I promise you - Ilsa Madden-Mills - E-Book

I promise you E-Book

Ilsa Madden-Mills

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Beschreibung

Das Mädchen, das man im ersten Semester am Lagerfeuer küsst, wird man niemals mehr vergessen und vielleicht sogar irgendwann heiraten. Zumindest erzählt man sich das an der Waylon-Universität. Dillon McQueen, Waylons Spitzen-Quaterback, erfährt am eigenen Leib, dass dieser Mythos tatsächlich stimmt. Allerdings entpuppt sich diese Legende für ihn eher als Fluch, denn besagtes Mädchen weist ihn nicht nur ab, sie erinnert sich nicht einmal mehr an ihn, als sie sich später wiedersehen. Serena Jensen bekommt im Rahmen ihres Journalismus Studiums den Auftrag, einen Artikel über das Uni-Football-Team und Dillon zu schreiben. Natürlich erinnert sie sich an ihn, doch das muss sie ihm ja nicht sofort auf die Nase binden. Ihre komplizierte Vergangenheit hat sie vorsichtig werden lassen. Doch Dillon lässt nicht locker und versucht, Serena für sich zu gewinnen.

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Seitenzahl: 407

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I Promise You

Waylon 4

Ilsa Madden-Mills

© 2023 Sieben Verlag, 64395 Brensbach

© Übersetzung Martina Campbell

© Covergestaltung Andrea Gunschera

© Originalausgabe Ilsa Madden-Mills 2020

ISBN-Taschenbuch: 978-3-96782-138-3

ISBN-eBook-epub: 978-3-96782-139-0

www.sieben-verlag.de

Dieses Buch ist für alle Frauen, die an die Macht des Schicksals und der wahren Liebe glauben.

Inhalt

Prolog

Kapitel 1

Kapitel 2

Kapitel 3

Kapitel 4

Kapitel 5

Kapitel 6

Kapitel 7

Kapitel 8

Kapitel 9

Kapitel 10

Kapitel 11

Kapitel 12

Kapitel 13

Kapitel 14

Kapitel 15

Kapitel 16

Kapitel 17

Kapitel 18

Kapitel 19

Kapitel 20

Kapitel 21

Kapitel 22

Kapitel 23

Kapitel 24

Kapitel 25

Kapitel 26

Kapitel 27

Kapitel 28

Kapitel 29

Kapitel 30

Epilog

Prolog

Dillon

Es gibt einen Spruch an der Waylon University: Das erste Mädchen, das du im ersten Studienjahr auf der jährlichen Lagerfeuerparty küsst, ist dasjenige, das du niemals vergessen wirst. Sie wird dir unter die Haut kriechen und sich ihren Weg in dein Herz bahnen. Sie wird eine Leidenschaft entfachen, die so heftig ist, dass du die Welt niederbrennen würdest, um sie zu besitzen. Du würdest das Ganze vielleicht sogar mit einem Ring besiegeln.

Aber wie bei allen Dingen, die mit dem Schicksal zu tun haben, kommt es auf den richtigen Zeitpunkt an. Der Kuss kann furchtbar schiefgehen. Sie könnte dich nicht wollen. Sie könnte in die entgegengesetzte Richtung fliehen. Aber weil ihr euch geküsst habt, seid ihr am Arsch.

Eventuell.

Diese lächerliche Legende – die Warnung – wirbelt in meinem Kopf herum, während ich um das knisternde Feuer schlendere, und die Party auf der Wiese beobachte. Die Septembernacht ist herbstlich frisch, der Geruch von Laub und vom Rauch des Feuers liegt in der Luft. Die Studenten sind dicht gedrängt und größtenteils betrunken. Einige sind auf dem Weg zur Scheune, um dort aufgebaute Spiele zu spielen, andere tanzen, während eine Band auf einer Bühne spielt. Mein Blick bleibt an einem Paar hängen, das unter einer riesigen Eiche sitzt und knutscht.

Ich küsse heute Abend niemanden. Ich bin nicht abergläubisch, aber ich gebe zu, dass ich einen starken Selbsterhaltungstrieb habe.

Die Mädchen der Studentenverbindung folgen mir, als ich mir einen Weg durch die Leute bahne. Ich schüttele eine aufdringliche Blondine in einem Theta-Trikot ab, die mich seit meiner Ankunft verfolgt.

„Nicht heute Abend, Süße“, sage ich mit einem trägen Lächeln, als sie sich wieder an meinem Arm festhält. Sie ist heiß, mit langen Beinen und großen Titten. „Frag mich morgen noch mal.“ Nach diesem Legendenmist ist alles hinfällig.

„Klar, Baby. Ruf mich an. Ich habe meine Nummer in deine Gesäßtasche gesteckt.“

Schon klar.

Sie schenkt mir ein strahlendes Lächeln, streichelt meinen Arm und stolziert davon.

Einige der Jungs aus dem Team rufen mich und winken mich zu ihnen, während sie neben einem Fass stehen. Ich gehe in die Richtung und bin fast da, als …

Moment mal.

Ich bleibe stehen. Dieses Mädchen …

Ich muss zweimal hinschauen.

Was zum …?

Sie tanzt allein inmitten der Menschenmenge. Das Licht des nahen Feuers flackert über ihren Körper. Die eine Hälfte liegt im düsteren Schatten, die andere ist in glühende Beleuchtung gehüllt. Gebräunte, schlanke Beine bewegen sich, als sie in einem kurzen roten Minirock und schwarzen Militärstiefeln herumwirbelt. Sie schwingt die Hüften und die langen Haare umflattern sie. An ihrem Hals befindet sich ein Löwenzahn-Tattoo. Ein silbernes Piercing an ihrem Bauchnabel schimmert im Licht. Sie schließt die Augen und bewegt ihren Körper auf hypnotische Weise, die Arme zum Himmel gestreckt, während sie zum Rhythmus der Gitarre tanzt. Ihr Gesicht ist herzförmig mit hohen Wangenknochen, ihre Lippen sind voll und geschwungen. Dunkle Augenbrauen schwingen sich über den leicht schrägen Augen. Ihre Brüste sind klein, aber keck, und drücken gegen ein weißes kurzes Top mit Hosenträgern, die an ihrem Rock befestigt sind. „Nicht mein Typ“, murmele ich vor mich hin und betrachte ihre zierliche Gestalt.

„Komm her, Rookie!“, sagt einer der Jungs, was Neuling bedeutet, doch ich winke ab, während ich die Kleine weiter beobachte.

Aus ein paar Metern Entfernung starrt sie ein Typ mit einem roten Trinkbecher in der Hand ebenfalls an. Seine Kumpels klopfen ihm auf den Rücken und stacheln ihn auf. Er nimmt einen tiefen Schluck seines Getränks, reicht es einem Freund und drängelt sich zu ihr vor. Während er sie von hinten antanzt, ergreift er ihre Hüften und lehnt sich an sie. Sie stößt ihn weg. Ich grinse. Gut so, Süße. Sei du selbst. Tanz allein.

Oder auch nicht.

Scheiß auf die blöde Legende. Das kann gar nicht wahr sein, und ob sie nun mein Typ ist oder nicht, ich will sie anmachen. Ich bahne mir den Weg durch die Studenten.

„Dillon! Lass uns gehen, Mann. Die Jungs fragen nach dir.“ Blaze packt mich an der Schulter zerrt mich zu der Gruppe Footballspieler hinüber.

Er reicht mir ein Bier und grinst breit. Er ist im zweiten Jahr und wir haben uns gerade im Sommercamp kennengelernt. Ich habe ein gutes Gefühl bei ihm. Eigentlich ist das ganze Team wie ein wahr gewordener Traum. Ich weiß, dass ich noch nicht der beste Spieler bin, aber so glücklich und zufrieden war ich seit dem Tod meines Bruders nicht mehr.

„Wir werden eine Gruppe zusammenstellen, die am Seilziehwettbewerb teilnimmt. Diese Kappa-Typen sind gebaut wie Traktoren, aber wir können es mit ihnen aufnehmen. Bist du dabei?“ Er zieht eine Augenbraue hoch.

„Klar“, antworte ich und richte den Blick wieder auf die Studentin, der sich soeben ein weiterer Typ nähert. Sie ist wie ein verdammter Magnet. Sie wirft ihm einen vernichtenden Blick zu, dann bewegt sie sich näher an die Bühne heran. Ihre Körpersprache verrät, dass sie tabu ist.

Grausames Mädchen. Sie weiß, was sie will, und das sind nicht diese Typen hier.

„Ich dachte, der Junge wäre konzentriert. Er wirkt abwesend“, murmelt Ryker und schnippt mit den Fingern vor meinem Gesicht. „Hey, starr das Mädchen nicht so an.“

„Schon gut“, sage ich. Ryker ist unser Quarterback, und ich habe großen Respekt vor ihm.

Ryker lacht. „Es ist deine erste Lagerfeuerparty, aber fall nicht auf den Zauber rein. Denk daran: Wenn du ein Mädchen siehst, das dir gefällt …“

„Fliehe, als ob ein schwerer Linebacker hinter dir her wäre. Auf nichts einlassen“, wiederhole ich die Warnungen, die uns die Oberstufenschüler in ihrer Studentenbude gepredigt haben, bevor wir in die Autos stiegen und zur Party fuhren.

Ein tiefes Lachen kommt von Maverick, unserem besten Defensivspieler. „Ohne Scheiß. In dieser Gegend herrscht schlechtes Karma.“

Ich lasse meinen Blick wieder zu ihr schweifen. „Also für mich sieht sie eher harmlos aus.“ Und was wäre falsch daran, mit ihr zu reden? Einen Namen und eine Nummer zu bekommen? „Ich fange an zu glauben, dass ihr das allen Erstsemestern erzählt, damit ihr euch die heißen Frauen selbst angeln könnt.“

Maverick sieht mich an, und was immer er in meinem Gesicht sieht, bringt ihn zum Grinsen. „Ich erzähl dir eine Geschichte, Mann. Ich habe im ersten Jahr auf dieser Party ein Mädchen geküsst, und als ich sie das nächste Mal sah, war sie mit einem anderen zusammen. Seltsam, Mann, richtig unheimlich, dass sie immer noch in meinem Kopf herumschwirrt. Ich sage dir, lass dich nicht darauf ein. Es ist die Kopfschmerzen nicht wert.“

„Aha. Klingt, als hätte sie etwas Besseres gefunden“, antworte ich grinsend.

Maverick lacht auf. „Sag es ihm, Blaze.“

„Die Legende hat mich letztes Jahr gefickt, Mann“, sagt Blaze. „Ich habe ein Mädchen geküsst und wir sind auf dem Dachboden der Scheune gelandet und haben heiß und heftig rumgemacht. Puff … sie verschwindet. Wenn du ein Mädchen mit rosa Haaren siehst, sag mir Bescheid.“

„Klar.“ Ich höre kaum zu, mein Blick huscht zurück zu dem tanzenden Mädchen. Ich versuche, unauffällig zu sein, aber es interessiert mich nicht wirklich, was meine Freunde denken.

Ryker lacht auf. „Mann, du hast einen gierigen Blick drauf. Wenn du sie anbaggern willst, dann tu es doch einfach.“

„Sagt der Typ, der noch nie eine am Lagerfeuer geküsst hat“, wirft Maverick ein.

Ryker winkt ab. „Wie die Legende schon sagt, wird es dich eines Tages treffen, Dillon. In dieser Gegend lebten einst Hexen, die sich auf Liebeszauber spezialisiert hatten. Genau hier, wo wir jetzt stehen, übten sie ihre Rituale aus und brachten Menschenopfer. Manche sagen, die Leichen sind im Wald begraben.“

Jemand schnaubt hinter mir und ich verdrehe die Augen. „Echt jetzt? Ich bitte dich. Es gibt gar keine Legende, oder? Das ist ein Streich, den du allen Erstsemestern spielst.“

Maverick reibt sich die Hände. „Na gut, warum testest du es nicht und wir finden es heraus? Aber denk dran, wenn du sie küsst, ist sie in dein Herz gebrannt, wie eine Art Seelenverwandte.“

„So ein Quatsch“, sage ich.

Er schüttelt den Kopf. „Ich schwöre es. Geh in die Bibliothek auf dem Campus. Es steht in den Geschichtsbüchern über Magnolia. Sie nannten sich die Töchter der Venus. Ihr wisst doch, wer Venus ist, oder? Die römische Göttin der Liebe, der Lust und der Fruchtbarkeit.“

Unbehagen macht sich in mir breit. Wenn diese Typen keine Witze machen … „Der Venus?“

Maverick nickt. „Ich habe es nachgelesen, nach dem, was mir im ersten Jahr passiert ist.“

„Aber die Legende selbst steht nicht in diesen Büchern? Nur die Geschichte der Hexen?“ Ich brauche mehr Details. Ich möchte wirklich mit diesem Mädchen reden.

Maverick hebt eine Augenbraue. „Die Legende ist Aberglaube, der aber auf persönlichen Erfahrungen beruht. Willst du wirklich Hunderte von Geschichten ehemaliger Waylon-Schüler in Frage stellen? Es wird angenommen, dass die Legende nur auf das erste Lagerfeuer oder auf Erstsemestler zutrifft, sodass theoretisch betrachtet die Oberstufenschüler jede küssen können, ohne verflucht zu werden, aber wer weiß, was wirklich wahr ist.“ Er zuckt mit den breiten Schultern. „Ich meide jetzt alle Mädchen auf dieser jährlichen Party.“

Die Ernsthaftigkeit seines Tons macht mir zu schaffen.

Okay, ich habe vorhin gelogen. Ich bin abergläubisch. Sportler sind das im Allgemeinen. Sawyer, ein anderer Neuling, isst gern ein Stück vom Gras, bevor er das Spielfeld betritt. Wenn es eine andere Fläche ist, küsst er sie. Andere Jungs machen ähnliche Dinge. Und ich? Vor jedem Spiel und in der Halbzeit küsse ich meine Handflächen, wenn ich aus dem Tunnel gehe. Das begann in meinem letzten Jahr an der Highschool, ein stiller Gruß an meinen Bruder im Himmel. Diese Tradition brachte mir die Landesmeisterschaft ein. Einige sind skeptisch über die Rituale der Spieler, aber es gibt mir ein gewisses Maß an Kontrolle und Zuversicht, dass ich ein super Spiel haben werde. Mein Motto lautet: Wenn du glaubst, dass dein Ritual dir zu einer Spitzenleistung verhilft, warum machst du es dann nicht?

Ryker lacht. „Hör auf, ihm Angst zu machen, Mav.“

„Mach ich doch gar nicht!“, antwortet er. „Delaney ist überall, wo ich hingehe – mit einem anderen Kerl.“ Er nimmt einen Schluck von seinem Bier.

Ich kenne Delaney nicht, aber seinem Gesicht nach zu urteilen, ist sie ihm unter die Haut gegangen. „Na gut, du hast mich überzeugt.“ Ich ziehe die Telefonnummer heraus, die mir eine der Thetas zugesteckt hat, zerknülle den Zettel und werfe ihn ins Feuer. Eine etwas extreme Maßnahme, aber hey, ich habe Angst vor den Auswirkungen der Legende. Klar, ich will irgendwann in der Zukunft ein nettes Mädchen kennenlernen, aber nicht in meinem ersten Jahr. Außerdem haben die Geschichten von Maverick und Blaze kein Happy End.

Blaze klopft mir auf den Rücken. „Kluge Entscheidung. Sitz den Fluch aus. Sprich heute Abend nicht mal mit einem Mädchen.“

Eine Stunde später habe ich ein paar Bier getrunken und gehe los, um noch eine Runde für uns zu holen, als ich sie wieder sehe, immer noch tanzend. Verdammt! Ist sie nicht müde? Ich bleibe stehen und starre sie an, als sie sich nach unten fallen lässt und dann wieder hochschnellt, während sie ihr Haar schwingt. Sie bewegt sich wie ein Profi. Ist sie eine Stripperin? Nein. Sie ist zu jung und sieht zu erholt aus. Vielleicht hat sie Tanz studiert.

Meine Faszination von vorhin kehrt zurück und verstärkt sich um das Zehnfache. Ich habe sie mir schon einmal vorgestellt, beim Fantasieren. Die Neigung ihrer nackten Schulter, Grübchen am Steißbein, das Gewicht ihrer Brüste in meinen Händen …

Unmöglich. Ich habe dieses Mädchen vor heute Abend noch nie gesehen. Es ist der Alkohol, der mir das vorgaukelt.

Dennoch …

Ein weiterer Blick auf sie und meine Haut kribbelt, der Beat der Lautsprecher hämmert, synchron mit dem pochenden Rhythmus meines Herzens. Ich schlucke heftig und die Nerven liegen blank, so wie ich mich fühle, wenn ich mit dem Ball in der Hand auf ein Footballfeld blicke. Kaum bewusst, was ich tue, stelle ich mein Getränk irgendwo ab und gehe in ihre Richtung. Innerhalb von zehn Sekunden bin ich hinter ihr und frage mich, was zum Teufel ich da tue.

Sprich nicht einmal mit einem Mädchen, geht mir durch den Kopf, aber ich ignoriere die Warnung. Ich kann der Verlockung nicht widerstehen. Was ist falsch daran, sich einfach nur ein bisschen zu unterhalten?

Der Wind rauscht durch die Bäume und trägt ihren Duft zu mir, etwas Herbes und Fruchtiges.

„Hey“, sage ich leise. Sie hört mich nicht. „Hey!“, rufe ich.

Sie dreht sich zu mir um, ihre Lippen zu einem Lächeln verzogen, und mein Magen macht eine seltsame Drehung. Ein verirrter Gedanke schießt mir durch den Kopf. Ich wünschte, ich könnte die Farbe ihrer Augen sehen, doch ich brauche kein Licht, um ihr spielerisches Lächeln zu erkennen. Ah, jetzt verstehe ich. Sie ist wunderschön und von daher daran gewöhnt, von Männern angesprochen zu werden. Klar. Aber ich bin anders. Ich bin derjenige, auf den sie gewartet hat.

Ihr Haar hat eine satte Mahagonifarbe, vermischt mit Kupfertönen und blassem Honig, und es ist lang. Die Spitzen reichen ihr bis zur Mitte des Rückens. Ich stelle mir vor, wie meine Hände durch diese Strähnen gleiten, während ich sie auf meinem Kopfkissen ausbreite. Ich sehe ihre schlaftrunkenen Augen, wenn sie am Morgen aufwacht.

Wow. Das ist ziemlich verrückt.

„Hi.“ Ihre Stimme ist dunkel und leise. Sie hebt den Kopf und schaut mir in die Augen.

Die Haare auf meinen Armen stellen sich auf, eine Gänsehaut bricht aus, und ein uralter Instinkt setzt in mir ein. Dich wähle ich aus, flüstert es in der rechten Seite meines Hirns, während gleichzeitig meine linke Seite Achtung, Gefahr! ruft.

Ich schiebe den negativen Gedanken beiseite und beuge mich zu ihr hinunter, wobei ich mit einer Hand ungeschickt ihre Wange umfasse und mit den Lippen sanft über ihre streiche. Kaum spürbar.

Heilige Scheiße, was tue ich da?

Sie gibt einen erschrockenen Laut von sich und wir springen auseinander. Das war’s. Nur eine kleine Kostprobe, und ich werde nicht weitergehen.

Doch ich tue es trotzdem, ignoriere meine innere Stimme und küsse sie. Meine Zunge tanzt mit ihrer. Sie schmeckt süß wie Kirschen. Kurz zögert sie, dann schmilzt sie an mir dahin, ein wimmerndes Geräusch kommt aus ihrer Kehle, als sie diese köstlichen Lippen öffnet. Ihr Haar weht um uns herum, streichelt mein Gesicht, kitzelt meine Wangen. Das Universum kippt, verschiebt sich und dreht sich in eine neue Richtung.

Der Kuss brennt ein Loch in mich, und das Blut schießt mir in die Leistengegend. Ich stecke bis zum Hals in der Sache drin, aber wen juckts? Ich stöhne, vertiefe unsere Verbindung. Meine Hände gleiten über ihre Wangen, ihren Hals und dann zu ihren Armen. Unsere Atemzüge vermischen sich und ich fahre mit meinen Daumen über den schnellen Puls an ihren Handgelenken. In meinem Kopf schwirren Bilder von ihrem Körper, der auf mir liegt, von ihren Fingern auf mir.

Sie stößt einen Schrei aus und reißt sich los. „Idiot!“

„Es hat dir gefallen, Babe.“

„Was? Nein!“

„Ich bin Dillon.“

„Ähm, das ist mir egal. Geh weg.“

„Wie ist deine Handynummer?“ Dillon McQueen gibt nicht so leicht auf. Wenn er sieht, was er will, verfolgt er es. Manchmal spricht er auch von sich selbst in der dritten Person.

Sie schüttelt den Kopf und wirkt fast überrascht, während sie kurz ihre Lippen berührt und wispert. „Casanova.“ Dann dreht sie sich um.

„Nein, warte! Geh nicht weg“, sage ich und strecke die Hand nach ihr aus, aber sie geht weiter und wagt nur einen Blick über die Schulter, bevor sie in der Menschenmenge verschwindet.

Ich gehe hinter ihr her, navigiere durch das Gedränge und stoße mit Tänzern zusammen. Einer von ihnen, ein großer, fassförmiger Typ, stößt mich an. Ich falle auf den Hintern. Mit klopfendem Herzen rappele ich mich auf, Dreck und Gras an mir, und durchsuche die Menge. Durch meine Körpergröße habe ich einen guten Blick, doch das Mädchen ist verschwunden.

In der Ferne rufen die Jungs nach mir, dann singen sie im Chor Venus, immer wieder.

Tja, Scheiße.

Eins zu null für die Legende.

Kapitel 1

Drei Jahre später

Serena

Ein großer Mann, der die engsten schwarzen Lederhosen trägt, die ich je gesehen habe, stolziert am Samstagabend in den Supermarkt. Zugegeben, ich habe noch nie einen Kerl in Lederhosen gesehen, vielleicht müssen die an gewissen Stellen so eng sein. Aber warum ist sein Hemd aufgeknöpft? Mein Gott, der muss völlig besoffen sein.

Und was noch wichtiger ist, woher um alles in der Welt ist er gekommen? Er gehört offensichtlich nicht zu den entspannten Einheimischen hier in Magnolia, Mississippi. Die tragen alle Flanellhemden und Jeans oder Hochschulsachen der Waylon University.

Ich ziehe meine Ohrstöpsel heraus. Momentan höre ich gern Girl on Fire von Alicia Keys. Es ist zwar mein Lieblingssong, aber das hier darf ich nicht verpassen.

Ich beobachte, wie ein Gefolge von drei Frauen mit ihm durch die Glasschiebetüren schwebt, wie hübsch geschminkte Puppen, alle langbeinig und vollbusig. Eine trägt ein Kleid im Kuhfellmuster. Eine platinblonde Schönheit in einem roten Lederminirock und Plateauabsätzen läuft hinter ihm her und rückt sein weißes Hemd zurecht, das sich um seine schlanken Hüften schmiegt und einen Blick auf Tattoos und Waschbrettbauch freigibt.

Die Brünette – sie sieht aus wie eine große Mila Kunis – trägt eine lilafarbene Wildlederweste mit Fransen, Röhrenjeans und Riemchenstilettos.

Ein gertenschlanker Rotschopf flankiert seine linke Seite. Ihre Hand auf seiner Schulter spielt mit den Spitzen seines goldbraunen Haares, das sich unter seiner Baseballkappe kräuselt. Ihr schwarz-weißes Minikleid mit dem Kuhaufdruck sieht umwerfend aus, als käme es direkt von einem New Yorker Laufsteg.

Seine Kappe wirft einen diagonalen Schatten auf sein kantiges Gesicht, sodass ich nur einen halben Blick auf einen markanten Wangenknochen und einen Teil der vollen Lippen erhaschen kann. Dunkle Bartstoppeln bedecken seine kantige Kieferpartie, und eine teure, silbern verspiegelte Fliegerbrille verdeckt seine Augen. An seiner Taille schimmert eine goldene Gürtelschnalle, so groß wie ein Dessertteller. Es sind so viele Sinneseindrücke, die auf einmal auf mich einprasseln, dass mir der Kopf schwirrt und ich mir am liebsten alles aufschreiben würde. Serena Jensen deckt einen geheimen Lederkult im Supermarkt auf. Jemand sollte die Cops rufen.

Ich frage mich, ob sie überhaupt echt sind. Es war eine lange Woche. Ich schließe die Augen und öffne sie wieder.

Nein, sie sind immer noch da.

Mein Spürsinn sagt mir, dass es sich um einen Sportler handelt, wenn ich diesen muskulösen Körperbau und seine Größe von mindestens einsachtzig sehe. Der Mann ist praktisch eine riesige Wand. Höchstwahrscheinlich ein Footballspieler. Und kein Südstaatler, denn die würden sich in diesen Hosen nicht mal tot erwischen lassen. Zumindest nicht in Magnolia, Mississippi. Vielleicht in Memphis, das nur zwei Stunden entfernt liegt.

„Es muss Vollmond sein oder er kommt von einer Gruppensexparty“, sage ich zu einer Kiste mit kernlosen grünen Weintrauben. Sie nicken zustimmend und erinnern mich daran, dass nur seltsame Menschen mit leblosen Gegenständen sprechen. „Ich bin einfach nur müde“, sage ich, während ich ein Bündel Trauben nehme, es in eine Plastiktüte packe und zubinde. Ich habe gestern Abend einen Catering-Job für die Universität erledigt, und bin total geschafft. Der Mann und sein Harem bewegen sich weiter ins Innere des Ladens, und ich bedaure es sehr. Ich habe meine Wochenenden nicht immer im Supermarkt verbracht. Die Partys auf dem Campus waren immer super, besonders das Lagerfeuerfest. Knackiges Herbstwetter, lokale Bands und Macho-Spiele. Es gibt nichts Unterhaltsameres, als Sportlern beim Tauziehen um eine Schlammgrube zuzusehen. Ich seufze. Die letzte College-Party, auf der ich war, war das Lagerfeuer in meinem ersten Studienjahr.

So bin ich nicht mehr. Ich arbeite und studiere. Ich gehe nur noch selten zum Vergnügen aus. Meine Großmutter sagt, das liegt daran, dass ich Wassermann bin und wir Herzschmerz verinnerlichen und länger brauchen, um uns davon zu erholen. Mein Sternzeichen bedeutet auch, dass ich eigenartig bin. Das stimmt.

Mr. Hot Pants hält in der Blumenabteilung an, und die Frauen bleiben synchron mit ihm stehen. Drei Augenpaare sind auf ihn gerichtet, in Alarmbereitschaft, in Erwartung dessen, was er als Nächstes tun wird. Vielleicht ein paar Supermarktrosen für sie kaufen?

Er schnippt mit den Fingern, murmelt etwas, das ich nicht verstehen kann, und die Blondine holt eilig ein Stück Papier aus ihrer Handtasche. Sie legt es in seine Hand und streichelt ihm dann über die Wange, bevor sie sich wieder hinter ihm positioniert, anmutig und faszinierend. Als hätten sie diesen besonderen Tanz schon öfter gemacht. Er nimmt die Sonnenbrille ab und steckt sie mit dem Bügel nach unten in die Tasche seines Hemdes. Er schaut auf das Papier und lächelt, und ich glaube, dass er Oreos sagt.

Neben ihm warten die Frauen wie gut trainierte Windhunde auf Anweisungen. Sie stehen geduldig da, als sein Telefon klingelt. Er geht ran, redet und lacht, und steckt das Telefon wieder in die Hosentasche. Seine Oberschenkel sind muskulös und breit, wölben sich gegen das Leder. Sein Bauch ist sonnengebräunt und wirkt hart wie Eisen. Und, er ist Linkshänder. „Ein netter Anblick“, murmele ich zu den Trauben, als der Umriss seines Schrittes meinen Blick auf sich zieht. Es ist schon eine Weile her, und man wird ja wohl noch gucken dürfen, oder? Nur nicht anfassen.

Durch das Hantieren mit seinem Telefon musste die Brünette seine Hand loslassen. Der Rotschopf begibt sich an seine rechte Seite und schubst dabei die Brünette mit dem Ellbogen an. Aua, das sah aus, als hätte es wehgetan. Es herrscht Chaos.

„Jetzt bin ich dran, Bambi! Wenn du pennst, verlierst du!“, ruft die Rothaarige.

„Hör zu, Ashley …“, beginnt Mila.

„Können wir nicht holen, was wir brauchen, und dann gehen, ohne uns zu streiten?“, schimpft die Blondine.

„Ladys, bitte“, sagt er mit tiefer Stimme. „Kein Streit. Regel Nummer eins: Ihr müsst euch alle vertragen, sonst mache ich das nicht mit.“

Regeln?

Oh, oh, er ist preziös.

Das sexy Biest lächelt irgendwie perfekt und verströmt eine unbekümmerte Einstellung, gepaart mit einer Selbstsicherheit, die nur von einem Mann kommen kann, dem die Frauen seit seiner Geburt zu Füßen liegen.

„Ihr seid alle wunderschön, ihr Süßen. Atemberaubend, die Crème de la Crème, und jeder Mann wäre glücklich, euch an seiner Seite zu haben.“ Er steckt seine Liste weg. „Aber ich bin auch anstrengend. Es ist schwer, mit mir zusammen zu sein, und eigentlich bin ich keiner von euch würdig.“

„Doch, das bist du!“, rufen sie aus.

Wirklich? „Böser, böser Junge“, murmele ich. Ich betrachte die muskulöse Brust, die starken Muskeln. „Dich würde ich in einen Zentauren verwandeln, wenn ich über dich schreiben würde.“

Ich schleiche ein wenig näher an sie heran und verstecke mich hinter einer Kuchenauslage. Ich spioniere nicht wirklich, ich bin nur neugierig. Das ist die Schriftstellerin in mir. Seltsame Begebenheiten inspirieren mich.

Er wippt auf seinen Fersen und scheint einen Moment nachzudenken, während er die Frauen anschaut. „Gut, wenn ihr darauf besteht. Ich mag Frauen, die Football genauso sehr lieben wie ich.“

„Das tun wir“, sagen sie mit Begeisterung.

Er stemmt die Hände in die Hüften und geht gedankenversunken auf und ab. „Ich weiß, aber meine Frau braucht auch einen guten Überblick über meine Statistiken. Sogar darüber, wie schnell ich die vierzig Meter laufe.“

„4,7 Sekunden“, erklärt Mila und wirft den anderen Frauen triumphierende Blicke zu. „Das ist einer der schnellsten Werte in der Liga für einen Quarterback.“

Er blinzelt. „Aber sie muss auch die Statistiken der Running Backs, Tight Ends und Wide Receivers kennen. Ich weiß, ich weiß, ich sehe es in euren Gesichtern. Das ist neu. Die Sache ist die, dass mir die Statistiken letztendlich bei meinem Spiel helfen, und ihr wollt doch, dass ich Profi werde, oder? Das große Geld mache?“

„Aber Dillon, ich kenne doch schon deine Statistiken.“ Mila rattert Prozentsätze und Phrasen herunter. Gesamtzahl der Spielzüge, Passversuche, Abschlüsse, Rushing Yards … Das kommt mir alles Spanisch vor, und ich verliere die Konzentration während ihres Vortrags.

„Warum stellst du neue Anforderungen an uns?“, fragt die Blondine.

„Weil Football ein Spiel der Zahlen ist. Meine Frau, vielleicht die Liebe meines Lebens“, er legt eine Hand auf sein Herz, „wird für diese Zahlen leben. Für alle Spieler der Verteidigung.“

„Das sind elf Spieler!“, antwortet sie.

Er nickt. „Eine vollständige Analyse der letzten drei Jahre genügt mir.“

Seine Ankündigung schlägt ein wie eine Bombe, denn die Frauen schauen sich gegenseitig grimmig an. Vielleicht weil sie befürchten, dass eine von ihnen diese seltsamen Statistiken bereits auswendig gelernt hat.

Er fährt fort. „Wenn euch das zu viel ist, verstehe ich vollkommen, wenn ihr aussteigen wollt. Da habe ich eben Pech gehabt.“

„Wir können das schaffen!“, sagen Mila und die Rothaarige.

Ein besorgter Ausdruck huscht über sein Gesicht, der schnell wieder verschwindet. „Ganz sicher? Ihr müsst mit den Trainern und Assistenten sprechen, um die Zahlen zu erhalten, und dann eine Excel-Tabelle erstellen. Hat jemand von euch Statistik studiert?“

Sie verneinen.

„Das ist wirklich schade. Das wird eine Menge Arbeit werden. Ich glaube nicht, dass ihr die Zeit habt, euch dem zu widmen. Ihr habt Kurse und ein eigenes Leben.“

Er seufzt theatralisch, seine muskulöse Brust hebt sich und die Schultern sinken, als hätten sie ihm gerade gesagt, dass sein Hund gestorben ist. Er wirkt so verzweifelt, dass ich fast erwarte, dass er sich eine Träne aus dem Auge wischt.

Er ist ein Schwindler.

„Das klingt ganz einfach. Ich studiere Medizin“, erklärt Mila, und ich verkneife mir einen Laut der Überraschung. Trikotjägerinnen vor, sage ich! Schöne, intelligente Frauen können Sportler anhimmeln, so viel sie wollen. Ich glaube daran, dass Frauen ihren eigenen Weg gehen sollten. Und wenn sie in einer Art Wettbewerb steht, um die Gunst dieses Mannes zu gewinnen, wer bin ich, dass ich darüber urteile? Früher war ich wie sie und hätte für einen bestimmten Musiker Himmel und Hölle in Bewegung gesetzt. Ich war sofort zur Stelle, wenn er anrief, schwänzte den Unterricht, um zu jedem Konzert im Umkreis von vier Stunden zu fahren. Ich liebte jeden Moment, den wir zusammen verbrachten, und verehrte ihn in meinem Herzen wie ein Juwel, weil ich sicher war, dass er mich auch liebte. Newsflash: Das tat er nicht. Zumindest nicht so, wie ich es mir vorgestellt hatte. Ich war zwar kein Groupie, weil er mich seine Freundin nannte, aber der Grat war sehr schmal. Die Musik machte einen großen Teil seiner Anziehungskraft aus.

„Ich studiere Jura, und es besteht kein Zweifel, dass ich das kann“, sagt die Blondine mit einem mürrischen Gesichtsausdruck. „Obwohl ich Mathe hasse.“

„Dillon, ich könnte mein Hauptfach auf Statistik umstellen“, bietet die Rothaarige an.

Ich verkneife mir ein Kichern bei dem Anflug von Angst, der über sein Gesicht huscht, bevor er das mit diesem entwaffnenden, sexy Lächeln überspielt.

„Nein, das ist nicht nötig, Ashley. Du bist in der Oberstufe. Zu spät, um das Hauptfach zu wechseln. Du hast eine große Zukunft in …“ Er schürzt die Lippen und denkt nach.

„Musik. Ich habe dir letzte Woche ein Video von mir geschickt, in dem ich Lover von Taylor Swift singe. Weißt du noch? Ich sagte dir, es erinnert mich an uns.“

„Ähm, ja.“ Ein weiteres Seufzen, während er für einige angespannte Momente auf den Boden starrt, dann sieht er zu ihnen auf. „Ehrlich gesagt, ich verlange zu viel für ein Date mit mir. Ich weiß, dass ihr für diese Tradition zwischen dem Team und den Thetas unterschrieben habt, und ich bin der Preis, aber vielleicht solltet ihr euch an Sawyer oder Troy wenden und sie überzeugen. Sie werden Superstars sein, und ich werde mich darauf konzentrieren, Spiele zu gewinnen. Dieser Wettbewerb wird nicht zu einer Beziehung mit mir führen.“

Ashley wirft ihr rotes Haar nach hinten und hebt ihr Kinn. „Die Footballspieler haben dich als Preis gewählt, nicht Sawyer oder Troy, und du hast im Mai zugestimmt. Wir können es nicht ändern und du kannst jetzt nicht mehr zurück. Das ist nicht fair. Wir stehen dir seit dem Sommercamp ständig zur Verfügung.“

„Ja, ich merke eure Anwesenheit überall, wo ich hingehe.“

Sie lächelt süß, ihre Nägel fahren über seinen muskulösen Unterarm. „Wir machen uns an die Arbeit und lernen die Statistiken und du wählst die Gewinnerin vor dem Tanz.“ Ashley mustert die anderen Frauen, die zustimmend nicken.

Er denkt einen Moment nach und stemmt dann die Hände in die Hüften, wie um die Aufmerksamkeit auf seine Finger und sein straffes Sixpack zu lenken. „Sohn eines Nussknackers“, flucht er. „Na gut. Bis dahin keine Streitereien, keine Beschimpfungen und kein nächtliches Hereinschleichen in mein Zimmer, verstanden?“

Sie nicken und er scheint sein Gleichgewicht zu finden. Dann murmelt er etwas, während er jede berührt. Ein Streicheln hier, ein Wangenkuss dort, ein Klaps auf den Hintern für die nächste.

Ein leises Lachen entweicht mir, aber es bleibt ungehört, als Patsy Cline über die Lautsprecheranlage singt und davon schwärmt, verrückt nach einem Mann zu sein. Wie passend.

Ich halte inne und lasse fast die Mango in meiner Hand fallen. Moment mal. Sohn eines Nussknackers? Das kenne ich doch! Das ist kein Sprichwort aus den Südstaaten. Jetzt fällt es mir ein. Es ist aus dem Film Buddy – der Elf.

Ich hole mein Handy aus der Handtasche. Verdammt, das ist so perfekt! Genau das, was ich für die Foto-Video-Bingo-Challenge brauche, die wir in der Journalismus-Klasse veranstalten. Es wird schwer sein, das Foto von Professor Whitley zu toppen, der gestern auf dem Campus von einer Gans angegriffen wurde. Das passt wunderbar in die Kategorie Tierangriffe auf dem Campus. Aber ein mit einer Frau diskutierender Sportler, der Buddy zitiert, ist ein Kandidat für die Abteilung Zitiert gern Will Ferrell. Ha! Das könnte ich gewinnen.

Normalerweise wäre ich nicht so motiviert, den Preis zu gewinnen, aber er ist mit fünfhundert Dollar dotiert und ich brauche neue Reifen. Und nicht nur das. Mein armes Auto fällt auseinander, die Scheinwerfer blinken unregelmäßig, der Motor stottert bei jedem Stoppschild und jeder roten Ampel. Ich fahre nur noch mit Hilfe von Gebeten. Die Zeitung bezahlt mich nicht für das Praktikum, und Jobs in der Gastronomie sind rar gesät. Es wäre schön, wenn ich zusätzliches Geld hätte und mir keine Sorgen machen müsste, dass meine mageren Ersparnisse aufgebraucht werden.

Ich krame in meiner Handtasche, finde endlich mein Handy, ziehe es heraus und stolpere dabei über eine Kiste mit Kürbissen. Warum gibt es die schon im August? Das Handy fliegt mir aus der Hand und landet in der Fischabteilung ein paar Meter entfernt. Ich stürze hinüber, bücke mich, den Hintern in der Luft, schnappe mir das Telefon und stehe ruckartig auf. Geschafft! Aber Mr. Hot Pants und sein Gefolge sind verschwunden.

Ich atme tief durch. Mist.

Dann lächele ich.

Kapitel 2

Serena

„Wo sind die verfluchten Oreos?“, frage ich laut genug, um seine Aufmerksamkeit zu erregen. Ich stemme die Hände in die Hüften und betrachte prüfend das Regal. „Normalerweise stehen sie neben den Nutter Butters“, sage ich zu den Erdbeeren in meinem Einkaufswagen. Es ist traurig, dass meine Freunde entweder leblose Dinge oder meine Familie sind.

„Da hast du Pech gehabt“, sagt eine tiefe Männerstimme hinter mir. „Die sind sau gut, oder? Meine Lieblingskekse. Beim ersten Bissen knabbere ich daran, beim nächsten trenne ich den Keks von der weißen Creme und lecke sie ab.“

Zwei Sachen fallen mir sofort auf. Erstens, dass er lecken gesagt hat, was irgendwie eklig ist, und zweitens flirtet er nicht mit mir, sondern seine Stimme klingt gelangweilt. Na gut. Ich will auch nicht, dass er mit mir flirtet. Nana sagt immer: Serena, du fängst zwar nicht gern Ärger an, aber irgendwie begleitet er dich immer. Vielleicht lasse ich mir das tätowieren, aber zuerst kommt ein langer Seufzer aus meiner Brust, während ich mich darauf vorbereite, Mr. Hot Pants genug zu ärgern, um Sohn eines Nussknackers zu sagen. Die Kämpferin in mir, die von einem anderen hübschen Jungen verletzt und niedergetrampelt wurde, brennt darauf, ihn in Stücke zu reißen, eiskalt zu sein und ihn wissen zu lassen, dass ich mich von seiner Aura als heißer Kerl nicht beeindrucken lasse. Aber die andere Seite von mir ist sauer, dass ich ein mit Flecken übersätes, löchriges Four-Dragons-Band-T-Shirt und eine ausgebeulte Tarnfarbenhose trage, was mich aussehen lässt, als wäre ich bereit für eine Hirschjagd. Ich gebe zu, in letzter Zeit ging es mit meinem Sinn für Stil bergab. Mein volles Haar ist dank der Luftfeuchtigkeit leicht gekräuselt, und zu einem wenig schmeichelhaften Pferdeschwanz zurückgebunden. Mein Cowboyhut aus luftigem Stroh ist alt und abgenutzt, obwohl er in einem früheren Leben schnittig und ein bisschen sexy war. In meiner Anfangszeit auf der Waylon trug ich ihn zu einem knappen roten Bikini und Flip-Flops, als ich mich mit meinen Mitstudentinnen am See sonnte. Jetzt bedeckt er nur noch meine Frisuren, wenn sie aussehen, als wäre ich gerade erst aufgestanden. Meine übergroße Brille ist verschmiert, weil ich mit dem Zeigefinger dagegen gestoßen bin, und auf meiner Wange juckt mich immer noch eine Kissenfalte von meinem Mittagsschlaf.

Also ist mir der Mann gerade völlig egal. Der Tag, an dem ich anfange, mich darum zu kümmern, was irgendein Sportler über mein Aussehen denkt, ist der Tag, an dem ich sterbe. Ich habe auf die harte Tour gelernt, dass die einzige Person, die ich jemals beeindrucken will, ich selbst bin. Meine Tage, an denen ich mich nach der Aufmerksamkeit eines Frauenhelden sehne, sind vorbei.

Ich stelle mein Handy auf Videoaufnahme. So unauffällig wie möglich schwenke ich es in seine Richtung, während ich abbiege. In meinem Kopf tanzen Visionen von meinem zehn Jahre alten Highlander, der mit neuen Reifen aufgemotzt wurde.

Von meiner vollen Größe von einsfünfundsechzig schaue ich zu ihm auf. Es ist nicht nötig, diesen Kerl zu bezirzen. Seine Freundinnen sind groß. Und ich bin klein.

So nah, etwa zwei Meter voneinander entfernt, ist seine Schönheit wie ein körperlicher Angriff auf meine Sinne. Berauschend, vibrierend vor intensiver Männlichkeit. Er ist atemberaubend schön. Dieses kantige Gesicht, der göttliche Körper, alles von einem Hauch schwelender Sexualität umgeben. Es sollte verboten sein, so attraktiv zu sein. Ich überprüfe meinen Puls. Er ist ganz normal. Ich bin also völlig unbeeindruckt.

Irgendwann hat er seine Mütze falsch herum aufgesetzt. Kleine Strähnen hellbrauner, fast blonder Haare ragen aus dem verstellbaren Band auf seiner Stirn hervor. Seine Wangenknochen werden von dem Neonlicht betont und seine Bartstoppeln sind dicht und dunkel. Ich frage mich, ob er sich jeden Tag rasieren muss, um diesen Schatten in Schach zu halten. Seine Augen, umrahmt von dichten Wimpern, sind türkisblau wie das Meer. Sein Blick ist heiter und deutet doch eine Tendenz zum Stürmischen an. Interessant. Vorhin wirkte er teilnahmslos, aber jetzt spüre ich einen Mann mit Ecken und Kanten. Die Autorin in mir wittert innere Unzufriedenheit.

Du Armer, ist es so schlimm, von hübschen Frauen umgeben zu sein, die sich um dich reißen?

Seine Nase ist wie eine Klinge, scharf, gerade und römisch, und sein Hals ist nicht muskulös oder dick wie bei manchen Footballern, sondern kräftig, wie bei einer Statue in einem Museum. Er erinnert mich an einen erotischen David von Michelangelo. Und seine Brust … oh Mann, warum knöpfst du dein Hemd nicht zu? Ich kann fast einen Nippel sehen. Meine Schwäche sind Tattoos, und seine tanzen über seine Brust und faszinieren mich. Vielleicht kann ich wenigstens diese eine kleine Rose berühren …

Schluss jetzt!

Ich behalte sein Gesicht im Auge und höre auf, ihn optisch zu verschlingen. Er wirft mir einen desinteressierten Blick zu. Nein, kein hübsches Mädchen, deutet seine Haltung an. Er wendet seine Aufmerksamkeit dem Regal zu. Ich beobachte ihn länger, als es anständig wäre, lasse ihn meinen Blick spüren und gebe auf, als er es gar nicht bemerkt. Ich begnüge mich damit, die zwanzig Packungen Oreos in seinem Einkaufswagen zu zählen. Mistkerl.

Er wirft mir einen fragenden Blick zu. Oh, oh! Er hat als Letzter gesprochen und wartet darauf, dass ich ihn anhimmele. Mit dem Zeigefinger rücke ich meine weiße Brille zurecht. „Wusstest du, dass es 59 Minuten dauert, Oreos zu backen?“

„Ach ja? Faszinierend.“ Er greift um mich herum und nimmt eine Packung Nutter Butters aus dem Regal.

Genau, was ich erwartet habe. Ich werde in seiner Welt nicht wirklich wahrgenommen.

Ich nehme ebenfalls eine Packung Nutter Butters, denn ich werde ihm die nicht auch noch überlassen. Mein Arm streift seinen. Das verursacht kein einziges Kribbeln.

„Jeder Oreo-Keks wird genau 290,6 Sekunden lang bei einer Temperatur von 400 Grad Fahrenheit auf der Oberseite und bei 300 Grad auf der Unterseite gebacken. Das ist sehr präzises Backen.“

„Ähm, aha.“

Er prüft die Uhr an seinem Handgelenk, eine teure Taucheruhr, und sieht sich dann um, wahrscheinlich auf der Suche nach seinem Harem. An seinem anderen Handgelenk trägt er ein breites Lederarmband mit einem glitzernden Quarz in der Mitte. Es sieht abgenutzt aus und passt nicht so recht zu meiner Vorstellung von ihm. Vielleicht ein Erinnerungsstück? Egal.

„Und die doppelt gefüllten Oreos? Die sind eine totale Verarsche“, fahre ich fort. „Die sind nur 1,86-mal größer als die normalen. Sehr ärgerlicher Werbegag. Ich meine, wo doppelt gefüllt draufsteht, sollte auch doppelt gefüllt drin sein. Ob ich mich wohl an die Gewerbeaufsicht wenden sollte? Andererseits bezweifle ich, dass das etwas bringen würde. Es sind genug Oreos verkauft worden, um die Welt 481-mal zu umrunden.“

Er geht den Gang entlang und holt sich Schokokekse. „Ich verstehe schon, du liebst Oreos. Tut mir leid, dass ich sie alle genommen habe. Sie sind im Angebot. Fünf Dollar Rabatt, wenn man zehn kauft. Bei diesem Preis sind sie praktisch umsonst. Jeder liebt kostenlose Kekse, und wir machen eine Party. Leder und Kekse ist das Motto, und bevor du fragst, ja, es war meine Idee.“

„Kreativ.“ Ich folge ihm und stoße absichtlich versehentlich seinen Wagen mit meinem an.

Er sieht mich stirnrunzelnd an, während diese emotionalen – ja, emotionalen – türkisen Augen über mein Gesicht blicken, an meinem Hut verweilen, das Loch in meinem Shirt betrachten, meine schwarz-grüne Tarnhose, und dann auf meinen roten Doc Martens landen, meinem einzigen modischen Aspekt. Er lässt sich Zeit und sein Blick kommt zurück zu meinem Gesicht, das ich gelassen halte, aber okay, es fällt mir schwer. Für ein paar Sekunden im Mittelpunkt der Aufmerksamkeit zu stehen, ist ein wenig beunruhigend, aber nichts, womit ich nicht umgehen könnte. Ich widerstehe seinem heißen Äußeren! Ich bin eine Frau!

„Jeder Oreo hat neunzig Rillen am Rand …“

„Am Rand?“ Er schüttelt den Kopf, als ob er aus einem bösen Traum erwacht ist.

„… und der nationale Oreo-Tag ist am 6. März. Leider wissen das die meisten Leute nicht. Ich feiere das normalerweise, indem ich sie in einem Croissant frittiere. Köstlich.“

Er blinzelt. „Also gut, du willst eine Packung von meinen Oreos haben. Das verstehe ich. Normalerweise wäre ich nett, aber ich habe meinem Team versprochen, dass ich genug für alle mitbringe. Ich habe vierzig Leute bei mir zu Hause. Das verstehst du doch, oder?“

Auf seinem Gesicht ist die kleinste Andeutung eines Zögerns zu sehen, als wäre er kurz davor, mir doch etwas abzugeben. Vielleicht hat er Mitleid mit mir, doch dann klingelt sein Telefon und er vergisst mich, während seine Finger mit dem Schreiben einer Nachricht beschäftigt sind.

Als er den Gang entlangwandert, folge ich ihm und halte unsere Einkaufswagen nebeneinander. Es ist schwierig, weil ich einer Auslage mit Erdnusstüten ausweichen muss. Außerdem sind meine Beine kürzer als seine, und er geht schnell, aber ich schaffe es.

„Eine Studie aus dem Jahr 2013 besagt, dass Oreos genauso süchtig machen wie Kokain. Wenn ich mir etwas aussuchen müsste, nach dem ich süchtig bin, wäre ein Keks nicht schlecht. Meine kleine Schwester liebt sie sehr. Sie ist so süß.“

Sein Telefon scheinbar vergessen, dreht er den Kopf in meine Richtung und blinzelt. Sein Blick verweilt auf meinem Hut. Ein schmerzhafter Ausdruck blitzt in seinem Gesicht auf, als würde es ihm wehtun, mich anzuschauen. Es ist der Hut, ich weiß. Schrecklich.

„Schwester? Wie alt?“

„Vier. Einfach niedlich.“ Siebzehn, du Schwindlerin.

„Mein Bruder mochte am liebsten Oreos. Er hat sie immer in ein Glas Milch zerbröselt. Ziemlich eklig.“ Ein schwaches Lächeln flackert auf seinen Lippen.

„Schön. Gib mir einfach eine Packung Kekse und ich bin weg.“

Eine misstrauische Stille breitet sich zwischen uns aus, ein Knistern liegt in der Luft. Ein seltsamer Ausdruck macht sich auf seinen Zügen breit. Er senkt die Wimpern, um seinen Blick zu verbergen. „Kennen wir uns von irgendwoher?“

„Nein.“

„Du kommst mir bekannt vor.“

„Echt?“

„Gehst du auf die Waylon?“

„Tut das nicht jeder?“ Er kann mich unmöglich kennen. Ich gehe nicht zum Sport. Da die meisten meiner Freunde ihren Abschluss gemacht haben und weggezogen sind, halte ich mich eher zurück. Vielleicht hat er mich in der Bibliothek gesehen, aber irgendwie fällt es mir schwer, mir diesen Mann dort vorzustellen. Er lässt sicher eine seiner Freundinnen für ihn lernen.

„Beantwortest du eine Frage immer mit einer Gegenfrage?“, will er wissen.

„Ist das eine Fangfrage?“

„Kennst du mich?“

Ich grinse leicht. „Oh, ja. Du heißt David und spielst Lacrosse.“

Er wippt auf seinen Fersen. „Falsch. Wenn du wüsstest, wer ich bin, würde ich dir vielleicht eine meiner Packungen Oreos geben.“

Ich lasse meinen Blick träge über ihn gleiten. „Mein Fehler. Daniel.“

„Nein.“

„Ups. Dexter, sag mal, wie sieht es mit der neuen Lacrosse-Saison aus? Denkst du, wir werden dieses Jahr die Leland University schlagen? Oder Whitman? Ich habe gehört, Hawthorne hat euch letztes Jahr ganz schön in den Arsch getreten.“

Seine Wangen erröten, und wenn ich raten müsste, würde ich sagen, dass sich Wut in ihm aufbaut. Ist es seltsam, dass ich ihn gern aufziehe?

Ja. Auf jeden Fall.

Er geht den Gang entlang. Ich folge ihm, und sein Blick schärft sich, als er zu mir herüberschaut.

„Verfolgst du mich?“

„Hallo? Ich muss ja wohl diesen Gang zu Ende gehen. Stalken dich die Leute normalerweise? Wozu denn?“

„Mädchen folgen mir überallhin. Ich bin daran gewöhnt, aber du bist irgendwie seltsam. Vielleicht sollte ich lieber den Sicherheitsdienst rufen.“ Er zuckt mit den breiten Schultern.

Oh! Empörung steigt in mir hoch und mischt sich mit einem irrationalen Bedürfnis, den Sportler aufzuziehen. Eigentlich sollte es hier darum gehen, das Video zu bekommen, aber jetzt will ich ihn einfach nur ärgern. Vielleicht liegt es daran, dass er mich an meinen Ex und dessen Gefolgschaft erinnert.

„Ich will nur die Oreos“, sage ich pampig.

Er nimmt eine Tüte M&Ms, wirft sie in seinen Einkaufswagen und geht vor mir her. „Ich wette, Walmart hat noch offen.“

Ich widerstehe dem Drang, mit dem Fuß aufzustampfen. „Der ist auf der anderen Seite der Stadt. Ich muss noch meine Einkäufe erledigen und dann meine Oma im Pflegeheim besuchen. Weißt du, was ihr Lieblingskeks ist?“

„Oreos, wette ich. Arme Oma. Wenn du nur netter gefragt hättest, vielleicht mit den Wimpern geklimpert, wäre ich möglicherweise bereit gewesen.“

„Dillon! Welches Bier willst du? Die Auswahl ist ja nicht gerade groß“, ruft Ashley vom anderen Ende des Ganges, während sie einen Sechserpack Bud Light in der einen und einen mit Michelob in der anderen Hand hält.

Das ist wirklich ein hübsches Kuhfleckenkleid. Es ist super eng. Zwar hatte ich auch schon so enge Klamotten an, aber ich sah nicht so gut aus wie sie.

Er lächelt sie an, was sein Gesicht erhellt. Ein völlig anderer Ausdruck als bei mir vorhin. Das macht mich wütend.

„Nein, Süße, nichts von der Pisse. Nimm das Flat Tire. Das ist das einzige, das ich trinke.“

„Fat Tire, okay“, antwortet sie.

„Nein! Flat Tire“, erwidert er.

Sie sieht die anderen Mädchen an. „Ich habe euch doch gesagt, dass das falsch ist!“ Sie lächelt für Mr. Hot Pants. „Alles klar, Baby! Ich bringe dir alles, was du haben willst!“

Sie wirft ihm einen Kuss zu, ohne mich eines Blickes zu würdigen, dann verschwindet sie in einem anderen Gang. Als ich mich wieder umdrehe, ist er näher an mich herangekommen. Sein Duft schlägt mir entgegen, überfällt meine Sinne. Der Geruch von Leder gemischt mit erdigen männlichen Noten. Vielleicht Sandelholz und Vanille. Geradezu ekelhaft verführerisch.

Ich recke meinen Hals, um zu ihm aufzuschauen. „Du bist ein Geheimniskrämer? Das ist keine Frage, sondern eine Feststellung. Was tust du da?“ Die Tonlage meiner Stimme wird lauter, als er näher kommt.

„Ich kenne dich.“ Seine Stimme hat sich vertieft, weich und seidig.

„Ich habe eins dieser gewöhnlichen Gesichter und gehe in der Menge unter wie ein Chamäleon.“

„Hm.“ Seine Augen starren in die meinen, und so nah sehe ich einen silbernen Ring um seine Iris. Er senkt den Blick und schaut auf meine unscheinbare Brust.

Ich widerstehe dem Drang, die Schultern zu straffen.

„Hörst du die Band?“

Oh. Ich schaue auf mein verblichenes Four-Dragons-Shirt, ein altes Erinnerungsstück, von dem ich mich nicht trennen konnte. In den ersten Tagen habe ich darin geschlafen und mir den Liebeskummer weggewünscht, aber jetzt trage ich es, weil es luftig und sauber ist und in meiner Schublade lag. Ich kann mit Stolz sagen, dass ich es angezogen habe, ohne an Vane zu denken.

Ich zucke gleichgültig mit den Schultern. „Ich bin mir ziemlich sicher, dass ich sie ein oder zwei Mal gehört habe.“ Was ich nicht sage, ist: Ich war jahrelang mit dem Leadsänger zusammen, dann ging die Welt in Flammen auf. Ein Gefühl der Enge macht sich in meiner Kehle breit und ich verdränge diese Gedanken, sperre sie in eine Schachtel, wickele eine dicke Kette darum und werfe sie in einen dunklen Schrank in meinem Gehirn.

Er nimmt seine Kappe ab, streicht sich mit der Hand durch sein wirres Haar und setzt die Kappe wieder richtig herum auf. „Verrückt, dass diese lokalen Jungs jetzt Songs in den Billboard-Charts haben. Das gibt mir das Gefühl, als würde ich sie kennen. Wie war der Name des Leadsängers? Vince? Nein …“

„Vane“, murmele ich. Seine Band ist eine Mischung aus alternativem Rock und Delta-Blues, exzentrisch im Sound und voller schwermütiger Texte. Er hat sogar einen Song über mich geschrieben, nachdem wir uns getrennt hatten. Sweet Serena. Ich stelle ihn mir jetzt vor, sein schwarzes Haar, sein tätowierter Körper – wahrscheinlich mit einem Groupie im Bett.

„Stimmt.“ Er betrachtet mich genauer, als wäre ich ihm ein Rätsel. „Wie heißt du?“

Er macht einen weiteren Schritt auf mich zu, und ich lehne mich mit dem Rücken an ein Regal. Mein Herz schlägt schneller und ich spüre ein seltsames Kribbeln im Nacken, ein Gefühl von etwas Schwerem und Kompliziertem, das mich zu verschlingen droht. Er hat es geschafft, mir unter die Haut zu gehen, obwohl ich mich für immun gehalten habe. Ich atme tief ein, als sich unsere Blicke treffen. Irgendetwas an ihm ruft meine Erinnerung wach.

„Ich muss los.“ Ich manövriere meinen Wagen um seinen herum und verschwinde im nächsten Gang.

Oh Gott. Kein Video ist es wert, sich mit einem Casanova herumzuschlagen.

Ein paar Minuten später gehe ich zur Kasse und stelle mich an. Mr. Hot Pants und sein Gefolge kommen hinter mir an. In dem engen Raum, der auf der einen Seite von Süßigkeiten und auf der anderen Seite von Zeitschriften begrenzt wird, gehe ich einen Schritt vor, um Abstand zwischen uns zu schaffen. Ich nehme eine Ausgabe des World Enquirer in die Hand und blättere die Zeitschrift durch. UFOs in Kanada gesichtet, eine Seeschlange an der Küste von Cornwall, Katy Perry schwanger … Ich schnaube. Ich kann mit geschlossenen Augen bessere und sinnvollere Geschichten schreiben.

Er steht hinter mir, sein Körper strahlt so viel Wärme ab, dass er eine ganze Stadt versorgen könnte. Die Frau vor mir ist mit ihrem Einkauf fertig, und ich trete vor und stelle die vier Sixpacks Flat Tire auf das Band.

Ja, ich habe sie alle mitgenommen.

In dem Moment, in dem er sieht, was ich habe, steigt die Spannung in der Luft.

„Komm schon, jetzt bist du einfach nur boshaft. Du hast das ganze Bier genommen“, sagt er.

„Was ist los?“, fragt die Blondine.

„Bittet dich schon wieder jemand um ein Autogramm?“, fragt Mila.

„Sie hat dein Bier genommen? Wer ist sie?“, fragt Ashley misstrauisch, und ihre scharfen grünen Augen mustern mich von oben bis unten.

Ich seufze. „Niemand, den du kennst.“

Er verengt die Augen. „Okay. Jetzt bin ich tauschbereit. Eine Packung Oreos gegen ein Sixpack. Was sagst du dazu, Süße?“

Ich zucke mit den Schultern und wiederhole seine Worte von vorhin, als wäre es mir egal. „Flat Tire, das ist gut, oder? Das ist mein Lieblingsbier. Das erste Bier trinke ich in einem Eisbecher. Beim zweiten lasse ich mir Zeit, lehne mich in einem Stuhl auf der Terrasse zurück und nehme kleine Schlucke, damit ich jeden malzigen Tropfen lecken kann.“ Okay, das ergibt keinen Sinn. Würde ich nicht jeden Malztropfen trinken? Ich meine, ich würde nicht wirklich das Bier oder den Krug ablecken. Ja, das ist ein Fehler. Aber ich musste irgendwie das Lecken unterbringen.

Die Kassiererin rechnet das teure Bier ab und ich erbleiche angesichts des Preises. Vielleicht muss ich diese Woche Nudeln mit Obst und Nutter Butters essen.