6,99 €
Viele Menschen machen sich heute - gerade auch im Blick auf die grassierende Corona-Pandemie - Gedanken über ein hoffentlich nie eintretendes Ereignis: eine schwere Erkrankung und gleichzeitig der Verlust der Fähigkeit, Entscheidungen über medizinische Behandlung selbst treffen zu können. Hierfür sorgen sie mit einer Vorsorgevollmacht und einer Patientenverfügung vor. Aber sind Patientenverfügungen immer gut und sinnvoll? Oder kann eine Patientenverfügung auch gefährlich sein? Eine Patientenverfügung stellt eine einzigartige Festlegung für eine Situation dar, deren Bedeutung für viele Menschen weder aus medizinischer noch aus juristischer Sicht hinreichend klar ist. Anhand von Beispielen werden die Bedeutung, aber auch die Risiken dargestellt, die mit einer Patientenverfügung verknüpft sind. Dabei wird er auch auf die aktuelle Rechtsprechung zur Patientenautonomie und zu den Voraussetzungen für eine Gültigkeit von Patientenverfügungen eingegangen.
Das E-Book können Sie in Legimi-Apps oder einer beliebigen App lesen, die das folgende Format unterstützen:
Seitenzahl: 51
Veröffentlichungsjahr: 2020
3. Auflage 2020
Über den Autor:
Dr. med. Christoph Uhrlau, Jahrgang 1963, ist Facharzt für Anästhesiologie und verfügt über die Zusatzbezeichnungen Intensivmedizin und Notfallmedizin. Nach Studium und Facharzt-Weiterbildung an der Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg war er als Facharzt und Oberarzt am Institut für Anästhesiologie am Klinikum Bamberg tätig. Seit 2003 leitet er als Chefarzt die Klinik für Anästhesiologie und Intensivmedizin am Kreiskrankenhaus Freiberg (Sachsen). Die Schwerpunkte seiner Tätigkeit sind neben der klinischen Anästhesie die Leitung der interdisziplinären Intensivstation sowie die Weiterbildung von Assistenzärzten in den Fachgebieten Anästhesie und Intensivmedizin. Er ist Mitglied des Ethikkomitees des Krankenhauses sowie verschiedener anästhesiologischer und intensivmedizinischer Fachgesellschaften (Deutsche Gesellschaft für Anästhesiologie und Intensivmedizin, Deutsche Interdisziplinäre Gesellschaft für Intensiv- und Notfallmedizin, Deutsche Gesellschaft für Internistische Intensivmedizin, European Society of Anesthesiology).
Wichtige Hinweise:
Die Medizinische Wissenschaft ist wie die Rechtsprechung ständig im Fluss. Alle Angaben in diesem Buch sind zum Zeitpunkt des Erstellens mit größter Sorgfalt und Umsicht erstellt worden. Dennoch sind diese in jedem Fall auf ihre Korrektheit zu überprüfen. Eine Gewähr für die Richtigkeit kann in keinem Fall übernommen werden. Insbesondere kann dieses Buch keinerlei Rechtsberatung bieten bzw. eine Rechtsberatung durch Rechtsanwälte oder Notare ersetzen.
In diesem Buch wird aus Gründen der besseren Lesbarkeit ausschließlich die männliche Form verwendet. Sie bezieht sich auf Personen beiderlei Geschlechts.
Grundlagen
1. Wozu eine Patientenverfügung?
2. Ein kurzer Ausflug in die Rechtswissenschaften
3. Medizinische Entscheidungsfindung
Meine Patientenverfügung
4. Aufbau einer Patientenverfügung
5. Anforderungen an eine Patientenverfügung
6. Inhalte der Patientenverfügung
Und jetzt ist alles gut?
7. Wie wird eine Patientenverfügung umgesetzt?
8. Was passiert ohne Patientenverfügung?
9. Risiken einer Patientenverfügung
10
.Tipps für eine gute Patientenverfügung
11.Tipps für Bevollmächtigte
12.Häufig gestellte Fragen
Patientenverfügungen in Zeiten der Corona-Pandemie
13.Die Corona-Pandemie
13.1. Die Erkrankung COVID-19
13.2. COVID-19 und Intensivmedizin
13.3. Triage
13.4. Welche Rolle spielt eine Patientenverfügung bei COVID-19?
Viele Menschen fertigen eine Patientenverfügung an. Sie hoffen, sich damit vor einer scheinbar „entfesselten Medizin“ schützen zu können, wenn sie aufgrund einer schweren Erkrankung nicht mehr in der Lage sind, selbst Entscheidungen über Behandlungen und Operationen zu treffen. Die Medien tun ein Übriges dazu, die Bevölkerung von der Notwendigkeit einer Patientenverfügung als einzig verfügbarem Bollwerk gegen die „Apparatemedizin“ zu überzeugen.
STOP!
Als Intensivmediziner mit fast 30jähriger Berufserfahrung widerstreben mir die nicht enden wollenden Berichte über die „seelenlose Apparatemedizin“, die Sterbende nahezu unendlich am Leben erhält, und das nur, um immer mehr Geld verdienen zu wollen. Sicher, es gibt langwierige und schwere Krankheitsverläufe und sicher kommt es auch vor, dass das Ziel, den Patienten wieder in einen von ihm gewünschten Gesundheitszustand zu bringen, aus den Augen verloren wird. Dennoch leisten die allermeisten Ärzte und Pflegekräfte im Krankenhaus wie auch im ambulanten Bereich nicht selten Übermenschliches im Interesse ihrer Patienten. Und sie wissen genau und akzeptieren auch, dass sie das angestrebte Ziel nicht mit jedem Patienten erreichen können.
In Deutschland hat jeder Bürger das Recht und die Möglichkeit zu entscheiden, welche medizinischen Maßnahmen an ihm vorgenommen werden oder welche zu unterlassen sind. Keiner wird gegen seinen Willen behandelt, wenn er seinen Willen rechtzeitig und bei klarem Verstand festlegt.
Eine Patientenverfügung ist die beste Möglichkeit, in „guten Zeiten“ festzulegen, was in „schlechten Zeiten“ passieren soll und was nicht! Aber die Sicherheit durch eine Patientenverfügung erhält man nicht durch das Herunterladen eines Vordruckes aus dem Internet. Um eine gute Patientenverfügung zu erstellen, ist es unerlässlich, sich mit dem Thema genau zu befassen, sich über seine Wünsche klar zu werden und sich auch mit dem eigenen Tod auseinanderzusetzen. Und dies möglichst frühzeitig, nicht erst auf der Zielgerade des Lebens. Dies bedeutet aber nicht nur eine hohe Bereitschaft zur Selbstreflexion, sondern erfordert auch Wissen um die juristischen und medizinischen Grundlagen einer Patientenverfügung. Aber eine Patientenverfügung kann auch Risiken beinhalten - auch das wird in diesem Buch dargestellt.
Das Buch entstand auf der Grundlage einer Vielzahl von Vorträgen zum Thema: in der Öffentlichkeit, vor ärztlichen Kollegen, bei Vereinen und Selbsthilfegruppen. Die sich an die Vorträge anschließenden Diskussionen sowie unzählige Gespräche mit Patienten und deren Angehörigen zeigten immer wieder ein gewisses Informationsdefizit, verbunden mit falschen Erwartungen und Ansprüchen an eine Patientenverfügung. Einige der dort aufgeworfenen Fragen und entdeckten Missverständnisse versuche ich, mit diesem Buch zu erklären bzw. auszuräumen.
Die Corona-Pandemie führt zu einer ganz neuen, bislang unbekannten Situation: der Knappheit von Intensivbetten für Schwerkranke. Auch in dieser Situation ist eine wohl überlegte und gut formulierte Patientenverfügung hilfreich und kann Ihren Willen ausdrücken, aber auch verhindern, dass Ihnen realistische Behandlungsoptionen nicht verwehrt werden..
Ch. Uhrlau, April 2020
Die Begriffe Patientenwille, Patientenverfügung und Vorsorgevollmacht begegnen uns nahezu täglich - in den Medien, in persönlichen Gesprächen, im Rahmen von Erlebnissen mit Familienangehörigen oder Freunden. Weshalb sind diese Themen so im Fokus der Allgemeinheit angekommen? Die Gründe sind vielfältig:
Die moderne Medizin zwischen Erwartungen und Realität
Im Allgemeinen gehen die Erwartungen an die moderne Medizin weit über das Sinnvolle und realistisch Erreichbare hinaus. Warum eigentlich?
Die moderne Medizin kann heute Untersuchungen, Therapien und Operationen anbieten, die vor Jahren noch als unmöglich galten oder wegen fast zwangsläufiger Erfolglosigkeit Patienten nicht angeboten wurden. Allerdings werden durch diese Fortschritte bei der Durchführung von Therapien immer häufiger ethische und moralische Grenzen erreicht, manchmal leider auch auch überschritten. Dies führt bei Patienten zu irrationalen Ängsten.
Die Bevölkerung begrüßt zwar einerseits die Fortschritte der Medizin, indem sie immer weniger bereit ist zu akzeptieren, dass auch die Spezies Mensch natürlichen Alterungsprozessen unterliegt. Dass ein Nachlassen der körperlichen und geistigen Leistungsfähigkeit ein zwangsläufiger Prozess ist, war bis zum Ende des vergangenen Jahrhunderts eine allgemein akzeptierte Tatsache. Heute sind Menschen - zumindest in der Darstellung der Medien und der Werbung der Pharmaindustrie - alterslos „fit“.
Abbildung 1.1.: Alte Menschen beim Sport am Strand