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Was kann ich tun, wenn mein Kind nicht gut schläft? Darf ich mein Baby schreien lassen, wenn es nicht einschlafen kann? Wie sorge ich mit einer guten Umgebung und abendlichen Ritualen für einen erholsamen Schlaf? Caroline Bechmann und Dominique Reimer weisen Eltern in ihrem Ratgeber den Weg zu einer liebevollen Schlafbegleitung. Sie klären über negative Erwartungshaltungen auf und verhelfen zu einer selbstbewussten Haltung gegenüber typischen Vorurteilen. Neben wissenswerten Informationen über die kindlichen Schlafphasen geben sie Eltern alltagstaugliche Tipps an die Hand, um die Einschlafbegleitung vertrauensvoll zu gestalten, Bedürfnisse zu erkennen und in kräftezehrenden Situationen gelassen zu reagieren.
Das E-Book können Sie in Legimi-Apps oder einer beliebigen App lesen, die das folgende Format unterstützen:
Veröffentlichungsjahr: 2022
Der erste Schritt ist getan
Familie – ein System von Bedürfnissen
Unerfüllte Bedürfnisse in der Familie
Eine Familie, viele Bedürfnisse
Das Bedürfnis nach Nähe
Bindung ist ein Grundbedürfnis
Mama/Papa, mein Bindungssystem ist aktiv!
Keine Angst vorm Verwöhnen
Falsche Erwartungen an Kinder
Gute Gründe fürs Verwöhnen
Die Realität deines Kindes
Mythen rund um den Kinderschlaf
Ratschläge und veraltete Denkweisen
Die 10 nervigsten Mythen und ihre Aufklärung
Die eigene Schlafsituation stärken
Vergleiche dich nicht mit anderen
Du brauchst ein Dorf
Alles Schlafstörung, oder was?
Diese Schlafstörungen sollten abgeklärt werden
Abweichen von gesellschaftlichen Normen
Dein Kind ist gut so, wie es ist!
Verbesserung der eigenen Schlafhygiene
Schlafhygiene unter der Lupe
Schlaf ist mächtig komplex
So entwickelt sich das kindliche Schlafverhalten
Die Entwicklung der inneren Uhr
Die verschiedenen Schlafphasen
Die kindlichen Schlafzyklen
Schlafcharakter – komplett individuell
Der Tagschlaf deines Kindes
Schlafentwicklung, ein individueller Prozess
Die Meilensteine der Schlafentwicklung
Entspannte Schlafbedingungen schaffen
Die äußeren Rahmenbedingungen für guten Schlaf
Innere Gelassenheit bei der Schlafbegleitung
Sicherheit und Geborgenheit
Bleibe selbst entspannt
Einschlafen und Einschlafbegleitung
Einschlafbegleitung vertrauensvoll gestalten
Geschwister entspannt ins Bett bringen
Nähe durch ein Geschwisterbett
Schlafbegleitung von Zwillingen
Möglichkeiten für das abendliche ins Bett gehen
Kooperationsbereitschaft am Abend
Investiere in eure Beziehung schon am Tag
Strukturen und Abläufe können helfen
Es geht auch anders: Bleib flexibel
Schlafen bei unterschiedlichen Bezugspersonen
Schlafen bei Papa oder Mama
Wieso will dein Kind nur bei dir schlafen?
Wie kann der andere Elternteil übernehmen?
Die nächtliche Begleitung abgeben
Werdet als Eltern ein Team
Schlafen in der außerfamiliären Betreuung
Irgendwann klappt’s mit dem Durchschlafen
Gute Gründe nachts wach zu werden
Hunger und Durst
Temperatur
Schmerzen
Ausscheidungsbedürfnis
Angst und insbesondere Trennungsangst
Verarbeiten von Entwicklungsschritten und Tageseindrücken
Schlafbrücken
Vorteile des nächtlichen Erwachens
Abweichen von Erwartung und Realität
Nächtliche Wachphasen – was tun?
Habe Geduld mit eurer Schlafsituation
Wenn das nächtliche Aufwachen zum Problem wird
Stillen und Fläschchen in der Nacht
Die Bedürfnisse hinter der nächtlichen Nahrungsaufnahme
Stillen bedeutet Nähe und Sicherheit
Stillen hilft bei der Verarbeitung von Veränderungen
Zusammenhang zwischen Schlafen und Stillen
Vorteile des nächtlichen Stillens
So entspannt wie möglich stillen
Einschlafstillen – Fluch oder Segen?
Veränderung der Schlafsituation
Alles Schlafgewohnheit, oder was?
Was ist bitte eine Schlafassoziation?
Veränderung – ja oder nein?
Abstillen und dein Kind schläft durch?
Bedürfnisorientierte Veränderung – geht das überhaupt?
Klarheit und Sicherheit für eine Veränderung
Vor der Veränderung der Schlafsituation
Mögliche Reaktionen deines Kindes
Alternativen zur Bedürfnisbefriedigung
Das solltest du immer berücksichtigen
Das solltest du immer vermeiden
Beziehe dein Kind altersentsprechend ein
Begleite die Emotionen deines Kindes feinfühlig
Die Schlafsituation konkret verändern
Veränderung mit Bewegung
Veränderung der nächtlichen Stillsituation
Keine Angst vor dem Wachwerden
Nicht jede Veränderung funktioniert
Die kindgerechte Schlafumgebung
Kindgerechte Schlafumgebungen
Sicher schlafen im ersten Lebensjahr
Finde die passende Schlafumgebung
Gründe für eine Veränderung der Schlafumgebung
Der Umzug ins eigene Kinderzimmer
Der richtige Zeitpunkt
Schritt für Schritt, ohne Druck
Nachtschreck und Albtraum
Was ist der Nachtschreck?
Gründe für den Nachtschreck
Was kannst du tun?
Was ist ein Albtraum?
Gründe für einen Albtraum
Was kannst du tun?
Gegenüberstellung Nachtschreck versus Albtraum
Kein Kind muss schlafen lernen!
Was du über Schlaftrainings wissen solltest
Was sagt die Wissenschaft dazu?
Wo hat Schlaftraining seinen Ursprung
Schlaftraining hat Nachteile
Schlaftraining kann funktionieren – das ist der Preis
Das fühlt ein Kind beim Schlaftraining
Bindungstheoretischer Hintergrund
Über die Autorinnen
Danksagung
Literatur
Online-Quellenangaben
Schön, dass du dieses Buch in deinen Händen hältst und dir Unterstützung für eure Schlafsituation suchst. Dadurch hast du schon einen großen Schritt in Richtung Veränderung gemacht.
Hinter diesem Buch stehen wir, zwei bindungs- und bedürfnisorientierte Schlafberaterinnen, die schon sehr vielen Familien bei ihren Anliegen rund um das Thema Schlafen geholfen haben. Wir beide wissen genau, wie oft man als Elternteil an seine persönlichen Grenzen stößt und wie kräftezehrend Nächte sein können – sowohl aus eigener Erfahrung als auch aus unseren Beratungen. Schlaf ist etwas unfassbar Wichtiges. Ein körperliches Grundbedürfnis, ohne dessen Erfüllung wir nicht leben könnten.
Ist man erst einmal an einen Punkt gelangt, an dem es einem an Schlaf mangelt, merkt man, wie sehr die nächtliche Erholung fehlt. Vielleicht fühlst du dich aktuell allein gelassen mit deiner Situation und suchst nach Lösungen und hilfreichen Impulsen, um eure Situation grundlegend zu verbessern. Nachdem du dieses Buch gelesen hast, wirst du das Schlafverhalten deines Kindes besser verstehen und die Schlafsituation für euch alle entspannter gestalten können.
Wir unterstützen dich dabei, wieder die „Kontrolle” über eine vermeintlich hilflose Situation zurückzugewinnen, indem wir dir Mut machen, deinen Weg zu gehen und zu finden. Wir schaffen Verständnis für dich und dein Kind und geben dir viele praktische Tipps, damit du bzw. ihr eure Schlafsituation so angenehm wie möglich gestalten könnt.
Der Schlaf unserer Kinder – ein nicht nur kontroverses, sondern auch für viele Eltern sehr belastendes Thema. Viele Schlafprobleme sind falschen Erwartungen und Mythen geschuldet, mit denen Familien oft schon vor der Geburt ihrer Kinder immer wieder konfrontiert werden. Wurde dir in der Schwangerschaft auch schon der Tipp gegeben, dein Kind niemals in den Schlaf zu stillen oder zu tragen? Hat man dich bereits wenige Wochen nach der Geburt gefragt, ob dein Kind denn „endlich” durchschläft?
Mit diesen Erwartungshaltungen und Unsicherheiten, die an Familien herangetragen werden, möchten wir in diesem Buch aufräumen. Als Schlafberaterinnen haben wir schon viele tausend Familien auf ihrem individuellen Weg zu erholsamerem Schlaf begleitet. Dabei werden wir immer wieder mit ähnlichen Themen konfrontiert: Babys und Kleinkinder, die lange zum Einschlafen brauchen, die beim Schlafen viel Nähe und Körperkontakt zu ihren Eltern einfordern, Kinder, die nachts oft aufwachen, viel gestillt werden möchten oder auch gerne in den Schlaf getragen werden.
Andere Kinder schlafen immer besser
Dabei schlafen doch gefühlt die Kinder aller anderen Familien schon früh alleine ein und brauchen auch nachts keine Hilfe mehr. Oder? Wir können dir versichern: Die Realität sieht anders aus. Sollte dein Kind also nicht zu diesen Kindern gehören, die sich wohl jede Familie von Zeit zu Zeit mal herbeisehnt, dann hast du ein ganz normales Kind. Ein Kind, das beim Schlafen noch deine Unterstützung und Begleitung benötigt. Und dafür gibt es viele Gründe.
Kann das anstrengend sein? Oh ja! Stößt man hier als Eltern manchmal an seine Grenzen? Oh ja, auch das ist nicht ungewöhnlich. Das sehen wir nicht nur in unseren Beratungen, auch unsere eigenen Kinder stellen uns da immer wieder vor große Herausforderungen. Du bist also ganz sicher nicht alleine mit dieser Situation.
Unser Fokus: eure Schlafsituation
Wir haben uns gefragt, wie wir dir mit einem Buch helfen können. Schließlich gibt es doch schon so viele Bücher zu kindlichen Entwicklungsthemen, aber auch speziell zum Kinderschlaf. Dieses Buch, das du hier in den Händen hältst, soll dich aber – ähnlich wie eine unserer Beratungen – hinsichtlich eurer Schlafsituation begleiten. Wir schauen uns den Schlaf deines Kindes an: Warum braucht es abends lange zum Einschlafen, warum wird es nachts wach und wieso braucht es in manchen Phasen ganz besonders viel Nähe?
Wenn man sich als Eltern diese Fragen beantworten kann, kann man mit der Schlafsituation oft schon sehr viel entspannter umgehen. Denn man versteht sein Kind besser, kann entsprechend reagieren und gelassener in die Zukunft blicken.
Wir geben dir mit diesem Buch praktische Lösungsansätze an die Hand, die wir schon vielfach erprobt haben. Du sollst durch dieses Buch in der Lage sein, eure Schlafsituation zu verstehen und die Hintergründe zu kennen, aber ebenso Möglichkeiten erfahren, wie du eure Schlafsituation kindgerecht und bindungsorientiert verändern kannst, wenn sie dich oder deine Familie an ihre Grenzen bringt.
Kindgerechte Veränderungen sind möglich
Denn auch, wenn wir dir deutlich machen wollen, dass dein Kind sich sicherlich ganz normal entwickelt und der kindliche Schlaf eben auch mal herausfordernd ist, so gibt es doch Situationen, in denen du etwas verändern kannst. Dabei sollte das Ziel kein durchschlafendes Kind sein, das alleine in seinem Bettchen einschläft und dich von 19 bis 7 Uhr nicht belästigt – denn das würde der kindlichen Entwicklung nicht entsprechen und sollte nicht deine Erwartung sein.
Aber oft sind es schon die kleinen Veränderungen, durch die alle Familienmitglieder mit der Schlafsituation entspannter und gelassener umgehen können. Daher schauen wir uns die für Eltern typischerweise besonders belastenden Situationen gemeinsam ganz genau an.
Du erhältst in diesem Buch also nicht nur Hintergrundwissen, sondern viele praktische Hilfestellungen und Impulse – damit ihr eure individuelle Schlafsituation zuhause so entspannt wie möglich gestalten könnt.
Wir haben dir auf unserer Website hilfreiches Download-Material bereitgestellt. QR-Codes im Text führen dich direkt dorthin und du kannst dir die Materialien ausdrucken.
Eines darfst du nicht vergessen: Dein Kind kann schon schlafen. Wir zeigen dir, wie es sich dabei geborgen und sicher fühlen kann und alle Bedürfnisse der Familie Berücksichtigung finden können.
Kennst du diese Abende, an denen du keine Geduld mehr für eine Einschlafbegleitung hast und einfach nur deine Ruhe möchtest? Dein Kind dich aber gerade jetzt ganz besonders braucht? Oder die Nächte, in denen du mal einige Stunden am Stück schlafen möchtest, dein Kind aber deine Nähe einfordert und dich kaum schlafen lässt? Genau in solchen Situationen entstehen Konflikte – zwischen den Bedürfnissen deines Kindes nach vor allem Nähe und Sicherheit und deinen Bedürfnissen nach Erholung und Schlaf. Rund um die Schlafsituation passiert das besonders häufig.
Die Situation kommt dir sicherlich bekannt vor: Der Tag war stressig, du bist müde und willst endlich mal ein paar Minuten einfach nur für dich haben. Am Abend machst du dein Kind fertig zum Schlafen. Schon währenddessen geratet ihr häufiger aneinander. Mal wegen des Schlafanzuges, dann wegen der Windel und am Ende wegen des Zähneputzens. Auf der einen Seite möchte dein Kind nicht ins Bett, aber auf der anderen Seite möchtest du endlich deine Ruhe haben.
Achtung: Genau in einer solchen Situation prallen zwei unterschiedliche Bedürfnisse aufeinander, wodurch ein Bedürfnis-Konflikt entsteht.
Konflikte sind hinderlich für den Einschlafprozess am Abend und das Schlafen in der Nacht, denn mit Wut und Anspannung schläft es sich nicht gut. Starke Gefühle können dann noch einmal alle Beteiligten aufheizen und somit haben es dein Kind und du schwer, sich zu entspannen und zur Ruhe zu finden. Bei dir als Elternteil spielt dann eventuell auch noch die Ungeduld mit hinein, weil du selbst ganz dringend Zeit und Ruhe für dich brauchst. Und dass du während der Einschlafbegleitung oder nächtlichen Betreuung manchmal wütend wirst, ist vollkommen „normal“. Du kannst uns glauben, dass es den meisten Eltern phasenweise so geht. Denn Schlafen ist ein Grundbedürfnis des Menschen und wenn du an Schlafmangel leidest, dann wirkt sich das auf dich und deinen Alltag aus.
Du hast sicherlich schon von dem Begriff „bedürfnisorientiert“ gehört, oder? Dazu gibt es unzählige Definitionen und Erläuterungen. Eigentlich ist es aber ganz einfach: denn es geht dem Grunde nach um die Bedürfnisse von dir und deiner Familie. Ihr habt alle unterschiedliche Bedürfnisse und alle diese Bedürfnisse sind wichtig und sollten gesehen werden.
WISSEN SCHAFFT VERSTÄNDNIS: BEDÜRFNISSE
Ein Bedürfnis ist im Grunde ein Mangelzustand, den wir beheben möchten. Dabei kann man zwischen physischen und psychischen Grundbedürfnissen unterscheiden. Die physischen (also körperlichen) Grundbedürfnisse umfassen z. B. Hunger, Durst und auch den Schlaf bzw. die Erholung. Psychische Grundbedürfnisse sind beispielsweise das Bedürfnis nach Nähe, das Streben nach Autonomie oder das Bedürfnis nach Sicherheit. Gerade beim Thema Kinderschlaf spielen viele verschiedene Bedürfnisse innerhalb einer Familie eine Rolle. Die Bedürfnisse aller Familienmitglieder wollen erfüllt werden. So gibt es viele Situationen rund um den Schlaf, die dazu führen, dass ein unerfülltes Bedürfnis als Mangelzustand wahrgenommen wird. Zum Beispiel, wenn ein Elternteil das Bedürfnis nach Ruhe und Erholung hat, während das Kind das Bedürfnis nach Nähe erfüllt bekommen möchte.
Je jünger ein Kind ist, desto kürzer kann es warten, bis sein Bedürfnis gestillt wird. Erwachsene können ihre Bedürfnisse zeitweise auch mal hintenanstellen. Langfristig betrachtet kann das aber sehr unglücklich und unzufrieden machen, denn ein unerfülltes Bedürfnis klopft immer wieder an und wird mit der Zeit immer lauter. Aus diesem Grund kann es zu Konflikten kommen, wenn die Bedürfnisse zwischen Eltern(teil) und Kind(ern) auseinandergehen und Eltern hier keinen guten Mittelweg finden, um alle betroffenen Bedürfnisse zu berücksichtigen.
Überblick über eure Bedürfnisse in der Familie
Die folgende Liste kann dir eine Hilfe sein, um dir ein Bild über deine Bedürfnisse zu machen, die Bedürfnisse deines Kindes oder die weiterer Familienmitglieder (sie ist nicht vollständig):
Die Schlafsituation ist häufig eine Situation, in der unterschiedliche Bedürfnisse aufeinandertreffen und es zu einem Bedürfniskonflikt kommen kann: denn dein Kind benötigt unter anderem ein Gefühl von Sicherheit und Geborgenheit, um möglichst entspannt ein- und weiterschlafen zu können. Die Bedürfnisse nach Sicherheit und Geborgenheit können beispielsweise durch Nähe und Körperkontakt, also durch deine emotionale Begleitung, erfüllt werden.
Wenn du als Elternteil dein Kind Abend für Abend über einen längeren Zeitraum beim Einschlafen begleitest und über lange Phasen auch nachts für es da bist, dann stellst du deine Bedürfnisse erst einmal hintenan. Das mag eine Zeit lang gut gehen, vor allem dann, wenn die Grundbedürfnisse, wie zum Beispiel Hunger, Hygiene oder das Bedürfnis nach Ruhe, erfüllt sind. Allerdings kommt nahezu jeder Elternteil irgendwann an den Punkt, an dem er an seine Grenzen stößt, weil die eigenen Bedürfnisse – insbesondere nach Ruhe, Autonomie und Schlaf – vielleicht schon zu lange hintenangestellt wurden. In einem solchen Fall kollidieren entgegenstehende Bedürfnisse und es kommt zu einem Konflikt.
Viele Kinder empfinden die Schlafsituation als Trennungssituation. Genauer werden wir dir das insbesondere im Kapitel → „Schlaf ist mächtig komplex“ noch erklären. Aus diesem Grund wird dein Kind phasenweise sehr viel unternehmen, um dieser Trennungserfahrung zu entgehen. Bestimmte emotionale und kognitive Fortschritte können auch dazu führen, dass dein Kind noch mehr Sicherheit und Nähe benötigt als sonst. So suchen zum Beispiel Kinder, die sich in der Fremdelphase befinden, häufiger die Nähe ihrer Bezugspersonen, da sie verstanden haben, dass Mama und Papa eigenständige Personen sind und sie nicht eine Symbiose mit ihnen bilden.
Das kann Kindern Angst machen: Sie haben bereits verstanden, dass ihre Bezugspersonen (Mama/Papa usw.) weggehen können, nur fehlt ihnen der notwendige Erfahrungswert, dass sie zuverlässig da sind, auch wenn sie sie nicht mehr sehen. Hierbei spielt die sogenannte „Objektpermanenz“ zwar kognitiv eine große Rolle, allerdings bringt die Fertigkeit vielen Kindern emotional noch nicht so viel. Objektpermanenz bedeutet im Übrigen, dass dein Kind weiß, dass du auch weiterhin noch existierst oder da bist, auch wenn du nicht mehr in Sichtweite bist. Und obwohl dein Kind diese Fähigkeit besitzen mag, bedeutet das nicht, dass es nicht trotzdem deine Nähe und Körperkontakt braucht. Dein Kind benötigt vielmehr die Erfahrung, dass es verlässlich begleitet wird, auch wenn du dich mal entfernst. Daher ist das Bedürfnis nach Nähe vor allem bei kleinen Kindern noch sehr ausgeprägt.
Das Bedürfnis nach Nähe ist ein Grundbedürfnis und kein Manipulationsversuch seitens des Kindes: Von Kindern wird oft erwartet, allein zu schlafen, obwohl dies viele Erwachsene nicht einmal gerne tun. Manche Menschen benötigen Licht zum Einschlafen, andere brauchen jemanden neben sich, weil sie Angst im Dunkeln haben oder sich unwohl fühlen. Unser Gehirn treibt in der Dunkelheit Spielchen mit uns, denn es versucht die Gegenstände, die im Raum stehen, zu erkennen. Das fällt unserem Gehirn schwer. Daher sehen wir im Dunkeln die seltsamsten Dinge. Viele Kinder mögen die Dunkelheit aus diesen Gründen nicht sonderlich. Ab der magischen Phase (ab ca. 2,5 bis 3 Jahren) glauben Kinder außerdem an Monster und andere Fabelwesen. Was denkst du, sieht dein Kind nachts statt des Schranks in seinem Zimmer?
Bei jüngeren Kindern (Kinder unter 8 bis 12 Monaten) kommt hinzu, dass ihre Objektpermanenz noch nicht vollständig entwickelt ist. Wenn die Eltern aus dem Zimmer gegangen sind, dann ist ihnen nicht bewusst, dass sie noch in der Nähe sind. Eine Bezugsperson nicht mehr zu sehen, heißt für Kinder, die noch nicht die Fähigkeit zur Objektpermanenz besitzen, dass diese Bezugsperson nicht mehr da ist. Den Kindern fehlt dann das Vorstellungsvermögen, dass sich die Eltern im Wohnzimmer oder in der Küche befinden. Daher versteht ein Baby noch nicht, dass du da bist, auch wenn du aus dem Schlafzimmer gegangen bist.
Das Bedürfnis nach Nähe schützt dein Kind, da es auf dich angewiesen ist. Kleine Kinder sind von ihren Eltern abhängig und durch das ständige Suchen nach Nähe erfüllt ein Kind nicht nur ein psychisches Grundbedürfnis, sondern sichert somit auch sein Überleben. Denn Eltern sorgen für ihr Kind – am Tag und in der Nacht. Kinder haben nämlich auch in der Nacht Hunger, Durst, eine volle Windel oder wollen sich einfach nur versichern, dass ihre Eltern noch da sind.
Eines der bedeutendsten Bedürfnisse eines Kindes ist das Bedürfnis nach Bindung. Menschen sind soziale Wesen und kommen mit mehreren Verhaltenssystemen auf die Welt, die das Überleben des Säuglings sichern sollen. Eines dieser Systeme ist das Bindungsverhaltenssystem (das sich zum Beispiel durch Schreien, Weinen oder das Einfordern von Körperkontakt zeigen kann). Ein schreiender Säugling macht auf sich aufmerksam und erhofft sich dadurch, dass ein nicht erfülltes Bedürfnis erfüllt wird. Dein Kind zeigt auf diese Weise, dass es Hilfe oder Unterstützung benötigt, da Säuglinge und Kinder von ihren Eltern (oder anderen Bezugspersonen) abhängig sind, um zu überleben.
Trennung vom Tag, vom Spielen, von den geliebten Bezugspersonen – das kann Kindern phasenweise Angst machen. Vor allem dann, wenn sich dein Kind in einer auf die Bindung auswirkenden Phase befindet. Die phasenweise vermehrten Trennungs- oder Verlustängste kommen während beispielsweise emotionaler (z. B. Fremdel-phase) oder kognitiver (magische Phase) Entwicklungsphasen häufiger vor. Nicht nur die allgemeine Entwicklung wirkt sich auf das Bindungsverhalten eines Kindes und auf dessen Schlaf aus, sondern auch Veränderungen im Alltag deines Kindes. In solchen Phasen kann es sein, dass dein Kind für das Einschlafen noch intensivere oder längere Begleitung benötigt als davor.
Kinder sind gerne in Verbindung mit ihren Liebsten, denn das schenkt ihnen ganz viel Halt und Sicherheit. Sie verbringen gerne Zeit mit ihren engsten Bezugspersonen, sowohl am Tag als auch am Abend, wenn sie einschlafen, sowie nachts. Körperkontakt schenkt ihnen dabei sehr viel Nähe und Geborgenheit.
Du kennst es sicherlich: Weil du verlässlich die Bedürfnisse deines Kindes erfüllst und auf die Bindungsbeziehung achtgibst – also auf die Signale deines Kindes reagierst – kommen häufiger ungefragte Ratschläge von anderen, die deinen Weg nicht verstehen können. Diese Ratschläge verunsichern oder nerven dich vielleicht auch. Das kann dazu führen, dass du gar nicht mehr weißt, wie du dein Kind jetzt noch in den Schlaf begleiten sollst und ob das alles so richtig ist, wie es bei euch zu Hause abläuft.
Dazu sagen wir dir ganz klar:
Du darfst dein Kind so in den Schlaf begleiten und in der Nacht beruhigen, wie es sich für dich richtig anfühlt und wie es dir und deinem Kind guttut. Du musst keine Angst haben, dein Kind zu verwöhnen und du musst auch nicht befürchten, dass es nicht selbstständig wird, denn es entwickelt sich durch deine Begleitung weiter.
Weiter vorn hast du bereits vom angeborenen Bindungsverhalten gelesen. Dieses Verhaltenssystem sichert das Überleben deines Kindes, denn wenn deinem Säugling etwas fehlt, dann macht er durch Schreien auf sich aufmerksam. Kinder zeigen Bindungsverhalten, wie z. B. Schreien oder Weinen immer dann, wenn ein (Grund-) Bedürfnis nicht erfüllt ist. Und wenn nahe Bezugspersonen zeitig und feinfühlig reagieren, dann fühlt sich dein Kind liebenswert und ernstgenommen. Es lernt dadurch, dass es sich auf seine engsten Bezugspersonen verlassen kann, und das kann ihm viel Sicherheit und Geborgenheit schenken.
Müdigkeit und einige Umgebungsbedingungen wie Dunkelheit und Stille können das Bindungsverhaltenssystem deines Kindes aktivieren. Sobald es sich in einer Situation befindet, in der es sich unwohl fühlt oder in der es weiß, dass eine Trennung ansteht, aktiviert sich dieses Bindungsverhaltenssystem. Das heißt, dein Kind weint, schreit oder ruft mehrfach nach dir, weil es Sicherheit benötigt. Erst wenn es sich wieder sicher und geborgen fühlt, deaktiviert sich das Bindungsverhaltenssystem und dein Kind kann sich wieder auf das Schlafen einlassen.
Die Angst vor dem verwöhnten Kind ist weit verbreitet. Man hat dir sicher schon einmal gesagt, dass dir dein Kind auf der Nase herumtanzen wird, wenn du es beispielsweise schnell tröstest oder es auf dessen Wunsch hin auf den Arm nimmst, oder? Woher diese Angst stammt, wie du auf diese und andere Mythen reagieren kannst und wieso du dein Kind nicht mit zu viel Zuwendung, Liebe und Nähe verwöhnen kannst, erklären wir dir jetzt.
Stell dir dazu zunächst folgende Situation vor: Du hast eine Freundin zu Besuch, dein Baby ist wenige Wochen alt. Du bist glücklich mit der Situation, so wie sie ist. Ja, die Nächte sind anstrengend und das hattest du so, ehrlich gesagt, auch nicht erwartet. Du stillst (oder gibst deinem Baby das Fläschchen) und eigentlich seid ihr mittlerweile ein gut eingespieltes Team. Natürlich musst du dich noch an alles gewöhnen und noch etwas mehr in deine neue Rolle als Mama hineinwachsen, aber grundsätzlich geht es euch sehr gut. Dein kleines Baby schreit. Du sitzt mit deiner Freundin am Tisch und ihr trinkt Kaffee. Du scheinst müde und kaputt auszusehen, denn deine Freundin teilt dir das so direkt mit.
Du hörst dein Baby, das in deiner Nähe in einem Bettchen liegt, schreien. Natürlich ist dein erster Impuls aufzustehen, immerhin ruft dein Kind dich und braucht dich offensichtlich. Als du gerade aufstehen möchtest, stoppt dich deine Freundin mit folgenden Worten: „Wenn du jetzt sofort hinrennst, dann wird er dir bald auf der Nase herumtanzen! Glaub mir, ich habe vier Kinder großgezogen, lass ihn schreien, er muss lernen, dass du nicht immer sofort springst!“ Zack. Du fühlst dich schlecht, weil du dein Baby zu dir holst und dich dabei erwischt fühlst. So, als hättest du heimlich die Weihnachtsplätzchen bei Oma aus der Dose stibitzt. Du fühlst dich in die Ecke gedrängt und unwohl.
Als du dein sich beruhigendes Baby auf dem Arm hältst und es schunkelst, schüttelt deine Bekannte leicht lächelnd den Kopf, so als würdest du naiv deinem Ex-Freund, der dich betrogen hat, per SMS antworten. Du fühlst dich schlecht, weil du feinfühlig auf die Signale deines Kindes reagiert hast. Seltsam, oder? Dass du dich als Elternteil schlecht fühlst, weil du auf die Signale deines Kindes reagierst. Aber leider keine Seltenheit.
Lass dich nicht verunsichern:
Du kannst dein Kind nicht mit emotionaler Wärme, Nähe, Zuneigung und Liebe verwöhnen.
Diese Verhaltens- oder Herangehensweise ist vermutlich auf die Zeit der schwarzen Pädagogik zurückzuführen, in der Kinder eher abgehärtet als verstanden wurden. In dieser Zeit wurde Eltern vermittelt, dass sie ihren Kindern nicht so viel Zuneigung, Liebe und Aufmerksamkeit schenken dürften, da Kinder auf diese Weise „verweichlichen“ und später im Leben nicht mit alltäglichen oder schwierigen Situationen zurechtkommen könnten.
Diese Erwartungshaltung an Kinder wurde von Generation zu Generation weitergegeben, weswegen wir heute noch häufig mit einem falschen Bild von Kindern, viel Unwissen und unrealistischen Erwartungshaltungen im Umgang mit Kindern zu kämpfen haben.
Daher werden auch heute noch kindliche Verhaltensweisen, wie schreien, weinen oder nach Aufmerksamkeit suchen, falsch interpretiert und sind deshalb häufig sehr negativ besetzt. Daraus resultiert, dass Kinder immer noch wie kleine Erwachsene behandelt werden.
Aber Kinder denken, fühlen und handeln anders als Erwachsene. Und auch die kindlichen Bedürfnisse sind anders als die der erwachsenen Menschen. Denn Bedürfnisse entwickeln sich weiter und passen sich dem Entwicklungsstand eines Menschen jederzeit an. Deshalb sind beispielsweise die Bedürfnisse nach Nähe und Sicherheit für Kinder grundlegende und überlebenswichtige Bedürfnisse. Kinder verknüpfen zum Beispiel das Schlafen mit Gefühlen wie Sicherheit, Entspannung und Geborgenheit, wenn sie die Möglichkeit dazu haben mit erfüllten Bedürfnissen einzuschlafen. Denn dann wird das Schlafen mit positiven Erfahrungen und Gefühlen besetzt und so fällt Kindern das Schlafen in der späteren Kindheit häufig leichter.
Kinder brauchen Zuneigung, Begleitung und bedingungslose Liebe, um sich sicher und geborgen zu fühlen. Wenn dein Kind sich sicher fühlt, dann erforscht es mutig seine Umgebung und kann fremde Situationen besser annehmen. Also hab keine Angst, dein Kind zu verwöhnen, wenn es um Liebe, Zuneigung und Zuwendung geht. Schenke davon, so viel du willst und kannst. Setze dich jetzt aber bitte auch nicht unter Druck, dass du deinem Kind durchweg deine Aufmerksamkeit schenken musst. In erster Linie soll es dir, deinem Kind und deiner Familie gut gehen und wenn du springen willst, wenn dein Baby schreit, dann spring. Aber bitte brich dir nichts dabei!
Weißt du, weinen, traurig und wütend sein oder nach Aufmerksamkeit suchen und die Nähe von seinen engen Bezugspersonen verlangen – all das sind keine schlechten Eigenschaften. Das sind immens wichtige, überlebenssichernde Verhaltensweisen. Das sind vollkommen normale, in der Entwicklung vorkommende Phasen und Schritte der Persönlichkeitsentwicklung. Dass das Verwöhnen von einigen immer noch sehr negativ besetzt ist, hat auch damit zu tun, dass es verpönt ist, Trauer oder Wut zu zeigen. In unserer Gesellschaft werden Tränen der Trauer oder Wut nicht gerne gesehen, da viele glauben, dass man sich dadurch angreifbar macht. Dabei kann das Unterdrücken von Gefühlen und das Übergehen von Bedürfnissen krank machen. Psychisch wie auch körperlich.
Die Auseinandersetzung mit den eigenen Gefühlen (z. B. Wut bei der Einschlafbegleitung) und mit den Gefühlen des eigenen Kindes (z. B. Angst vor Trennung oder Wut beim Abstillprozess) führt ja auch dazu, dass dein Kind lernt, adäquat mit Gefühlen umzugehen. Gefühle anzunehmen und auf Gefühle verständnisvoll zu reagieren hat nichts mit „Verwöhnen“ zu tun, sondern es ist ein gesundes Verhalten.
Emotionales Verwöhnen, Feinfühligkeit, kindgerechtes Reagieren, Kinder in ihrer Wut begleiten – all das führt nicht zu einem egoistischen Menschen, der keinerlei soziale Grenzen und Regeln einhalten kann. Es führt vielmehr dazu, dass ein Kind die Möglichkeit bekommt, ein positives Selbstbild von sich zu entwickeln. Es festigt das Urvertrauen. Die Selbstwirksamkeit wird bestärkt. Die Bindung kann sicherer werden und das Wissen um seinen „sicheren Hafen“ ist enorm wichtig, um damit anzufangen sich zu lösen und selbstständig seine Umwelt zu erforschen.