Hypnosystemisches Case Management in der Sozialen Arbeit - Ralf Kluschatzka-Valera - E-Book

Hypnosystemisches Case Management in der Sozialen Arbeit E-Book

Ralf Kluschatzka-Valera

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Beschreibung

Fachkräfte der Sozialen Arbeit stehen immer wieder vor der Herausforderung, Unterstützungssituationen für Klienten und Klientinnen so zu gestalten, dass sie zielführend und erfolgreich sind. Dazu müssen sie Kompetenzen aktivieren und Lösungen strukturieren, die nachhaltig wirken. Ralf Kluschatzka-Valera führt zu diesem Zweck zwei für sich schon hochwirksame Methoden zusammen: systemisches Case Management und hypnosystemische Beratung. Das Buch stellt die zugrunde liegenden Theorien in einen praxisorientierten Rahmen und liefert einen Leitfaden, der die Beratenden und ihre Klienten und Klientinnen auch durch komplexe Situationen führt. Aus der Kombination von Modellen und praktischen Übungen entsteht ein direkt anwendbares Werkzeug, das die inneren Stärken und Kompetenzen der Klienten und Klientinnen mit den äußeren sozialen und materiellen Ressourcen verknüpfen hilft. Zahlreiche Grafiken und Tabellen illustrieren das Konzept und ermöglichen ein rasches Begreifen und einfaches Anwenden der konkret beschriebenen Abläufe.

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Systemische Soziale Arbeit

»Sozialarbeiterische Minimalethik: Steigere Alternativität!«

Peter Fuchs

Soziale Arbeit, als Einheit von Sozialarbeit und Sozialpädagogik, kann inzwischen als etablierte Profession und als aufstrebende Disziplin der Sozialwissenschaften gelten. Hinsichtlich der Profession lässt sich die Soziale Arbeit als systemische Praxis beschreiben und erklären sowie mit den vielfältigen Handlungsoptionen systemischer Methodik anreichern. In der Wissenschaft der Sozialen Arbeit sind Systemtheorie und Konstruktivismus als Paradigmen anerkannt.

Systemische und systemtheoretische Konzepte entsprechen den komplexen Aufgabenfeldern und Herausforderungen der Sozialen Arbeit in besonderer Weise. Sie erlauben es, einen Blick zu schulen und zu vertiefen, den die Soziale Arbeit seit jeher einzunehmen versucht: einzelne Menschen bei der Bewältigung ihrer alltäglichen Lebensführung nicht mit ihren Problemen zu verwechseln. Vielmehr geht es Sozialarbeiterinnen und Sozialarbeitern in ihrer Unterstützungsarbeit darum, die sozialen Verhältnisse, die systemischen Kontexte einzublenden, die die Verhaltensweisen von Menschen, ihre Eigenschaften und Probleme herausfordern, verfestigen und auch lösen können. Die klassische These, dass der Mensch ein soziales Wesen ist, lässt sich mit der Systemtheorie nicht nur postulieren, sondern wissenschaftlich darstellen und methodisch so nutzen, dass überraschende Potenziale des Denkens und Handelns kreiert werden können.

Die Reihe Systemische Soziale Arbeit verfolgt das Ziel, die Potenziale und Grenzen der systemischen Sozialarbeitspraxis und Sozialarbeitstheorie auszuloten und weiterzuentwickeln. Dabei sollen das gesamte Spektrum der Sozialen Arbeit, ihre Vielschichtigkeit, ihre zahlreichen Arbeitsfelder und Rahmenbedingungen ausgeleuchtet und methodisch fundiert werden. Damit bieten die Bücher der Reihe praktizierenden Sozialarbeiterinnen und Sozialpädagogen sowie Studierenden und Lehrenden Perspektiven an, die den Möglichkeitsraum des Denkens und Handelns nachhaltig erweitern.

Prof. Dr. Heiko Kleve

Ralf Kluschatzka-Valera

Hypnosystemisches Case Management in der Sozialen Arbeit

Unterstützungssituationen gestalten

2023

Mitglieder des wissenschaftlichen Beirats des Carl-Auer Verlags:

Prof. Dr. Rolf Arnold (Kaiserslautern)

Prof. Dr. Dirk Baecker (Witten/Herdecke)

Prof. Dr. Ulrich Clement (Heidelberg)

Prof. Dr. Jörg Fengler (Köln)

Dr. Barbara Heitger (Wien)

Prof. Dr. Johannes Herwig-Lempp (Merseburg)

Prof. Dr. Bruno Hildenbrand (Jena)

Prof. Dr. Karl L. Holtz (Heidelberg)

Prof. Dr. Heiko Kleve (Witten/Herdecke)

Dr. Roswita Königswieser (Wien)

Prof. Dr. Jürgen Kriz (Osnabrück)

Prof. Dr. Friedebert Kröger (Heidelberg)

Tom Levold (Köln)

Dr. Kurt Ludewig (Münster)

Dr. Burkhard Peter (München)

Prof. Dr. Bernhard Pörksen (Tübingen)

Prof. Dr. Kersten Reich (Köln)

Dr. Rüdiger Retzlaff (Heidelberg)

Prof. Dr. Wolf Ritscher (Esslingen)

Dr. Wilhelm Rotthaus (Bergheim bei Köln)

Prof. Dr. Arist von Schlippe (Witten/Herdecke)

Dr. Gunther Schmidt (Heidelberg)

Prof. Dr. Siegfried J. Schmidt (Münster)

Jakob R. Schneider (München)

Prof. Dr. Jochen Schweitzer † (Heidelberg)

Prof. Dr. Fritz B. Simon (Berlin)

Dr. Therese Steiner (Embrach)

Prof. Dr. Dr. Helm Stierlin † (Heidelberg)

Karsten Trebesch (Berlin)

Bernhard Trenkle (Rottweil)

Prof. Dr. Sigrid Tschöpe-Scheffler (Köln)

Prof. Dr. Reinhard Voß (Koblenz)

Dr. Gunthard Weber (Wiesloch)

Prof. Dr. Rudolf Wimmer (Wien)

Prof. Dr. Michael Wirsching (Freiburg)

Prof. Dr. Jan V. Wirth (Meerbusch)

Themenreihe: »Systemische Soziale Arbeit«

hrsg. von Heiko Kleve

Reihengestaltung: Uwe Göbel

Umschlaggestaltung: B. Charlotte Ulrich

Umschlagmotiv: © Richard Fischer · www.richardfischer.org

Redaktion: Veronika Licher, Markus Pohlmann

Satz: Verlagsservice Hegele, Heiligkreuzsteinach

Printed in Germany

Druck und Bindung: CPI books GmbH, Leck

Erste Auflage, 2023

ISBN 978-3-8497-0418-6 (Printausgabe)

ISBN 978-3-8497-8381-5 (ePUB)

© 2023 Carl-Auer-Systeme Verlag

und Verlagsbuchhandlung GmbH, Heidelberg

Alle Rechte vorbehalten

Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek:Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar.

Informationen zu unserem gesamten Programm, unseren Autoren und zum Verlag finden Sie unter: https://www.carl-auer.de/.Dort können Sie auch unseren Newsletter abonnieren.

Carl-Auer Verlag GmbH

Vangerowstraße 14 • 69115 Heidelberg

Tel. +49 6221 6438-0 • Fax +49 6221 6438-22

[email protected]

Inhalt

Vorwort

Zum Aufbau dieses Buches

1 Unterstützungssituationen gestalten

a) Kommunikative Gestaltung

b) Koordinative Gestaltung

c) Kooperative Gestaltung

1.1 Merkmale einer Unterstützungssituation

Personenzentrierung

Zielorientierung

Leistungs- und Wirkungsorientierung

Prozessorientierung

Performanceorientierung

Lebensweltorientierung

Lösungsorientierung

Kompetenzaktivierung

Fokussierung

Ressourcenorientierung

Triangulierung

Komplementärkonzept

Einfachheit

Ebenen des Case Managements

Voll- und Teilimplementierung

1.2 Sechs Phasen des hypnosystemischen Gesprächs

Phase 1: Eröffnen

Phase 2: Erklären

Phase 3: Erörtern

Phase 4: Erwägen

Phase 5: Erfinden

Phase 6: Erforschen

1.3 Case Management als Prozessmodell

Fünf-Phasen-Modell des Case Managements

Intake

Assessment

Planning

Linkage und Monitoring

Evaluation

Gesprächsführung und Case Management

2 Triadischer Raum

2.1 Grundmuster: Indirekte Kundenbeziehung

2.2 Triangulierter Zugang als fachliche Implikation

2.3 Die Rolle als Experte für Unterstützungssituationen

Organisationale Rollenklärung

Persönliche Rollenklärung

2.4 Auftrag

Exkurs: »Beziehungsfallen« in der Auftragsgestaltung

2.5 Die Rolle als Klient

Der Klientenbegriff

Das Klientenfeld: Personen- und Systemzentrierung

Ganzheitliche Wahrnehmung des Klientenfeldes

Exkurs: Die soziomateriellen Dimensionen des Klienten

Exkurs: Drei Ebenen der Fallarbeit

Exkurs: Indirekte und direkte Klienten nach Edgar Schein

Exkurs: Klientenmodell nach Steve de Shazer

2.6 Die Rolle als Kontext

3 Gesicherte Beraterposition

3.1 Definition und Ziel der gesicherten Beraterposition

Flow

3.2 Ich bin o. k. – du bist o. k.!

Exkurs: Nicht-o. k.-Haltung als Dramadynamik

3.3 Präsenz

3.4 Exkurs: Hilfreiche Glaubenssätze bekannter Autoren – ein Auszug

4 Beratung zweiter Ordnung

4.1 Die Idee der Ordnung in Konstruktivismus und Kybernetik

4.2 Innen und Außen in der hypnosystemischen Gesprächsführung

4.3 Methodische Bausteine der Beratung zweiter Ordnung

4.4 Exkurs: Der Fall als Projekt

5 Utilisation

5.1 Kennzeichen der Utilisation

5.2 Umsetzungsmöglichkeiten der Utilisation

6 Umgang mit »Widerstand«

6.1 Dilemma-Talk

6.2 Lösungskreislauf

6.3 Restriktionsmodell

7 Werkzeuge und Instrumente zum Gestalten von Unterstützungssituationen

7.1 Probleme erheben

7.2 Problemebenen differenzieren

7.3 Probleme ordnen

7.4 Probleme erforschen

7.5 PPEL-Modell

7.6 Auflistung klientenbezogener Informationen

7.7 Ressourcen aktivieren

7.8 Systematisch (und systemisch) fragen

7.9 Abschließende Worte

Glossar

Verzeichnis der Abbildungen

Verzeichnis der Tabellen

Literatur

Über den Autor

Dieses Buch widme ich Alois Huber.Er ist für mich die lebendige Verkörperung der Sozialen Arbeit.Meine Frau Quesi nennt Alois liebevoll »meinen Sensei«.Und ich denke, er wird dieser Rolle mehr als gerecht.

Vorwort

»Eine Beschreibung der Wahrheit kann uns nicht helfen.

Sie muss gelebt und erfahren werden.

Darum verlor ich jedes Interesse an Büchern, die von Menschengeschrieben wurden, die die Wahrheit nicht selbst lebten,sondern nur Theorien auf verstandesmäßige Begriffe aufgebaut haben.

Sie sind nutzlos für mich und leblos. Wahrheit ist Leben.«

Mouni Sadhu

Dies ist ein kompaktes Praxisbuch. Es führt umfassend in das hypnosystemische Case Management ein. Im Vordergrund steht die direkte Anwendbarkeit der vermittelten Inhalte. Ich habe das Buch mit dem Ziel verfasst, dass Fach- und Führungskräfte der Sozialen Arbeit das Wissen möglichst einfach in die eigene Praxis transferieren können.

Die Methode »Unterstützungssituationen gestalten« bietet hierfür konkrete Prozessschritte und Modelle an, um das eigene Angebot professionell und zielführend zu gestalten. Das Buch lädt Lesende dazu ein, als »Experten1für Unterstützungssituationen« tätig zu werden.

Das Buch entstand mit der Erfahrung einer 7-jährigen Praxis- und Lehrtätigkeit zu Themen wie Case Management, lösungsorientiert-systemischer Sozialer Arbeit, biopsychosoziokulturelle Fallanalyse und Umgang mit Widerstand sowie aus meiner supervisorischen Praxiserfahrung. Das Buch enthält alle Ideen und Impulse, die sich in diesem Zeitraum als nutzbringend erwiesen haben.

Im systemisch-konstruktivistischen Sinne sei darauf hingewiesen, dass dieses Buch ein möglicher Zugang ist. Es ist eine kompakte Sammlung von Prozessschritten und Modellen, die sich bewährt haben. Es kann aber niemals der eine und einzig wahre Zugang sein. Insofern versteht es sich als ergänzend und integrativ: Es begleitet und ergänzt bereits etablierte Ansätze der Sozialen Arbeit.

Das Buch richtet sich primär an praktizierende Fach- und Führungskräfte der Sozialen Arbeit, also Sozialarbeiter, Sozialpädagogen und weitere Berufsgruppen, die im Dienstleistungsbereich der Sozialen Arbeit tätig sind. Sie sind die Experten, die gelingende Unterstützungssituationen gestalten können.

Als zentrale Prämisse bietet dieses Buch dafür den Fach- und Führungskräften der Sozialen Arbeit die Rolle als »Experten für Unterstützungssituationen« an. In dieser Rolle werden Kompetenzen aktiviert, Lösungen ermöglicht, und Unterstützung wird gestaltet. Es ist dies eine postmoderne Antwort auf die heutigen Herausforderungen in der Sozialen Arbeit.

Oftmals erhalten Klienten diverse professionelle Hilfsangebote, seien diese medizinischer, therapeutischer oder sozialarbeiterischer Natur. Die Soziale Arbeit, so lautet eine der Kernthesen dieses Buches, kann eine besondere Rolle innerhalb der helfenden Landschaft einnehmen. Sie eignet sich speziell dazu, Hilfe- und Unterstützungsprozesse zu organisieren und zu koordinieren, und ist als angepasste und stimmige Unterstützungssituation besonders wirkungsvoll.

Darüber hinaus richtet sich das Buch an Theoretiker der Sozialen Arbeit, die es als Ergänzung des bisherigen Kanons der sozialwissenschaftlichen Literatur betrachten und Inhalte an Studierende der Sozialen Arbeit oder andere Interessierte vermitteln.

Zum Aufbau dieses Buches

Kapitel 1 beschäftigt sich mit der Methode »Unterstützungssituationen gestalten« – die hypnosystemische Anwendungsform des Case Management. Es definiert diese Methode und erklärt ihre Begriffe und Merkmale.

Kapitel 2 stellt den triadischen Raum als grundlegendes Konzept für ein hypnosystemisch orientiertes Case Management vor. Hier werden die Rolle von Fach- und Führungskräften der Sozialen Arbeit, deren Auftrag sowie die Rolle der Klienten im Hilfeprozess geklärt.

Kapitel 3 vertieft das Modell der gesicherten Beraterposition als Grundlage einer gelingenden professionellen Arbeit. Es beschreibt, wie Fach- und Führungskräfte der Sozialen Arbeit sich in eine sichere und geschützte Position begeben und sohin die Ergebnisse der Flow-Forschung für die eigene professionelle Tätigkeit nutzen können.

Kapitel 4 erklärt Gesprächsführung hypnosystemisch als Beratung zweiter Ordnung. Mithilfe der Beratung zweiter Ordnung lassen sich Settings und Aufträge zieldienlich und funktional gestalten, sodass hilfreiche Gespräche und Unterstützungssituationen entstehen können.

Kapitel 5 beschreibt die Utilisation, das Nutzbarmachen von Interaktionen, Situationen und Phänomenen für den Hilfeprozess. Utilisation vertieft die Möglichkeiten der hypnosystemischen, lösungsorientierten Unterstützung, sodass Klienten ihre Kompetenzen aktivieren und Potenziale entfalten können.

Kapitel 6 befasst sich mit dem Widerstand, einem in der Praxis häufig anzutreffenden Phänomen. Darin werden konkrete Modelle wie der Dilemma-Talk und das Restriktionsmodell vorgestellt.

Kapitel 7 präsentiert einen methodischen Werkzeugkoffer, mit dessen Hilfe eine Unterstützungssituation gestaltet werden kann.

Im Anhang stellt ein Glossar die wesentlichen verwendeten Fachbegriffe prägnant und übersichtlich dar, und eine ausführliche Literaturliste rundet dieses Buch ab.

Viel Freude beim Lesen!

Ralf Kluschatzka-Valera Krems, im Januar 2023

1 Die hier verwendete männliche grammatische Form (generisches Maskulinum) schließt alle Geschlechter ein. Im systemischen Feld besteht eine hohe Sensibilität im Hinblick auf die Berücksichtigung und Gleichstellung der Geschlechter. Aufzählungen wie »Experte und Expertin« oder typografische Lösungen wie »ExpertIn« führen leicht zu Unübersichtlichkeit, manchmal auch zu Grammatikproblemen. Im Sinne der Lesbarkeit wird daher in diesem Buch von »Experte«, »Berater« oder »Sozialarbeiter« gesprochen.

1 Unterstützungssituationen gestalten

»Unser Weg ist ein anderer, aber kein besserer.«

Neil Donald Walsh

Das hypnosystemische Case Management ist eine Methode, die das Innen eines Klienten mit dessen Außen verbindet: Für den Innenbereich steht der Begriff »hypno« und meint das intrapsychische Potenzial und die Kompetenzen. Der Außenbereich wird mit »systemisch« beschrieben und zielt auf die soziomateriellen Ressourcen ab, also z. B. auf private und professionelle Unterstützer sowie Sach- und Geldleistungen. Die beiden Begriffe – Unterstützungssituation und hypnosystemisches Case Management – sind beliebig austauschbar.

Das hypnosystemisches Case Management vollzieht sich in drei wesentlichen Aspekten: a) im kommunikativen, b) im koordinativen und c) im kooperativen Aspekt. Dieser Dreiklang aus Kommunikation, Koordination und Kooperation stellt das Grundmuster der Methode dar und gestaltet alles Weitere:

a) Kommunikative Gestaltung

Der Aufbau und Ablauf der Gesprächsführung sind direkt: Die helfende Kommunikation zielt auf das Etablieren der Unterstützungssituation ab. Sie stellt stets Anlass, Thema und Ziel dar. Dies unterscheidet das Vorgehen bei der Gesprächsführung von dem bei anderen Methoden, z. B. der Einzelfallhilfe (»case work«), der indirekten Gesprächsführung nach Rogers (2002) oder etwa der Psychotherapie.

Zentrale Technik ist das Fokussieren (Schmidt 2017a, S. 159 ff.), also die zielgerichtete Steuerung der Kommunikation auf die Unterstützungssituation. Ein kurzes Beispiel illustriert dies:

»Wir sind heute zusammengekommen, um für Sie eine sinnvolle Hilfe zu besprechen [Anlass]. Ich möchte Sie dahingehend beraten, dass wir für Sie eine Situation schaffen, die sie als unterstützend erleben [Thema]. Absicht ist, dass diese unterstützende Situation für Sie hilfreich in Bezug auf Ihre Ziele ist [Ziel].

Es ist wichtig, dass unsre Zusammenarbeit auch für Sie sinnvoll ist [Anlass]. Ich möchte daher von jetzt ab über die Unterstützungssituation sprechen und Ihnen erklären, was ich darunter verstehe [Thema].

Eine Unterstützungssituation entsteht, wenn Ihre inneren Kräfte – also Ihre Gaben, Talente und Fähigkeiten – mit äußeren Ressourcen zusammenspielen. Diese äußeren Ressourcen können Unterstützer aus Ihrem Umfeld sein, ebenso auch andere Berater. Auch Geldleistungen oder anderes kann darunterfallen [Ziel].

Ich möchte nun sehr gerne von Ihnen hören, was Sie als hilfreich bzw. sinnvoll verstehen.«

Das Wort Unterstützungssituation dient als Metapher, um das Ziel der gemeinsamen Arbeit zu versinnbildlichen. Es dient als Blackbox-Begriff2: Methodisch wird darauf abgezielt, das Innen und Außen eines Menschen zusammenzuführen. Wie dies geschehen mag, kann sich von Mensch zu Mensch situativ unterscheiden.

Die unterstützende Kommunikation orientiert sich am Potenzial und Willen des Klienten. Klienten werden eingeladen und motiviert, daran mitzuwirken. Die hypnosystemische Gesprächsführung dient als Basis für den Aufbau und Ablauf der unterstützenden Kommunikation (Kap. 4–7).

Die kommunikative Kernthese lautet: »Hilfe ist nicht grundsätzlich sinnvoll, sondern muss sinnvoll gestaltet werden.« Dafür braucht es eine unterstützende Kommunikation, die direkt und unter Wahrung des Willens und des Potenzials des Klienten gestaltet wird.

b) Koordinative Gestaltung

Wie der Begriff »Situation« verdeutlicht, ist der Klient nicht allein Thema. Im Fokus stehen auch die soziomateriellen Ressourcen, die zum Gelingen einen Beitrag leisten. Dabei kann es sich beispielsweise um Angehörige oder Fachkräfte aus der sozialen Landschaft handeln. Finanzen, soziale Sicherungssysteme oder Wohnraum können ebenfalls zum Thema der gemeinsamen Arbeit werden. Die Kompetenzen und Beiträge der Klienten spielen hierfür eine große Rolle.

Das hypnosystemische Case Management ist tendenziell themenoffen: Es bietet Unterstützung für die Bedürfnisse (Innen) und den Bedarf (Außen) des Klienten an.

Die kooperative Kernthese zur Unterstützungssituation lautet: »Es ist sinnvoll, die helfenden Kräfte zu koordinieren.« Dies ist eine wesentliche Aufgabe des »Experten für Unterstützungssituationen«. Entsprechend wird dies im Aufbau und Ablauf der unterstützenden Kommunikation sowohl mit dem Klienten als auch mit den Unterstützern berücksichtigt.

Experten für Unterstützungssituationen können sowohl bereits vorhandene als auch potenzielle Kompetenzen sowie Ressourcen von Klienten erheben und diese sinnvoll miteinander verbinden. Sie sind zudem die Drehscheibe für Informationen und haben den Überblick über den gesamten Prozess. Das macht sie zu den zentralen Ansprechpartnern im Geschehen.

c) Kooperative Gestaltung

Das Ziel der Unterstützungssituation ist nicht nur, dass der Klient kooperiert, sondern dass auch die Unterstützer zusammenspielen. Dies erfordert Kompetenzen der Experten für Unterstützungssituationen, etwa im Bereich der Aufklärung und Beratung, der Moderation, des Aus- und Verhandelns und der Motivation.

Es gibt im Case Management zwei Möglichkeiten, wie Kooperation hergestellt werden kann: hierarchisch über das Gesetz oder intermediär über die unterstützende Kommunikation (Ehlers, Müller u. Schuster 2017; Löcherbach et al. 2018; Pantucek 1998; Wendt 2012 u. 2017):

Behörden können im Sinne des Wohles der Klienten Maßnahmen gesetzlich anordnen, etwa in Handlungsfeldern wie der Bewährungs- bzw. Strafgefangenenhilfe, der Kinder- und Jugendhilfe, oder gemäß dem Motto »Therapie statt Strafe«. Darunter versteht man ein

hierarchisches

Case Management. Gesetzliche Regelungen steuern das Fallgeschehen (mit).

Intermediär

bedeutet hingegen, dass der Experte für Unterstützungssituationen mit allen Beteiligten auf Augenhöhe kooperiert. Er bekommt das Mandat von diesen zugesprochen oder bemüht sich selbst darum, ein solches Mandat zu erhalten. Die Basis des Mandats ist ein »psychologischer Vertrag«, der zwischen den Beteiligten geschlossen wird (Schein 2010).

Aufgrund von gemeinsamen Bedürfnissen und Interessen ist die Zusammenarbeit für alle Beteiligten sinnvoll. Dadurch ergibt sich auch ein Nutzen für die Unterstützer, eine Win-win-Situation entsteht.

Die kooperative Kernhypothese lautet: »Freiwillige Zusammenarbeit ist erstrebenswert. Alle können von dem Gelingen einer Unterstützungssituation profitieren.«

Zusammenfassend kann festgehalten werden: Das hypnosystemisches Case Management ist gleichbedeutend damit, eine Unterstützungssituation zu gestalten. Das Besondere der Unterstützungssituation ist, dass sowohl die inneren Kompetenzen als auch die äußeren Ressourcen des Klienten in die gemeinsame Zusammenarbeit einfließen: Bedürfnis und Bedarf werden als gleichwertig erachtet. Ein Klient ist sohin immer ein inneres (»hypno«) und äußeres Wesen (»systemisch«); das sind die zwei Seiten derselben Münze (vgl. Wilber 1996, S. 110 ff.).

Die Unterstützungssituation fokussiert auf eine kompetenzaktivierende und zieldienliche Gesprächsführung im Zuge des Case Managements. Der Dreiklang aus Kommunikation, Koordination und Kooperation stellt das Grundmuster der Methode dar. Kommunikation führt zu Koordination und dies zu Kooperation und so weiter. Dadurch ergibt sich ein unterstützender Flow im Innen und im Außen.

1.1 Merkmale einer Unterstützungssituation

Das hypnosystemische Case Management weist bestimmte Merkmale auf, die es charakterisieren und strukturieren:

Personenzentrierung

Zielorientierung

Leistungs- und Wirkungsorientierung

Prozessorientierung

Performanceorientierung

Lebensweltorientierung

Lösungsorientierung

Kompetenzaktivierung

Fokussierung

Ressourcenorientierung

Triangulierung

Komplementärkonzept

Einfachheit

Ebenen des Case Managements

Voll- und Teilimplementierung.

Diese Merkmale werden in der Folge definiert bzw. erklärt:

Personenzentrierung

Eine Unterstützungssituation dreht sich um einen konkreten Menschen in der Rolle als Klient. Es ist für dieses Konzept unerheblich, ob die Rolle mit »Klient«, mit »Teilnehmer« oder mit »Kunde« benannt wird.

Das hypnosystemische Case Management ist immer personenzentriert und nimmt den Klienten in dessen Individualität und Einzigartigkeit wahr. Die Unterstützungssituation dient dieser Ankerperson.

Der Begriff Personenzentrierung wird in diesem Buch gleichbedeutend mit dem Begriff Klientenzentrierung verwendet.

Zielorientierung

Das Ziel der gemeinsamen Arbeit ist das erfolgreiche Gestalten der Unterstützungssituation. Die Kriterien für den Erfolg werden hierbei in Absprache mit dem Klienten definiert, es sei denn, das fachliche Konzept gibt die Ziele vor (etwa im Zuge einer Pflichtklientschaft).

Das Ziel und die Meilensteine dorthin werden gemeinsam festgehalten, sodass später eine Überprüfung stattfinden kann.

»Zieldienlichkeit« ist eine zentrale Prämisse des hypnosystemischen Integrationsmodells (Schmidt 2017a). Entsprechend werden alle Maßnahmen und jede Interaktion geprüft, ob sie zieldienlich sind.

Leistungs- und Wirkungsorientierung

Im Sozialmanagement unterscheidet man den Output als Leistung vom Outcome als Wirkung (Schubert 2005):

Der

Output

ist ein

quantitativ

messbares Ergebnis. Als Beispiel kann ein Fließband dienen, mit dessen Hilfe Schuhe produziert werden. Der Output gibt an, wie viele Schuhe pro Tag produziert werden.

In der Sozialen Arbeit kann der Output anhand der sozialen Sicherungssysteme festgestellt werden: Welche materielle Unterstützung wird dem Klienten in welcher Höhe ermöglicht?

Das

Outcome

misst im Dienstleistungsbereich den

qualitativen

Aspekt. Nehmen wir als Beispiel ein Reisebüro: Hier ist es nicht nur sinnvoll zu messen, wie viele Urlaube ein Verkäufer an den Kunden bringt. Wichtig ist auch, dass die Urlaube den Bedürfnissen des Kunden entsprechen, sodass dieser für seinen nächsten Urlaub als Kunde erhalten bleibt.

In der Sozialen Arbeit wird das Outcome an der Wirkung der Unterstützungssituation gemessen. Wirkungen lassen sich in der Potenzialentfaltung, der Kompetenzaktivierung und der Steigerung von Handlungsfähigkeit und Lebensqualität des Klienten messen.

Beides, Leistungs- und Wirkungsorientierung, sind zentrale Prämissen der Methode. Die Leistungsorientierung kann anhand soziomaterieller Kriterien gemessen werden. Die Wirkungsorientierung zeigt sich unter anderem in der Aktivierung innerer Kompetenzen und der persönlichen Zielerreichung.

Prozessorientierung

Das Case Management bietet standardisierte Prozessschritte an, um Gespräche sinnvoll zu strukturieren. Gemeint ist der vertikale Aufbau und Ablauf mehrerer Gespräche zu einem sinnvollen Prozess.

Der horizontale Aufbau und Ablauf betreffen das einzelne Gespräch als kompetenzaktivierende und zieldienliche Beratung, Begleitung und Betreuung.

Performanceorientierung

Eine Unterstützungssituation ist kein striktes normatives Modell, das im Sinne eines Reinheitsgebots eine bestimmte Methode verordnet. Das hypnosystemische Case Management ist vielmehr performativ, leitet also Experten für Unterstützungssituationen an, die in diesem Buch angebotenen Prozessschritte und Modelle an die jeweilige eigene Arbeitsstelle anzupassen.

Insbesondere der triadische Raum ist für dieses performative Herunterbrechen auf die eigene Arbeitssituation gedacht (Kap. 2).

Lebensweltorientierung

Jeder Mensch bringt seine eigene subjektive (»hypno«) und objektive Lebenswelt (»systemisch«) in die Unterstützungssituation ein (Thiersch 2014). Seine innere und äußere Welt sind einzigartig. Dies wird in der Zusammenarbeit berücksichtigt. Auszugsweise dargestellt, kann die Lebenswelt eines Menschen folgende Aspekte umfassen (Tab. 1).

Subjektiv

Objektiv

Identität und Sinn

Werte- und Glaubenssystem

Lebensstil

soziale Verbindungen

Lebenslage (z. B. Finanzen)

Lebensraum (z. B. Wohnraum)

Tab. 1: Subjektive und objektive Aspekte der Lebenswelt eines Menschen

Alltagsorientierung, das Individualisieren, Akzeptanz und Teilhabe sind wichtige Aspekte der Lebenswelt (Pantucek 1998; Thiersch 2014).

Der Experte für Unterstützungssituationen arbeitet hermeneutisch, also verstehend und nachvollziehend. Positive Wirkungen der Zusammenarbeit ergeben sich, wenn Maßnahmen und Interaktion lebensweltlich zueinander passen. Insofern kommt dem Klienten und seiner Lebenswelt bei der Methode eine besondere Bedeutung zu.

Lösungsorientierung

Die Lösungsorientierung ist eine Haltung und Methode, Gespräche so zu strukturieren, dass Menschen eigene Ressourcen entdecken und anwenden, um die gesetzten Ziele zu erreichen (de Jong u. Berg 2014).

Lebenswelt- und Lösungsorientierung sind sehr gut miteinander kombinierbar, um Klienten zu aktivieren, zu beteiligen, zu motivieren, zu stärken und hinsichtlich der Zielerreichung zu unterstützen.

Diese Methode unterscheidet die Begriffe Lösung, Ziel und Ergebnis (Tab. 2).

Eine

Lösung

ist ein qualitativer, ein innerer biopsychischer Zustand, währenddessen der Klient seine Kompetenzen aktiviert und sein Potenzial entfaltet. Die Lösung wird dem Sinnspruch »Der Weg ist das Ziel« gerecht. Die Lösung ist die Be

weg

ung.

Das

Ziel

ist die Absicht und damit der

Weg

weiser. Es gibt an, wohin die gemeinsame Reise gehen soll. Ziele können mithilfe von Indikatoren und Kriterien sehr genau definiert werden und dienen der Erfolgsmessung, etwa im Zuge der Evaluation.

Das

Ergebnis

ist eine konkrete Handlung oder Situation, der

Weg

punkt: also das, was tatsächlich herausgekommen ist: der Output bzw. das Outcome.

Lösung

Ziel

Ergebnis

Bewegung

Wegweiser

Wegpunkt

Tab. 2: Definitionen von Lösung, Ziel und Ergebnis

In der Alltagssprache der Klienten könnten diese drei Begriffe eine andere Bedeutung bekommen. Daher ist es für Experten für Unterstützungssituationen immer wichtig abzuklären, welche lebensweltliche oder fachliche Bedeutung einem Begriff zukommt.

Kompetenzaktivierung

Das hypnosystemische Case Management basiert auf der sog. Potenzialhypothese (Schmidt 2008): Im Klienten sind bereits alle Talente, Gaben, Fähigkeiten und Kräfte angelegt, um das eigene Leben zu meistern. Es mag sein, dass Klienten der Zugang zum eigenen Potenzial versperrt ist: Innere Blockaden, äußere Barrieren und sonstige Hindernisse stehen im Weg (Satir et al. 1995). Der kompetenzaktivierende Zugang begleitet und unterstützt Klienten dabei, diese Blockaden, Barrieren und Hindernisse beiseitezuräumen, sodass die eigene Kraft frei fließen kann.

Fokussierung

Aufmerksamkeit und Fokussierung sind bedeutende Schritte beim hypnosystemischen Case Management. Der Experte für Unterstützungssituationen unterstützt den Klienten dabei, die Aufmerksamkeit auf Stärken, Lösungen und Ziele zu fokussieren. Er gewinnt eine Ahnung davon, welche Wirkung die Intervention beim Klienten entfaltet.

Ressourcenorientierung

Ressourcen sind die hilfreichen äußeren Kräfte der Ankerperson. Dazu können Angehörige, andere Fachkräfte, soziale Sicherungssysteme und soziale Einrichtungen gehören. Eine Unterstützungssituation fokussiert primär auf die vorhandenen oder möglichen Ressourcen, anstatt die Defizite ins Zentrum der Überlegung zu stellen.

Triangulierung

Der Dreiklang ist ein wiederkehrendes Motiv der Unterstützungssituation. »Aller guten Dinge sind drei« lautet ein Sprichwort. Entsprechend finden sich häufig triangulierte Strukturen wie der triadische Raum oder der Dreiklang »kommunikativ, koordinativ und kooperativ«.

Komplementärkonzept

Unter Komplementärberatung wird die gezielte Verschränkung zweier unterschiedlicher Arbeitsansätze verstanden. In diesem Fall ergänzen der kollektiv-soziale und der subjektiv-individuelle Zugang einander.

Dieses Konzept kann mit bisherige Theorien und Methoden der Sozialen Arbeit verbunden werden, auch wenn vorab Unterschiedlichkeit der Konzepte zu herrschen scheint.

Einfachheit

Die Sprache des hypnosystemischen Case Managements ist in mehrfacher Hinsicht einfach. Die Definition der Methode selbst ist schlicht, sodass sie möglichst verständlich und umsetzbar ist. Auch die Sprache mit den Kooperationspartnern und Klienten ist einfach, sodass der Experte für Unterstützungssituationen sofort verstanden werden kann.

Das Ansinnen des hypnosystemischen Case Managements ist, in der Praxis wirksam zu werden. Es verzichtet daher auf Abstraktes zugunsten von konkreten Handlungsweisen.

Ebenen des Case Managements

Das Case Management umfasst verschiedene Ebenen, auf denen es zur Anwendung gebracht werden kann: Die klientenzentrierte Zusammenarbeit wird als Fallmanagement bezeichnet, das Organisieren und Koordinieren der Unterstützer und Systempartner als Systemmanagement (Ehlers, Müller u. Schuster 2017).

Unterstützungssituationen werden von Experten gestaltet. In der Regel handelt es sich dabei um sog. Basiskräfte, die in eine soziale Einrichtung eingebunden sind. Im Idealfall liegt die Fallsteuerung bei einer Fachkraft: Diese führt die Prozessschritte sowohl im Fall- als auch im Systemmanagement durch. In der Praxis sind gegebenenfalls teilimplementierende Konzepte vorhanden: Es könnte z. B. das Fallmanagement auf der Basisebene und das Systemmanagement auf der Führungsebene angesiedelt sein.

Experten für Unterstützungssituationen unterscheiden in der Praxis vier Ebenen, auf denen das Case Management konzeptualisiert wird (Abb. 1): den Sektor, das System, die Organisation und den Fall. Diese vier Ebenen sind miteinander verbunden und beeinflussen einander.

Abb. 1: Vier Ebenen des hypnosystemischen Case Managements

Der Sektor ist das soziale Sicherungssystem, innerhalb dessen die Dienstleistung angesiedelt ist. Sicherungssysteme sind z. B. die Wohnungslosenhilfe, die Arbeitslosenhilfe, die Suchthilfe oder die Kinder- und Jugendhilfe. Diese Sektoren können hinsichtlich des geltenden Rechts und der bereitgestellten Finanzen unterschiedlich geregelt sein. Experten für Unterstützungssituationen kennen die sektoralen Gegebenheiten und deren Wirkung auf ihre konkrete fachliche Arbeit mit dem Klientenfeld.

Das System bezeichnet die Einrichtungen in der sozialen Landschaft, insofern ist dieser Begriff kompatibel zum Systemmanagement. Aufgaben des hypnosystemischen Case Managements sind das Organisieren und Koordinieren verschiedener Angebote und Dienstleistungen in der sozialen Landschaft, um den Bedarf des Klienten zu decken.

Als eine Besonderheit kann das Case Management auch eine organisationale Einheit – eventuell auch eine Stabstelle – darstellen. Das Case Management übernimmt in diesen Fall die Aufnahme und Abklärung des Klienten und weist an die organisational vorhandenen Dienste zu.

Mit Fall ist die unmittelbare Zusammenarbeit mit dem Klienten gemeint, der Fall ist gleichbedeutend mit dem Fallmanagement. Nach der Erfahrung des Autors werden Experten für Unterstützungssituationen als Basismitarbeiter in einer Organisation tätig und übernehmen die direkte Zusammenarbeit mit dem Klienten. Es ist aber genauso möglich, dass sie auf anderen Ebenen tätig sind.

Idealerweise wird das Grundmotiv der Unterstützungssituation auf allen Ebenen des Case Managements berücksichtigt:

sektorale Ebene:

Wie kann das Recht so gestaltet und das Geld so verteilt werden, dass Unterstützungssituationen gestaltet werden können?

Ebene des Systemmanagements:

Wie können Angebote und Dienstleistungen so abgestimmt werden und Einrichtungen der sozialen Landschaft (bzw. im Bildungs- und Gesundheitssystem) so zusammenarbeiten, dass Unterstützungssituationen entstehen?

organisationale Ebene:

Wie kann ein organisationales Case Management eingeplant bzw. durchgeführt werden, sodass Klienten innerhalb der Organisation im Sinne einer Unterstützungssituation beraten, begleitet oder betreut werden?

Ebene des Fallmanagements:

Wie kann mit einem Klienten und dessen Feld hypnosystemisch zusammengearbeitet werden, sodass für den Klienten eine Unterstützungssituation dienlich wirkt?

Experten für Unterstützungssituationen denken alle vier Ebenen mit.

Voll- und Teilimplementierung

Das hypnosystemische Case Management strebt eine Vollimplementierung an. Dies bedeutet, dass alle Prozessschritte und Methoden so umgesetzt werden, wie sie hier in diesem Buch dargestellt sind. Davon könnten sich in der Praxis aber Abweichungen ergeben, wenn das fachliche Konzept dies erfordert.

Teilimplementierungen sind ebenso denkbar. Wichtig hierbei ist, dass die grundlegende Idee – die Verbindung der inneren und äußeren Kräfte zu einer unterstützenden Situation für das Klientenfeld – erhalten bleibt.

Zusammenfassend kann gesagt werden: Die Merkmale der Unterstützungssituation charakterisieren und strukturieren den Aufbau und Ablauf der Gesprächsführung horizontal sowie des Case Managements als vertikale Verbindung der Gespräche über die Zeit zu einem sinnvollen Hilfe- und Unterstützungsprozess.

Jedes Gespräch sowie der Gesamtprozess werden nach dieser Idee ausgerichtet. Entsprechend verfügt der Experte für Unterstützungssituationen über Fähigkeiten und Kenntnisse, einzelne Gespräche zu gestalten (Abschn. 1.2), und weiß um deren Zusammenspiel als zieldienliche Hilfe- und Unterstützungsprozess im Sinne des Case Managements (Abschn. 1.3).

Die Abschnitte 1.2 und 1.3 stellen diese Prozessschritte bzw. Modelle vor.

1.2 Sechs Phasen des hypnosystemischen Gesprächs

Dieses Kapitel stellt die Grundprämisse der hypnosystemischen Gesprächsführung, das Unterstützungsgespräch und dessen möglichen Spielarten, als Beratung, Begleitung oder Betreuung vor. Danach wird in sechs Phasen dargestellt, wie ein Unterstützungsgespräch professionell gestaltet werden kann.

Gespräche sind aus einer hypnosystemischen Sichtweise nicht per se sinnvoll und hilfreich, sondern werden dazu gemacht. Gespräche müssen mit Bedeutung aufgeladen werden, so Gunther Schmidt (2017b). Sie ähneln dadurch einem Ritual. In diesem Sinn wird das normale Alltagsgespräch (»Small Talk«) von einem Unterstützungsgespräch (»Big Talk«) unterschieden.

Der Experte für Unterstützungssituationen beherrscht beide Spielarten: Das Alltagsgespräch eignet sich sehr gut zum zwanglosen Eröffnen und Abschließen eines Unterstützungsgesprächs.

Das Unterstützungsgespräch dient dem angestrebten Ergebnis und verbindet den Innenbereich mit dem Außenbereich. Bezüglich seines Ablaufs wird es gleichermaßen strategisch-strukturiert als auch intuitiv-kreativ geführt (de Shazer u. Berg 2009): Der Experte für Unterstützungssituationen vermag sowohl der Struktur des Prozesses folgen als auch sich auf aktuelle Gegebenheiten, Notwendigkeiten und situationsbezogen sinnvolle Interventionen einstellen.

Die hypnosystemische Gesprächsführung (»Big Talk«) sieht Klarheit und Sicherheit als Eigenschaften des Experten vor. Wichtig ist es, den Kontext des Gesprächs zu klären und seinen Rahmen abzustecken, damit es möglichst zielführend wirken kann. Vorbereitend empfiehlt der Autor, sich ein paar Fragen zu stellen, um sich entsprechend zu fokussieren (Abb. 2). Sind diese beantwortet, so ist der Experte fokussiert und hat das kommende Gespräch vorbereitet.

Abb. 2: Ausfüllhilfe »Big Talk«

Gespräche können in unterschiedlichen Strukturformen geführt werden, z. B. als Beratung, Begleitung und Betreuung. Die Definition bezieht vier Kategorien ein (Tab. 3): die Art des Gesprächs sowie dessen Häufigkeit, Inhalt und Zeitraum.

Tab. 3: Beratung, Begleitung und Betreuung als unterschiedliche Formen des Gesprächs und ihre Merkmale

Exemplarisch wird das Konzept der hypnosystemischen Gesprächsführung ganz unterschiedlich umgesetzt und angewendet:

In einem Landesklinikum3 ist ein Sozialarbeiter angestellt, um das Entlassungsmanagement für Patienten durchzuführen. In der Beratung finden geplante Termine mit einem bestimmten Thema (etwa die psychosoziale Situation nach der Entlassung) statt. Diese Form der Gespräche kann als Beratung definiert werden, da sie geplant, kurzfristig und themenspezifisch stattfindet.

In der beruflichen Integration begleitet eine Beraterin Jugendliche innerhalb eines gewissen Zeitraums. Es finden sowohl aufsuchende Gespräche als auch Beratungen statt. Diese mittelfristige Begleitung ist in der Regel durch eine Vereinbarung mit den Klienten abgestimmt. In der betrieblichen Integration finden – im Unterschied zum Landesklinikum – über einen weiteren Zeitraum Beratungen statt, daher wird in diesem Ansatz dann von einer Begleitung gesprochen.

Eine Fachkraft der Sozialen Arbeit ist in einem Wohnhaus – etwa der Wiener Wohnungslosenhilfe – tätig. Hier können Klienten unbefristet wohnen. Diese langfristige Form der Unterstützung ist eine Betreuung. Diese kann z. B. in Jahreszyklen eingeteilt werden. Die Fachkraft ist aufgefordert, unterschiedliche Themen und Aufgabenstellungen über einen langen Zeitraum zu bearbeiten.

Hypothetisch können alle drei Formen im Zuge des hypnosystemischen Case Managements zur Anwendung kommen. Die verfügbare Zeitdauer ist eine wichtige Rahmenbedingung für den Hilfeprozess und muss daher berücksichtigt werden.

Ist die Gesprächsform geklärt, so kann der Experte für Unterstützungssituationen das Gespräch zieldienlich und kompetenzaktivierend in sechs Phasen strukturieren, in denen er jeweils inhaltlich spezifisch arbeitet (Abb. 3).

Abb. 3: Sechs Schritte der hypnosystemischen Gesprächsführung im Case Management

Phase 1:

Zunächst wird das Gespräch eröffnet und eine Atmosphäre der wertschätzenden und würdigenden Begegnung hergestellt.

Phase 2:

Danach erklärt der Experte für Unterstützungssituationen seine Rolle. Auch der Anlass des Zusammentreffens und der Gesprächsrahmen (z. B. zeitlich sowie inhaltlich) werden abgesteckt.

Phase 3:

Nun können das Anliegen und Problem des Klienten erörtert werden. Das Setting ist bereitet, sich den Hindernissen und Herausforderungen des Klientenfeldes zu stellen.

Phase 4:

Dabei wird erwogen, was bereits vom Klienten unternommen wurde bzw. in der Vergangenheit (wenig bis sehr) hilfreich war.

Phase 5:

Gemeinsam wird eine Lösung angestrebt, und ein Ziel sowie ein Ergebnis werden definiert. Es erfolgt idealtypisch der Wechsel von der Problemsprache in die Lösungssprache. Der Klient erfindet sich und seine Situation neu.

Phase 6:

Abschließend wird mit dem Klienten erarbeitet, ob und inwieweit die Lösung zukünftig für den Klienten und sein Feld passt bzw. wie diese realisiert werden kann, und welche Auswirkungen sie haben könnte (»

time bridging

«). Dies schließt den Prozess ab. Etwas Small Talk rundet das Gespräch ab.

Dieses Vorgehen wirkt in der Darstellung sehr linear. Idealtypisch können Gespräche in dieser Struktur verlaufen. Wie sich in der Praxis häufig zeigt, springen Klienten zwischen den einzelnen Phasen hin und her, die Beratung verläuft also nicht linear.

Hier brauchen Experten für Unterstützungssituationen das richtige Balancegefühl und ein Gespür für Timing. Sie gehen situationsbezogen sinnvoll vor, um im Sinne eines Problempacings mit dem Klienten verbunden zu bleiben, und schätzen gleichzeitig ab, inwieweit es zweckdienlich sei, neue Strukturen in der Beratung anzubieten. Diese Pendelbewegung ist typisch für die hypnosystemische Gesprächsführung (Schmidt 2008 u. 2018).

Statt einer Pendelbewegung ist auch eine kreisförmige – rhizomatische – Bewegung möglich (Kleve u. Haye 2018) (Abb. 4).

Dabei bewegt sich der Experten für Unterstützungssituationen mal in jener Phase, mal in jener Phase. Dies gleicht mehr einem Tanz als einem geradlinigen Marsch. Rhizomatische Tänze sind nach der Erfahrung des Autors in der Praxis häufig anzutreffen. Es stellt daher eine besondere Fähigkeit dar, hier die Orientierung zu behalten und trotz aller Beweglichkeit die Lösung sowie Ziel und Ergebnis im Auge zu behalten.

Abb. 4: Rhizomatische Struktur der hypnosystemischen Gesprächsführung

Den sechs Phasen können idealtypische Fragen zugeordnet werden, welche die jeweilige Phase determinieren und strukturieren. Diese Fragen leiten sich aus der lösungsorientierten Arbeit von Steve de Shazer und Insoo Kim Berg ab (2009; de Jong u. Berg 2015; de Shazer 2012a).

Als Praxistipp sei hier noch genannt, dass Fragen, kontextlos gestellt, nackt wirken können. Der Experte für Unterstützungssituationen versteht es, die Fragen in den Gesprächsfluss sinnvoll und harmonisch zu integrieren. Dem Fachgespräch darf eine Wohlfühlatmosphäre innewohnen, in der es dem Klienten leichter fällt, sich zu öffnen. Die Fähigkeit, sich zu öffnen, ist dabei methodisch beabsichtigt (Satir et al. 1995).

Entsprechend wird der Experte für Unterstützungssituationen die Fragen einkleiden, sodass ein angenehmer Gesprächsfluss entstehen kann. Mithilfe dieser Sätze fokussiert er das Gespräch.

Beispielhaft werden hierfür Phrasen im schattierten Fallbeispiel angeboten. Diese wechseln sich mit dazu passenden Fragestellungen ab.

Phase 1: Eröffnen

»Ich möchte Sie herzlich willkommen heißen.«

Wie war der Weg hierher? Sind Sie gut angekommen?

»Wissen Sie, wenn ich selbst einen Termin habe, kann es sein, dass ich manchmal spät dran bin. Bin ich dann in Eile, kann ich gar nicht so richtig ankommen. Hoffentlich finden Sie Zeit, hier anzukommen.«

Wie geht es Ihnen heute?

»Die Frage ›Wie geht es Ihnen heute‹ wird von uns oftmals automatisch gestellt und beantwortet. Ich möchte Ihnen aber versichern, dass ich wirklich an Ihrem Befinden interessiert bin. Zudem denke ich, dass Ihr Befinden für die heutige Zusammenarbeit sehr relevant ist.«

Wie heißen Sie? Darf ich mich vorstellen?

»Es ist wichtig, zueinander Vertrauen zu fassen, damit positive Ergebnisse erzielt werden können. Ich möchte ihnen daher zu Beginn unsres Gesprächs die Möglichkeit geben, mich näher kennenzulernen.«