz unerregt geblieben? Schon mal was von feministischen Pornos oder Pornos mit künstlerischem Anspruch gehört? Schon mal einen Erotik-Adventskalender aus der Werbung gekauft oder eines dieser verruchten Heftchen voller Nackedeis durchgeblättert? Schon mal über Sextoy- und Kondomautomaten auf der Flughafentoilette oder sonst wo gestolpert? Schon mal getindert? Schon mal ungewollt mit sexistischem Zeug konfrontiert worden – im Internet oder anderswo? Schon mal neugierig vor einem Schaufenster mit sexy Wäsche und Dildos gestanden? Schon mal einen Sexshop und eine (Video-)Peep-Show besucht? Gar im Bordell gewesen oder andere „sexuelle Dienstleistungen“ in Anspruch genommen? Wenn Du diese Fragen bejahst, ist dies das richtige Buch für Dich! Wenn Du sie verneinst, allerdings auch! Ja, vielleicht sogar umso mehr!

Denn in dem Buch, das Du gerade in den Händen hältst, geht es ganz offen über Tabuthemen, die mit Sexualität und dem Sexgeschäft zu tun haben. Das Buch ist das Ergebnis eines studentischen Projekts, in dem wir als Studierende der Sozialen Arbeit und der Kindheitspädagogik der Hochschule Esslingen facettenreichen Fragen von unverhohlener Sexualisierung und zunehmender Pornographie auf den Grund gegangen sind. Dazu haben wir u. a. von Pornodarsteller:innen und -produzent:innen, Dating-Show-Teilnehmenden, Jugendlichen beim Betrachten sexistischer Musikvideos, Prostituierten und Sexualbegleiter:innen, Sexshopbetreiber:innen, Pornosüchtigen bis hin zu Mitgliedern von Hilfseinrichtungen und Initiativen spannende Antworten erhalten. Zusätzlich haben wir eine Internet-Umfrage unter Jugendlichen und (jungen) Erwachsenen durchgeführt. Ihre Antworten auf ausgewählte Fragen finden sich zahlenmäßig ausgewertet im Abschnitt „Pornographie und Hypersexualisierung – mal nachgefragt“, frei formulierte Antworten von ihnen im gesamten Buch in Sprechblasen, gekennzeichnet durch das hier links stehende Symbol. Nicht irgendwelche Klugscheißer, die die Dinge von außen betrachten und distanziert analysieren, sondern Betroffene und Beteiligte als echte Expert:innen kommen also hier zu Wort.

Insbesondere Fragen wie die folgenden interessierten uns: Was macht die Omnipräsenz und leichte Verfügbarkeit sexualisierter Bilder und Filme mit uns? Was gerade mit jungen Menschen? Wie wird mit Pornographie umgegangen? Wie ist es, im Pornogeschäft zu arbeiten? Ist das Oben-ohne von Frauen in der Öffentlichkeit eher ein Ausdruck von ausufernder Sexualisierung oder von Gleichberechtigung? Welche Entwicklungen, Neuerungen und Veränderungen haben in den letzten Jahr(zehnt)en stattgefunden – im Sexbusiness, aber auch in unserem Verständnis von Sexualität? Welche Rolle spielt die zunehmende Digitalisierung dabei? Und die Frage aller Fragen: Ist unsere Gesellschaft tatsächlich hypersexed und overporned? Anders formuliert: Sind wir alle mehr oder minder total versext und werden unweigerlich zugepornt?

Ein glasklares Nein oder Ja wird sich dazu in diesem Buch nicht finden. Dies nicht nur deshalb, weil komplizierte Sachverhalte fast nie eindeutig interpretierbar sind; auch weil ein Band wie dieser nicht sämtliche relevanten Aspekte und Perspektiven des Themenfelds hinreichend abzudecken vermag. Denn hier trifft eine intensive Auseinandersetzung mit einem höchst komplexen Thema auf eine begrenzte Seitenzahl.

Umso mehr freuen wir uns über alle, die durch ihre Offenheit und persönlichen Erzählungen als Interviewpartner:innen und Unterstützer:innen zu diesem Projekt beigetragen haben. Ihnen gilt unser herzlicher Dank.

Und jetzt spricht das Buch zu Dir! Hörst du es? Nein, es lockt nicht mit: Voll Porno, Alter! Es verspricht auch keinen geilen Scheiß. Vielmehr ruft es:

Nimm mich!

Kauf mich!

Gönn Dir Deine Leselust!

Verschaff Dir authentische Einblicke in Szenerien, in denen Milliarden umgesetzt werden und die doch Dunkelfelder sind!

Und urteile selbst!

Denn jetzt, nach diesem Vorspiel, geht’s in einigen Hauptakten zur Sache!

Esslingen, im Winter 2023/24

Projektgruppe Sexware 2.0

KURT MÖLLER: ZUR EINFÜHRUNG

„Wie geil ist das denn?“ – Pornographie und (Hyper-)Sexualisierung

Schon mal auf ’ner Pornoseite im Internet gewesen? Nein? Ehrlich nicht? Na gut – wir schon. Gestern noch.

Reinzukommen ist kinderleicht, eines Darknet-Zugangs bedarf es nicht: Man/frau tippt den Namen einer der einschlägigen, kostenfreien xyz.com-Websites in den Browser ein – und schon erscheint die erste Seite, zunächst mal zugedeckt von einem Pop-up-Fenster, auf dem man gefragt wird, ob man mindestens 18 Jahre alt sei. Wird die Frage kurzerhand bejaht, öffnet sich ohne weitere Alterskontrolle eine erste Seite, auf der schon allerhand zu sehen ist, oft schon mehr als man eigentlich sehen möchte. Dies gilt selbst dann, wenn man keine Erlaubnis gegeben hat, Cookies zu setzen: Großaufnahmen von Geschlechtsteilen, Kopulationsszenen und darüber hinaus in jeder Hinsicht freizügigste Bilder, die wohl als Appetithäppchen für – na sagen wir mal – deutlich ausgefallenere Sex-Praktiken gedacht sind. Wird auf eines dieser Pics geklickt, wird ein Film abgespielt, der in Bild und Ton an darstellerischer Drastik daran interessierten usern nichts zu wünschen übriglässt. Zugleich wird einem, scrollt man etwas hinunter, vorgeschlagen, Filme oder Filmsequenzen anzuklicken, die dem Genre entsprechen, dem das laufende Video zugeordnet ist. Sie heißen bspw. „teens“, „slavegirl“, „milf“, „bdsm“ o. ä. Erst wenn man noch weiter scrollt, merkt man: Zig solcher Kategorien gibt es, nahezu alle mit Hunderten oder Tausenden zugeordneter Filmchen. Meist erst dann, wenn die erste Verblüffung darüber, was es da alles so gibt, sich in Irritation, Empörung oder vielleicht auch Schockstarre angesichts explizit demütigender, frauenverachtender, gewaltorientierter, rassistisch anmutender oder sonst wie ethisch bedenklich erscheinender Sujets gewandelt hat, wandert der Blick auf die Randbereiche des Bildschirms. Hier gibt es dann Links zu weiteren Pornoseiten, zu Webcam-Models oder auch zu porngames, werden einem diese nicht schon als Werbeblock schmackhaft zu machen versucht, bevor das angeklickte Video startet. Wozu das Ganze meistens dient, lässt sich erahnen, erfährt jedoch auch ein Newbie in diesem Mediengenre ziemlich schnell und unverhohlen: Es schieben sich zu Werbezwecken Filmstückchen ins Bild, die diverse Sextoys, vor allem aber Masturbationshilfen für Männer vorführen. Man(n) staunt über diese Wunderwerke der Technik, ist aber vielleicht noch mehr mitleidig belustigt über sie – zumindest so lange man(n) glaubt, sich zu denjenigen zählen zu dürfen, die gerne darauf verzichten können. Und wer will, kann auch versuchen, sich am Geschäft zu beteiligen, und auf einen Button klicken, der mit „Pornomodel werden“ o. Ä. beschriftet ist.

Lassen wir es mit der Beschreibung hiermit bewenden, auch wenn sie längst nicht vollständig ist. Wenden wir uns nach diesem ersten Eindruck lieber den Fragen zu, die damit aufkommen – wenigstens einigen von ihnen: Wie viel Pornographie gibt es eigentlich? Wer oder was steckt dahinter? Wer nutzt die Angebote? Was sind die Motive und Nutzungssituationen? Gibt es rechtliche Grenzen? An welche gesellschaftlich verbreiteten Vorstellungen und Angebote von Sexualität und Sexualisierung knüpft Pornographie an? Wie wirkt das alles, insbesondere auf Kinder und Jugendliche sowie deren sexuelle Skripte? Wo führt es zukünftig hin und wie damit umgehen?

Sexindustrie und Pornomarkt

Es ist kaum möglich, einen untrüglich verlässlichen und zugleich aktuellen Überblick über die Angebote und Entwicklungen der Sexindustrie insgesamt und des in diesem Beitrag vorrangig fokussierten Pornomarkts im Speziellen zu bekommen. Dies hängt zunächst mit einem grundsätzlichen Problem zusammen: mit der Unklarheit, was unter Begriffen wie „Sexindustrie“ und „Pornomarkt“ eigentlich genau zu verstehen ist, und noch dahinterliegend mit der Unsicherheit, wo im Spektrum sexueller Darstellungen „Pornographie“ anfängt und wie bzw. ob sich Termini wie „Sex“, „Sexualität“, „Sexualisierung“ und „Hyper-Sexualisierung“ unterscheiden lassen (vgl. dazu die Infokästen).

Hinzu kommen zwei weitere Schwierigkeiten: Einerseits gibt es keine neutralen Stellen, die die Absatzmärkte und Nutzungsgewohnheiten en détail und regelmäßig mit methodisch wünschbarer Zeitreihenqualität in den Blick nehmen. Andererseits zeigt sich das Genre ungeheuer dynamisch, sodass seinen Wandlungen nur sehr unzureichend hinterherzukommen ist und einmal erworbene Erkenntnisse rasch veralten. Insofern ist man auf wenig statistisches Material angewiesen, das zudem noch oftmals von Anbieterfirmen selbst stammt oder von marktwirtschaftlich operierenden Recherche- und Informations-Unternehmen unter die Leute gebracht wird.

SEXUALITÄT, SEX, (HYPER)SEXUALISIERUNG, SEXISMUS

Sexualität kann als eine Lebensenergie verstanden werden, „die sich des Körpers bedient, aus vielfältigen Quellen gespeist wird, ganz unterschiedliche Ausdrucksformen kennt und in verschiedenster Hinsicht sinnvoll ist“ (Sielert 1993: 43). Dieser Sinn umfasst neben dem Fortpflanzungsaspekt mindestens Aspekte körperlichen und psychischen Lustempfindens sowie Identitätsund Beziehungsaspekte (vgl. ebd.). Sexualität kann sich in einer Vielfalt von sexuellen (Selbst-)Verständnissen, Orientierungen und Präferenzen zeigen.

Im alltagssprachlichen deutschen Kontext wird der Begriff „Sex“ – anders als im angelsächsischen Raum, wo er das biologische Geschlecht bezeichnet – demgegenüber meist eher eingeschränkter gebraucht und auf Geschlechtsverkehr bzw. darüber hinaus Handlungen bezogen, die sexuell erregend wirken (sollen). In diesem Sinne hat man/frau „Sex“, bietet ihn an oder kauft ihn. Dementsprechend ist etwa von „geilem Sex“, „Sexshops“, „Sexfilmen“, „Sexpuppen“ oder auch „Sexindustrie“ die Rede und nicht von geiler Sexualität, Sexualitätsshops, Sexualitätsfilmen, Sexualitätspuppen oder Sexualitätsindustrie. „Sexindustrie“ meint dabei offensichtlich eine Form der Ökonomisierung des Sexuellen, die auf Massenproduktion bzw. kaum spezifizierten Angeboten beruht, weitgehend standardisierte Produkte bzw. sexuelle Dienstleistungen offeriert und aufgrund ihrer Genitalfixierung nur sehr eingeschränkt auf individuelle Wünsche eingeht, sodass Identitäts- und Beziehungsaspekte von Sexualität, wenn überhaupt, dann nur sehr marginal beinhaltet sind.

Der „Pornomarkt“ kann als dasjenige Teilsegment der Sexindustrie angesehen werden, das sich auf die Herstellung und den Vertrieb bis ins Einzelne gehender sexueller Beschreibungen und Darstellungen sexueller Handlungen im Sinne der Darbietung sexuell expliziten Materials (s. Infokasten zu rechtlichen und definitorischen Aspekten von Pornographie) konzentriert. Da die Angebote dieser Wirtschaftssphäre vornehmlich darauf ausgerichtet sind, Wünsche nach sexuellem Lusterleben zu befriedigen, gilt es zu untersuchen, inwieweit ihre Kenntnisnahme und Bewerbung, vor allem aber ihre Nutzung auch sexuelle Fantasien und Vorstellungen sowie Ausdrucksformen von menschlicher Sexualität entscheidend mitbestimmen.

Sexualisierung meint die Belegung von Dingen, Sachverhalten, Lebewesen, Aktionsweisen und Personen mit sexuellen Konnotationen, auch besonders dann, wenn diese Objekte bzw. Handlungsweisen per se keine sexuellen Bedeutungen mit sich bringen. Beispielsweise ist in diesem Sinne von sexualisierter (und eben nicht sexueller) Gewalt gegen Frauen und Kinder die Rede, wo das Interesse der sie ausübenden Person durch Machtdemonstration und Lust an gewaltsamem Agieren dominiert wird und nicht oder nur marginal aus sexuellen Motiven herrührt. Sexualisierung kennzeichnet auch häufig Werbestrategien. So werden etwa von ihrem Verwendungskontext her völlig sexualitätsferne Gegenstände wie Autos, Werkzeuge, Fenster oder Pralinen mithilfe von (meist nackter oder kaum bekleideter) Models, Minenspiel, Gesten etc. mit Attraktivitätsassoziationen aufgeladen und zu verkaufen gesucht. Hypersexualisierung stellt sozusagen die Spitze des Eisbergs von Sexualisierung dar. Von ihr wird insbesondere dann gesprochen, wenn Sexualisierung in besonders krasser und zugespitzter Weise erfolgt, allgemein weithin geteilten Wertvorstellungen zuwiderläuft und absehbar Abwertungen, Gefährdungen und konkrete Schädigungen für die zu ihrem Zwecke instrumentalisierten Personen – meist handelt es sich um Frauen und Mädchen – mit sich bringt.

Die Grenzen von (Hyper-)Sexualisierung zu Sexismus als Diskriminierung einer Person oder einer Gruppierung aufgrund ihres wahrgenommenen Geschlechts sind fließend, für manche auch gar nicht existent.

Diese enorme Unsicherheit der Datenlage in Rechnung gestellt gehen kolportierte Schätzungen zurzeit von einem weltweiten jährlichen Umsatz der Sexindustrie als dem verschiedentlich auch Erotikbranche genannten Wirtschaftszweig, der Prostitution, Sextoys, Aphrodisiaka und sexuelle Hygieneprodukte sowie die Pornographie umfasst, in der Größenordnung eines zweistelligen Euro-Milliardenbetrags aus. Speziell der Pornomarkt setzt demnach davon 4–5 Mrd. Dollar um und Internet-Porno-Anbieter erwirtschaften täglich 12,6 Mio. Euro in ihre Kassen (vgl. statista.com; netzsieger.de). Dabei ist zu berücksichtigen, dass diese Zahlen sich nur auf kostenpflichtiges Anschauungsmaterial beziehen. Nachdem in den 1990er-Jahren die ersten Porno-Seiten im world wide web auf den Markt kamen, sind mit dem Aufkommen des web 2.0 seit den 2000er-Jahren mit rapide wachsender Tendenz völlig kostenfreie einschlägige Pics und Videos verfügbar. Diese im Prinzip von jedermann/-frau hochladbaren und gegebenenfalls dann auch in einer Rubrik wie „Amateure“ selbst anzubietenden Produkte registrieren weitaus mehr Zugriffe als die zahlungspflichtigen Offerten, denn 92 % der Seiten sind gratis. Immerhin würde es 169 Jahre dauern, bis man alle Filme mit insgesamt 1,36 Mio. Stunden Dauer geschaut hätte, die allein im Jahr 2019 auf einer der drei Top-Seiten, nämlich Pornhub mit im Jahre 2019 42 Mrd. Aufrufen, hochgeladen wurden.

Angeblich betreffen ca. 25 % der Sucheingaben im Internet Pornographie, sind 8 % des E-Mail-Verkehrs auf der Welt mit pornographischen Elementen aufgeladen und sind 35 % des gesamten Datenverkehrs im Internet pornographisch geprägt, wobei zusätzlich im Darknet 4,5 % der Seiten illegale Pornographie – also Sex mit Tieren, nicht-konsensuelle Gewalt allgemein und/oder speziell sexualisierte Gewalt an Jugendlichen bzw. Kindern – anböten. Pro Sekunde, so hat ein findiger Zeitgenosse errechnet, werden weltweit mehr als 30.000 Clips pornographischen Gehalts angesehen. Bei Internetrecherchen findet man je nach Quelle Angaben über 1,5–5 Mrd. Visits pro Monat für die drei führenden Porno-Portale XVideos, xHamster und Pornhub, wobei die Deutschen immer wieder als „Weltmeister“ beim Konsum von Internet-Pornos ausgewiesen werden, weil sie den Rekordanteil von mehr als 12 % am globalen Porno-Traffic auf sich verbuchen (vgl. ebd.; deutsche-erotikportale.de; tk.de: Porno-Statistik: zehn nackte Tatsache zu Pornografie).

Ein Deutscher, der Programmierer Fabian Thylmann, war es auch, der das größte Porno-Unternehmen gründete und es 2013 für kolportierte 73 Mio. Euro verkaufte: Mindgeek, inzwischen im Besitz eines Österreichers, auf ein Geflecht von ca. 30 Firmen, u. a. Pornhub, angewachsen und mal unter dem bezeichnende Assoziationen hervorrufenden Unternehmensnamen Manwin gestartet.

So befragbar Zahlen wie diese und wie wissenschaftsfern ihre Quellen im Einzelnen sein mögen, in ihrer Gesamtheit lassen sie doch erkennen, dass die Verbreitung (insbesondere digitaler) Pornographie global und speziell auch in Deutschland immense Ausmaße angenommen hat und weiter kräftigen Zuwachs erfährt. Letzteres allein schon deshalb, weil sie sich gerade bei jüngeren Altersgruppierungen normalisiert (s. u.). Deshalb kann Pornographie keinesfalls als Zeitvertreib von Minderheiten oder gesellschaftliches Randphänomen abgetan werden.

PORNOGRAPHIE – RECHTLICHE UND DEFINITORISCHE ASPEKTE

Pornographie ist gesetzlich nicht eindeutig definiert, sondern ein unbestimmter Rechtsbegriff. Vorherrschend ist aber unter juristischen Gesichtspunkten bezugnehmend auf § 184 Abs. 1 StGB die Ansicht, Pornographie sei dann gegeben, wenn eine Darstellung Geschlechtsteile und sexuelle Vorgänge detailliert schildert oder explizit zeigt und dabei in grob aufdringlicher, anreißerischer Weise in den Vordergrund rückt, in ihrer Gesamttendenz ausschließlich oder überwiegend auf sexuelle Stimulation angelegt ist und im Zuge dessen Beziehungsaspekte menschlicher Sexualität weitgehend oder ganz so weit ausklammert, dass die Grenzen allgemeiner gesellschaftlicher Wertvorstellungen deutlich überschritten werden (vgl. auch BGHSt 23, 44; 37, 55; dort ist sogar vom „lüsternen Interesse des Betrachters an sexuellen Dingen“ die Rede). Da Wertvorstellungen – nicht zuletzt vom dem, was als „aufdringlich“, „anreißerisch“ und „lüstern“ betrachtet wird – Wandlungen unterliegen, ist Pornographie immer wieder neu auszulegen und ihre Definition notwendigerweise auch normativ instabil.

Es verwundert deshalb nicht, wenn Alltagsdefinitionen eine große Varianz aufweisen, von der Werthaltungen der definierenden Person abhängen und z. B. oftmals zwischen akzeptablen „Erotika“, „Soft-Pornographie“ und „harter“ Pornographie unterschieden wird. Wissenschaftlich findet eher eine inhaltlich-funktionale Definition Verwendung. Sie bezieht sich dann – wie z. B. Döring (2013: 423) formuliert – auf Darstellungen, „die nackte Körper und sexuelle Aktivitäten sehr deutlich zeigen und vorwiegend zum Zweck der sexuellen Stimulation produziert und rezipiert werden“ – kurzum: auf sexuell explizites Material. Da auch Wissenschaft nicht wertneutral ist, findet sich auch hier, jeweils unter Verweis auf entsprechende Forschungsbefunde und ihre Deutung, ein Spektrum von Sichtweisen, die zwischen zwei Polen angesiedelt sind: zum einen dem Pol, Pornographie als Zeichen moralischen Verfalls und gesellschaftliche Gefahr, insbesondere für Frauen, einzustufen, und zum anderen dem Pol, Pornographie als historisch schon lange gegebene, normale Begleiterscheinung von Gesellschaften zu betrachten, die nicht unbedingt und in allen Aspekten schädlich sein muss.

In jedem Fall wird rechtlich zwischen erlaubter und (auch Erwachsenen) verbotener Pornographie differenziert. Nach § 184 StGB macht sich strafbar, wer illegale Pornographie (pornographische Darstellungen mit Tieren, mit nicht als konsensuell ausgewiesenen Gewalthandlungen, mit Kindern und Jugendlichen) produziert, vertreibt oder – so zumindest bei der pornographisch gewandeten sexualisierten Gewalt gegen Kinder und Jugendliche – besitzt. Ferner ist es nach diesem Paragraphen verboten, jedwedes pornographisches Material Minderjährigen unter 18 Jahren anzubieten, zu überlassen oder zugänglich zu machen – es sei denn, Sorgeberechtigte tun dies aus Gründen, die im Rahmen ihrer Erziehungspflichten liegen.

Die sogenannte Kinder- und Jugendpornographie, genauer: die fotorealistische Darstellung sexualisierten Missbrauchs von Kindern und Jugendlichen, ist in §184b und §184c geregelt. Darüber hinaus ist auch das Inverkehrbringen, der Erwerb und der Besitz von Sexpuppen mit kindlichem Erscheinungsbild unter Strafe gestellt (§ 184l).

Ein etwas genauerer Blick auf die Nutzungsdaten bestätigt diese These.

Pornographie – zentrale Nutzungsaspekte

Während weltweit laut statista.com ca. 1 Milliarde Nutzer:innen von Pornoseiten zu vermuten sind, sehen sich demnach in Deutschland 14 Millionen Menschen regelmäßig pornographische Inhalte im Internet an. Die Häufigkeit, mit der dies geschieht, ist allein daran zu erkennen, dass nach international vergleichenden Messungen des israelischen Unternehmens SimilarWeb in Deutschland ein Achtel aller Seitenaufrufe durch den Wunsch nach Pornographiekonsum motiviert wird.

Halbwegs aktuelle und repräsentative Zahlen zu Nutzungsweisen sind für deutsche Erwachsene zurzeit am ehesten der GeSiD-Studie zu entnehmen (vgl. Matthiesen u. a. 2017; Institut für Sexualforschung 2020), die in der Pilotstudie immerhin 1155 Teilnehmende und in der Hauptstudie fast 5.000 Befragte zwischen 18 und 75 Jahren aufweist. Bei den über Geschlechts-, Oral- und Analverkehr hinausgehenden „ungewöhnlichen Sexpraktiken“ haben nach den Daten der Hauptuntersuchung 48 % bereits „einen Pornofilm gemeinsam angesehen“ (Institut für Sexualforschung 2020: 14). Unter der jüngsten Teilgruppe von Männern (18–25 Jahre) – und diese ist angesichts der Neuigkeit des Phänomens und der Rasanz, mit der es sich verbreitet und Normalisierung erfährt, besonders relevant – geben 90 % an, den ersten Pornofilm ihres Lebens bereits vor Vollendung des 16. Lebensjahres gesehen zu haben (vgl. ebd.: 15); bei den gleichaltrigen Frauen sind es nur 48 %. In der Pilotstudie ergibt sich als Erstkonsumalter der männlichen Befragten noch spezifischer ein Alter von 13,7 Jahren (vgl. Matthiesen u. a. 2017: 30); bei weiblichen Befragten liegt es bei 16,4 Jahren (vgl. ebd.: 31). Deutlich werden in beiden Studien Generationeneffekte; dies dahingehend, dass das Erstkonsumalter sich über die einbezogenen Generationen hinweg deutlich vorverlagert hat, während das Alter des ersten Samenergusses bzw. der ersten Menstruation wie auch des ersten Geschlechtsverkehrs sich kaum verändert hat (vgl. ebd.: 37). Was die Häufigkeit betrifft, haben die Männer in den letzten 12 Monaten mindestens zu 77 % (bei den 61- bis 75-Jährigen) bzw. bis zu 90 % (bei den 31- bis 45-Jährigen) Pornographie konsumiert; die Frauen deutlich weniger häufig (13 % bei den 61- bis 75-Jährigen; 48 % bei den 18- bis 30-Jährigen; ebd.: 42). Besonders intensiv nutzen Pornographie Single-Männer (ebd.: 43).

Ein besonderes Augenmerk liegt auf dem sexualitätsbezogenen Internet-Verhalten von Jugendlichen und Kindern; dies zum einen aus Gründen des Jugendschutzes, zum anderen aber auch, weil mit ihnen neue Generationen heranwachsen, die mit ihren Aktivitäten nicht nur in der Gegenwart die Hauptnutzergruppierungen stellen, sondern auch in der Zukunft dem gesellschaftlichen Umgang mit der digitalen Medienlandschaft samt ihrer Vernetzung ihren Stempel aufdrücken werden. Diesbezüglich an valide Daten zu kommen, ist aus naheliegenden Gründen schwierig. Legale Pornographie ist – wie bekannt – rechtlich erlaubt erst ab 18 Jahren zugänglich, sodass das Nutzungsverhalten von Kindern und Jugendlichen (und erst recht dessen Wirkungen – dazu weiter unten) nur eingeschränkt wissenschaftlich zu untersuchen ist und Forschende sich vor allem auf Selbstauskünfte von Befragten angewiesen sehen.

Schon 2005 kam das Kriminologische Forschungsinstitut Niedersachsen (vgl. Baier 2008) entsprechend verfahrend zu dem Resultat, dass etwa ein Drittel der 15-jährigen Jungen regelmäßig Pornographie anschaut. Ein paar Jahre später stellten altersspezifisch spezifizierend die BRAVO-Studien von 2009 und 2016, die über 1.200 (2009) bzw. über 2.400 (2016, online) junge Menschen zwischen 11 und 17 Jahren befragten und aufgrund ihrer methodischen Anlagen generalisierende Aussagen zulassen, fest, dass ca. 1/3 der 11-Jährigen, über 50 % der 13-Jährigen sowie über 80 % der 17-Jährigen bereits mit „erotischen“ und „(soft)pornographischen“ Bildern und Filmen in Gestalt von Darstellungen von „sexuellen Handlungen wie Geschlechtsverkehr“ Kontakt hatten – dies mit deutlichen geschlechtsspezifischen Unterschieden. Die Hälfte der 15-jährigen Jungen z. B. hat demnach schon sogar „echte Pornos“ gesehen, gleichaltrige Mädchen nur zu einem Drittel.

Eine neuere repräsentative Online-Befragung einer im Durchschnitt etwas älteren Proband:innengruppe von 1048 14- bis 20-Jährigen (vgl. Quandt/Vogelgesang 2018) registriert über die Gesamtgruppe hinweg, dass 46 % bereits sexuell explizite Medieninhalte „mit entblößten Geschlechtsteilen“ konsumiert haben – männliche Befragte allerdings deutlich häufiger, nämlich zu 57 %, weibliche zu 35 % (ebd.: 105). Bei der Hälfte dieser Jugendlichen fand der Erstkontakt gewollt statt, wobei hier männliche Jugendliche überwiegen. Ungewollter Kontakt scheint dabei einerseits auf die leichte Zugänglichkeit durch heimische Computer und eigene Smartphones bzw. die dort geltende algorithmische Steuerung der Angebote zurückzuführen zu sein, andererseits aber auch auf den Umstand, dass gut 40 % der Erst-Expositionen nicht allein stattfinden, also ein gewisser Gruppendruck anzunehmen ist (vgl. ebd.: 109).

Die Häufigkeit des Konsums differiert deutlich geschlechtsspezifisch: Während 31 % der Jungen angeben, täglich oder mehrmals in der Woche Pornos anzuschauen und ein Drittel der Jungen berichtet, Pornos seltener (22 %) als monatlich oder nie (11 %) zu nutzen, sind nur 5 % der Mädchen tägliche (1 %) oder mehrmalige (4 %) Nutzerinnen und geben fast 2/3 (65 %) der weiblichen Befragten an, seltener als einmal im Monat oder nie entsprechendes Material aufzurufen (vgl. ebd.: 105). Die Kontakte verbleiben bei ihnen also eher sporadisch.

Eine aktuelle schweizerische Studie (Külling u. a. 2022) kommt ebenfalls auf der Basis von Selbstauskünften im Rahmen einer größer angelegten Untersuchung über den Medienumgang von 12- bis 19-Jährigen mit 1049 befragten Schülern und Schülerinnen zu folgenden Ergebnissen: 76 % der Jungen und 32 % der Mädchen haben schon einmal Pornofilme auf dem Handy oder dem Computer angeschaut, 45 % (Jungen) bzw. 38 % (Mädchen) schon mal „erotische/aufreizende Fotos/Videos von anderen aufs Handy oder den Computer bekommen“ und 14 % der Mädchen sowie 11 % der Jungen ebensolches Material schon mal verschickt – Material von der eigenen Person zu immerhin 12 % und speziell „Pornofilme“ zu 3 % (Mädchen) bzw. 13 % (Jungen), wobei entsprechende Aktivitäten erwartungsgemäß mit dem Alter zunehmen (vgl. ebd.: 64 f.).

Bei der Interpretation solcher Befunde ist zu berücksichtigen, dass die Nutzungsmotive breit gestreut sein können. Nicola Döring (2019a) unterscheidet diesbezüglich sechs Felder sexualitätsbezogener Aktivitäten im digitalen Raum:

1. Sexualaufklärung, die gerade von Kindern und Jugendlichen nicht nur auf für sie sexualpädagogisch aufbereiteten Seiten, sondern auch vielfach im Feld der Pornographie gesucht wird,

2. Pornographie (vgl. dazu auch die geschilderten Nutzungsmotive der Interviewten in diesem Band),

3. sexuelle Kontaktsuche und Kontaktpflege, innerhalb derer nicht nur die Aufrechterhaltung von Fernbeziehungen, sondern auch etwa Cybergrooming und Sexting (vgl. dazu die Äußerungen und Befunde in diesem Band) eine Rolle spielen,

4. sexuelle Communitys wie z. B. die (teils als Selbsthilfe verstandenen Seiten) von Pädosexuellen oder Fetisch-Szenen (vgl. z. B. das Kapitel „Kids im Blick“ in diesem Band),

5. Angebote von Sexprodukten per Online-Sexshops u. Ä. (vgl. das Kapitel „Business & Entertainment“ in diesem Band) sowie

6. Offerten sexueller Dienstleistungen, die teilweise in Verbindung mit Offline-Sexarbeit stehen (vgl. v. a. das Kapitel „PORNstitution“, aber auch das Kapitel „Recht auf Sex – für alle?“ in diesem Band).

7. ließe sich noch als ein weiteres Aktivitätsfeld die Beschäftigung mit „alternativer“ Pornographie ergänzen (vgl. dazu das Kapitel „Porno – aber anders!?“).

Speziell in Hinsicht auf Pornographienutzung durch Minderjährige sollte bedacht werden, dass von ihnen der Porno nicht nur als Masturbationsvorlage – dies zumeist von Jungen –, sondern auch als Informationsmedium (vgl. z. B. Scharmanski/Hessling 2022), insbesondere über sexuelle Praktiken, betrachtet wird, er Neugier befriedigen und (oftmals gemeinschaftlich inszenierte) Belustigung über grotesk und absonderlich Erscheinendes erzeugen soll sowie nicht zuletzt auch Zwecken der Suche bzw. Vergewisserung sexueller Identität dient (vgl. Döring 2019b).

Zudem finden sich zunehmend ästhetische und verbale Bezüge in der Populärkultur auf Pornographie z. B. durch sogenannten Porno-Rap, in TV-Soaps oder durch Jugendsprache („voll porno, ey!“) und damit Hinweise auf eine Ausweitung des Pornographischen, zumindest aber des Pornographieähnlichen, die manche als Hyper-Sexualisierung (vgl. dazu den Infokasten im Kontext dieses Artikels) begreifen.

Betrachten wir diese Nutzungsdaten und -weisen insgesamt, so gilt weiterhin – inzwischen allerdings deutlich verstärkt und unbestreitbar – das, was bereits vor über einer Dekade, die Erkenntnisse der themenbezogenen Sexualforschung resümierend, konstatiert wurde: „Pornografiekonsum kann seit Einführung des Internet als eine normalisierte Dimension der sexuellen Sozialisation heranwachsender Frauen und Männer betrachtet werden“ (Zillich 2011: 312). Spätestens mit dieser Feststellung stellt sich die Frage, welche Auswirkungen diese Entwicklung hat.

Pornographie – Folgen und Wirkungen

Bekanntlich gehen Einschätzungen zur Pornographie weit auseinander, ist ihre Bewertung stark umstritten und werden ihre Folgen und (Aus-)Wirkungen in einschlägigen Debatten höchst unterschiedlich wahrgenommen und beurteilt. Um hier zu mehr Klarheit zu gelangen, ist danach zu fragen, was man wissenschaftlich dazu insbesondere hinsichtlich der hier besonders interessierenden sexuellen Sozialisation festgestellt hat.

Zunächst ist zu konstatieren, dass es kaum empirisch belastbares Material zu diesem Thema gibt – ein Umstand, der kaum verwundert, wenn die methodischen Begrenzungen bedacht werden, die für Forschung schon allein aufgrund der Altersbeschränkung bestehen, die rechtlich für Pornographiekonsum gelten. Immerhin gehen bestimmte Folgen aus Selfreports hervor. Danach (vgl. Quandt/Vogelgesang 2018) berichten junge Menschen von emotionalen Reaktionen wie „Gleichgültigkeit“ dem Präsentierten gegenüber (bei 23 %), aber auch „Unwohlsein“ (22 %), „Erregung“ (18 %) und „Belustigung“ (14 %), wobei bei einem gewollten Kontakt die Erregung (41 %), bei einem gemeinschaftlichen Kontakt die Belustigung (29 %) im Vordergrund steht, insbesondere Mädchen aber auch von Gefühlen des Abgestoßenseins, der Empörung und des Ekels berichten.

Eine schon ältere Studie von Stulhofer u. a. (2009) mit ca. 600 18- bis 25-jährigen kroatischen Befragten, die über die Betrachtung kurzfristiger Folgen hinausgeht und die Langzeitwirkung jugendlichen Pornokonsums auf Vorstellungen von Intimität, konkretes Sexualverhalten und ihr Skript von guter Sexualität untersuchte, fand keine Unterschiede zwischen jenen Männern und Frauen, die einen hohen, und denen, die einen niedrigen Pornokonsum in der Adoleszenz, d. h. hier im Alter von 14 Jahren, hatten. Werden die Einflüsse auf verspürte Anforderungen hinsichtlich sexueller Einlassungsbereitschaft, Leistungsfähigkeit, Attraktivität und konkreter Praktiken vielleicht überschätzt und sind vielfach gehegte Befürchtungen von damit verbundenen Sexualstandardausweitungen, Versagensängsten und Selbstwertverlusten womöglich übertrieben?

Negative Wirkungen mit auf Pornographienutzung bezogenen kausalen Zurechnungen werden zwar von experimentell verfahrenden und methodisch kritisch zu bewertenden älteren Studien konstatiert, wenn sie etwa gewaltbefürwortende und frauenfeindliche Einstellungen, realitätsferne Sexualitätsvorstellungen, Unzufriedenheit mit der eigenen Körperlichkeit und Sexualität, riskantes Sexualverhalten, sexuelle Funktionsstörungen, Suchtsymptome und progrediente Trends zum Gebrauch illegaler Pornographie damit in Verbindung bringen (vgl. im knappen Überblick Döring 2021 und 2019a); in jüngeren Studien deutet sich aber an, dass solche Folgewirkungen eher bei einer Minderheit der user auftreten und oft auch vorübergehender Natur sind. Jedenfalls scheint die Allgemeinbevölkerung nur zu 3 % gravierende, behandlungsbedürftige Probleme (bei sich) mit der Existenz von Pornographie einhergehen zu sehen und betrachtet diese zu weitaus größeren Teilen als ambivalent (9 %), neutral (59 %) oder positiv (30 %) (vgl. Matthiesen u. a. 2017). Und auch schon Jugendliche scheinen ganz gut zwischen Fiktion und Realität unterscheiden zu können.

Hinzu kommt: Sexualwissenschaftlich ist anzunehmen, dass sexuelle Skripte und Formen des Begehrens sich bereits in Kindheit und Vorpubertät formieren. Die „Lovemaps“ (Money 1986) sind demnach in ihren Grundzügen zumeist bereits vorgezeichnet, bevor es zu ersten expliziten sexuellen Fantasien, zur ersten Masturbation und zum ersten Sex kommt, sodass pornographische Stimuli nur sehr beschränkt das Erregungserleben zu prägen vermögen und schon vorhandene Strukturen sexueller Vorlieben dann auch die Wahl der pornographischen Sujets bestimmen (vgl. Matthiesen/Schmidt o. J.).

Befunde wie diese lassen einige der vorhandenen theoretischen Annahmen über Pornographiewirkungen eher als nicht besonders wahrscheinlich bzw. als pauschalisierend erscheinen: die Hypothese etwa, die Pornographieverbreitung fördernde digitale Technisierung der Sexualität verdränge mit der Zeit unweigerlich sexuelle Zwischenmenschlichkeit bzw. überforme sie verschlechternd, oder die These, Pornographie führe zwangsläufig zu Verrohung, Sexsucht und/oder Objektifizierung von Mädchen und Frauen auf breiter Front. Für die meisten Nutzer:innen scheint dagegen die Wirkung im Kontext weiterer wirkmächtiger Faktoren für das Sexualleben, wie persönliche Dispositionen und Kompetenzen, Partnerschaftsqualität, sexuelle Sozialisation innerhalb der Familie, eher indifferent zu sein und keine oder nur geringe Effektstärken hervorzurufen (vgl. Döring/Mohseni 2018).

Summa summarum erscheint nach heutigem Wissens- und Forschungsstand vorerst am ehesten die These einer Ambivalenz von Wirkungen überzeugend zu sein. Ihr gemäß ist anzunehmen, dass Pornokonsum negative, neutral zu bewertende und positive Effekte haben kann, nicht zuletzt je nachdem mit welchen Motiven, in welchem Kontext und vor welchem biographischen Hintergrund eine Nutzung erfolgt und wie häufig, intensiv und dauerhaft sie sich darstellt.

Pornographie und (Hyper-)Sexualisierung – ein kurzes Fazit

Führt man/frau sich die leichte Zugänglichkeit von Pornographie in der digitalen Welt vor Augen und erkennt, dass diese faktisch – trotz rechtlicher Restriktionen – auch für Kinder und Jugendliche besteht, so ist weder Ignoranz gegenüber dem Phänomen noch Bagatellisierung angebracht. Angesichts der internationalen Dimensionierung des Angebotsmarkts und somit der geringen Wahrscheinlichkeit, in den einzelnen Ländern übereinstimmende juristische Regelungen zu etablieren, ist auch nicht zu erwarten, dass die Verbreitung von Pornographie und ihr Konsum durch Minderjährige mittels legislativer und polizeilicher Maßnahmen zu unterbinden ist. Erst recht gilt die nahezu unmögliche Verhinderung der Konfrontation mit Sexuellem in westlichen Gesellschaften für solche Sexualisierungen, die in ihrer Drastik unterhalb des Levels von Pornographie liegen, auch wenn sie manchen als (beinah) Identisches oder zumindest als Hypersexualisierungen erscheinen mögen. Restriktivere Maßnahmen würden aber nicht nur an den Schwierigkeiten scheitern, international entsprechende rechtliche Vorkehrungen zu schaffen und sexualmoralische Übereinkünfte zu erzielen. Sie werden noch viel profunder durch den Umstand verhindert, dass in der neoliberalen Gesellschaftsordnung, in der wir leben, zunehmend nicht nur verkörperlichtes, sondern auch auf der Basis von sexuellen Erfahrungen gebildetes „sexuelles Kapital“ längst als etwas gesehen wird, was arbeitsmarktrelevante Kompetenzen wie Selbstwert, Selbstbewusstsein und den Eindruck von Selbstwirksamkeit schafft (vgl. Illouz/Kaplan 2021) – wie besonders deutlich die Sexualisierungen „normal“ erscheinen lassenden Karrieren von B-, C- und D-Promis in den TV-Shows der privaten Sender und im Internet zeigen (vgl. dazu auch das Kapitel „Business & Entertainment“ in diesem Band).

Was es also braucht – gerade in den nachwachsenden Generationen –, ist die Fähigkeit, mit entsprechenden Phänomenen umgehen zu können. Pornokompetenz ist das entsprechende Stichwort, das Nicola Döring (2011) schon vor Jahren in die Debatte eingebracht hat. Leider greifen die Schulen die Thematik nur viel zu selten auf – nur 12 % der 18- bis 30-Jährigen berichten von einer schulischen Thematisierung – und auch die außerschulische Sexualpädagogik tut sich noch schwer mit dem Thema (vgl. Matthiesen u. a. 2017: bes. 35).

Gefordert ist aber Pornographiekompetenz als eine gattungsspezifische Version von allgemeiner Medienkompetenz. Sie beinhaltet die Kompetenz, von (Hyper-)Sexualisierung geprägte und pornographische Medienangebote selbst- und sozialkompetent zu bewerten, in diesem Sinne den Umgang damit zu qualifizieren und gegebenenfalls Verfügbarkeit über gestalterische Elemente zu besitzen, die es ermöglichen, bei Bedarf sexuelles Leben auf selbstbestimmte und zugleich sozial verantwortliche Weise in Szene zu setzen. Dazu bedarf es weit mehr als technischen Sachverstand, nämlich vor allem medienkundlicher Kenntnisse, Fähigkeiten zu Kritik, (Meta-)Kommunikation und Selbst-Reflexion.

Literatur

Baier, Dirk: Entwicklung der Jugenddelinquenz und ausgewählter Bedingungsfaktoren seit 1998 in den Städten Hannover, München, Stuttgart und Schwäbisch Gmünd. Forschungsbericht 104. Kriminologisches Forschungsinstitut Niedersachsen, Hannover 2008.

Bauer Media Group: BRAVO Dr. Sommer Studie 2009: Liebe! Körper! Sexualität! Bauer Media, München 2009.

Bauer Media Group: BRAVO Dr. Sommer Studie 2016. Bauer Media, München 2016.

Döring, Nicola: „Pornografie-Kompetenz: Definition und Förderung“, in: Zeitschrift für Sexualforschung 24 (3) 2011: 228–255. Online unter: https://www.nicola-doering.de/wp-content/uploads/2014/08/D%C3%B6ring-2011-Pornografie-Kompetenz.pdf [26.06.2023].

Döring, Nicola: „Medien und Sexualität“, in: Meister, Dorothee/Gross Friederike von/Sander, Uwe (Hrsg.): Enzyklopädie Erziehungswissenschaft Online; EEO/Fachgebiet Medienpädagogik/Abschnitt Aktuelle Diskurse. Beltz Juventa, Weinheim und Basel 2013. Online unter: https://www.nicola-doering.de/wp-content/uploads/2014/08/D%C3%B6ring-2013-Medien-und-Sexualitaet.pdf [26.06.2023].

Döring, Nicola: „Sexuelle Aktivitäten im digitalen Kontext. Aktueller Forschungsstand und Handlungsempfehlungen für die Praxis“, in: Psychotherapeut 64 (5) 2019a: 374–384.

Döring, Nicola: „Jugendsexualität heute“, in: Voß, Heinz-Jürgen/Katzer, Michaela (Hrsg.): Geschlechtliche und sexuelle Selbstbestimmung durch Kunst und Medien. Psychosozial-Verlag, Gießen 2019b: 221–244.

Döring, Nicola: „Sexualität im Internet: destruktiv oder positiv?“, in: Saimeh, Nahlah/Briken, Peer/Müller, Jürgen L. (Hrsg.): Sexualstraftäter. Diagnostik – Begutachtung – Risk Assessment – Therapie. MWV Medizinisch Wissenschaftliche Verlagsgesellschaft, Berlin 2021: 233–260.

Döring, Nicola/Mohseni M. Rohangis: „Are Online Sexual Activities and Sexting Good for Adults’ Sexual Well-Being? Results From a National Online Survey“, in: International Journal of Sexual Health 30 (3) 2018: 250–263. Online unter: https://doi.org/10.1080/19317611.2018.1491921 [26.06.2023].

Institut für Sexualforschung, Sexualmedizin und Forensische Psychiatrie, Universitätsklinikum Hamburg Eppendorf: Gesundheit und Sexualität in Deutschland. Bericht für die Befragten. UKE Hamburg 2020.

Illouz, Eva/Kaplan, Dana: Was ist sexuelles Kapital? Suhrkamp, Berlin 2021.

Külling, Celine/Waller, Gregor/Suter, Lilian/Willemse, Isabel/Bernath, Jael/Skirgaila, Patrica/Streule, Pascal/Süss, Daniel: JAMES – Jugend, Aktivitäten, Medien – Erhebung Schweiz. Zürcher Hochschule für Angewandte Wissenschaften, Zürich 2022.

Matthiesen, Silja/Dekker, Arne/Brunner, Franziska/Klein, Verena, Martyniuk, Urszula/Schmidt, Diana/Wendt, Janine/Briken, Peer: Studie: Liebesleben in Deutschland. Sexuelles Verhalten, Einstellungen und sexuelle Gesundheit in Deutschland. Erste Ergebnisse einer Pilotstudie zur Erwachsenensexualität in Deutschland. BzgA, Kantar Emnid, UKE Hamburg 2017.

Matthiesen, Silja/Schmidt, Gunther: Internetpornographie. Jugendsexualität zwischen Fakten und Fiktionen. O. J. Online unter: https://www.jugendschutz-niedersachsen.de/blog/internetpornographie-jugendsexualitaet/ [26.06.2023].

Money, John: Lovemaps. Clinical Concepts of Sexual/Erotic Health and Pathology, Paraphilia, and Gender Transposition in Childhood, Adolescence, and Maturity. Prometheus Books, New York 1986.

Quandt, Thorsten/Vogelgesang, Jens: „Jugend, Internet und Pornografie – eine repräsentative Befragungsstudie zu individuellen und sozialen Kontexten der Nutzung sexuell expliziter Inhalte im Jugendalter“, in: Rössler, Patrick/Rossmann, Constanze (Hrsg.): Kumulierte Evidenzen. Replikationsstudien in der empirischen Kommunikationsforschung. Springer VS, Wiesbaden 2018: 91–118. Online unter: https://doi.org/10.1007/978-3-658-18859-7_5 [26.06.2023].

Scharmanski, Sara/Hessling, Angelika: Medien der Sexualaufklärung. Jugendsexualität 9. Welle. BZgA-Faktenblatt. Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung, Köln 2022. Online unter: https://doi. org/10.17623/BZgA_SRH:fb_JUS9_Medien [26.06.2023].

Sielert, Uwe: Sexualpädagogik: Konzeption und didaktische Anregungen. 2., korrigierte Auflage. Beltz, Weinheim 1993.

Stulhofer, Aleksandar/Schmidt, Gunther/Landripet, Ivan (2009): „Pornografiekonsum in Pubertät und Adoleszenz. Gibt es Auswirkungen auf sexuelle Skripte, sexuelle Zufriedenheit und Intimität im jungen Erwachsenenalter?“, in: Zeitschrift für Sexualforschung 22 (1) 2009: 13–23. Online unter: doi:10.1055/s-0028-1098836 [26.06.2023].

Zillich, Norbert: „Pornografiekonsum unter Jugendlichen und die Flexibilisierung der Geschlechterrollen“, in: Zeitschrift für Sexualforschung 24 (4) 2011: 312–325. Online unter: doi:10.1055/s-0031-1283843 [26.06.2023].

VOLL PORNO – ODER WAS?

„Mir macht’s halt einfach Spaß, Sex zu haben“

PAULINA SCHUBERT (19), Amateurdarstellerin bei MyDirtyHobby

Wie kam es dazu, dass du dich bei MyDirtyHobby (MDH) angemeldet hast?

Eine Neugier im sexuellen Bereich war schon immer da. Ich war immer sehr aufgeschlossen, hatte aber meine Bedenken. Dachte mir: Nee, ich verkauf mich doch nicht. Irgendwann aber habe ich mit Leuten aus der Branche geredet und dachte mir danach: Warum eigentlich nicht? Ich lade ja schon Bilder auf Instagram hoch, auf denen ich halbnackt bin. Warum nicht damit Geld verdienen? Warum nicht Sex vor der Kamera? So fing das an. Mein erstes Video online war nicht direkt ein hardcore Gangbang, damit musste ich mich erst mal anfreunden. Ich habe mich langsam rangetastet und tue dies immer noch. Ich mache alles in meinem Tempo, was mir den Einstieg erleichtert hat.

Was für eine Rolle spielt es für dich, dass du dich vor der Kamera zeigen kannst?

Ich bin gerne vor der Kamera. Man kann sich so selbst darstellen. Mich reizt auch, sich dabei selbst zuzuschauen. Ich habe gerne einen Spiegel vor mir, wenn ich Sex habe. Das war schon so, bevor ich das mit der Kamera angefangen habe. Deswegen ist das für mich eine der schönsten Sachen der Welt.

Du hast gesagt, dass du mit Leuten aus der Branche gesprochen hast. Hat Geld für dich eine Rolle gespielt, dich da anzumelden?

Geld war nicht der Initialzünder. Meine Motivation im Leben ist viel mehr, ich möchte Geld verdienen mit etwas, was mir viel Spaß macht, was ich auch ohne Geld machen würde: Sex haben. Als ich dann gehört habe, was Durchschnittsverdienste sein können, wenn man dranbleibt und jeden Tag eine gewisse Arbeit reinsteckt, dachte ich mir: schmackhaft.

Ich kenne mich mit den Plattformen nicht gut aus. Wie funktioniert das bei MyDirtyHobby mit dem Anmelden und dem Hochladen? Kannst du mir das erklären?

Auf MDH kann man sich zum einen als user, also Konsument, oder zum anderen als Amateur, also Darsteller anmelden. MDH ist ein Amateurbereich, das heißt, es gibt kein professionelles Kamerateam, kein Skript. Meistens hat einfach Person A mit Person B Sex, vielleicht kommen noch weitere dazu, und ein Mann nimmt es auf. Wenn man dann ein Video hochlädt, gibt es Preise, die man selber festlegen kann, dort wird pro Sekunde abgerechnet. Bei der Webcam zahlt man pro Minute 1,50 Euro im öffentlichen Raum und im privaten 2,50 Euro. Eine Nachricht im Privatchat kostet 1 Euro. Davon kriegt der Darsteller 25 bis 35 Prozent, je nachdem wie lange man dabei ist. Es gibt Leute, die schreiben nur, manche kommen nur in die Cam. Ich saß da manchmal zwei Stunden drin und hab mit denen gequatscht oder gechattet. Andere wollen das volle Programm. Da sind dann am Ende fünf Dessous und siebzig Toys in Gebrauch und viel Flüssigkeiten sind verloren. Auf MDH gibt es eine eigene Community. Das heißt, wenn du komplett neu bist, mögen das die Leute sogar mehr, weil die mal wieder was Neues zu sehen bekommen. Dann kannst du das auf Social Media promoten.

Da sind dann am Ende fünf Dessous und siebzig Toys in Gebrauch und viel Flüssigkeiten sind verloren.

Hast du auch ein paar Kunden, die du kennst und die regelmäßig wiederkommen?

Es ist oft so, dass sich mit der Zeit bei jeder Darstellerin oder bei jedem Darsteller ein paar Stamm-user herauskristallisieren. Ich habe einen sehr einprägsamen Look. Ich habe eine Glatze. Viele finden mich genau deswegen gut oder weil meine Körperstatur und Intimbehaarung deren Fetisch erfüllt. Ich habe mir sagen lassen, dass drei bis fünf Stamm-user die Hälfte des Umsatzes ausmachen. Es gibt natürlich auch einige, mit denen ich vielleicht nur einen oder zwei Tage chatte oder die nutzen nur einmal die Cam. Ich habe einen Stamm-user, der einmal die Woche für zwei, drei Stunden privat mit mir in der Cam ist. Mit dem mache ich andere Sachen als mit jemandem, der neu ist. Und da macht es viel mehr Spaß. In der Cam ist es oft so, dadurch, dass die user dafür bezahlen, erwarten sie einen gewissen Service. Es gibt natürlich auch welche, die kommen rein und sagen: „Schieb dir mal sonst was rein!“ Ich persönlich mache das nicht gerne. Und wenn ich keine Lust in dem Moment habe oder er mir unsympathisch ist, dann sage ich das. Es soll mir Spaß machen. Als ich noch zurückhaltender vor der Kamera war, haben sie gesagt: „Nur so weit, wie du möchtest“, oder sie haben sich Zeit für mich genommen.

Welchen Content lädst du hoch? Was kann man da sehen?

Solo-Videos, wie ich’s mir selbst mache mit verschiedenen Spielsachen. Bei den Sex-Clips kann man sich komplett ausprobieren: outdoor was machen, im Flugzeug, auf dem Klo, in der Flugzeugtoilette. Man kann sich anpissen, sich fesseln, alles, was das Herz begehrt, was man persönlich möchte. Es gibt für alles eine Nische. Es gibt welche, die treffen sich auch mit usern. Habe ich auch schon gemacht, aber nicht regelmäßig, das ist für mich schon was Besonderes. Auf Social Media lade ich auch schon gerne mal ästhetische Bilder oder kurze Videos hoch. Bei den Sexvideos ist es mir am wichtigsten, dass die nicht gestellt, gefaked und geposed sind. Wenn man in dem Moment eine Speckrolle hat oder das Kondom reißt oder der Dildo abfällt, lass ich das gern drauf. So sehe ich am Ende aus, und ich möchte auch online so sein, wie ich bin. Dann ist es für mich leichter, im Internet zu agieren, weil ich nichts spielen muss. Authentizität ist mir immer am wichtigsten. Klar hat man ein paar Kamerawinkel, da sieht es besser aus, da sieht man die Penetration besser, wie meine Managerin immer zu sagen pflegt. Ich drehe lieber ein Video in einem Take, als danach noch fünf Stunden in der Nachbearbeitung zu sitzen und zu denken, das soll jetzt möglichst perfekt aussehen.

Gibt es Videos, die du besonders gerne hochlädst oder drehst?

Ich drehe gerne Outdoor-Sachen, weil es was ist, was man auch nicht persönlich immer macht. Es ist zwar cool, ab und zu mit Leuten was zu machen, die noch komplett unerfahren sind, aber damit ich mehr Spaß als Arbeit habe, mache ich gerne mehr mit Leuten, die Erfahrung haben. Ich habe noch viele Ideen, die ich gerne umsetzen möchte.

Gehst du auf die Leute zu? Oder wirst du angeschrieben?

Wenn man Newcomer ist, spricht sich das herum. Es gibt einige user, die schreiben viele an, mit denen die drehen möchten. Oder wenn man auf Social Media ist, gibt es ein paar Darsteller, die drehen gerne mit neuen Mädels. Da erkennt man direkt am Profil, das ist ein Darsteller, das ist ein Konsument. Mich haben auch schon einige Darsteller angeschrieben, bei denen ich erst mal meine Managerin gefragt habe: „Kann man sich auf den verlassen?“ Dann sagt sie entweder: „Nee, ich hab schon echt viel beschissenes Zeug von ihm gehört, lass mal lieber die Finger weg!“ oder sie sagt: „Der ist cool, ist verlässlich, sieht auch noch gut aus. Ja, da kann man sich mal mit dem treffen.“ Beim ersten Mal habe ich mit ihm geschrieben, habe mich mit ihm getroffen und das hat direkt gepasst. Das war eine sehr coole erste Dreherfahrung.

Gibt es Videos, die du gar nicht drehen würdest, bestimmte Dinge, die für dich gar nicht infrage kommen?

Es gab das ein oder andere Video, wo die Erfahrung cool war, was ich aber nicht unbedingt noch mal machen muss. Ansonsten ist das, was man so im Free Porn sieht, wo die Darstellerinnen übelst ausgepeitscht und bis zu Blutergüssen geschellt werden, auch nicht meins. Aber alles so dazwischen drin. Kotze oder Kot muss nicht sein, ist auch verboten auf MDH. Ich bin auch privat sehr experimentierfreudig. Deswegen macht’s für mich keinen Unterschied, ob ich das jetzt vor der Kamera oder privat mache.

Ich glaube, der Einstieg in die Pornobranche passiert im Kopf.

Wie würdest du für dich den Einstieg beschreiben?

Ich glaube, der Einstieg in die Pornobranche passiert im Kopf. Das passiert nicht dadurch, dass man freizügige Bilder auf Instagram macht. Nicht jedes Mädchen, das so was auf Instagram hochlädt, hat die Intention, damit als Pornodarstellerin dargestellt zu werden. Ich glaube für Mädchen, Frauen oder Jungs, die schon mal mit dem Gedanken spielen, ist dieses Bildermachen eine gute Option, um einfach rauszufinden: Fühle ich mich wohl damit, dass freizügiger Content von mir im Internet existiert, der sich nie wieder löschen lässt? Das ist eine Sache, darüber haben meine beste Freundin und ich uns Gedanken gemacht. Man schlittert da nicht rein, von Insta zur Pornodarstellerin, sondern es ist ein langsames Herantasten.

Wenn ein Typ mit vielen Mädels Sex hat, hat er den Universalschlüssel und das Mädel ist ein billiges Schloss.

Manche sagen ja, dass solche Plattformen und auch Videos, die dort hochgeladen werden, eine falsche Vorstellung von Sexualität vermitteln. Was meinst du?

Die Videos, die auf Plattformen wie Pornhub oder YouPorn gut laufen, sind auf jeden Fall andere als auf MDH. Auf MDH sind es Amateurvideos, die eine realistischere Art von Sex zeigen. Da sieht man Stellungswechsel, man sieht, eine Frau muss nicht geil werden, ein Schwanz muss nicht hart werden, die Frau wird nicht immer übelst vermöbelt oder kommt fünf Mal in einem Video. Mal kommt sie, mal nicht, mal kommt der Typ, mal nicht. Aber ich glaube, für das Verständnis von Sexualität und Pornographie gehört auch ein bisschen gesunder Menschenverstand dazu.

Kannst du dir vorstellen, dass auf Jüngere, auf Mädchen und Jungs unterschiedlicher Druck ausgeübt wird, wenn sie so was sehen?

Auf jeden Fall. Ich glaube, dass es bei Jungs allgemein gesellschaftlich anerkannter ist, sich sexuell mehr auszuprobieren. Wenn ein Typ mit vielen Mädels Sex hat, hat er den Universalschlüssel und das Mädel ist ein billiges Schloss. Wenn man Pornos oder Pornoseiten auf Handys von Jungs findet, ist das nicht schlimm. Es ist Fakt, dass auf Mädels oder Frauen mehr verwerflicher Druck aufgebaut wird, wenn sie ihren Körper verkaufen. „Du bist doch ein Mädchen, du hast so was gar nicht nötig.“ Bei dem Satz krieg ich die Krätze. Ich kann es nicht verstehen, warum bei Mädels anders damit umgegangen wird.

Was würdest du zu Leuten sagen, die dir so was vorwerfen?

Das sind oft Leute, die mich nicht oder nur sehr schlecht kennen. Alle, die mich gut kennen, sagen: „Mach doch!“ Die hinterfragen das zwar, weil natürlich nicht jeder es für selbstverständlich hält, sich vor der Kamera zu präsentieren. Aber nachdem ich denen meine Motivation dahinter erkläre, sagen sie: „Ja, cool.“ Mit den paar Leuten, die sagen, „du hast das doch gar nicht nötig“, lasse ich mich auf kein Gespräch ein. Solchen Leuten muss ich mich gar nicht erklären. Es ist nicht meine Aufgabe, diese Leute moralisch zu überzeugen. Es ist in dem Moment egal, was ich sage, sie haben ihre Meinungen. Und ich bin kein Pädagoge.

Du hast erzählt, dass du private Nachrichten erhältst oder in private Webcam-Sessions gehst. Hast du da schon mal schlechte Erfahrungen gemacht?

Eher nicht, da die wenigsten user Geld dafür bezahlen, um dich blöd anzumachen. Es war aber schon ein paar Mal so, dass die user ein bisschen unfreundlich wurden, als ich gesagt hab: „Ich möchte das gerade nicht machen.“ Es gab aber noch keinen, der beleidigend wurde oder mich angegriffen hat. Viele sind offen und gucken einfach mal rein.

Gab es Erlebnisse, die dich besonders gefreut haben, die du positiv in Erinnerung hast, gerade mit Stamm-usern?

Ja. Ich war vor der Cam mit einem Stamm-user, den ich schon etwas besser kannte, und wir befriedigten uns selbst. Da bin ich schon drei, vier Mal gekommen oder habe ausprobiert, wie das ist, wenn man sich nicht ein Toy reinschiebt, sondern zwei gleichzeitig. Das habe ich davor noch nie gemacht und es war schweinegeil. Es ist allerdings ein bisschen Arbeit, sich zu dehnen, sich darauf vorzubereiten, man muss geil sein, man muss feucht sein. Es ist ja alles live. Ich kann nicht auf Pause drücken, mich zehn Minuten vorbereiten und dann gehe ich wieder rein, sondern er erlebt das alles mit. Rollenspiele habe ich schon ein paar Mal vor der Cam gemacht. Mein Kissen war danach komplett nass. Der negative Part kommt dann mehr auf Social Media. Wenn einem anonym Leute an den Kopf werfen können, „du siehst scheiße aus!“, oder es werden Raubkopien gemacht und online illegal hochgeladen. Damit muss man im Vorhinein rechnen und wissen, es ist so. Da muss man in der Branche ein sehr großes Selbstbewusstsein haben. Menschen, die mich haten und sagen, ich bin hässlich, fett oder maskulin, äußern damit Gedanken, die diese Menschen von sich selbst haben. Und ich bin im Endeffekt eher der Katalysator, wo sie sich denken: An der lass ich das jetzt raus. Je freizügiger man sich präsentiert, desto mehr provoziert das auch die Leute. Aber: Nur weil man sich nackt im Internet zeigt, ist es keine Einladung. Es ist das Gleiche, wie wenn man im Minirock draußen rumläuft. Das ist keine Einladung, mir an den Arsch zu grapschen.

Wenn man im Minirock draußen rumläuft. Das ist keine Einladung, mir an den Arsch zu grapschen.

Du hast vorhin von den Konsumenten erzählt. Wie sehen die bei dir aus? Gibt es da ein bestimmtes Alter?

Der Durchschnittskonsument ist ein Mann mittleren Alters. Ich erkläre mir das so, man braucht dafür ein gewisses Portemonnaie. Deshalb sind es oft Männer ab dreißig. Sie sind verheiratet, Single, haben Kinder, haben keine Kinder. Siebzig Jahre war das Älteste, was ich hatte. Sie sehen durchschnittlich aus. Wie man sich einen 45-jährigen schnuckeligen Vater vorstellt. Es gibt welche, die haben keine Bilder drin, die möchten nicht, dass Bilder von ihnen im Internet existieren. Und es gibt welche, die schicken dir gerne ein Selfie von sich, dass du weißt, mit wem schreibe ich hier gerade. Und es gibt user, die fragen dich: „Darf ich dir ein Bild schicken oder ein Dickpic?“ Denn sie präsentieren sich gerne oder wollen einfach eine Beziehung aufbauen. Ich hatte ein paar Mal den Fall, da schreibt mich ein user an, hat mich gefragt, ob ich nicht mit ihm drehen möchte. Dann habe ich nach einem Foto gefragt. Denn für mich ist beim Drehen immer Sympathie und Anziehung am allerwichtigsten. Wenn ich privat kein Bock auf den hab, dann wird es vor der Kamera noch schlimmer. Da sind aber echt welche dabei, die sehen so dermaßen gut aus oder haben so ein Teil in der Hose, dass ich die Initiative ergreife und sage: „Hast du nicht mal Lust, zu drehen?“

Gibt es welche, die dir mehr von sich erzählen? Oder kommt das eher selten vor?

Es ist unterschiedlich. In der Cam hatte ich es öfter, dass man warm miteinander wird. Da fragt man: „Wo kommst du her? Wie alt bist du? Wie war gerad deine Arbeit? Was machst du beruflich?“ Ein bisschen Smalltalk und daraus ergeben sich meistens Gespräche. Die verraten den Namen, das Alter, den Wohnort, und dann fängt es schon an, dass man gemeinsame Fantasien miteinander teilt. Aber es gibt viele, die möchten nur bewusst zum Konsumieren auf die Plattform und den Rest privat halten, weil sie verheiratet sind oder sich dafür schämen, dass sie so was online konsumieren, was ich auch komplett verständlich finde.

Was glaubst du, warum user dafür bezahlen, mit dir schreiben zu können, obwohl es pornographische Inhalte auch kostenfrei gibt?

Der größte Faktor ist zum einen, dass der Content auf MDH eine andere Art von Porno ist, ein bisschen nahbarer, und weil einfach eine Beziehung dahinter ist. Es gefällt vielen usern, zu wissen: Ich guck mir nicht einfach nur abgestumpft einen Porno an, wo nach Drehbuch abgefickt wird, sondern ich kenn die, ich weiß, was ihr gefällt. Es gibt auch user, die haben mich zu manchen Drehs inspiriert, und dann habe ich diesen Wunsch explizit hochgeladen. Es ist ein großer Unterschied, ob du dir eine Kim Kardashian nackt anschauen willst oder die Sabrina von nebenan. Mit einer Kim Kardashian wirst du niemals schreiben können.

Ich habe herausgehört, dass du sehr zufrieden mit dir und deinem Körper bist. War das schon immer so?

Ich liebe meinen Körper wirklich, und das war schon immer so. Das hat sich mit den Jahren sogar immer mehr verstärkt. Ich sehe meinen Körper als das Zuhause für meinen Geist an. Mein Körper ist für mich ein Mädchen, das mir erlaubt, meinen Leidenschaften nachzugehen. Und dafür bin ich sehr dankbar.

Mein Körper ist für mich ein Mädchen, das mir erlaubt, meinen Leidenschaften nachzugehen.

Dich trifft es auch nicht, wenn du auf Instagram oder anderen Plattformen Hate-Kommentare bekommst?

Absolut gar nicht. Zum einen, weil ich einfach weiß: Ich finde mich selber geil. Ich guck mich im Spiegel an und denke mir so: „Maschalla, geile Olle.“ Zum anderen: Wenn man sich mit der Psychologie des Menschen beschäftigt, weiß man: Menschen, die Hasskommentare schreiben, machen dies oft, weil sie sich selbst hassen. Es hat nie was mit mir zu tun.

Ich guck mich im Spiegel an und denke mir so: „Maschalla, geile Olle.“

Du nutzt Twitter und Instagram. Ist es für dich eine Art Werbung für MDH oder machst du das, um im Austausch mit deinen usern zu stehen?

Social Media ist eine einfache Methode, sich kostenlos zu vermarkten. Wenn man 100.000 aktive Follower auf Twitter oder Instagram hat, ist es leichter, sich auf MDH eine Plattform aufzubauen. Ich war schon gerne auf Instagram, bevor ich auf MDH war. Und es ist für mich eine andere Art, meinen Content zu erstellen. Auf Instagram kann man witzig sein, ein paar dämliche Bilder oder Storys hochladen und hat die Möglichkeit, mehr Einblicke in den Alltag zu erhalten. Allerdings ist Instagram nicht so darstellerfreundlich wie Twitter. Klar, Sex ist geil, aber ich bin gerne kreativ, witzig und dämlich und teile meine Gedanken. Das kann ich auf Instagram, Twitter oder TikTok.

Ich bin nicht deine persönliche Porno-Tante.

Hast du dort dieselben user? Und hast du das Gefühl, user von MDH kommen auf dein Instagram oder andersrum?

Es kommen sehr viele von meinen Social-Media-Plattformen auf mein MDH-Profil. Der Fokus ist auf MDH, aber die user unterstützen mich auch auf anderen Plattformen. Es gibt öfters den Fall, dass nicht jeder user Geld für meinen Content ausgeben will. Die versuchen es dann auf Insta auf dem kostenlosen Weg. Aber das kommuniziere ich sehr offen. Ich kann und möchte nicht jedem user antworten, der mir auf Instagram schreibt, denn ich habe auch noch ein Privatleben. Ein paar sind dann beleidigt und sagen: „Du bist doch nur geldgeil.“ Darauf gehe ich nicht mehr ein.

Gab es denn schon auch negative Reaktionen aus deinem privaten Umfeld?

Einige waren schon überrascht, aber das sind Menschen, mit denen habe ich mein Privatleben nicht geteilt. Die wussten nicht von jeder Fantasie, von jedem Date. Leute, die mich wirklich schon über Jahre hinweg kennen, meine besten Freundinnen, für die war das keine Überraschung. Ein paar Mädels haben neugierig gefragt: „Warum jetzt?“ Aber Jungs, ausnahmslos alle: „Höh, geil!“ Manche Jungs, die mich persönlich intim kennen, sagen: „Schick doch mal was!“, so von wegen for free. Es gibt welche, denen schicke ich das gerne, weil ich mich gut mit denen versteh. Aber beim Großteil sage ich: „Kauf’s dir! Ich bin nicht deine persönliche Porno-Tante.“

Und deine Mutter z. B. – was sagt die zu deiner MDH-Aktivität?

Ehrlich gesagt weiß sie von dem ganzen Kram nichts. Ihr erzähle ich noch nicht alles explizit. Zum einen, weil ich mir denke, die Mutter muss nicht alles wissen. Aber ich möchte sie auf jeden Fall mehr einweihen, dass, wenn sie’s erfährt, soll sie es von mir erfahren und meine Motivation dahinter erkennen und wissen, ich mache das nicht, weil ich es brauche, sondern weil ich es möchte.

Gibt es denn für dich eine Grenze, von der du sagst, ab der möchte ich das nicht mehr machen?

Ich kann jetzt noch nicht sagen, ich mache das nur bis zu einem bestimmten Alter. Ich mache es, solange es mir Spaß macht. Und wer weiß, was sich auf dem Weg ergibt? Es gibt einige, die sind von OnlyFans zur Schauspielerin geworden oder in die Modelkarriere, in die TV-Branche oder in ganz andere Branchen reingerutscht. Ich habe das Ziel für mein Leben, nicht mit vierzig Jahren noch arbeiten zu müssen, sondern ein stabiles Einkommen zu haben und zu sagen, ich mach’s, weil ich’s möchte. Aber jetzt nicht nur auf die Branche bezogen, sondern auf das Arbeiten allgemein. Ich bin noch jung. In fünf Jahren mache ich bestimmt krassere Sachen vor der Kamera als jetzt. In zehn Jahren möchte ich finanziell soweit unabhängig sein, dass ich sagen kann: Ich muss das alles nicht mehr machen. Aber ich habe jetzt keine festen Ziele. Ich bereue nichts, was ich in meinem Leben tue. Ich habe das guten Gewissens beschlossen und weiß: In zehn Jahren werde ich glücklich damit sein.