Ich hör nicht auf, ich fang erst an - Elisabeth Schlumpf - E-Book

Ich hör nicht auf, ich fang erst an E-Book

Elisabeth Schlumpf

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Beschreibung

Für Neugier ist man nie zu alt

Wie wäre es, sich selbst als kostbare Antiquität anzusehen, die zwar vom Leben einige Schrammen abbekommen, aber zunehmend an Leuchtkraft gewonnen hat? So fragt die Autorin und beschreibt, wie diese Leuchtkraft entsteht: nämlich, wenn die drei Bereiche Liebe, Leidenschaft und Lebendigkeit in allen Facetten entfaltet werden. Die Schweizer Psychotherapeutin ermutigt, diese Phase des Lebens zu genießen, auch wenn manchmal gravierende Veränderungen integriert werden müssen.

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Seitenzahl: 166

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Das Buch

Die Schweizer Psychotherapeutin Elisabeth Schlumpf beschreibt humorvoll und liebenswürdig die Lebenslagen, in die wir alle kommen, wenn wir älter werden. Sich nicht von sich selbst abzuwenden, sondern das wahrzunehmen, was einem das Leben bietet, und es lustvoll zu genießen, ist ihr Plädoyer.

Die Autorin

Elisabeth Schlumpf praktiziert und lebt in Zürich. Sie ist eine vielgefragte Supervisorin, Vortragsrednerin und erfolgreiche Buchautorin.

Elisabeth Schlumpf

Ich hör nicht auf, ich fang erst an!

Die Kunst des guten Alterns

Kösel

Der Inhalt dieses E-Books ist urheberrechtlich geschützt und enthält technische Sicherungsmaßnahmen gegen unbefugte Nutzung. Die Entfernung dieser Sicherung sowie die Nutzung durch unbefugte Verarbeitung, Vervielfältigung, Verbreitung oder öffentliche Zugänglichmachung, insbesondere in elektronischer Form, ist untersagt und kann straf- und zivilrechtliche Sanktionen nach sich ziehen.Sollte dieses E-Book Links auf Webseiten Dritter enthalten, so übernehmen wir für deren Inhalte keine Haftung, da wir uns diese nicht zu eigen machen, sondern lediglich auf deren Stand zum Zeitpunkt der Erstveröffentlichung dieses E-Books verweisen.Copyright © 2020 Kösel-Verlag, München, in der Verlagsgruppe Random House GmbH, Neumarkter Str. 28, 81673 MünchenUmschlag: Weiss Werkstatt MünchenUmschlagmotiv: © shutterstock / Le Panda, Bild Nr. 632149910Lektorat: Dr. Peter Schäfer, GüterslohSatz: Vornehm Mediengestaltung GmbH, MünchenISBN 978-3-641-24413-2V001www.koesel.de

Inhalt

Älterwerden mit Liebe, Leidenschaft und Lebendigkeit

Liebe

Gute Vorbilder: Modelle fürs Altern

Freunde und Geliebte: Beziehungen im Alter

Sexualität im Alter: Kein Tabu mehr

Selbstannahme: Besonders den Frauen gewidmet

Generationen: Großelternschaft verpflichtet!

Leidenschaft

Leidenschaft im Alter? Möglich und nötig!

Gefühle spüren: Körperorganisation im Alter

Formwandel: Der Körperschwerpunkt sinkt ins Becken

Die Muße und das Muss: Genießen will gelernt sein

Besondere Ängste im Alter: Wie damit umgehen?

Dankbarkeit: Glücklichsein im Alter

Tiere: Freunde und Helfer

Der Augenblick: Vergänglich und ewig

Lebendigkeit

Übergänge im Leben: Die Kunst des Neuanfangs

Schlimmer als altern? Die Lebensgeschichte wirkt

Der Nuggibaum: Wir brauchen Abschiedsrituale

Rückzug von der Welt? War früher alles besser?

Vergesslichkeit: Vorteile und Gegenmittel

Stressreaktionen: Körperliche Alarmsignale im Alter

Der reparaturbedürftige Körper: Ertragen und trotzdem leben

Reue: Gibt es etwas, das ich bedauere?

Schmerzliche Verluste: Wenn das Loslassen unmöglich scheint

Der Raum des Abschieds: Orientierung üben

Die letzten Tage: Sterbebegleitung und Freitod

Wenn heute mein letzter Tag wäre: Was würde ich tun?

Herbst oder Winter? Das Alter als Jahreszeit

Humor: Entspannend und befreiend

Der Blick fürs Neue: Leicht verlernt

Lob der Langsamkeit: Neue Möglichkeiten

Das Archiv der Erinnerungen: Unser Archiv!

Spiritualität: Das große Ganze spüren

Altersbilanz ziehen: Sehen, was wir gewinnen

Anhang

Dank

Anmerkungen

Herangezogene und empfehlenswerte Literatur

Älterwerden mit Liebe, Leidenschaft und Lebendigkeit

Jede Blüte will zur Frucht,

Jeder Morgen Abend werden,

Ewiges ist nicht auf Erden

Als der Wandel, als die Flucht.

Auch der schönste Sommer will

Einmal Herbst und Welke spüren.

Halte, Blatt, geduldig still,

Wenn der Wind dich will entführen.

Spiel dein Spiel und wehr dich nicht,

Lass es still geschehen.

Lass vom Winde, der dich bricht,

Dich nach Hause wehen.

»Welkes Blatt« von Hermann Hesse 1

Herrmann Hesse schrieb dieses schöne und zugleich tiefsinnige Gedicht 1933 – im Alter von 56 Jahren. Er hat damit nach heutigen Begriffen früh im Leben den Gedanken an die Vollendung und die Endlichkeit allen Lebens und aller Dinge aufgegriffen. Er hat den Gedanken an das Ende mit der Idee des Reifens verknüpft, die als Sehnsucht in jeder Frucht liegen soll. Menschliche Reife hängt weder vom Alter ab, noch erreichen wir sie selbstverständlich mit den Jahren. Nur wenn wir die Wachstumschancen wahrnehmen, die wir auch im Alter haben, entwickeln wir uns zu reifen Menschen. Hesse macht in seinem Gedicht nicht nur die Natürlichkeit des »Stirb und Werde« deutlich, sondern auch die Möglichkeit des Geschehenlassens, des Annehmens unserer Vergänglichkeit.

Zugleich tröstet er uns, indem er uns ein Zuhause in Aussicht stellt, das uns erwartet. Hesse rät uns, uns dem Gang und dem Ende der Dinge nicht in den Weg zu stellen, damit wir uns unserem Schicksal hingeben können. Damit wir uns mit dem Schicksal anfreunden können. Mit dieser Einstellung könnten wir unser Alter als erfüllt erleben.

Doch in unserem Alltag sind wir auf das Altern schlecht zu sprechen. Alt sein – warum erschreckt uns dieser Gedanke?

Bestimmt kennen Sie den Satz: »Alt werden wollen wir alle, aber alt sein will niemand.« Er ist bezeichnend für unsere Gesellschaft, über der die Vorstellung vom Alter wie eine drohende Wolke hängt. Alt werden ja, aber bitte in jugendlicher Frische und Leistungsfähigkeit! Weil Älterwerden bedeutet, etwas von diesen Eigenschaften zu verlieren, fürchten viele Menschen das Altern wie der Teufel das Weihwasser.

Frauen fürchten beim Altern unter anderem den Verlust ihrer straffen Haut, Männer machen sich Sorgen um ihre Potenz. Daher fluten all die vielen Anti-Aging-Produkte und Potenzmittel den Markt. Nicht mehr konkurrenzfähig zu sein, zum alten Eisen zu gehören, nicht mehr begehrt zu werden – ein wahrhaft schrecklicher Gedanke!

Doch muss diese Angst wirklich sein? Ist Altern wirklich so schlimm? Oder sind es unsere Vor-Stellungen, das, was wir gedanklich vor die Wirklichkeit schieben, was uns Angst macht? Als ich anfing zu begreifen, dass ich selbst auch eines Tages alt sein werde, habe ich ein Buch geschrieben, in dem ich mein Konzept eines erfüllten Alters entwickelte. Sein Titel: »Wenn ich einst alt bin, trage ich Mohnrot.« »Mohnrot« steht für die drei Ls, auf die wir auch im Alter nicht verzichten müssen: Liebe,Leidenschaft und Lebendigkeit.

Das erste L: Liebe

Liebe ist ein Mysterium. Sie hat viele Facetten. Obwohl ich zusammen mit Birgit Dechmann das Buch »Lieben ein Leben lang« geschrieben habe, kann ich immer noch nicht sagen, was Liebe alles bedeutet kann.

Eines aber steht für mich fest: Ohne Liebe für mich selbst kann ich auch andere Menschen nicht lieben.

Wenn wir nun die Selbstliebe auf das Alter beziehen, so müssen wir festhalten: Sich selbst als alternden Menschen anzunehmen, sich selbst dafür nicht zu kritisieren, dass man einiges nicht mehr so wie früher kann, ist sehr wichtig – für jeden von uns.

Wie wäre es, wenn Sie sich selbst als kostbare Antiquität ansehen würden, die zwar vom Leben einige Schrammen abbekommen, aber zunehmend an Leuchtkraft gewonnen hat? Schwer annehmbar? Nicht schlimm, denn genau diese Einstellung müssen wir üben.

Das zweite L: Leidenschaft

Leidenschaft verknüpfen wir gewöhnlich mit Sexualität, auf die ich später eingehe. Leidenschaft ist jedoch ein viel allgemeineres Thema: Ich meine damit das tiefe Interesse an einer Sache, die Bereitschaft, sich für etwas besonders zu engagieren. Dabei kann es um Soziales (zum Beispiel um Nachbarschaftshilfe), um Politisches (etwa in der Partei »Die Grauen – Für alle Generationen«) gehen. Oder um bestimmte Interessen wie Numismatik (Münzkunde), Welt- oder Kunstgeschichte.

Das »Was« spielt keine Rolle, es muss uns einfach so gefangen nehmen, dass wir darüber die Zeit vergessen. Damit kommen wir in den sogenannten Flow, der uns fortträgt wie ein Strom und uns innerlich erfüllt (mehr hierzu unter »Leidenschaft im Alter?« und unter »Die Muße und das Muss«).

Das dritte L: Lebendigkeit

Lebendigkeit begleitet meistens die beiden ersten Ls. Wenn ich Liebe (zu mir selbst und anderen) ausstrahle, mich für einige Dinge begeistere und gesellschaftlich engagiert bin, wirke (und bin) ich lebendig. Ob Sie Karten spielen, gärtnern oder Ihre Zeit den Enkeln schenken – immer sind Sie in Kontakt mit etwas, was Leben in Ihren Alltag bringt – das beste Gegenmittel gegen das innere Stagnieren.

Bitte streichen Sie unbedingt zwei Sätze aus Ihrem Repertoire:

»Das lohnt sich nicht mehr für mich.« »Früher war alles besser.«

Mit dem ersten Satz setzen Sie sich Grenzen, die unnötig sind. Wenn Sie Lust auf eine knallrote Tasche oder Krawatte haben – tragen Sie sie und erfreuen Sie sich daran.

Mit dem zweiten Satz langweilen Sie andere Leute und verderben sich selbst die Freude an Dingen, die anders sind als früher, möglicherweise sogar besser.

Um diese drei großen Ls in unser Leben zu lassen (oder sie zu stärken), müssen wir uns einige Dinge bewusst machen. Wir müssen sensibel für das Wesentliche werden, sowohl in unserer Vergangenheit als auch im Heute. Wenn uns das gelingt, sind wir bereit für viele weitere erfüllte Lebensjahre. Wie das konkret funktionieren kann, möchte ich Ihnen in diesem Buch zeigen.

Liebe

Gute Vorbilder: Modelle fürs Altern

Wie jede Blüte welkt und jede Jugend

Dem Alter weicht, blüht jede Lebensstufe,

Blüht jede Weisheit auch und jede Tugend

Zu ihrer Zeit und darf nicht ewig dauern.

Es muß das Herz bei jedem Lebensrufe

Bereit zum Abschied sein und Neubeginne,

Um sich in Tapferkeit und ohne Trauern

In andre, neue Bindungen zu geben.

Und jedem Anfang wohnt ein Zauber inne,

Der uns beschützt und der uns hilft, zu leben.

Wir sollen heiter Raum um Raum durchschreiten,

An keinem wie an einer Heimat hängen,

Der Weltgeist will nicht fesseln uns und engen,

Er will uns Stuf’ um Stufe heben, weiten.

Kaum sind wir heimisch einem Lebenskreise

Und traulich eingewohnt, so droht Erschlaffen;

Nur wer bereit zu Aufbruch ist und Reise,

Mag lähmender Gewöhnung sich entraffen.

Es wird vielleicht auch noch die Todesstunde

Uns neuen Räumen jung entgegensenden,

Des Lebens Ruf an uns wird niemals enden …

Wohlan denn Herz, nimm Abschied und gesunde!

»Stufen« von Hermann Hesse2

In Hermann Hesses Gedicht »Stufen« wird dem Älterwerdenden empfohlen, »heiter Raum um Raum« zu »durchschreiten«. Als ich mir eingestehen musste, dass ich, ja, auch ich, älter und alt werde, fing ich an zu überlegen, wie ich alt sein möchte. Verbittert, nörglerisch, jammernd über das Verlorene – das konnte es doch nicht sein!

Hesses Verse waren und sind eine bereichernde Orientierung für mich. Und als ich mich fragte, wer in meinem Leben ein nachahmenswertes Beispiel fürs Altern abgegeben hat, entdeckte ich, dass ich ein Modell in mir trage, wie ein gutes Altern aussehen kann. Es waren nicht meine Eltern, die mir als Beispiel dienen konnten, aber meine Großmutter, die Mutter meiner Mutter, war ein gutes Vorbild.

Sie lebte jahrelang als Witwe, und sie war eine muntere, rundliche Frau mit rosigen Bäckchen und einem kecken Hütlein auf dem Kopf. Sie trug zwar dunkle Kleidung, wie es der damaligen Vorstellung von Verwitweten entsprach, und ein Kropfhalsband aus schwarzen und weißen winzigen Perlen, welches das Wachsen eines Kropfs verhindern sollte. Sie hatte zwar gar keinen Kropf, aber sie trug das Bändchen wie ein Schmuckstück um den Hals.

Was sie mir zeigte: Wie man als alte Frau sein Leben sinnvoll verbringt, wie man seine Geschäfte selbst in die Hand nimmt, Beziehungen pflegt, die zu einem erfüllten Lebensgefühl beitragen, und wie man eigene Projekte, etwa Reisen, in Angriff nimmt, deren Ausführung einen befriedigt.

Erinnere dich an gute Beispiele fürs Altern

Um ein brauchbares Modell für das eigene Alter zu finden, macht man am besten einen Spaziergang in die eigene Ahnengalerie. Setzen Sie sich bequem hin, atmen Sie einige Male tief und ruhig ein und aus und lassen Sie dann Ihre Vorfahren auf Ihrem inneren Erinnerungsbildschirm auftauchen, angefangen bei den Eltern, den Tanten und Onkeln, bis hinauf zu den Großeltern mütterlicher- und väterlicherseits, vielleicht sogar bis zu den Urgroßeltern. Schauen Sie nun, ob es irgendeine Frau oder einen Mann in Ihrer Ahnengalerie gibt, die Ihnen ein gutes Gefühl fürs Altwerden vermittelt: »So wäre es gut, alt zu sein!«

Nehmen Sie jetzt wahr, um wen es sich dabei handelt. Lassen Sie das Erscheinungsbild immer deutlicher werden. Vielleicht können Sie sehen, wie die Person sich bewegt, vielleicht gibt es eine für sie typische Geste, oder Sie können ihre Stimme hören. Lauschen Sie auf das, was die Person Ihnen zu sagen hat. Es kann auch eine lautlose Botschaft sein, die sie Ihnen übermittelt.

Lassen Sie sich Zeit, um die nur für Sie bestimmte Botschaft aufzunehmen. Was immer die Person aus Ihrer Ahnengalerie für Sie ausstrahlt, Sie können es als Leitlinie für Ihr eigenes Alter nehmen und sich immer wieder daran erinnern, wie das Gut-alt-Werden für Sie aussieht.

Ich meine damit nicht, dass Sie ihr Altersmodell imitieren sollen – die gewählte Person hat ja in einer ganz anderen Zeit und unter anderen Umständen gelebt. Sie können aber die Botschaft, die Sie bekommen haben, heranziehen, um Ihr eigenes Lebensgefühl positiv zu beeinflussen.

Eine weitere Möglichkeit besteht darin, sich eine Eigenschaft auszuleihen, die man im Alter entwickeln möchte. Mein Großvater väterlicherseits pflegte mir bei jedem Besuch etwas zuzustecken mit dem Satz: »Da, nimm!« Diese überwältigende Großzügigkeit – ich brauchte ja nichts zu tun, um etwas zu erhalten, weder lieb sein, noch brav gehorchen – habe ich mir für mein Alter ausgeliehen. Immer, wenn ich kleinlich werden will, denke ich an meinen Großvater und lasse mein Herz weit werden. Und entscheide mich dann für das Geben.

Bekannte oder Filmfiguren als Altersmodelle

Ganz wichtig: Wenn Sie in der Ahnengalerie kein Modell finden, gibt es vielleicht einen Nachbarn oder einen Lehrer oder sogar eine Figur aus einem Buch oder einem Film, die Sie dafür einsetzen können.

Denken Sie jeden Tag an Ihr Altersmodell oder an die Eigenschaft, die Sie entwickeln wollen. Sie werden sehen, wie Sie sich mehr und mehr Ihrem Modell annähern.

Vielleicht erscheint sogar in Ihren nächtlichen Träumen ein Hinweis auf das Bild, das Sie von einem gelungenen Altern in sich tragen.

Dazu der Traum einer 49-Jährigen, wie sie ihn mir erzählt hat:

»Ich stehe vor dem Spiegel und sehe meine Großmutter. Die Frau im Spiegel hat silbrige Haare, ein weiches Gesicht und trägt eine rosa schimmernde Perlenkette. Sie lächelt mich liebevoll an. Da erkenne ich, dass ich es selbst bin, die mich anschaut, nur in einer viel späteren Lebensphase.«

Dieser Traum schenkte der Träumerin ein Leitbild für ihr Alter und war ebenso wirkungsvoll wie ein Modell aus der Ahnengalerie oder das Übernehmen einer Eigenschaft, die man entwickeln möchte.

Wer auch immer Ihnen für ein gutes Altern Modell gestanden, indem er Ihnen gezeigt hat, wie man sich im Alter wohlfühlen kann, hat er (oder sie) Ihnen gezeigt, wie Sie sich selbst annehmen können, wie Sie sich selbst als alternden Menschen lieben können. Und: Selbstliebe im Altern ist ein kostbares Gut!

Freunde und Geliebte: Beziehungen im Alter

Gute Beziehungen, am besten ein ganzes Netzwerk, sind im Alter sehr wichtig. Bei unseren gleichaltrigen Weggefährtinnen und Weggefährten finden wir Resonanz auf unsere Welt, die zum Teil verschwunden ist. Mit jüngeren Menschen tauschen wir uns über deren Lebenswelt aus, um auch daran teilzuhaben. Doch mit Gleichaltrigen ist die Wahrscheinlichkeit höher, sich auf gemeinsame oder zumindest ähnliche Erfahrungen zu beziehen. Gute Nachbarn sind ebenfalls wichtig – für die Seele und für die gegenseitige Unterstützung im Alltag.

Gute Beziehungen bewahren uns vor der Geißel der Einsamkeit.

Gesellschaft aktiv suchen

Ich erinnere mich an eine 92-jährige Freundin, die mit der Zeit alle befreundeten Gleichaltrigen verloren hatte. Was tat sie? Sie suchte mit jüngeren Leuten in Kontakt zu kommen und über ihre Ansichten zu sprechen, und die Jungen hatten Freude an der alten lebenserfahrenen Dame, die sich für ihre Anliegen interessierte. Das Schöne an diesem Beispiel ist, dass man sieht, wie es praktisch zu jeder Lebenslage und zu jeder Situation eine Lösung, eine Alternative geben kann, wenn wir mutig sind und aktiv nach Lösungen suchen.

Doch wie sieht es mit Paarbeziehungen im Alter aus? Diese haben eine ganz besondere Bedeutung. Bestimmt gibt es zufriedene ältere Singles, die ihr Leben so gestalten, dass sie es als erfüllt erfahren.

In einer Paarbeziehung muss man dieses Ziel zu zweit erreichen. Und wie? Dafür gibt es einen Schlüssel. Ich habe kürzlich dazu eine Untersuchung von John Gottman, dem amerikanischen Psychologen und Beziehungsforscher gelesen. Zu meinem Erstaunen bezeichnet er als wichtigstes Merkmal einer gelingenden Langzeit-Beziehung eine Eigenschaft, die nach einer altmodischen Tugend klingt: die Güte.

Güte in Beziehungen: Gute Beziehungen!

Güte (oder auch: Wohlwollen) muss man erfahren haben, um sie in die Beziehung einbringen zu können. Ich hatte zum Glück eine wunderbar gütige Großmutter. Bei ihr war ich immer aufgehoben, fühlte mich angenommen und geliebt.

Wenn man Güte selbst nicht erfahren hat, was kann man tun, um diese Güte zu entwickeln? Nach Gottman gehört dazu, immer die bestmöglichste Absicht beim Gegenüber anzunehmen, sich gemeinsam freuen zu können und einander kleine Liebesdienste wie zum Beispiel eine Massage zu erweisen.

Was macht es denn so schwierig, gütig miteinander umzugehen? Ich glaube, es hängt damit zusammen, dass wir alle unsere empfindlichen Stellen (ich nenne sie gerne auch »Kerben«) haben, die gerade im Zusammenleben mit unserem nächsten Menschen immer wieder berührt und dadurch vertieft werden. Es nützt nichts zu schreien: »Hör auf, mich zu verletzen!« Die Partner werden immer wieder diese Stellen berühren, und gerade von unserm nächsten Menschen ertragen wir das am wenigsten. Es hört sich paradox an, aber: Manchmal hasst man den Menschen am stärksten, den man liebt, denn er ist derjenige, der einem am meisten wehtun kann.

Die Chance liegt darin, die eigenen Kerben zu erkennen, sie als Teil seiner Persönlichkeit anzunehmen und dem Partner, der Partnerin, mitzuteilen, wo sie liegen und welche Bedeutung die Kerben für uns haben. Wenn das gelingt, gelingt es auch, dass beide mit den Kerben des anderen umzugehen lernen. Sodass es nicht zur Eskalation kommt, die sich so anhören kann: »Hör auf damit! Du bist schuld, wenn es mir wehtut!« Ein Bewusstsein für die Kerben des anderen führt zu Milde, Verständnis – und eben zur Güte. So eine Beziehungskultur ist wohltuend und geradezu Balsam für die verletzten Stellen.

»Kerben« erkennen

Das Erkennen der eigenen Kerben ist nicht einfach. Meist handelt es sich um Verletzungen aus der Kindheit oder der Lebensgeschichte, die mit grundlegenden Themen – ich nenne sie Kernthemen – zu tun haben. Diese Themen sind Anliegen, die wir als lebensnotwendig empfinden im Umgang mit andern Menschen.

Vielleicht gehören Sie zu den Paaren, welche diese Klippen umschiffen, weil sie gelernt haben, Rücksicht darauf zu nehmen, oder weil sie sich sagen: Es lohnt sich nicht, wegen jeder Kleinigkeit in Streit zu geraten!

Wenn Sie aber zu den Paaren gehören, die – wie die meisten – ab und zu in eine Auseinandersetzung geraten, die wehtut und deren Ernsthaftigkeit Ihnen gemessen am Anlass unerklärlich ist, dann überprüfen Sie doch in einer stillen Minute, ob Ihre Verletzung einen der folgenden Gründe hat:

Ich fühle mich nicht wahrgenommen, ich werde nicht gesehen und gehört.Ich fühle mich nicht genügend ernährt, anerkannt und geschätzt.Ich fühle mich immer wieder dominiert, als ob meine Meinung nichts gelten würde.

Wenn Sie sich in einem der Punkte angesprochen fühlen, gehen Sie doch in Ihrer Lebensgeschichte zurück bis in die Kindheit und finden Sie heraus, ob das betreffende Thema Ihnen schon einmal begegnet ist und ob Sie sich in der Gegenwart genauso fühlen wie damals. Wenn das so ist, wurde ein Kernthema von Ihnen schmerzlich berührt.

Wenn Sie beide sich ein Gespräch vorstellen können über das, was Sie herausgefunden haben, werden Sie beim nächsten Streit besser verstehen, welche empfindlichen Punkte gegenseitig berührt worden sind. Meistens basiert das, was ich »Verstrickung« nenne, auf diesem Mechanismus.

Vielleicht fällt es Ihnen leichter, die fruchtlose Auseinandersetzung, den Streit um »Kleinigkeiten«, die plötzlich so wichtig sind, zu stoppen und sich bewusst zu machen, welch heikle Punkte berührt worden sind.

Günstig ist es, ein Versöhnungsangebot zu machen mit den Worten (dem Sinn nach): »Es tut mir leid, dass ich dich verletzt habe. Das war nicht meine Absicht. Darf ich dir … anbieten?«

Ich habe mich zusammen mit Birgit Dechmann, meiner Praxiskollegin, im Buch »Lieben ein Leben lang« unter anderem der Frage gewidmet, wie man solche Probleme lösen kann. Doch es gibt zu diesem Thema auch eine einfache kurze Hilfestellung, die der sterbenskranke alte Professor im Buch »Dienstags bei Morrie« abgibt: »Freilich gibt es für die Liebe und die Ehe ein paar Regeln, von denen ich weiß, dass sie wahr sind. Wenn du den anderen nicht respektierst, dann wirst du eine Menge Probleme haben. Wenn du nicht weißt, wie man Kompromisse schließt, dann wird es schwierig werden. Wenn du nicht offen darüber reden kannst, was zwischen euch abläuft, dann wirst du ebenfalls große Schwierigkeiten bekommen. Und wenn ihr im Leben nicht bestimmte gemeinsame Werte habt, dann werdet ihr beide jede Menge Probleme haben.«

Sexualität im Alter: Kein Tabu mehr