I Do Resist You - Pippa Grant - E-Book

I Do Resist You E-Book

Pippa Grant

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Beschreibung

RUNAWAY BRIDE MEETS CELEBRITY CRUSH

Nach ihrer katastrophalen Fast-Hochzeit fliegt Emma Monroe allein in die Flitterwochen. Dass sie hier eines Morgens ihren Nummer-1-Celebrity-Crush Jonas Rutherford, Filmstar und Erbe eines milliardenschweren Entertainment-Konzerns, schlafend auf der Veranda ihres Bungalows vorfindet, hat sie nicht erwartet. Dass er sie drei Tage später nach einer gemeinsamen Nacht direkt ghosten würde, auch nicht. Zwei Jahre danach crasht Jonas die Hochzeit von Emmas Bruder und staunt nicht schlecht, dass der kleine Junge dort nicht bloß der Ringträger, sondern ihm auch wie aus dem Gesicht geschnitten ist ...

»Die Geschichte von Emma und Jonas ist mein absoluter Liebling der Reihe und die Kirsche auf der Sahnehaube. Pippa Grant hat sich definitiv das Beste für den Schluss aufgehoben.« PROFESSOR ROMANCE

Band 3 der THREE-BFFS-AND-A-WEDDING-Reihe von USA-TODAY-Bestseller-Autorin Pippa Grant

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Seitenzahl: 532

Veröffentlichungsjahr: 2025

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Inhalt

Titel

Über das Buch

Widmung

Vorbemerkung

1. Kapitel

2. Kapitel

3. Kapitel

4. Kapitel

5. Kapitel

6. Kapitel

7. Kapitel

8. Kapitel

9. Kapitel

10. Kapitel

11. Kapitel

12. Kapitel

13. Kapitel

14. Kapitel

15. Kapitel

16. Kapitel

17. Kapitel

18. Kapitel

19. Kapitel

20. Kapitel

21. Kapitel

22. Kapitel

23. Kapitel

24. Kapitel

25. Kapitel

26. Kapitel

27. Kapitel

28. Kapitel

29. Kapitel

30. Kapitel

31. Kapitel

32. Kapitel

33. Kapitel

34. Kapitel

35. Kapitel

36. Kapitel

37. Kapitel

38. Kapitel

39. Kapitel

40. Kapitel

41. Kapitel

42. Kapitel

43. Kapitel

44. Kapitel

Epilog

Bonus-Epilog

Bonus-Bonus-Epilog

Emmas Zimtbrötchen-Biskuit-Rezept

Die Autorin

Die Bücher von Pippa Grant bei LYX

Impressum

PIPPA GRANT

I Do Resist You

Roman

Ins Deutsche übertragen von Ralf Schmitz

Über das Buch

Nachdem Emma Monroes Katastrophen-Hochzeit viral gegangen ist, fliegt sie allein in die Flitterwochen auf die Fidschi-Inseln. Hier staunt sie nicht schlecht, als sie eines Morgens ihren Nummer-1-Celebrity-Crush Jonas Rutherford, Filmstar und Erbe eines milliardenschweren Entertainment-Konzerns, betrunken und schlafend auf der Veranda ihres Bungalows vorfindet. Da beide aktuell der Öffentlichkeit aus dem Weg gehen – Emma, weil sie als Braut, die sich nicht traut, in den sozialen Medien trendet, und Jonas aufgrund der Gerüchte, die sich um seine Scheidung ranken –, tun sich die beiden zusammen und erkunden die Insel. Dabei merken sie, dass ihre Gesellschaft genau das ist, was sie brauchen, und neben einer tiefen Freundschaft entwickeln sich auch noch ganz andere Gefühle, die zu einer heißen Nacht führen. Womit Emma nicht gerechnet hat: dass Jonas am nächsten Morgen verschwunden ist und sich nie mehr bei ihr meldet – obwohl sie ihm immer wieder Nachrichten schickt, um ihn zu informieren, dass sie schwanger ist. Wie aus dem Nichts taucht Jonas zwei Jahre später auf der Hochzeit von Emmas Bruder auf, weil er endlich auf ihre Nachrichten gestoßen ist, und will seinen Sohn kennenlernen. Dabei verliert er nicht nur sein Herz an den kleinen Jungen, sondern verliebt sich auch noch einmal in Emma. Doch kann sie ihn wieder in ihr Leben lassen? Zumal er als Celebrity genau den Pressewirbel mitbringt, den sie nie wieder erleben will …

Dieses Buch ist Beth und Jodi gewidmet. Ohne euch würde es nicht existieren.

Und die Lagerfeuerszene gehört Connor Crais. Was er sich selbst zuzuschreiben hat.

Vorbemerkung

Liebe Leser:innen,

als ich beschloss, dass I DO HATE YOU der erste Band einer Trilogie um drei beste Freundinnen aus einer kleinen Stadt in den Bergen von Colorado sein sollte, stand bereits fest, dass Laneys und Theos Und sie lebten glücklich bis … während der Hochzeit von Theos Schwester und Laneys Busenfreundin Emma beginnen sollte.

Das allerdings sollte auch die Welt von Sabrina, der Dritten im Bunde, völlig auf den Kopf stellen, weil sie während der Hochzeitswoche versehentlich mit ihrem neuen Chef im Bett landete und die Hochzeit schließlich überhaupt nicht mehr stattfand.

Was ich nicht wusste, war, wie genau sich Emmas Geschichte entwickeln könnte.

Zuerst dachte ich, sie würde nach ihrer Flucht von der Hochzeit in einem Boot auf dem offenen Meer enden, in dem sie mit einem Genie der Wirtschaftskriminalität festsaß, der sie unversehens schwängerte und den sie an Land den Behörden auslieferte, woraufhin er sein Leben ändern musste, um sich ihre Liebe zu verdienen.

Aber wie sich zeigte, liegt es mir nicht besonders, über Verbrecher zu schreiben, sodass mir die Idee nie wirklich passend erschien. Irgendwas daran stimmte einfach nicht. So kam meine wunderbare Assistentin Beth ins Spiel.

Nachdem ich I DO HATE YOU noch einmal gelesen hatte und mir klar wurde, dass ich nicht wusste, was mit Emma passieren sollte – nachdem sie entweder am Traualtar stehen gelassen worden war oder selbst die Trennung vollzogen hatte –, hinterließ Beth mir eine Sprachnachricht, die alles von Grund auf veränderte.

Weißt du, was mir eingefallen ist?, begann die Nachricht. Ich habe so ein Gefühl, als wäre Jonas Rutherford der perfekte Held für Emma. Du weißt schon, Hayes Bruder aus THE LAST ELIGIBLE BILLIONAIRE.

Ich starrte mein Handy an und stieß ein paar Flüche aus, weil es nicht das war, was ich vorgehabt hatte. Und weil es Probleme mit sich bringen und aus einem Buch, das ganz für sich allein stand, eines machen würde, das Teil eines komplett neuen Universums wäre, an das ich beim Schreiben überhaupt nicht gedacht hatte. Und obwohl ich wusste, dass am Ende von THE LAST ELIGIBLE BILLIONAIRE angedeutet wurde, dass Jonas’ vormals perfektes Liebesleben in Wahrheit überhaupt nicht so perfekt gewesen war, hatte ich nie beabsichtigt, seine Geschichte zu erzählen. Und deshalb hatte ich auch nie darüber nachgedacht, was genau in seinem Leben falschgelaufen sein mochte.

Andererseits wusste ich, dass meine Leser:innen, würde ich diesen Fragen auf den Grund gehen, ebenso vor Vergnügen kreischen würden wie ich selbst, als ich schließlich aufgehört hatte, Verwünschungen zu knurren, weil Beth die passende Antwort gefunden hatte. Ich ahnte, es würde alles andere als leicht werden, sich am Ende aber lohnen.

Und jetzt, etwa ein Jahr später, werdet ihr alle endlich erfahren, was geschah, nachdem Emma Hawaii verlassen hatte und in ihre Solo-Flitterwochen gestartet war. Und ich freue mich wie verrückt für euch!

Ich hoffe, ihr habt so viel Spaß mit Emma und Jonas wie ich. Und ich hoffe außerdem, Beth flüstert mir auch weiterhin Vorschläge über Figurenkombinationen ins Ohr, die passen wie die Faust aufs Auge.

Viel Spaß beim Lesen!

Pippa

1. Kapitel

Emma Monroe, alias ein ganz normaler Sonnenschein, der so vieles bereut

Ich habe nicht vorgehabt, meinen Tag zu starten, indem ich auf der Veranda meiner Fidschi-Strandvilla als Erstes über einen Körper stolpere, andererseits: Was ist in den vergangenen Tagen schon so gelaufen wie geplant?

Ich gehe mit einem Überraschten »Uff!« zu Boden und lande auf dem da liegenden Menschen. Schmerz durchzuckt meinen Ellbogen, nachdem ich damit hart auf dem Holzboden aufgekommen bin.

Falls irgendwelche Götter zuhören, bitte lasst diesen Typen kein Reporter sein.

Noch eine Sache, die ich unter Dinge, über die ich mir nie im Leben Sorgen gemacht hätte abheften kann.

Aber so sieht’s aus.

Abgesehen davon dachte ich nur noch: Sei nicht tot. Sei nicht tot. Sei nicht tot.

Nicht mal, wenn dieser Typ wirklich ein verfluchter Reporter ist.

Warum kann ich nicht knallhart sein und einfach als Nächstes das Verbuddeln einer Leiche auf meine Agenda setzen?

Dazu kommt: Wäre ich so knallhart, wäre es mir auch egal, dass ich inzwischen als die berüchtigte Braut, die sich nicht traut, verschrien bin. Aber ich bin eben nicht knallhart.

Was bedeutet, dass ich für dieses Problem eine andere Lösung finden sollte.

Da ich immer noch quer über diesem Haufen Mensch liege, frage ich mich: Was würde Theo tun?

Mein Bruder, der, wie nicht anders zu erwarten war, wieder einmal mein Lieblingsmensch ist und zugleich ganz oben auf meiner Schwarzen Liste steht, würde sicher einen Wrestlinggriff anwenden, den Kerl auf den Rücken drehen und die Macht seines nicht vorhandenen Mundgeruchs nutzen, um noch beängstigender zu wirken, wenn er irgendwas sagen würde … Wahrscheinlich so etwas wie: Runter von meiner Veranda, bevor ich dich ausnehme wie einen Fisch!

Nein, das ist eigentlich nicht Theos Stil.

Andererseits – sich in einer Villa der Extraklasse zu verstecken und sich jedes Mal, wenn jemand von der Ferienanlage hereinschaut, in einem Schrank zu verkriechen und sogar das beim Zimmerservice bestellte Essen auf der Veranda stehen zu lassen, wäre auch nicht gerade seine Art.

Wie also wird die neue Emma, die nicht länger zulässt, dass man auf ihr herumtrampelt, mit dieser Situation umgehen?

Rutsche ich runter von dem Kerl, schalte das Verandalicht ein und zwinge ihn, zu glauben, ich wäre genau die Sorte Frau, die nicht mal blinzelt, wenn ihr Tag mit dem Verbuddeln einer Leiche beginnt? Schaffe ich das? Schaffe ich es, wenigstens einmal im Leben eine Kriegerin zu sein?

Ich will gerade einen anderen niederträchtigen Plan aushecken, als der Mensch unter mir aufstöhnt.

Und sich herumwälzt.

Und einen schweren Arm um meine Taille schlingt.

»Warum, Peyton?«, ächzt eine tiefe Männerstimme, die nach totem, in Whiskey getunktem Fisch stinkt. »Gib mir den Walknochen zurück.«

»Verzeihung, Sir.« Ich stupse ihn an, während ich versuche, seinen Griff zu lösen. »Sie müssen hier weg.«

»Ich hätte wissen müssen, dass du diejenige sein würdest. Niemals gab es eine wie dich.«

Ich erschaure, eine Gänsehaut überzieht meinen Körper, während mich ein Déjà-vu erfasst.

Ich habe diesen Mann diese Worte schon einmal sagen hören. Warum habe ich diesen Mann diese Worte schon einmal sagen hören?

»Sir, bitte, lassen Sie mich los!«, sage ich ein bisschen lauter.

»Dich glücklich zu machen ist meine Lieblingsbeschäftigung.«

Was ist übler als Gänsehaut? Vogelstraußhaut? Denn die habe ich jetzt.

Auch den Satz habe ich schon mal gehört.

Verliere ich den Verstand?

Bin ich überhaupt wach?

Oder ist das ein schlechter Traum?

Okay, ja, es ist ein schlechter Traum. Die ganze letzte Woche war ein schlechter Traum. Nur dass das alles zurzeit meine Realität ist, deshalb bin ich beinahe sicher, dass ich nicht schlafe.

Die Panik lässt mich zu einer Kraft finden, die ich nach allem, was ich in den letzten Tagen eher nicht verkraftet habe, eigentlich nicht aufbringen dürfte.

Und die Person, auf die ich ganz besonders wütend bin, bin ich.

Ich habe mir das selbst angetan, weil ich in den letzten sieben Jahren ja unbedingt darauf bestehen musste, dass Chandler Sullivan der Mann meiner Träume ist, obwohl ich genau wusste, dass Chandler keineswegs zu Theos Lieblingsmenschen gehörte – und umgekehrt. Trotz der gelegentlichen Andeutungen, dass meine Freunde ihn für nervig hielten. Einschließlich Sabrina, die eine meiner zwei besten Freundinnen und Chandlers Cousine ist. Trotz der Art wie seine Tanten, Onkel und sogar seine Eltern ihn anblickten und über seine besonders absurden Meinungen seufzten.

Trotz all der Dinge, die er tat und die er gewiss lassen würde – so redete ich es mir jedenfalls ein –, wenn ich ihn erst mal davon überzeugt hätte, dass meine Liebe zu ihm genug war.

Scheiß auf Chandler!

Und scheiß auf mich, weil ich mir das antue.

Endlich gelingt es mir, den Arm des Mannes wegzuschieben, ins Haus zurückzuflitzen und durch die Schiebetür zu spähen, nachdem ich sie verriegelt habe.

Ich schalte die Außenbeleuchtung ein und lehne mich, als mir schwindlig wird, gegen die Glasscheibe.

Aber mir wird nicht schwindlig, weil mich die ganze Situation überfordert, sondern vielmehr, weil mein Verstand mir einreden will, dass ich den Mann kenne, der sich da draußen zusammenrollt und gegen das Licht blinzelt.

»Liebe ist nicht vernünftig, aber auch nicht erbärmlich«, stöhnt er jetzt, und durch ein offenes Fenster trägt mir seine Stimme einen weiteren Satz zu, den ich schon einmal gehört habe.

Ich schalte das Licht aus und hülle alles wieder in die Finsternis vor dem Morgengrauen.

Und dann kneife ich mich.

Ja, das hat wehgetan.

Ich schalte die Außenbeleuchtung wieder ein.

Er ist immer noch da.

Jonas Rutherford.

Mein liebster Schauspieler auf dem ganzen Planeten. Der Mann, dessen Filme ich auswendig mitsprechen kann. Die Nummer eins auf der Liste meiner Freifahrtscheine, was ich Chandler gegenüber allerdings nur einmal erwähnt habe. Er war über den Scherz dermaßen sauer, dass ich danach nicht mal mehr Sabrina und Laney von meiner Liste erzählte – ich meine, wer trifft schon wirklich seinen Celebrity Crush? Und wir drei haben … hatten … Oh,verdammt!

Offenbar haben wir sehr wohl Geheimnisse voreinander. Hätten wir nämlich keine, hätte ich gewusst, was Chandler Theo schon vor Jahren angetan hat und wäre jetzt nicht als die berüchtigte Braut, die sich nicht traut, bekannt.

Aber was in diesem Augenblick wichtiger ist … Jonas Rutherford ist hier.

Stöhnend und sich an den Kopf fassend, auf der Veranda der Tropenvilla, in der ich mich vor der ganzen Welt verstecke.

Nein.

Nein, nein, nein, nein, das kann nicht wahr sein.

Abermals schalte ich das Licht aus.

Das ist ein Fall für die Resort-Security. Nicht für mich.

»Ich dachte, wir waren glücklich«, sagt der Mann, der wie Jonas Rutherford aussieht und sich auch so anhört, der aber unmöglich Jonas Rutherford sein kann.

Und da geht mir mein dummes, verletzliches, gutgläubiges Herz auf und vergießt eine Träne über die Traurigkeit in seiner Stimme.

Wenn das da draußen wirklich Jonas Rutherford ist und nicht etwa irgendein Reporter, der sich verkleidet hat, um so wie er auszusehen und um, einem ausgeklügelten Plan folgend, an mich heranzukommen – Paranoia ist meine neuste Freundin –, dann weiß ich genau, was er da redet.

Man kann zurzeit praktisch nicht im Internet rumsurfen, ohne auf das viral gegangene Video meiner geplatzten Hochzeit zu stoßen. Gleich neben den Berichten darüber, dass Jonas’ Filmstargattin ihn nur wenige Monate nach ihrer Hochzeit im letzten Sommer schon wieder verlassen hat und dass kürzlich erst ihre Scheidung vollzogen wurde.

Und der ganze Rosenkrieg jetzt öffentlich ist.

In allen Einzelheiten, die mir sagen, dass dieser Mann keinesfalls auf der Liste meiner Freifahrtscheine stehen sollte.

»Mist«, brummt er.

Mist.

Als wäre das das schlimmste Wort, das ihm einfällt, wenn er verkatert auf einer Veranda aufwacht, nachdem jemand über ihn gestolpert ist.

Weiß er überhaupt, dass ich hier bin? Ist ihm klar, dass er nicht allein ist?

Dann höre ich auf der anderen Seite der Tür ein Schlurfen und ein Rütteln an der Glastür.

Das Herz gefriert mir in der Brust.

Was macht er da?

Doch das Schloss hält.

»Soll das ein verdammter Witz sein?«, knurrt er.

Wieder scheppert die Glastür, gibt aber nicht nach.

Er stöhnt und nuschelt »Vergiss es!«, dann ist es wieder still.

Ich spähe in die Dunkelheit.

Aber ich erkenne nichts, und in der Stunde vor Morgengrauen mache ich mich gern auf den kurzen Fußweg zum Strand. Ich bin keine Berühmtheit wie Jonas Rutherford, und dies ist eine umzäunte Anlage mit einer limitierten Anzahl von Gästen in diesem halben Dutzend von Villen, trotzdem hatte ich schon am zweiten Tag hier das Gefühl, irgendwie komisch angesehen zu werden.

Zehn von zehn Leuten würden einem davon abraten, der Star eines viralen Videos zu werden, in dem man unmittelbar vor dem Ehegelübde seinen Bräutigam stehen lässt, nachdem man herausgefunden hat, dass er zahlreichen Menschen, die man liebt, haufenweise Mist angetan hat, was einem Freunde und Familie jahrelang verschwiegen haben.

Und zwanzig von zehn Leuten würden einem nicht raten, vor den Traualtar zu treten, obwohl man bereits wusste, welchen Mist der Bräutigam gebaut hatte – auch wenn der allergrößte Mist erst kurz vor der Trauung herauskam. Sie würden einem ebenso nicht raten, sich einzureden, man könnte trotzdem vor den Traualtar treten und den Kerl ändern, wenn man ihn nur ausreichend lieben würde.

Und eine Milliarde von zehn Leuten würden einem nicht raten, mit der Scham, den Schuldgefühlen und der Reue zu leben, die es mit sich bringt, wenn man weiß, was man den Menschen, die man liebt, mit seinen Lebensentscheidungen angetan hat.

Damit muss ich mich auseinandersetzen, wenn ich wieder zu Hause bin.

Ich zähle bis fünfhundert, in der Annahme, dass der Mann auf meiner Veranda bis dahin längst verschwunden sein wird, dann entriegele ich die Schiebetür und öffne sie langsam.

Ich schalte die Taschenlampe an meinem Handy ein.

Und wimmere kläglich.

Wieso ist er noch da?

»Was … hm?«, lässt sich eine verunsicherte, verschlafene Jonas-Rutherford-Stimme vernehmen. »Wer ist da? Wo ist da?«

Ich verharre in der Tür. »Ich glaube, Sie haben sich verlaufen. Das ist nicht Ihr Bungalow.«

»Nicht mein … Wo bin ich?« Er stemmt sich in eine sitzende Position, stöhnt leise auf und fasst sich an den Kopf. Der weiße Hängesessel zu meiner Rechten schaukelt leicht im Wind und sieht dabei aus wie ein Gespenst. Er fummelt nach etwas in seiner Hosentasche.

Sein Handy.

Er drückt darauf herum, und seine Taschenlampe blitzt auf, ich zucke zusammen und schirme mein Gesicht ab, als er das Licht auf mich richtet.

»Oh, sorry.« Seine Stimme klingt immer noch verunsichert, doch er scheint nun mehr mitzubekommen. »Ich dachte, das wäre … Oh, Mist, das ist nicht mein Bungalow.«

»Nein«, bestätige ich.

»Sind wir auf Fidschi?«

»Ja.«

»Sind Sie Reporterin?«

»Nein.«

Einen Herzschlag lang herrscht Stille, als würde er überlegen, ob er mir trauen kann.

Was ironisch ist, weil ich mir nicht sicher bin, ob ich ihm trauen kann. Und ich glaube, das will ich auch gar nicht, wenn an den Gerüchten, wieso er geschieden wurde, irgendwas dran ist.

»Gab es auf der Insel ein Erdbeben?«, fragt er.

»Nein.«

»Und sie dreht sich nicht?«

»Nein.«

»Drehe ich mich?«

»Nein.«

»Sicher?«

»Absolut sicher.«

»Wo ist meine Unterkunft?«

»Weiß ich doch nicht. In welcher Villa wohnen Sie denn?«

Er antwortet nicht.

Weil er es nicht weiß?

Weil er es vergessen hat?

Oder weil er wieder eingeschlafen ist?

Er richtet die Handylampe jetzt nach unten. In Verbindung mit dem schnell heller werdenden Morgenlicht kann ich ihn jetzt beinahe deutlich erkennen.

Dunkles Haar fällt ihm in die Stirn. Die kräftige Nase. Das kantige Kinn. Bartstoppeln, so dicht, dass ich mich frage, wann er sich das letzte Mal rasiert hat.

Oder wann er zuletzt nüchtern war.

Er ist größer, als ich angenommen hatte. Sind Filmstars nicht üblicherweise klein? Persönlich eher wenig berauschend? Doch selbst jetzt, über die Veranda gebeugt, kann ich erkennen, dass er breite Schultern hat, und dass er groß sein muss.

Vielleicht ist er gar nicht Jonas Rutherford. Vielleicht ist er sein Doppelgänger.

Das ergibt gleich viel mehr Sinn.

Genau, der Mann hier ist Jonas Rutherfords Doppelgänger, der zufällig so sehr auf Razzle-Dazzle-Filme abfährt, dass er im Rausch daraus zitiert.

Ein Doppelgänger, der im betrunkenen Schlafrausch den Namen von Jonas Rutherfords Ex-Frau ausspricht.

Ein Doppelgänger, der sich vor Reportern fürchtet.

»Wann bin ich hierhergekommen?«, fragt er zögerlich.

»Keine Ahnung.«

»Haben Sie mich … gestern Abend … hier gesehen?«

»Nein.«

»Dann wissen Sie nicht, wie ich hierhergekommen bin?«

»Nein.« Ich unterdrücke den Drang, Tut mir leid! hinterherzuschicken, was die Emma, die andere auf sich herumtrampeln lässt, getan hätte, und die Emma, die sich von schlechten Gewohnheiten befreit, versucht zu unterbinden.

»Wo … ist hier?«

»Morinda.«

Sein Blick fliegt zu meinem, dann entflieht seinen Lippen ein leises »Oh, fuck«.

Also flucht Jonas Rutherford – oder sein Doppelgänger – doch.

Worüber ich tatsächlich lächeln muss.

Er sagt kein weiteres Wort.

Er ist viel zu sehr damit beschäftigt, auf seine Füße zu springen, zu schwanken und dann … Oh!

Oh.

Tja.

Die Sorte Dünger hätten die Sträucher vermutlich nicht gebraucht, bekommen ihn aber trotzdem.

Und die Emma, die Leute nicht mehr auf sich herumtrampeln lässt, außer anscheinend jetzt gerade, wenn diese Leute wie ihr Lieblingsfilmstar aussehen, trifft eine Entscheidung, von der ich weiß, dass ich sie schon bald von ganzem Herzen bereuen werde.

2. Kapitel

Jonas Rutherford, alias der Mann, der gerade einen epischen Absturz hinlegt

Ich dachte, der Tiefpunkt sei erreicht gewesen, als die Presse Wind davon bekam, dass Peyton und ich in aller Stille unsere Scheidung vollzogen hatten. Dass eine Scheidung in der Familie Rutherford den größten Teil des Skandals ausmachen würde.

Meine Familie hat einen Entertainment-Mischkonzern gegründet, den sie leitet und der die romantischen Filme in den Markt pumpt, die sich Abermillionen Menschen rund um die Welt und rund um die Uhr anschauen. Und ich selbst wirke schon länger, als ich mich erinnern kann, darin mit. Außerdem habe ich seit frühester Kindheit an jeder Feiertagsparade in unserem Razzle Dazzle gewidmeten Vergnügungspark teilgenommen.

Als Aushängeschild unserer Märchenwelt habe ich die Welt glauben lassen, dass ich auch außerhalb des Filmsets in einem Märchen lebe.

Jonas Rutherford, von Hollywoods Sweetheart geschieden?

Ein Skandal.

Aber vor ein paar Tagen wurde alles noch schlimmer, als mein Handy vor lauter Nachrichten von sämtlichen Menschen, die ich kenne, aus allen Nähten platzte, weil Peyton öffentlich erklärt hatte, warum sie die Scheidung eingereicht hatte.

Während einer Pressekonferenz, auf der sie zudem verkündet hatte, dass sie einen Co-Star für ein großes Filmprojekt gefunden hätte, bei dem sie zum ersten Mal Regie führen würde.

Ein Projekt, bei dem ich hätte einsteigen sollen, und dessen Ablehnung meinerseits aus all den Gründen, die sie gerade mit der ganzen Welt teilte, schließlich zur Scheidung geführt hatte.

Die Veröffentlichung dieses Leckerbissens hätte mein eigentlicher Tiefpunkt sein müssen.

Aber das war, bevor ich mich vor der falschen Villa in der falschen Ferienanlage in die Büsche übergab, obwohl ich eigentlich versuchte, unter dem Radar zu bleiben, bis der Trubel sich legt.

Schließlich kann jeden Tag irgendwer in einen größeren Skandal verwickelt werden, und ich kann wieder zu meinem normalen Leben zurückkehren.

Nicht, dass ich im Moment so genau wüsste, was mein normales Leben ist, aber das werde ich schon herausfinden, sobald ich wieder aus dem Haus gehen kann, ohne dass die Leute mir Fragen stellen, durch die ich mich schmierig fühle.

»Hier«, sagt meine unverhoffte Gastgeberin und schiebt mir über den Glastisch in ihrer kleinen, aber gut ausgestatteten Küche mit Aussicht aufs Meer einen Teller Toast zu. »Das könnte Ihrem Magen guttun.«

Sie sieht mich einen Moment mit flatterndem Blick an, dann nimmt sie auf dem Drahtgitterstuhl mir gegenüber Platz und zieht ihre Knie an die Brust.

Ich kann nicht sagen, ob sie mich erkennt oder nicht.

Und ich kann mich auch nicht entscheiden, ob ich möchte, dass sie mich erkennt.

Ich nicke zum Dank und debattiere mit mir, ob ich den Toast und das Glas Ginger-Ale runterbringe, das sie mir, während das Brot röstete, eingegossen hat.

Wahrscheinlich.

Was kann schon schlimmstenfalls passieren, wenn ich es versuche und falschliege?

Das Schlimmste hatten wir schon, nicht wahr?

Sie nimmt einen Schluck von ihrem Ginger-Ale und mustert mich weiter.

Ich muss eine Möglichkeit finden, zu meiner Anlage auf der anderen Seite der Insel zurückzukehren. In meine eigene Villa, wo ich sicher sein kann, dass das gut bezahlte Personal sich diskret verhalten und nicht jedem erzählen wird, dass ich dort bin.

Und wo ich absolut darauf vertrauen kann, dass auch die anderen Gäste nicht mit der Wimper zucken werden, nicht einmal, wenn sie mich erkennen und die Nachrichten der letzten Tage mitbekommen haben.

Aber meine Gastgeberin?

Etwas an der Art, wie sie mich beobachtet, macht mich nervös.

Allerdings riecht der Toast gut.

So gut, dass mein Magen ungeachtet möglicher Folgen darauf besteht, es darauf ankommen zu lassen.

Ich senke den Kopf und beiße zögerlich ab.

Der Toast ist trocken. Supertrocken. Dermaßen trocken, dass mir, als ich Luft hole – nachdem ich glaubte, alles hinuntergeschluckt zu haben–, ein Toaststückchen im Hals stecken bleibt und ich einen Hustenanfall erleide, den ich in jeder Körperzelle, vom kleinen Zeh bis in den pochenden Schädel, spüre.

Die Klatschblätter wären begeistert.

Jonas Rutherford, bezaubernder Star romantischer Filme und sexistisches Arschloch hinter geschlossenen Türen, erstickt an einem Stück Toast.

Die Frau, die mir gegenübersitzt, schiebt das Glas Ginger-Ale näher, und ich trinke einen großen Schluck.

Worauf ich noch heftiger husten muss.

Ich verziehe mein Gesicht wegen meiner empfindlichen Bauchmuskeln.

Man möchte nicht glauben, dass ich sechs Tage in der Woche mit einem Personaltrainer übe. Und dann das: Einen Kleinen gegen die miesen Entscheidungen gestern hinter die Binde gekippt, und alles tut mir weh.

Vielleicht liegt es weniger am Kotzen als am Kater.

»Ich mache das nicht oft«, krächze ich.

»Hätten Sie nur heute nicht zur Arbeit gehen müssen«, sagt die Frau mir gegenüber sogar noch trockener als der Toast.

Wieder würge ich, diesmal, weil ich die Zeile wiedererkenne.

Ich habe sie einmal, fünfzig Mal, um genauer zu sein, für einen Razzle-Dazzle-Film gesprochen.

Ihre Augen werden schmal. »Dann sind Sie wirklich Jonas Rutherford.«

»Ich –«

»Verstehen Sie das bitte nicht falsch – weil ich Ihre Filme nämlich sehr liebe, wirklich –, aber Sie müssen gehen. Ich hatte in letzter Zeit genug Aufmerksamkeit seitens der Welt, und ich habe nicht vor, mir durch Sie noch mehr zuzuziehen.«

Ich blinzle.

Ich blinzle noch einmal.

Beiße noch mal von dem trockenen Toast ab.

Würge abermals.

Ernte ein Seufzen von meiner Gastgeberin, die mir ein neues Glas Ginger-Ale in die Hand drückt.

»Guh Tooo«, sage ich, unfähig die Worte guter Toast vollständig auszusprechen, weil der Toast meinem Mund sämtliche Flüssigkeit entzieht.

»Nichts für Feinschmecker, aber es hilft, wenn der Magen in Aufruhr ist.« Sie wirft einen Blick hinter mich, dann steht sie auf und zieht die Vorhänge vor das Fenster, durch das man den Sonnenaufgang über dem Meer sieht.

Sie ist groß, mindestens eins zweiundsiebzig, wenn nicht eins fünfundsiebzig.

Schlank. Lange Arme und Beine. Eingezogene, leicht knochige Schultern. Hervorstechende Schlüsselbeine. Große, braune Augen über einer Stupsnase und einem spitzen Kinn. Die ein wenig zu groß geratenen Ohren bändigen ihr blondes Haar. Fast bin ich sicher, dass sie ihren kleinen Brüsten unter dem schwarzen Tanktop keinen BH angelegt hat – und ihre weite Baumwollhose sitzt tief auf den Hüften.

Ich trinke noch einen Schluck und beobachte, wie sie methodisch auch die übrigen Vorhänge im Wohnzimmer neben der Küche schließt.

»Sie wollen nicht mit mir gesehen werden«, bemerke ich.

Sie verzieht das Gesicht, antwortet aber sonst nicht.

»Wie heißen Sie?« Ich füge mein normales Lächeln hinzu. Was mir eher leichtfällt, oder leichtfiel, bevor mein Privatleben mir mit einer Wucht um die Ohren flog, die alles übertraf, worauf ich mich jemals vorbereitet hatte. Aber wenn einem jemand dabei zusieht, wie man die Sträucher desjenigen mit seinem Mageninhalt verwüstet, erscheint es einem sowieso unbedeutend und unnötig zu lächeln.

Aber womöglich ist zwecklos ja das passendere Wort.

Sie nimmt wieder mir gegenüber Platz und blinzelt mich an, als würde sie der Frage nicht trauen. »Ich bin Emma.«

»Reizend, Sie kennenzulernen, Emma. Ich bin Jonas.«

»Wirklich? Oder sind Sie jemand, der wie er aussieht und die Razzle-Dazzle-Filme auswendig kennt, damit Sie sich in die Villa einer ahnungslosen Frau schleichen können, um sich den exklusiven Insider über ihr desaströses Leben zu verschaffen – wie ein absoluter Scheißkerl?«

Nun hör sich das einer an.

Ich habe doch noch ein Lächeln in petto. »Ich schwöre bei meinem liebsten Razzle-Dazzle-Film, ich bin Jonas Rutherford.«

»Hätten Sie keine Leibwächter, wenn Sie wirklich Jonas Rutherford wären?«

»Hab ich rausgeschmissen.«

»Warum?«

»Weil ich momentan nicht Jonas Rutherford sein will.«

Jetzt sieht sie mich offen finster an. »Sind Sie ganz sicher, dass Sie seine Lage nicht doch benutzen, um sich in mein Leben hineinzuquatschen?«

»Ich … Wie bitte?«

»Dann wissen Sie nicht, wer ich bin, oder?«

Ach, fuck.

Meine Mutter hat immer schon gesagt, dass so etwas passieren würde, und jetzt wird es nicht der Toast sein, der mich umbringt.

Jonas Rutherford, der Mistkerl mit den zwei Gesichtern, starb heute durch die Hand einer Stalkerin, nachdem er sich geweigert hatte, auf den guten Rat seiner Mutter zu hören und sich für eine Weile in das Lieblingsversteck seines Bruders zurückzuziehen, um dort das Abflauen des Medien-Shitstorms abzuwarten. »Ich habe ihn immer davor gewarnt, Fremden zu trauen, auf deren Veranda er betrunken zusammengeklappt ist, aber der Junge hatte stets seinen eigenen Kopf«, lässt sich Mrs Giovanna Rutherford zitieren. Sodass wir nun nicht nur nach seinen Vorstellungen hinsichtlich der Rolle einer Ehefrau, sondern auch nach seinem Alkoholkonsum fragen müssen.

»Kennen wir uns?«, frage ich. Der nächste Notausgang ist wahrscheinlich die Hintertür, ich weiß allerdings nicht, wie schnell ich in meinem derzeitigen Zustand laufen kann.

Wahrscheinlich schnell genug … Dafür würden meine Instinkte schon sorgen, oder? Aber im Unterschied zu damals, als ich mit meinem Bruder in einem Dixiklo festsaß, nachdem ich mich unklugerweise vom Set geschlichen hatte und trotz meiner Verkleidung von Fans entdeckt worden war, ist mein Security-Team gerade nicht in der Nähe.

»Lassen Sie’s gut sein«, sagt sie schnell. Ihre sommersprossigen weißen Wangen färben sich rosig, und sie senkt den Kopf auf die Knie. »Lassen Sie’s einfach gut sein.«

Ich greife nach dem Glas Ginger-Ale, halte dann aber inne.

Ich erinnere mich zwar nicht, wie ich gestern Abend hierhergekommen bin, aber … oh.

Oh.

Das Haus kommt mir bekannt vor.

Die mit einem Ananasmuster bestickten schwarzen Vorhänge, der gemalte Inselstrand mit der komischen Muschel in einer Ecke, die irgendwie deplatziert wirkt. Die Anordnung von Küche und Wohnzimmer und Haustür. Die schnittigen Linien des Elfenbeinmobiliars und die Strohläufer auf dem Fußboden.

Fidschi.

Die Morinda.

Ich war schon mal in diesem Haus.

Ich habe in diesem Haus gedreht.

Mit Peyton.

Die Schlagzeilen werden von Minute zu Minute besser.

Tollwütiger Fan inszeniert Jonas Rutherfords letzten Abgang an dem Ort, an dem er seine Ex-Frau um ihr erstes Date bat.

In der Hoffnung, dass es nicht vergiftet ist, schiebe ich das Ginger-Ale von mir. Ich habe gesehen, wie sie die Dose öffnete; ich habe gesehen, wie sie das Brot aus der Tüte nahm.

Ich glaube nicht, dass irgendwas davon vergiftet ist.

Hoffentlich.

Emma – falls das ihr richtiger Name ist – windet sich auf ihrem Stuhl und erhebt sich dann. »Ich will damit nur sagen, es macht alles viel leichter, wenn Sie jetzt einfach gehen, damit ich mich nicht mit …« Sie wedelt beidhändig in meine Richtung, was mir zweifellos bedeuten soll: Damit ich mich nicht mit Ihnen herumschlagen muss.

Es kommt mir vor, als würde ich hier etwas missverstehen, andererseits arbeitet mein Verstand auf der Grundlage des Whiskeys von gestern Abend und der drei Monate währenden Scheidungshölle. »Soll das … soll das eine Drohung sein?«

Ihre hellen Augenbrauen ziehen sich zusammen. »Eine … was?«

»Haben Sie gestern dafür gesorgt, dass ich hierher zurückkomme? Haben wir zusammen getrunken?«

»Ich war, seit ich am Sonntag hier angekommen bin, höchstens mal am Strand.«

Sonntag.

Und heute ist – fuck. Ich habe keine Ahnung, welcher Wochentag heute ist.

»Heute ist Donnerstag«, klärt sie mich auf.

Ja? Wirklich? »Ist am Strand vielleicht eine Art Code?«

Sie kneift die Augen zusammen und brummt irgendwas, was ich nicht verstehe, als sie zur Tür schaut.

Und sie hält mich nicht auf, als ich nach dem Handy in meiner Hosentasche greife und mich davon überzeuge, dass auf meinem Startbildschirm ebenfalls steht, dass heute Donnerstag ist.

Mein Handy sagt mir auch, dass ich sieben Textnachrichten von meiner Mutter, drei von meinem Bruder und eine von dessen Freundin bekommen habe.

Ich werfe Emma einen verstohlenen Blick zu.

Obwohl es draußen noch kaum hell ist, greift sie nach einer Sonnenbrille, und ich begreife, dass die Paranoia nicht meine Freundin ist, sosehr sie auch Anspruch darauf erheben mag, wenn ich zu viel trinke.

Sie will mich loswerden.

Allerdings nicht auf unschöne Art. »Sie wollen mich hier nicht.«

Sie macht ein Gesicht. »In jedem anderen Jahr, unter allen anderen Umständen … Ich bin ein glücklicher Mensch. Das bin ich wirklich. Und nun sind Sie hier, und ich bin es auch, und darüber kann ich nicht einmal glücklich sein. Haben Sie irgendeine Ahnung, wie frustrierend es ist, wenn man mit seinem Celebritry Crush am Esstisch sitzt und der Zeitpunkt dermaßen unpassend ist?«

»Ich … äh … nein.«

Sie bläst einen Schwall Luft durch die Nase und reibt sich die Stirn. »Natürlich nicht. Entschuldigung. Nein, ich entschuldige mich nicht. Was anderes … Stellen Sie sich einfach vor, ich hätte etwas anderes gesagt, statt mich zu entschuldigen, etwas, das trotzdem mein Bedauern ausdrückt – nein, nicht mein Bedauern, bloß meine Einsicht in die Misslichkeit der Situation.«

Mein Puls schlägt langsamer, die Panik lässt nach.

Sie weiß, wer ich bin.

Sie sagt, sie mag mich.

Und macht offensichtlich eine harte Zeit durch.

Ich denke nicht, dass ich hier in Gefahr schwebe. Ich denke, sie hat bloß einen schlechten Tag erwischt.

Ich hoffe, sie hat einen schlechten Tag erwischt.

Was nicht heißt, dass ich anderen schlechte Tage wünsche. Es heißt vielmehr, dass es besser ist, dass sie wegen eines schlechten Tags so komisch drauf ist, und nicht etwa, weil sie vorhat, mich umzubringen.

Außerdem wäre ich, wenn sie in letzter Zeit alles über mich gelesen hätte, vermutlich längst nicht mehr ihr Celebrity Crush.

Ehrlich gesagt würde ich wahrscheinlich weniger von ihr halten, wenn ich es noch wäre.

Mein Handy kündigt eine weitere Nachricht an, diesmal eine Privatmeldung von Begonia anstelle des Gruppenchats.

Sie ist die Einzige in der Gruppe, mit der ich nicht durch Blutsverwandtschaft oder Heirat verbunden bin – auch wenn mir klar ist, dass Hayes ihr schon bald einen Heiratsantrag machen wird –, und ist sie mir die Liebste von allen.

Während die anderen ausgeflippt sind, als die Berichte über Peytons Sicht unserer Scheidung in den Klatschblättern herauskamen, nahm Begonia mich einfach in den Arm und versicherte mir, dass wir alle unsere Fehler hätten und man es in Zukunft besser machen könnte, wenn man auf Unterstützung stoßen würde statt auf Verurteilung.

Wie mein Bruder eine Frau gefunden hat, deren Herz so groß ist wie der Mond und die nicht nur ihn, sondern auch den ganzen Rest von uns erträgt, bleibt eines der größten Rätsel meines Lebens.

Ich lebe noch, schreibe ich ihr zurück. Fürs Erste. Sag allen, sie können die Fahndung abblasen. Ich komme zurück, wenn ich zurückkomme.

Sofort erscheint die Schreibt-Blase und informiert mich darüber, dass sie an einer Antwort bastelt.

»Ich gehe an den Strand, bevor irgendwer sonst wach wird«, sagt Emma. »Machen Sie in der Zwischenzeit, was Sie wollen. Und viel Glück mit dem, was Sie in diesen Zustand versetzt hat. Es ist wahrscheinlich für uns beide am besten, dass ich über die Einzelheiten nichts weiß.«

»Sie lassen einen Fremden in Ihrer Villa allein?«

»Das ist mir lieber, als in der Öffentlichkeit mit Ihnen gesehen zu werden.«

Ich stehe auch nicht so darauf, mich in der Öffentlichkeit mit mir sehen zu lassen. »Hat Sie jemand gezwungen, sich meine Filme anzusehen? Können Sie deshalb daraus zitieren und wollen trotzdem, dass ich verschwinde? Oder haben Sie … die Nachrichten gesehen?«

Sie wirft mir einen schrägen Blick zu, der andeutet, dass sie die Nachrichten gesehen hat, aber charakterfest genug ist, mich deshalb nicht zu verurteilen. »Ich hatte in letzter Zeit schon reichlich Aufmerksamkeit. Mit Ihnen gesehen zu werden, wäre da keine große Hilfe, und mit mir gesehen zu werden wäre für Sie wahrscheinlich auch nicht gut.«

Mein Kopf fühlt sich zu matschig an, um ihr folgen zu können.

Ich hasse das.

»Wer sind Sie?«, frage ich.

Sie verzieht das Gesicht.

Wieder einmal.

Als ich aufstehe, schwirrt mir, meinen gestrigen Aktivitäten sei Dank, der Kopf, aber ich weigere mich, in die Knie zu gehen. »Warum meiden Sie die Öffentlichkeit? Wer sind Sie?«, wiederhole ich.

Sie seufzt mürrisch, dann greift sie nach ihrem Handy, und nachdem sie einige Sekunden mit den Daumen darübergewischt hat, hält sie es mir hin.

Ein Video, das offenbar eine Hochzeit in den Tropen zeigt, füllt den Bildschirm.

Blinzelnd registriere ich die Stimmen. »Das habe ich schon mal gesehen.«

»Sie und achtzig Prozent der Weltbevölkerung«, knurrt sie.

Als wäre es ein Zugunglück nach einem Flugzeugabsturz nach einer Schlammlawine nach einem Erdbeben inmitten eines Feuersturms. Man sieht eine Braut, die ihrem Bräutigam vorwirft, ihren Bruder in den Knast befördert zu haben. Irgendwie geht es auch darum, dass ihr Bruder insgeheim ein Star in der Erwachsenenunterhaltung ist. Und dass der Bräutigam hinter jedermanns Rücken einen Familienbetrieb verkauft hat.

Mindestens sechs meiner Freunde haben mir das geschickt, um mir zu versichern, dass mein Skandal von ein paar Nobodys übertroffen wurde, die in den Hafen der Ehe eingelaufen beziehungsweise auf Hawaii bei dem Versuch verunglückt sind.

Ohne es mir bis zum Ende anzuschauen, hebe ich den Blick zu Emma, und da macht es klick.

Wieder kneift sie die Augen zu. »Und damit wäre mein Leben erzählt.«

Ich überlege nicht.

Ich agiere einfach.

Nicht so, wie ein Schauspieler agiert, sondern wie jemand, der sich einfach bewegt.

Die Frau benötigt eine Umarmung.

Ich bin im Scheinwerferlicht der Öffentlichkeit aufgewachsen. Ich weiß, wie das ist, aber ich wurde darauf trainiert. Und davon abgeschirmt. Ich hatte Presseagenten und Medienberater, und wenn nichts mehr half, half immer noch Geld.

Aber hier ist sie, mutterseelenallein, und würde gern an den Strand gehen, ehe die Sonne ganz aufgegangen ist und sie irgendjemand entdeckt, weil sie für ihre gescheiterte Hochzeit auf Hawaii berühmt wurde – mit einem Typen, der allem Anschein nach ein Riesenarschloch ist.

»Es tut mir leid.« Ich lege meine Arme um sie.

Ich kann nicht anders.

Aber in diesem Moment ergibt alles Sinn. Gehen Sie. Ich will auch nicht mit Ihnen gesehen werden.

Mein Bruder hasst das Scheinwerferlicht, in dem ich die meiste Zeit glücklich gelebt habe. Er hasst es. Publicity tut ihm nicht gut, und er hatte seinen eigenen Zusammenstoß mit der Presse, als die Reporter ihn und Begonia letzten Sommer in einer – sagen wir einfach – kompromittierenden Situation ertappten.

Das hätte ihn fast plattgemacht. Und das nicht, weil ein Rutherford sich nicht in einer kompromittierenden Situation erwischen lässt. Wir haben dem Ruf unserer Familie beide den ein oder anderen Schlag versetzt.

Zu spät geht mir auf, dass ich fremde Frauen nicht einfach so in den Arm nehmen sollte – noch einmal danke an meinen von Whiskey umnebelten Verstand –, doch nach allerkürzestem Zögern sinkt Emmas Körper matt gegen mich.

»Das ist nicht Ihre Schuld«, murmelt sie.

»Trotzdem weiß ich, wie beschissen es ist.«

»Ich sollte jetzt in den Flitterwochen sein, stattdessen begreife ich, was für eine Idiotin ich war, weil ich jemanden geliebt habe, der mich nicht zurückgeliebt hat. Ich sehe erst jetzt, dass ich mich so weit von meinen Freundinnen entfernt hatte, dass sie mich nicht aufklären wollten, und dass stattdessen jetzt die ganze Welt weiß, wie bescheuert ich war.«

Meine Mutter hat mir eingebläut, dass die Probleme der Welt mich nichts angehen würden. Die Probleme meiner Fans ebenso wenig. Und auch nicht die persönlichen Schwierigkeiten meiner Mitarbeiter.

Indem ich betrunken auf Emmas Türschwelle landete, habe ich mich zu ihrem Problem gemacht. Trotzdem geht ihre Lage mich womöglich nichts an.

Aber ihre Lage ist meiner eigenen zu ähnlich, sodass ich ihr Problem zu meinem eigenen machen will.

Es ist ja nicht so, dass mein Leben noch schlimmer werden könnte, nur weil ich einem Menschen in Not helfe.

3. Kapitel

Emma

Jonas Rutherford riecht wie eine verkaterte Ponderosa-Kiefer in der Sommersonne.

Nach schalem Whiskey und Schweiß von gestern und Buttertoffees.

Was ihn dermaßen echt wirken lässt, andererseits … Buttertoffees? Echt jetzt? Genügt es nicht, dass er wie ein Filmstar aussieht und als Milliardär zur Welt kam, muss er auch noch nach Buttertoffees riechen?

»Ich weiß, es kommt Ihnen nicht so vor, aber das wird schon alles«, teilt er mir mit, während er mir auf den Rücken klopft.

Und das ist die andere Sache.

Ich bin eine Wildfremde.

Immerhin könnte ich etwas Entsetzliches im Sinn haben, zum Beispiel – zum Beispiel! – seine Leiche verbuddeln, falls er doch ein Reporter wäre.

Aber ich denke, ich habe keinen Augenblick wirklich geglaubt, er könnte ein Reporter sein. Oder ein Schwindler. Oder überhaupt irgendwas von dem, wofür seine Ex-Frau ihn ausgegeben hat, als sie kürzlich mit den Gründen ihrer Scheidung an die Öffentlichkeit ging.

Ich habe das Beste von ihm angenommen.

Was vermutlich halbwegs erklärt, warum ich beinahe Chandler geheiratet hätte, trotz der vielen nicht so tollen Dinge, die er Menschen, die ich liebe, angetan hat.

Meinen Freunden.

Meinem Bruder.

Großer Gott.

Ich kann nicht glauben, dass Chandler Theo vor zehn Jahren dazu gebracht hat, den Kopf für etwas hinzuhalten, dass er, Chandler, getan hatte. Theowar im Gefängnis. Für etwas, das Chandler verbockt hatte.

Und ich bin wütend auf Theo, weil er mir nichts gesagt und sich vor Gericht nicht zur Wehr gesetzt und es einfach auf sich genommen hat.

Weil er nicht an sich geglaubt hat.

Weil er nicht darauf vertraut hat, dass ich an ihn glauben würde.

Jonas drückt mich noch fester. Ist das bloß gespielt? Oder ist er tatsächlich ein netter Mensch?

»Sie können gehen«, sage ich noch einmal. »Wirklich. Ich brauche keine Hilfe. Ich muss lediglich eine Zeit lang allein sein.«

»Waren Sie die ganze Zeit allein, seit Sie hier sind?«

Er sagt nicht seit Ihrer Hochzeit, und es spricht für den Mann, dass er geistesgegenwärtig reagiert, obwohl er wie ein verseuchter Baum riecht. »Am Flughafen war es … unangenehm.«

»Hier?«

»Nein, auf Hawaii.«

»Haben die Leute –«

»Schon gut.« Denk nicht daran, Emma. Denk. Einfach. Nicht. Daran. »Schon gut. Es ist vorüber. Jetzt bin ich hier. Hier lassen mich alle in Frieden. Und am Strand ist es sehr hübsch.« Jedenfalls am frühen Morgen, bevor alle anderen auftauchen. »Und das Haus ist sehr bequem. Ein guter Ort, um …«

Nein.

Den Satz beende ich lieber nicht.

Aber mein Verstand flüstert mir das Ende trotzdem ein.

Es ist ein guter Ort, um über all die Dinge nachzudenken, die du im Leben falsch gemacht hast, während du dich von einem gebrochenen Herzen erholst und dich fragst, warum deine Freunde es mit dir aushalten.

»… um wieder sich selbst zu finden«, ergänzt Jonas leise.

Ich erzittere, während meine Augen brennen und es mich in der Nase kitzelt. »Um es wenigstens zu versuchen.«

Er drückt mich noch fester.

Und es fühlt sich so gut an, sich einfach … Nein.

Nein.

Ich bin damit fertig, Menschen blindlings zu vertrauen.

Also schüttle ich ihn ab und stelle einigen Abstand zwischen uns her. »Haben Sie Ihre Frau wirklich beschwatzt, sie zu heiraten, Hollywood aufzugeben und mit Ihnen Designerkinder mit vortrefflichen Genen zu bekommen?«

Er zuckt zusammen, und ich bemühe mich verzweifelt, es ihm nicht gleichzutun. Wer stellt einem Fremden so eine Frage?

Du tust so etwas, Emma Monroe. Ab sofort tust du so etwas. Sei nicht mehr so ein Trottel. Sei. Kein. Trottel.

»Ich habe meine Meinung darüber, wann ich eine Familie gründen wollte, kurz nach unserer Heirat geändert, und ich werfe ihr nicht vor, dass sie deshalb wütend ist. Die Lage, in die ich sie gebracht habe, war … Das war nicht in Ordnung von mir. Ich habe einen Fehler gemacht. Und dann habe ich meinen Dickkopf aufgesetzt und weitere Fehler gemacht.«

An der Geschichte ist offenbar mehr dran.

Aber das spielt keine Rolle. Denn er geht. Und ich bleibe hier. Auch wenn meine Freundinnen durchdrehen würden, wenn sie wüssten, dass ich Jonas Rutherford begegnet bin, brauche ich Jonas’ Sicht der Dinge nicht auch noch. Na ja, meine Freundinnen, die letzte Woche noch meine Freundinnen waren und mich jetzt womöglich zu Recht niemals wiedersehen wollen, nachdem ich Chandler ihnen mein gefühlt halbes Leben lang immer und immer wieder vorgezogen habe.

Jonas richtet sich an einer Wand auf, schaut finster drein, als wollte er den Gesichtsausdruck für seine nächste Rolle perfektionieren, und bahnt sich vorsichtig einen Weg zum Sofa, wo er sich hinsetzt und den Kopf in die Hände stützt.

»Ich weiß, ich kenne Sie nicht«, sagt er dann, »aber wenn es Ihnen hilft, lassen Sie mich sagen, dass Sie von dem, was ich in dem Video gesehen habe, gerade noch mal davongekommen sind. Ich bin froh, dass Sie mal für eine Weile irgendwo Ruhe finden.«

Ich lehne mich gegen die Wand. »Vielleicht war ich auch nur dumm, weil ich dachte, ich könnte ihn genügend lieben, dass er sich ändert.«

Er blinzelt mich an, noch immer massiert er sich die Schläfen. »Sie haben einen Razzle-Dazzle-Film zu viel gesehen, wie?«

Das dürfte nicht lustig sein.

Wirklich nicht.

Aber zum ersten Mal, seit ich meinen Bräutigam vor dem Altar stehen ließ, nachdem ich ihm vorgeworfen hatte, was ich bis dahin lediglich als menschliche Schwächen ausgelegt hatte statt als Charakterfehler, muss ich lachen.

Und es ist ein ehrliches Lachen.

Ich tue nicht nur um seinetwillen so.

»Kann sein«, gestehe ich. »Aber ich glaube auch … Ich würde einfach gern glauben, dass jeder tut, was er kann. Und jedem einen Vertrauensvorschuss geben. Und …«

Verdammt.

Meine Augen fangen wieder zu brennen an.

Trotzdem muss ich es lautaussprechen. Nicht, dass Jonas fucking Rutherford sich später daran erinnern wird.

»Und ich dachte, er wäre das Beste, was ich kriegen könnte«, beende ich meinen Satz.

Da fährt sein Kopf hoch, was, wenn ich seine Miene richtig deute, echt unangenehm ist.

Sein Gesicht sagt: Das hätte ich besser gelassen. Gleich kotze ich wieder.

»Ist schon gut«, sage ich rasch. »Sie müssen mir nicht sagen, dass ich was Besseres bekommen kann. Das will ich nämlich gar nicht. Ich habe es satt auszugehen. Ich habe Beziehungen satt. Und ich habe es satt … Nun ja, ich denke, ich habe es ehrlich satt, mich hinters Licht führen zu lassen, auch wenn ich glaube, dass ich es beim nächsten Mal sowieso wieder nicht mitbekomme, weshalb ich das mit dem Ausgehen und den Beziehungen lieber ganz sein lasse.«

»Sie müssten die Freundin meines Bruders kennenlernen«, sagt er.

Wieder muss ich lachen. Diesmal jedoch, weil ich einfach nicht glauben kann, dass er das ernst meint.

»Wirklich«, insistiert er. »Sie hatte den Mumm, sich von ihrem Mann scheiden zu lassen, weil er sie nicht genug wertschätzte. Jeder hält sie für ein naives Mädchen vom Lande, das sich auf jeder Abendgesellschaft blamieren würde, aber in Wahrheit sticht sie alle anderen aus. Jederzeit. Wenn Begonia und ihr Hund in meiner Welt bestehen können, bin ich sicher, dass Sie wieder in Ihre zurückfinden.«

»Aber hat sie alle in Ihrer Welt verraten?«, flüstere ich.

»Wodurch sind Sie zur Verräterin geworden?«

»Indem ich mich immer auf Chandlers Seite geschlagen habe, wodurch mein Bruder und eine meiner besten Freundinnen zu Schaden kamen. Erheblich. Und wenn er schon Menschen, die mir nahestehen, schadet, hat er vermutlich noch viel mehr Menschen wehgetan, als ich mir auch nur vorstellen kann.«

Er schaut sich kopfschüttelnd im Wohnbereich um, dann greift er sich an den Kopf, als wollte er sein Gehirn daran hindern, noch länger in seinem Schädel herumzuschwappen, schließlich stößt er kurz Luft aus. »Sie haben diese Villa, seit Sie hier sind, also nicht verlassen?«

»Ich hatte wirklich genug von Menschen.« Der Flughafen war ein totaler Albtraum. Tuscheln. Komische Blicke. Keuchen und Fingerzeigen. Ich redete mir ein, an Verfolgungswahn zu leiden, dass doch schließlich niemand wissen konnte, wer ich war. Doch dann bat irgendwer um ein Selfie mit mir. Jemand anders nannte Chandlers Namen. Im WC-Bereich stieß ich auf eine Gruppe Frauen, die sich um ein Handy geschart hatten, während meine Stimme, die Chandler anschrie, von den Wänden widerhallte.

Das ist sie! Habt ihr sie gesehen? Sie ist hier! Sie ist allein! Wo sie wohl hinwill?

Und die Leute, die nicht wussten, wer ich war, wurden schnell davon in Kenntnis gesetzt.

Und der Flug?

Theo ist gleichermaßen ein Engel und eine Nervensäge. Obwohl meine Hochzeitswoche auch für ihn auf vielerlei Arten schrecklich war, hat er meinen Flug auf die erste Klasse umgebucht und dafür bezahlt.

Was prima gewesen wäre, hätte ich nicht die Gelegenheit ergriffen, als Erste an Bord zu gehen.

Und das bedeutete, dass alle anderen im Flugzeug an mir vorbeimussten und mich angafften, während sie nach mir einstiegen.

»Hier sind keine Menschen«, sagt Jonas.

»Oh, dann sind die Angestellten Aliens?«

Als er sein Filmstar-Grinsen aufsetzt, bleibt mir die Luft weg.

Ob nun Schluss ist mit Männern und Beziehungen oder nicht, er nun kürzlich geschieden wurde oder nicht, und ob er behauptet, ein Arsch zu sein oder nicht – ich kann nicht leugnen, dass der grinsende Jonas Rutherford Stoff für herzzerreißende, lusterweckende, romantisch-wahnhafte Träume ist.

Und zu wissen, dass er vorübergehend auf dem Radar meines Lebens aufgetaucht ist, ist ein unglaublich tröstlicher Gedanke.

Aber ich darf mich einem derartigen Grinsen seitens eines Mannes zurzeit nicht aussetzen.

»Die werden gut dafür bezahlt, den Mund zu halten«, gibt er zurück.

»Es gibt hier noch andere Gäste.«

»Insgesamt etwa dreiundzwanzig in beiden Anlagen auf der Insel, und jeder einzelne von denen ist hier, um sich eine Pause von der Welt zu gönnen. Niemanden interessiert, wer sonst noch hier ist.«

»Sind Sie sich da ganz sicher?«

»Die Leute, die genug Geld haben, um hierherzukommen, sind dieselben, die ebenso wenig wie Sie und ich gesehen werden wollen.«

Geld genug, um hierherzukommen.

Geld genug, um hierherzukommen.

Ich werde meinen Bruder umbringen.

Ich hatte gedacht, das hier wäre das falsche Resort. Ich hatte gedacht, ich müsste nicht noch ein Flugzeug besteigen, um meine Flitterwochen beginnen zu können.

Doch als ich auf Fidschi landete, wurde ich bereits von einem Mann erwartet, der ein Schild mit meinem Namen darauf hochhielt. Und der Mann mit dem Schild mit meinem Namen darauf hatte das Code-Wort genauso genannt, wie Theo es vorausgesagt hatte. Nur dass wir dann, anstatt mich durch den üppigen Regenwald zu meinem Hotel zu kutschieren, einen weiteren Flieger bestiegen und eine kleinere Insel ansteuerten. Dieses Mal ein Privatflugzeug mit nur zwei anderen Passagieren, die mich die ganze Zeit keines Blickes würdigten. Und ich war so müde, dass ich keine Fragen stellte. Es war mir sogar egal, ob ich gerade entführt wurde.

Aber ich hätte Fragen stellen sollen.

»Alles okay?«, will Jonas wissen.

»Mein Bruder ist als Megastar auf einer Website für Erwachsene versehentlich zu Geld gekommen«, sage ich leise. »Zu unverschämt viel Geld. Mir war nicht klar, dass er auch dafür bezahlt hat, dass man sich hier um mich kümmert.«

»Ist das schlecht?«

Abgesehen davon, sich wie jemand vorzukommen, der alle um sich herum braucht, um ihm alles abzunehmen? »Mein Verlobter, also mein Ex, hat meinem Bruder wirklich üble Sachen angetan, trotzdem ist Theo für meine Hochzeit aufgekommen, ohne mir etwas zu sagen. Und ich glaube, er hat auch das Upgrade für meine Solo-Flitterwochen bezahlt. Und das hätte er nicht tun sollen. Ich habe das gar nicht verdient.«

»Alles, was ich dazu beigetragen habe, mir den Rückzug hierher leisten zu können, war, dass ich in die Familie hineingeboren wurde, die Razzle Dazzle erschaffen hat. Wie wäre es deshalb, wenn wir einfach sagen: Es ist okay, hier zu sein, und dann sehen wir weiter?«

»Das war jetzt unheimlich selbstkritisch.«

Wieder grinst er und macht ein Gesicht, als würde das Grinsen ihm Schmerzen bereiten.

Wir sind beide ganz schön durch.

Was auf merkwürdige Weise tröstlich ist.

»Waren Sie schon mal im tropischen Regenwald unterwegs?«

Ich schüttle den Kopf.

»Ausgezeichnet. Dann machen Sie das heute. Es wird Zeit, das Versteckspielen aufzugeben. Vertrauen Sie mir. Das ist etwas Gutes. Sie halten die Menschen für voreingenommen? Dann warten Sie ab, wie sich manche Affen hier aufführen. Das wird Ihnen die Rückkehr in die Wirklichkeit schmackhaft machen.«

»Aber ich bin eine Fremde, und Sie sind Jonas Rutherford.«

»Die Klatschblätter waren letztes Jahr voll von einer unglücklichen, delikaten Lage, in die mein Bruder sich gebracht hatte, seitdem hasst er das Scheinwerferlicht mit der Inbrunst von einer Million Zyniker. Ich kann nachvollziehen, was Sie zurzeit durchmachen, auch wenn mir das Scheinwerferlicht normalerweise nichts ausmacht. Sie können darin aber auch meine Entschuldigung dafür sehen, dass ich in ihr Gebüsch gekotzt habe, und mein Dankeschön für den supertrockenen Toast.«

»Oh, mein Gott. Sie kennen Theo. Sie kennen Theo, und er hat das hier auch arrangiert. Er hat dafür gesorgt, dass wir uns begegnet sind, nicht wahr?«

»Wer war noch mal Theo?«

»Mein Bruder? Der Online-Adult-Entertainment-Star? Der nackig Herzen strickt und aufbauende Sachen sagt, die ich vermutlich ein bisschen besser hätte beherzigen sollen, als es darum ging, wen ich heirate und wen besser nicht?«

Jonas deutet auf sich. »Ich bin der Star in den kitschigen, familienfreundlichen, romantischen, aber garantiert zungenkussfreienRazzle-Dazzle-Filmen. Der größte Skandal, mit dem ich es vor meiner Scheidung zu tun hatte, war, dass ich in einem Film ein nasses T-Shirt anhatte und man meine Brustwarzen sehen konnte. Denken Sie nicht, Ihr Bruder und ich würden in denselben Kreisen verkehren.«

Wohl eher nicht.

Außerdem war Theo sehr glücklich darüber, ein anonymer Star der Erwachsenenbranche zu sein.

Und das wäre er auch geblieben, hätte Chandler ihn auf meiner Hochzeit nicht geoutet.

Und jetzt hat die ganze Welt das Video gesehen.

Die ganze Welt kennt Theos größtes Geheimnis. Sie kennen das zum Penis gehörende Gesicht.

Er muss sich deshalb momentan absolut miserabel fühlen, trotzdem denkt er zuerst an mich, schreibt mir jeden Tag, um sich zu erkundigen, wie es mir geht, und sich zu vergewissern, dass ich so viel Privatsphäre habe, wie ich benötige – und das auf eine Weise, für die ich selbst niemals sorgen könnte.

Ich dürfte nicht hier sein. Ich verdiene es gar nicht, hier zu sein. Ich habe so vieles wiedergutzumachen.

Aber immerhin weiß ich, dass es eine gute Idee war, Chandler nicht geheiratet zu haben.

»Kommen Sie, Emma«, sagt Jonas. »Ich brauche jemanden, der sicherstellt, dass ich nicht noch eine Piña Colada anrühre und morgen in das Gebüsch von jemand anderem kotze, der vielleicht weit weniger verständnisvoll ist.«

»Warum vertrauen Sie mir?«

Er lässt einen langen Atemzug vom Stapel. »Ich weiß es nicht. Aber ich weiß, ich habe nicht mehr viel zu verlieren.«

Tja.

Was soll ein Mädchen dazu sagen? Das war jetzt definitiv nicht die Weil-Sie-so-süß-sind, weil-Sie-so-freundlich-sind-und-ich-einfach-einem-Mitmenschen-helfen-möchte-Antwort, die ich erwartet hatte.

Aber es fällt auf fruchtbaren Boden.

Mein Lieblingsfilmstar und ich haben gerade eine Menge gemeinsam.

Wer hätte das gedacht?

4. Kapitel

Jonas

»Nun mach schon, du Trödler«, sagt Emma zwei Tage, nachdem ich verkatert auf ihrer Terrasse aufgewacht bin, mit einem strahlenden Lächeln. »Du hast es fast geschafft. Und es ist zauberhaft.«

Sie ist mir auf einem Fußpfad durch den Regenwald vielleicht drei Meter voraus. Wir haben Papageien und Kuckucksvögel und Leguane und Tamarine gesehen. Ich habe ihr aufgeholfen, als sie über eine gewaltige Baumwurzel stolperte, während sie mich aus einem Spinnennetz zog und mir versprach, niemandem zu verraten, wie sehr ich gekreischt und gezappelt habe.

Du hattest eindeutig keinen Tanzlehrer am Set, der dir beigebracht hat, wie man sich elegant aus einem Spinnennetz befreit, meinte sie. Ein Versäumnis, das ich Razzle Dazzle auf ewig vorwerfen werde.

Die Bemerkung kam so trocken und auf den Punkt, dass ich lauter und länger darüber gelacht habe, als ich es in dieser Woche für möglich gehalten hätte.

Und nun sind wir offenbar fast am Ziel, wo wir das Picknick vertilgen wollen, das die Leute vom Resort für uns vorbereitet haben.

Ich hatte bei meiner Abreise von zu Hause nicht vorhergesehen, dass ich meine Zeit auf Fidschi genießen würde. Und wollte nur weit weg sein von den leider wahrheitsgemäßen, aber wenig schmeichelhaften Presseberichten und den Fragen, die ihnen auf dem Fuß folgten.

Stattdessen stieß ich auf die Aufgabe, etwas Gutes aus dem Misthaufen zu machen, in den ich gefallen war, und da sind wir nun.

Und zum ersten Mal seit Monaten fühle ich mich wieder wie ich selbst.

Glücklich. Zuversichtlich, was die Zukunft angeht, auch wenn meine Zuversicht nicht sehr groß ist.

Große Zuversicht braucht vermutlich noch einige Zeit.

Irgendwann in den nächsten Tagen oder so werde ich vielleicht sogar so weit sein, einen Anruf meiner Mutter anzunehmen. Trotzdem fange ich vermutlich immer noch lieber mit Begonia an. Oder vielleicht mit Hayes. Er ist weit weniger reizbar, seit in seinem Leben mit Begonia rund um die Uhr die Sonne scheint.

»Ich bin müde.« Ich lasse mich anderthalb Meter von Emma entfernt auf den Erdboden sinken. »Wir sollten hier rasten und essen.«

Ihr Mund formt ein perfektes O. Sie trägt einen Fischerhut, unter dem sie ihre blonden Haare versteckt – ich nehme an, ihre Frisur und das hellrosa Tanktop sind der Hitze geschuldet –, außerdem hat sie eine Gallone Sonnenschutzcreme aufgetragen.

Das weiß ich, weil es eine weitere halbe Stunde bis zum Aufbruch gedauert hat, während sie sich mit immer mehr von dem Zeug einschmierte.

»Oh, mein Gott!« Sie deutet auf etwas unmittelbar vor ihr. »Es ist genau da.«

Ich grinse.

Sie schaut genau hin, dann lacht sie.

»Okay, okay, ich strenge mich an …«, ächzend und stöhnend versuche ich mich mit viel Getue vom Erdboden aufzurappeln, »… und versuche, die Kraft für weitere vierundsiebzig Meilen zu finden.«

»Wie hält deine Familie dich bloß aus?«

»Warum, denkst du, vergraben sie mich unter Drehbüchern und besuchen mich niemals am Set?«

Sie lacht abermals.

Das ist definitiv der Grund, warum ich hier sein sollte.

Um ihr Freund zu sein.

Zwei Tage mit Emma, und sie ist ein anderer Mensch.

Sie ist glücklich. Es gibt immer noch Augenblicke anhaltender Traurigkeit – ihr schmerzlicher Gesichtsausdruck ist quälend –, aber ich kenne ein paar sehr gute Witze. Und ich habe sie, wann immer ich es konnte, aus dem Sumpf gezogen.

Jetzt aber versucht sie, mir aufzuhelfen. »Komm«, ruft sie und streckt ihre Hand aus. »Lass dich von mir hochziehen.«

Ihre Finger sind lang und schlank, so wie alles Übrige an ihr. Als ich ihre Hand ergreife und sie zieht, spüre ich nicht viel Kraft dahinter.

Ich tue so, als wäre genug Kraft da, springe auf die Füße, als besäße sie die Stärke, mich über ihre Schulter zu werfen. »Himmel, Vorsicht mit deinen Muskeln.«

Sie verdreht lächelnd die Augen. »Wenn du glaubst, mein Bruder hätte das nicht schon eine Million Mal bei mir versucht, liegst du falsch.«

»Brüder sind die Schlimmsten.«

»Ältere Brüder sind die … nein, stimmt nicht … sie sind die Besten. Außer manchmal.«

Und da ziehen wieder Wolken über ihr Gesicht.

Ich kenne sie nicht gut. Wir haben uns in den letzten Tagen an oberflächliche Themen gehalten. Aber diese Wolken fühlen sich bei ihr nicht richtig an.

»Woah. Hey, Emma, wusstest du, dass gleich da drüben ein altes Dorf ist? Wo kommt das denn plötzlich her?«, frage ich zum Spaß, in meiner besten Ryan-Reynolds-Imitation – worüber sie sich gestern vor Lachen ausgeschüttet hat.

Sie lächelt wieder, aber nur ein bisschen.

Ich habe noch einiges zu tun, bis ich ihr strahlendes Lächeln wiedersehe, das jedes Mal verschwindet, wenn sie über ihren Bruder spricht. Oder über ihre Freundinnen.

Auf ihren Ex sind wir seit den wenigen Äußerungen an unserem ersten Morgen nicht zurückgekommen.

Was dieses Thema mit ihrem Gesicht anstellen würde, will ich lieber nicht wissen.

Ich habe mir ihr Video in der Nacht nach unserer Begegnung noch ein paarmal angesehen, und ich muss sagen, ich kann den Kerl nicht ausstehen.

Ich kann mir nicht vorstellen, was sie jetzt empfindet. Immerhin hätte sie ihn beinah geheiratet.

»Ach, du meine Güte«, sagt sie leichthin, »das muss aus dem Nichts aufgetaucht sein, weil es wusste, dass wir hier sind, und uns beeindrucken wollte.«

»Heißt es erschienen oder aufgetaucht?«

»Keine Ahnung. Ich bin Steuerberaterin, meinen Slang habe ich aus Razzle-Dazzle-Filmen.«

»Wirklich?«

»Nein.« Sie lacht, diesmal schon herzlicher, und eilt zum ersten der fünf Bungalows, die wir auf der kleinen Lichtung am Hang des Hügels vor uns ausmachen können. Die Strohhütten sind alle gleich groß, an jeder ist vorn eine Tafel angebracht. Unter ihnen erstreckt sich hinter dem Strand leuchtend grünes Wasser, das in ein tiefes, tiefes Blau übergeht und sich, bis auf ein paar hingetupfte Inseln am Horizont, bis ins Unendliche fortsetzt.

Eine Brise fährt raschelnd durch den Dschungel und trägt uns noch mehr Vogelgezwitscher zu, dem prompt ein Affe antwortet. Die Abgeschiedenheit des Ortes trifft mich mit Wucht.

Ich mag meine Familie. An den meisten Tagen habe ich auch nichts gegen die Presse. Ich habe einen Job, den ich liebe.

Allerdings nicht in letzter Zeit.

»Ich sollte hierherziehen«, höre ich mich murmeln.

»In dieses Dorf?«

Ich werfe noch einen Blick auf die fünf Hütten zu beiden Seiten eines in die Hügellichtung getriebenen Trampelpfads. Und fange an zu rechnen.

Eine Grashütte als Küche.

Eine für Gäste.

Eine als Massageraum.

Eine für mich.

Und eine als Versammlungsort, wo ich mit meinen Gästen, wenn die Stürme kommen, drinnen essen, Geschichten erzählen und alte Stücke aufführen kann, wozu ich Hayes genötigt habe, als wir Kinder waren.

Doch dann schüttle ich den Kopf und lache innerlich über mich.

Emma zieht ihre hellen Augenbrauchen hoch und sieht mich an.

Dass ich gerade darüber nachgedacht habe, mit fünf Hütten und einem Dorf ganz allein für mich zu sein … ist nichts, das ich vorhabe, laut zuzugeben.

Und dann fällt mir ein, dass ich nicht mal daran gedacht habe, wo meine übliche Security wohnen sollte.

Auch wenn ich mir augenblicklich ehrlich wünsche, keine Security mehr zu benötigen.

Nicht falsch verstehen. Das sind tolle Leute.

Aber ganz allein hier zu sein? Ohne Schutz vor unglücklicherweise realen Bedrohungen?

Schöne Vorstellung.

Gefällt mir.

»Nicht groß genug für dich?«, fragt sie.

Ich werde rot.

Meine Wangen brennen wahrhaftig vor Scham. »Ich bin nicht sicher, ob ich einen so schönen Ort als Heimatbasis verdiene«, improvisiere ich.

Sie blickt wieder aufs Meer. »Ich lebe aus anderen Gründen an einem ebenso schönen Ort.«

»Wo denn?«

»Rocky Mountains.«

»Ah, ja, die Rockies. Ich hab da ein paar Filme gedreht.«

»Was du nicht sagst.«

»Aber ich war dort auch snowboarden, bergsteigen und hab Wildwasserrafting gemacht.«

»Ja, die Filme hab ich auch gesehen.«

»Du hast sie alle gesehen, stimmt’s?«

»Mehrmals. Meine Freundinnen und ich versuchen immer herauszufinden, wann du dich auf den gefährlichen, gefährlichen Anfängerhügeln von Stuntmännern doubeln lässt.«

»Ich lasse mich nicht doubeln«, brumme ich.

Sie grinst. »Das will ich hoffen. Erinnerst du dich an den Film, in dem du dich in deine Skilehrerin verliebst? Wir haben genau gesehen, dass du sie auf der Kinderpiste gerettet hast und nicht auf der Double-Black-Diamond, die es angeblich sein sollte. Das ist der einzige Film, den wir uns nicht zweimal angeschaut haben.«

»Ich kann durchaus auch auf größeren Hügeln Ski fahren.«