Ich kauf mir ein Kind - Birgit Kelle - E-Book

Ich kauf mir ein Kind E-Book

Birgit Kelle

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Beschreibung

Man bestellt es in Amerika, der Ukraine oder auch Georgien. Herstellungsmaterial, Ausstattung und Farbe werden nach Katalog ausgesucht, man bezahlt es und holt es nach Fertigstellung ab. Wir sprechen aber nicht von Automobilen, sondern von Babys. Die sogenannte »Leihmutterschaft« avanciert damit auf dem Weltmarkt zum modernen Menschenhandel unserer Zeit. Während Leihmutterschaft selbst in Ländern wie Thailand und Indien nur noch eingeschränkt erlaubt ist, breitet sich die Geschäftemacherei in Europa immer mehr aus. Von der Ukraine hat sich der Kinderhandel kriegsbedingt aktuell nach Georgien verlagert, doch selbst im deutschen Parlament gibt es immer mehr Befürworter, unter Prominenten wächst der Trend zum »Fremdgebärenlassen«. Die Legalisierung der angeblich nicht kommerziellen Leihmutterschaft wird aktuell bereits von einer Kommission im Auftrag der Bundesregierung geprüft. Die Erfahrung anderer Länder zeigt jedoch: Die sogenannte »altruistische« Variante ist immer der Türöffner für den kommerziellen Markt. Weltweit anerkannte ethisch-moralische Grenzen werden gerade eingerissen: Menschenhandel für Erwachsene und Organhandel sind sozial geächtet, Kinder kaufen ist neuerdings aber okay? Eine Niere nein – ein ganzes Kind ja? Aus der Perspektive der Frau ist Leihmutterschaft Prostitution 2.0. Beutete man früher »nur« ihre Sexualität aus, will man jetzt ihre Gebärfähigkeit gegen Geld. Ein brandaktuelles und für viele Frauen und Kinder höchst gefährliches Thema, das noch viel zu wenig diskutiert wird. Birgit Kelle erklärt in ihrem gewohnt pointierten Stil, wem es nutzt, wer daran verdient, wer darunter leidet und warum es weltweit verboten werden muss.

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Birgit Kelle

Ich kauf mir ein Kind

Birgit Kelle

Ich kauf mir ein Kind

Das unwürdige Geschäft mit der Leihmutterschaft

Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek

Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://d-nb.de abrufbar.

Für Fragen und Anregungen:

[email protected]

Originalausgabe, 1. Auflage 2024

© 2024 by FinanzBuch Verlag, ein Imprint der Münchner Verlagsgruppe GmbH,

Türkenstraße 89

80799 München

Tel.: 089 651285-0

Alle Rechte, insbesondere das Recht der Vervielfältigung und Verbreitung sowie der Übersetzung, vorbehalten. Kein Teil des Werkes darf in irgendeiner Form (durch Fotokopie, Mikrofilm oder ein anderes Verfahren) ohne schriftliche Genehmigung des Verlages reproduziert oder unter Verwendung elektronischer Systeme gespeichert, verarbeitet, vervielfältigt oder verbreitet werden. Wir behalten uns die Nutzung unserer Inhalte für Text und Data Mining im Sinne von § 44b UrhG ausdrücklich vor.

Lektorat: Anne Büntig

Umschlaggestaltung: Pamela Machleidt

Umschlagfoto: shutterstock/RoMaLi

Autorenfoto: Kerstin Pukall, Hamburg

Satz: Zerosoft, Timisoara

eBook: ePUBoo.com

ISBN Print 978-3-95972-770-9

ISBN E-Book (PDF) 978-398609-499-7

ISBN E-Book (EPUB, Mobi) 978-3-98609-500-0

Weitere Informationen zum Verlag finden Sie unter

www.finanzbuchverlag.de

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Inhalt

Vorweg

Kapitel 1: Bist du noch schwanger, oder lässt du schon gebären?

Kapitel 2: Was kostet ein Kind, und wo kauft man ein?

Kapitel 3: Die Logik des Marktes

Kapitel 4: »Wir machen alles«

Kapitel 5: Kinder kauft man nicht

Kapitel 6: … und Frauen kauft man auch nicht

Kapitel 7: Hormone sind keine Bonbons

Kapitel 8: Kinder in Kühlschränken

Kapitel 9: Es gibt kein Recht auf ein Kind

Kapitel 10: Blut ist dicker als Wasser

Wir diskutieren die falschen Fragen

Anmerkungen

»Eure Kinder sind nicht eure Kinder.

Sie sind die Söhne und die Töchter der Sehnsucht

des Lebens nach sich selber.

Sie kommen durch euch, aber nicht von euch,

Und obwohl sie mit euch sind, gehören sie euch doch nicht.«

Khalil Gilbran, aus dem Gedicht »Eure Kinder«

Vorweg

Man bestellt es in Amerika, der Ukraine oder auch in Georgien. Herstellungsmaterial, Ausstattung und Farbe werden nach Katalog ausgesucht. Man bezahlt es und holt es nach Fertigstellung ab. Wir sprechen nicht von Automobilen, sondern von Babys. Die sogenannte »Leihmutterschaft« avanciert damit auf dem Weltmarkt zum Menschenhandel unserer Zeit.

Das Geschäftsmodell funktioniert in verteilten Rollen. Es nutzt den Reichen, den Verzweifelten, den Gebärunwilligen, den Gebärunfähigen, den Singles und homosexuellen Paaren. Es verdient daran eine Milliarden-Industrie der technisch und ethisch grenzenlosen Reproduktionsmedizin. Frauen sind dabei Material und Mittel zum Zweck, sie werden ausgebeutet in der Dritten Welt, in den armen Ländern Europas, in prekären Situationen. Man degradiert sie zu Brutkästen und nutzt ihre Notlagen schamlos aus. Kinder sind das wertvolle Produkt. Sie werden auf dem Weltmarkt zu hohen Preisen wie Ware gehandelt oder auch entsorgt, wenn sie doch nicht so makellos sind, wie auf den Katalogseiten angepriesen.

»Leihmutterschaft« klingt so harmlos, ist sie aber nicht. Wir sind ja hier nicht in einer Bibliothek, wo man Bücher ausleiht und zurückgibt, nachdem man sie fertiggelesen hat. Es wird auch keine Mutter »geliehen«, ganz im Gegenteil, die Frau soll auf gar keinen Fall Mutter sein, sondern nur eine reine Brutstätte.

Aus der Perspektive des Kindes ist es schlicht Menschenhandel. Eine Degradierung vom Subjekt und Träger individueller Menschenrechte hin zum rechtlosen Objekt, zu einem Ding. Heißt es nicht passend das Kind? Es ist ein großes Menschenexperiment am offenen Herzen und der seelischen Gesundheit dieser Kinder. Das global verkaufte Kind darf nicht unter seinem Schicksal leiden. Es soll bitte unbedingt glücklich und dankbar sein dafür, dass es auf der Welt ist, und später keine dummen Fragen nach seiner biologischen Herkunft stellen – schließlich war es sehr teuer. Es wird zur Handelsware, die bitte ohne Produktionsfehler, im richtigen Geschlecht, in der richtigen Anzahl, bei voller Gesundheit, zu erschwinglichem Preis und natürlich pünktlich zum richtigen Zeitpunkt in der Work-Life-Balance seiner Auftraggeber zur Verfügung stehen soll. Jeder hat doch schließlich diskriminierungsfrei ein Recht auf ein Kind, oder etwa nicht?

Um den Ansprüchen aller Profiteure zu genügen, werden im Namen der »Leihmutterschaft« weltweit längst anerkannte ethisch-moralische Hürden der zivilisierten Welt wieder eingerissen. Wahlweise im Sinne des medizinischen und technischen Fortschritts, der Antidiskriminierung, der Emanzipation der Frau und des Glücksanspruchs des Einzelnen möchten manche offenbar die Menschenrechte noch einmal neu verhandeln. Alles wieder auf Null, nur weil der Mensch jetzt reproduktionstechnisch Dinge kann, die man früher nicht für möglich hielt. Und das hier ist nur der Anfang. Das Gruselkabinett der Reproduktionsmedizin hat noch mehr auf Lager als die künstliche Befruchtung eines angemieteten Bauches.

Es zählte jedenfalls bislang zu den großen Errungenschaften der zivilisierten Welt, Sklaverei und Menschenhandel zu gesellschaftlichen No-Gos zu erklären, weil sie mit der Würde des Menschen nicht vereinbar sind. Kinder zu kaufen und zu verkaufen, ist aber okay?

Gleiches gilt für den Organhandel. Das schmutzige Geschäft ist weltweit geächtet, damit verzweifelte Notlagen armer Menschen nicht herausgefordert und ausgenutzt werden können. Nicht einmal wenn sie ihre Einwilligung dazu gäben. Doch Frauen in den Slums der Dritten Welt oder in georgischen Frauenhäusern als Brutkästen anzuwerben und ihre Kinder zu kaufen, ist in Ordnung? Eine Niere »nein« – ein ganzes Kind »ja«?

Aus der Perspektive der Frau ist »Leihmutterschaft« die Prostitution 2.0. Der moderne Zuhälter arbeitet bloß nicht mehr im Rotlichtmilieu, sondern deutlich lukrativer als Agenturvermittler im Reproduktionsgeschäft, zum Teil über Kontinente hinweg. Er schickt seine »Mädchen« bloß nicht mehr auf die Straße zum Anschaffen, sondern in den Kreißsaal zum Gebären. In beiden Fällen werden die Frauen dabei zu funktionierenden Körperteilen degradiert. Und genau deswegen muss man es beim Namen nennen, worüber wir hier reden. Beutete man früher »nur« die Sexualität der Frau aus, will man heute ihre Gebärfähigkeit gegen Geld. Nicht nur die Kinder, auch diese Frauen werden also in Wahrheit zum Objekt. Es interessiert nicht mehr der Mensch, nicht die Person, nicht mehr die Frau, schon gar nicht die Mutter, nur ihr Bauch und die reibungslose Funktionalität ihrer Gebärmutter.

Heerscharen von Feministinnen beschuldigen die katholische Kirche, das weltweite Patriarchat und angeblich ewig gestrige Reaktionäre mit traditionellen Familienvorstellungen, die Frau in der Gefangenschaft der Ehe zum »Brutkasten« zu erniedrigen, während es die moderne Reproduktionsmedizin unter freundlichem Applaus befreiungsrhetorischer Feministinnen faktisch längst umgesetzt hat und es gar als Selbstbestimmung der Frau verkauft oder als Geschlechtergerechtigkeit für jenen Teil der LGBT-Gemeinde, der sich untereinander nicht befruchten kann. Die bittere Realität könnte frauenfeindlicher nicht sein: Die Frau soll brüten, werfen und dann die Klappe halten. So widerwärtig und ausbeuterisch hat das noch nicht einmal das immer noch unermüdlich bekämpfte System des »alten weißen Mannes« praktiziert. Dort wurde sie jedenfalls wenigstens vorher geheiratet und anschließend versorgt. Als Brutkasten der aufgeklärten Postmoderne bleibt sie im globalen Geschäft ohne Rechte und medizinische Versorgung auf der Strecke. Dafür wird sie aber verbal aufgewertet, das ist doch nett! Die Prostituierte hat man aus dem Schmuddel-Milieu heraus verbal zur »Sexarbeiterin« befördert, die Fremdgebärende wird jetzt zur »Reproduktionsarbeiterin« gemacht. Das gibt bestimmt auch irgendwann einen Tarifvertrag bei ver.di. Welch emanzipatorische Errungenschaft!

Es war ausgerechnet die Ukraine, die in den vergangenen Jahren bereits zweimal ein böses Schlaglicht auf ein neues Millionengeschäft mitten in Europa warf, denn dort herrschte nicht nur Krieg, sondern auch Kinderstau. Bereits in den Corona-Lockdowns 2020 warteten Hunderte von Babys wegen der globalen Reisebeschränkungen und Lockdowns vergeblich in Massenunterkünften in Kiew – bestellt und nicht abgeholt von den Auftraggebern, die nun ihre Eltern sein sollten. Analog wiederholte sich dasselbe im europäischen »Leihmutterschafts«-Eldorado im Frühjahr 2022 durch den Kriegsausbruch. Der Marktführer BioTexCom sendete in beiden Fällen dramatische Appelle an ausländische Botschaften und Politiker, um Lösungen zur Ausfuhr der Kinder zu finden. Es lagerten schließlich unter dem russischen Bombenhagel wahre Schätze in Kiews Luftschutzkellern, und es galt auch, abseits des menschelnden Kulleraugen-Faktors weinender Neugeborener, Verträge zu erfüllen. Immerhin hat jedes einzelne Baby zwischen 40.000 und 70.000 Euro gekostet. Die Ware »Kind« wird zum Kollateralschaden kriegerischer Auseinandersetzungen, unter widrigen Umständen von fremden Krankenschwestern notdürftig versorgt, wenn die Logistik der »Warenauslieferung« im Lieferkettenstau von Pandemie und Krieg versagt.

Die schwangeren »Leihmütter« durften sich übrigens bei Kriegsausbruch 2022 nicht ins sichere Ausland retten, waren sie doch vertraglich gebunden, unter dem Bombenhagel in der Ukraine zu verweilen, weil ihr »Leihmutterschafts«-Vertrag im Ausland eine Straftat wäre. Wo und ob sie nach den oft üblichen Kaiserschnitten, die bei der Geburt dieser Kinder angewandt werden, mitten im Krieg medizinisch versorgt wurden, weiß keiner. Wen interessiert schon der Brutkasten?

Während nun Thailand und Indien, lange Jahre die führenden Länder dieses schmutzigen Marktes, bereits zurückrudern und nach leidvollen Erfahrungen die »Leihmutterschaft« in ihren Ländern wieder verbieten, entwickeln sich arme europäische Länder zum neuen Zentrum der Szene. Von der Ukraine verlagerte sich der Markt kriegsbedingt und pragmatisch nach Georgien, dort versorgte man auch den zusammengebrochenen indischen Markt wieder und warb Mietmütter aus ehemaligen Sowjetstaaten an. Behinderte Kinder musste man nicht abholen, die durften in georgischen Waisenhäusern »entsorgt« werden. Produktionsfehler will keiner.

Die deutsche Regierung verschließt beide Augen vor den Fakten dieses menschenverachtenden Geschäfts vor der europäischen Haustüre. Es ist auch nicht bekannt, dass die deutsche Außenministerin im Sinne ihrer viel zitierten »feministischen Außenpolitik« ein deutliches Wort an die Ukraine gerichtet hätte, um einmal nach den Rechten und dem Gesundheitszustand Tausender ukrainischer Mietmütter zu fragen, die während des andauernden Krieges in der Ukraine entbunden haben. Stattdessen strebt dieselbe Regierung nahezu antizyklisch nach einer Legalisierung dieser Praxis auch auf deutschem Boden.

Das geltende Embryonenschutzgesetz in Deutschland verhindert »Leihmutterschaft« derzeit noch, ebenso wie auch die Eizell- und die Embryonenspende. Wie sollte man auch Menschen »spenden«? Die Betonung liegt auf »noch«, denn man hat sich in Berlin auf die Fahnen geschrieben, zumindest die sogenannte »altruistische«, oder auch »nicht-kommerziell« genannte Variante sowie die Eizellspende legalisieren zu wollen. Mit der Aufgabe, legale gesetzliche Wege für die neuen Möglichkeiten der Reproduktionsmedizin zu entwickeln, wurde eigens eine Kommission betraut.

Die Befürworter formulieren dazu die blumige Theorie, dass dabei kein Geld zwischen Auftraggeber und »Leihmutter« fließe und dadurch alles nur ein Akt der Nächstenliebe für verzweifelte Menschen mit Kinderwunsch und somit letztendlich eine gute Tat sei. Es menschelt immer sehr, wenn die Kinderlein kommen. Gerne bemüht man etwa Beispiele wie die Frau, die für ihre krebskranke Schwester, oder die Mutter, die für den schwulen Sohn oder die unfruchtbare Tochter stellvertretend das Kind austragen. Es bliebe also quasi »in der Familie«.

Die reale Erfahrung anderer Länder zeigt jedoch: Die altruistische Variante ist immer eine Mogelpackung, nur der vorgeschobene Türöffner für den kommerziellen und den schwarzen Markt. Hat man die angeblich nicht-kommerzielle Option erst einmal gesetzlich verankert, folgt im nächsten Schritt die Ausweitung auf immer größere Personenkreise, bis es irgendwann für alle gilt. Und natürlich verdient auch an der »altruistischen« Variante die gesamte Branche der Reproduktionsmedizin, die Ärzte und Kliniken, munter weiter ihr Geld – während ausgerechnet jene, die das gesamte körperliche und seelische Risiko schultert, als Einzige nichts bekommt: die Frau, die das Kind austrägt. Man trickst sie mit Rhetorik auch noch billig aus. Die Frage, was es für das Kind bedeutet, wenn seine Schwester gleichzeitig seine Mutter ist, weil sie im selben Bauch der Großmutter groß wurde wie es selbst, wäre zudem mal ein spannendes Forschungsprojekt für eine ganze psychologische Zunft. Die nicht existente wissenschaftliche Langzeitstudie läuft stattdessen bereits in Echtzeit am lebenden Objekt.

Als Argumentationshilfen nutzen die Befürworter der Legalisierung dieser entwürdigenden Praxis die immer gleichen durchschaubaren Phrasen. Da wäre etwa die Angleichung an »internationale Standards«, wir müssten schließlich mit der Zeit gehen, der technische Fortschritt soll ja nicht an uns vorbeirauschen. Und wäre es nicht besser, die Babys lägen alle in deutschen Hochglanzkliniken statt im korrupten Georgien und in ukrainischen Klinikruinen? Warum die armen Eltern erst teuer ins amerikanische Ausland reisen lassen, wenn man das, was doch statistisch Tausende jährlich grenzüberschreitend machen, viel günstiger auch im eigenen Land tun könnte? Es passiert doch sowieso, lasst es uns legalisieren! Ist es nicht unsozial, wenn nur Reiche sich deswegen das Fremdgebären leisten können? Günstig Kinder für alle bitte und am besten krankenkassenfinanziert.

Gern genommen wird auch das juristische Argument, dass es doch im Sinne der Rechtssicherheit der Kinder sei, ihren rechtlichen Status als Neugeborene und ihre Kinderrechte gründlich deutsch abzusichern. Schließlich gebe es ständig Schwierigkeiten mit dem Abstammungsrecht und der Anerkennung der Elternschaft, wenn da jedes Mal die Rechtslage und das Verwandtschaftsverhältnis erst zwischen konkurrierenden Rechtssystemen weltweit geklärt werden müsse. Wer weiß denn schon auf Anhieb, wer die Mutter ist, wenn ein Kind mit der Eizellspende einer ukrainischen Studentin von einer Georgierin auf Zypern ausgetragen wird, um dann von einem lesbischen Paar aus Bremen großgezogen zu werden? Eben.

Und dann erst die Vorteile für die »Leihmütter« selbst! Hier verdienen sie doch viel mehr als in Georgien, und man könnte das Ganze notariell beurkunden mit dem Recht auf medizinische Nachsorge. Nicht zuletzt wird auch gern angeführt: Es ist doch sowieso egal, wer Mutter und Vater eines Kindes sind und wie viele Mütter, Väter oder sonstige Eltern ein Kind im Verlauf seines Entstehungsprozesses jeweils hat, schließlich wird es doch anschließend geliebt, und nur das ist wichtig für das Kind. Man könnte die erwartbaren Pressestatements der Regierung zur Legalisierung der »Leihmutterschaft« jetzt schon vorformulieren.

Es gibt kein richtiges Leben im falschen, formulierte hingegen der Philosoph Theodor W. Adorno gegen den Selbstbetrug des Menschen, er könne sich in einem grundlegend falschen oder gar bösen Gesellschaftssystem dennoch irgendwie gut einrichten. Etwas Falsches wird nicht richtig, indem man die Bedingungen des Unrechtes hübscher gestaltet. »Leihmutterschaft« wird moralisch nicht tragbarer, wenn man den Kreißsaal bunt anmalt, die Brutfrauen besser bezahlt oder den Kinderkauf rechtlich sicher und finanziell im Sonderangebot auf dem Markt anbietet.

Noch nie ist jemand auf den vergleichbar abstrusen Gedanken gekommen, der Sklavenhandel hätte einfach nur mit mehr Liebe zu günstigeren Preisen im eigenen Land mit anständigen Verträgen und DIN-Norm für die Zimmergröße in Onkel Toms Hütte betrieben werden müssen, um mit den universalen Menschenrechten doch kompatibel zu sein. Denn am Ende hätte trotzdem ein Mensch wie ein Stück Vieh gegen Geld den Besitzer gewechselt. Warum sollte das bei einem kleinen Menschen weniger verwerflich sein als bei einem großen? Werden Menschenrechte neuerdings in Kilo/Lebendgewicht aufgewogen?

Als der Milliardär Elon Musk gemeinsam mit zahlreichen namhaften Forschern im Bereich der Künstlichen Intelligenz (KI) im Frühjahr 2023 alle führenden Forschungseinrichtungen der Branche zu einem freiwilligen Entwicklungsstopp von sechs Monaten aufforderte, erschien das zu Recht vielen klugen Menschen plausibel. Die Begründung war, dass das unkontrollierte Potenzial dieser Technologie derart gefährlich sei, dass sie ohne Begrenzungen und Regulierungen den Ausbruch von Weltkriegen und ein baldiges Ende der Menschheit provozieren könnte. Der grundsätzliche Gedanke dahinter: Wir dürfen nicht alles, was wir können, weil wir uns sonst selbst vernichten. Millionen Menschen verfolgten im selben Jahr in den Kinos weltweit die Geschichte des Atombomben-Entwicklers Robert Oppenheimer, der das zerstörerische Potenzial seiner Erfindung auch erst im Nachhinein in seiner ganzen Entsetzlichkeit erkannte. Die ständig weiter wachsenden Möglichkeiten der Reproduktionsmedizin stellen den Menschen jetzt ebenfalls vor die Herausforderung, entscheiden zu müssen, ob er alles tun darf, was er tun kann – mit dem Menschen und seinem genetischen Erbmaterial.

Der Philosoph und Autor C. S. Lewis formulierte es in seinem Buch Die Abschaffung des Menschen so: »Was wir des Menschen Macht über die Natur nennen, erweist sich als eine von wenigen mit Hilfe der Natur über andere ausgeübte Macht.«1

Etwas ist nicht gut, nur weil es existiert oder weil der Mensch es kann. Nach Jahrhunderten des positiven Fortschrittes in der Wissensvermehrung, der Forschung und den Möglichkeiten der modernen Medizin, von denen wir alle profitieren, ist der Scheitelpunkt längst überschritten, an dem der Mensch sich gegen sich selbst wenden kann. Wir können die Menschheit nicht nur durch Atombomben auslöschen, sondern auch, indem wir uns selbst zu Laborratten machen, an denen man herumexperimentieren darf, ohne Rücksicht auf die Folgen. Nie war die Verklärung als »Götter in Weiß« für das Metier der Ärzteschaft passender als heute.

Man spielt längst Gott bei der Optimierung und Erschaffung des ganz neuen Menschen. Selbstverständlich wird bei dem Prozess der Zeugung im Reagenzglas »unwertes« und krankes Leben längst aussortiert oder auch das »falsche« Geschlecht. In manchen Laboren weltweit werden bereits tierische und menschliche Zellen zu neuen Lebensformen gekreuzt. Andere Forscher bemühen sich, tierische Organe jenen Menschen zu transplantieren, die vergeblich auf ein menschliches Spenderorgan hoffen. Man versucht ebenfalls, menschliche Organe ohne Menschen in Petrischalen zu züchten.

Wieder andere arbeiten an dem (Alb-)Traum, die menschliche Fortpflanzung ganz vom weiblichen Körper abzukoppeln und Retortenbabys in technischen Brutkästen großzuziehen, als wäre die Dystopie von Aldous Huxleys Schöne neue Welt keine Warnung, sondern eine Bedienungsanleitung. Warum sollen nur Hühner in Legebatterien heranreifen, wenn man auch Babyfarmen bauen könnte? Dann bräuchte man wenigstens keine Mietmütter mehr, könnte man zynisch einwerfen. Die Frau wäre endlich von der Last der Reproduktionsarbeit befreit, dem Mann final gleichgestellt und sie könnte sich ganz der Emanzipation auf dem Arbeitsmarkt widmen, das fleißige Bienchen. Das wäre sicher ein Meilenstein im Kampf wider den Gender-Pay-Gap. Schon wieder droht eine emanzipatorische Befreiung der Frau, diesmal nicht von Ehe und Mann, sondern von der Bürde des Gebärens. Wie dumme Hühner lassen sich Frauen ihre ureigene weibliche Domäne des Kinderkriegens durch kapitalschlagende Unternehmen entreißen und nicht wenige dieser naiven Mädchen feiern das auch noch als Erfolg der Emanzipation.

In nahezu schizophrener Manier rettet unsere Gesellschaft unermüdlich die Erde, die Natur und den unberührten, ursprünglichen Lebensraum jeden Baumes und jeder Wühlmaus, ignoriert aber die Unantastbarkeit des Ökosystems Mensch. Wir verdammen genmanipulierte Tomaten, Genmais und Hormonspuren im Trinkwasser, während man gleichzeitig längst an der genmanipulierten Herstellung von Humankapital herumbastelt, als wäre der Mensch nur der Chemiebaukasten eines experimentierfreudigen Grundschülers. Benutzung auf eigene Gefahr. Wie kommt es, dass alle die Ökologie des gesamten Planeten retten wollen, aber nicht jene des Menschen?

Aber was ist mit jenen Frauen, Männern und Paaren, die es sich schon viel Geld, viele Tränen und vergebliche Hoffnungen haben kosten lassen, um ein sehnlichst erwünschtes Kind in ihren Armen halten zu können? Sind sie nicht auch Opfer einer Zeitgeiststimmung, die ihnen verspricht, dass medizinisch alles möglich sei und sie zudem ein Recht auf alles hätten, es vielmehr sogar diskriminierend sei, wenn andere Kinder haben können und sie nicht? Kann man rundum verurteilen, wenn sie schlicht nutzen, was möglich ist, weil sie auch glauben wollen, was man ihnen erzählt?

Sind Menschen, die glauben, dass Kinderlosigkeit heute kein unabänderlicher Schicksalsschlag mehr sein muss, und die jenen vertrauen, die ihnen versichern, dass es nur eine medizinische, gesetzliche, finanzielle und vertragliche Herausforderung ist, die man überwinden kann, nun Täter oder Opfer?

Ist es feministische Befreiungsrhetorik oder kapitalistische Gewinnmaximierung in Reinformat, wenn man vor allem Frauen empfiehlt, sie sollten die jungen, fruchtbaren, gesundheitlich unkomplizierten Jahre ihres Lebens in eine Karriere investieren, ihre Eizellen einfrieren lassen und erst jenseits der 40 Mutter werden, um nicht die besten Jahre ihres Lebens an eine Familie oder gar Kinder zu vergeuden, wenn sie doch stattdessen ihre Glückseligkeit im Hamsterrad einer Vollzeitstelle finden könnten?

Der Aufprall auf dem Boden der biologischen Uhr ist hart, wenn Frauen realisieren, dass es zu spät ist, weil das Kind, das sie manchmal 20 Jahre mit allen Optionen derselben Medizin verhindert haben, jetzt gar nicht mehr kommen will. Für sie ist die Option »Leihmutterschaft« in der Regel der letzte Strohhalm, an den sie sich klammern, um doch ein Baby zu bekommen, wenn alle Optionen der versuchten künstlichen Befruchtung und ihre maximal 25-prozentige Erfolgschance verbraucht sind, weil sie die fruchtbare Zeit ihres Körpers haben verstreichen lassen. Wie reife Früchte sammeln die Rattenfänger der Reproduktionsindustrie die verzweifelten Nichtmütter dann auf ihren Babymessen und im Internet ein.

Fortpflanzung, Befruchtung, Reproduktion, Retorte – es sind abstrakte, klinisch saubere Begriffe, die so gar nichts mit der brennenden Sehnsucht zu tun haben, den warmen Duft eines friedlich schlafenden Neugeborenen einzuatmen. Der Wunsch nach einem eigenen Kind kann mächtig sein. Kinder zu bekommen, ist nicht rational, es ist ein Trieb. Wir wären als Menschheit längst ausgestorben, hinge die Frage unserer Fortpflanzung nicht von Instinkten, sondern vom Ergebnis feministischer Stuhlkreisdebatten, geopolitischen Demografiestrategien, den Bedenken der Klimabewegung oder dem Applaus unserer Peergroup ab. Wer das Drama, den Schmerz, die Wut und die Trauer der ungewollten Kinderlosigkeit bei Freundinnen, Schwestern und Paaren einmal miterlebt hat, weiß, wie verlockend es sein muss, jene moralischen Hürden zu reißen, die man sonst auch selbst ganz persönlich gerne hochhält.

»Warum adoptiert ihr denn nicht stattdessen ein Kind?«, fragte ich einst ein schwules Paar in der hitzigen Debatte um »Leihmutter«-Kinder, »es gibt doch dafür ebenfalls Optionen im Ausland.« »Ich will doch nicht irgendein Kind, ich will mein Kind«, kam spontan die entrüstete Antwort zurück. Blut ist eben doch dicker als Wasser, und das ist offenbar in allen Paarkonstellationen gleich. Was, wenn auch das mit Eizell- und Samenspenden und in fremden Bäuchen herangezogene Kind später nicht wahllos irgendwelche, sondern lieber seine biologischen Eltern hätte? Haben wir ihm je die Wahl gelassen?

Das Geschäft der »Leihmutterschaft« ist nicht die Lösung, sondern der Beginn von ethischen, moralischen, emotionalen, psychischen, gesundheitlichen und juristischen Problemen. Deswegen muss man der Realität ins Auge sehen und erkennen, wem dieser Akt wider die Menschenwürde nutzt, wer daran verdient, wer darunter leidet und warum er aus all diesen Gründen weltweit verboten werden muss.

Kapitel 1

Bist du noch schwanger, oder lässt du schon gebären?

Die glücklichsten Babys leben in Friseursalon-Gazetten

Mit Geld lässt sich alles machen – auch Kinder. Fremdgebärenlassen ist im Trend. Unter den Reichen und Schönen aus der Glamourwelt der Friseursalon-Literatur ist »Leihmutterschaft« längst zum sozial akzeptierten Weg der Elternschaft avanciert, auch wenn der Sache immer noch etwas Extravagantes anhängt. Möglicherweise waren die Kinder von Michael Jackson die ersten »Leihmutterkinder« der Prominentenwelt. Die Spekulationen über die Frage der Abstammung der insgesamt drei Kinder beschäftigt die Boulevardpresse bis heute. Die Kinder womöglich auch.

»Ich bin der Vater und die Mutter«, verkündete bereits vor Jahren der Milliardär und als Karstadt-Retter bekannt gewordene Investor Michael Berggruen, als er im Alter von 54 Jahren zwei Kinder bei zwei Mietmüttern in Kalifornien ausbrüten ließ. Wozu braucht es da noch eine anstrengende Beziehungsfrau, wenn man gleich zwei zeitweise anmieten kann?

Elton John und sein Lebensgefährte David Furnish wurden im Alter von 62 beziehungsweise 48 Jahren nicht Mutter und Vater, sondern Doppelväter ihres ersten Kindes, ebenfalls geboren von einer Frau in Kalifornien. Es ist nicht nur ein sonniger, sondern auch ein gesetzlich liberaler Staat der USA. Zwei Jahre später folgte der nächste Sohn. Taufpatin beider Kinder ist Lady Gaga – da kann ja nichts mehr schiefgehen.

Sex-and-the-City-Star Sarah Jessica Parker war 44 Jahre alt, als sie und ihr Gatte sich Zwillinge austragen ließen, die »Leihmutter« erhielt dafür laut Medienberichten 23.000 Euro und eine Menge unerwünschte Publicity, als ihre Identität ungewollt öffentlich bekannt wurde.

Auch der Schauspieler Dennis Quaid und seine Ehefrau ließen sich Zwillinge gebären. Gleich zwei in einem Aufwasch ist nicht nur schneller, sondern auch günstiger. Der Sänger Ricky Martin zieht mit seinem Lebensgefährten als schwule Väter inzwischen gleich vier Kinder groß, die allesamt durch gemietete Frauen das Licht der Welt erblickten, und die Schauspielerin Nicole Kidman nutzte nach zwei Adoptivkindern und einem selbst geborenen Kind ebenfalls die Option des Fremdgebärenlassens, um jenseits der 50 noch ein viertes Kind nachzulegen. Die Supermodels Tyra Banks und Naomi Campbell, Grey’s-Anatomy-Star Ellen Pompeo, Hollywood-Darling Cameron Diaz und Schauspielerin Lucy Liu, Star-Wars-Regisseur George Lucas, Late-Night-Talker Jimmy Fallon haben es genauso getan. Auch wenn man über das Alter von Frauen nicht sprechen soll, ist es erwähnenswert, dass alle diese Damen bereits in einem Alter über 40, manche über 50 waren.

Robbie Williams und seine Frau Ayda Field machten es halb undhalb: Zwei Kinder sind selbst gezeugt und geboren, die letzten beiden über Mietmütter auf die Welt gebracht. Genauso handhabte es auch Kim Kardashian, eines der zahlreichen Mitglieder des inzwischen recht unübersichtlichen Kardashian-Clans. Nach zwei Schwangerschaften konnte sie keine eigenen Kinder mehr bekommen, die nächsten beiden sollen jeweils 100.000 Dollar gekostet haben. »Warum macht man es mir so schwer, wenn es doch erlaubt ist?«, kommentierte Kardashian die Kritik über ihre Form des Elternwerdens2 in ihrer eigenen Netflix-Serie. Das ist in der Tat eine gute und berechtigte Frage: Was erlaubt ist, kann man doch machen, oder nicht? Inzwischen bekam eine ihrer Schwestern ebenfalls über eine angemietete Frau das zweite Kind. Hollywood-Legende Robert de Niro hat von vier Frauen insgesamt sieben Kinder, drei davon wurden von Mietmüttern ausgetragen, Zwillinge bereits im Jahr 1995, damit gehört er zu den Pionieren in diesem Geschäft. Als Tochter Helen bei einer Mietmutter in Auftrag gegeben wurde, war er bereits 67 Jahre alt. Wenn er Glück hat, erlebt er noch ihre Volljährigkeit.

»Soziales« Gebärenlassen

Während dieses Buch entsteht, verkündet die 42-jährige Hotelerbin Paris Hilton bei Instagram im November 2023 bereits die Ankunft ihres zweiten Kindes in diesem Jahr. Das Mädchen heißt »London«, das sei ihre Lieblingsstadt. »Und ich finde, dass Paris und London zusammen süß klingen«, hatte sie bereits im vergangenen Jahr in einer TV-Show in den USA verraten. Gut, dass sie noch nie im bezaubernden Wanne-Eikel war. Bereits im Februar desselben Jahres gingen die arrangierten Hochglanzbilder mit ihrem durch eine Mietmutter geborenen Sohn Phoenix durch alle Social-Media-Kanäle. Städte als Vornamen sind wohl im Trend. Sie und ihr Mann hätten die Schwangerschaft lange geheimhalten können, las man damals in den Medien und zweifelte kurz am Geisteszustand der Journalisten angesichts der Beschreibung einer Frau, die gar nicht schwanger war – was genau hätte sie da verbergen sollen? Den Vertrag über die Elternrechte?

Nun ist sie Mama, das Fotoshooting in diversen Outfits mit und ohne Kind findet zwei Tage nach der Geburt statt, erfährt man stolz aus der Redaktion bei Glamour und auch allerlei Privates aus der Motivationslage des It-Girls. Ihre Freundin Kim Kardashian hätte ihr geraten, ihre Eizellen einfrieren zu lassen, plaudert sie dort freimütig aus. Man tauscht in diesen Kreisen nicht nur die Nummern von Schönheitschirurgen, sondern auch jene von Fortpflanzungsexperten. Sie und ihr Mann hätten während der Corona-Lockdowns durch sieben Behandlungszyklen inzwischen 20 Embryos eingefroren. Es seien aber alles Söhne. Jetzt hat sie noch einmal Eizellen befruchten lassen und offenbar hat es nun bei Klein-London mit einem Mädchen geklappt. Ob sie alle 20 Brüder noch austragen lassen und großziehen will, dürfte angezweifelt werden. Niemand stellt im Interview die Frage, was aus den Kindern im Kühlschrank werden soll. Stattdessen erfahren wir, die Entscheidung zum Fremdgebärenlassen ist bei ihr nicht medizinisch begründet. »Wenn ich 20 wäre, würde ich auch eine Surrogate nutzen«, sagt Jung-Mama Paris, denn sie sei traumatisiert. Eine Geburt und der Tod seien jene Dinge, vor denen sie sich am meisten fürchte. Armes reiches Mädchen. Wie gut, dass man da andere für die Dienstleistung »nutzen« kann.

Die Zielgruppe »reich und schön« kennt eben Probleme, für die Normalsterbliche in der Regel kein Geld und auch keine Zeit haben: Ob etwa die sogenannte »soziale Leihmutterschaft« okay sei, wenn Frau befürchte, dass eine Schwangerschaft die Figur oder die Karriere oder beides ruiniere, oder wenn sie Angst vor dem Akt des Gebärens habe. Wenn also kein medizinischer Grund für eigene Kinderlosigkeit vorliegt, sondern Lifestyle und Beruf nicht aufgegeben werden wollen. Nahezu wörtlich ging das Modemagazin Elle3 dieser Frage bereits 2014 unter der Rubrik »Leben und Liebe« nach.

Wir lernen dort die erfolgreiche Fotografin Mari kennen, an deren Beispiel man exemplarisch und wortreich durchdenkt, warum sie gar keine Zeit habe, schwanger zu werden. Sie sei fast 40, habe eine 60-Stunden-Woche, und im Sommer habe sie Hochsaison im Geschäft, wann soll man da schwanger werden? Ja, wie machen das bloß Millionen andere berufstätige Frauen? Ganz zu schweigen von der Frage, wer sich um Maris Geschäft kümmert, sollte sie in der Schwangerschaft liegen müssen, falls sich etwa Zwillinge anbahnen, oder wenn sie diese furchtbare »Morgenübelkeit wie Prinzessin Kate« bekäme. Das Leben ist hart als Karrierefrau. Schließlich entscheidet sie sich, lieber Kredite aufzunehmen für die 100.000 Dollar an Kosten für eine Mietmutter. Die muss man zwar auch erst mal verdienen, aber unter dem Strich ist es offenbar immer noch finanziell rentabler, als sich Zeit für eine Schwangerschaft zu nehmen.

Nur kein schlechtes Gewissen bitte! Es gibt genügend Argumente, das Gebären gegen Bezahlung anderen zu überlassen. Wunderbar erklären die Vermittlungsagenturen dem gestressten Frauenpublikum, wie das mit den völlig berechtigten »sozialen« Gründen für den Bedarf an einer Ersatzschwangeren sei. Bei Conceptual Options4, die seit 1999 im Geschäft sind, weiß man verständnisvoll um die Sorgen und Nöte von weiblichen High Potentials wie etwa Politikerinnen. Die könnten doch während einer »stressvollen Wahlkampagne nicht eine Schwangerschaft durchhalten«. Und man denke nur an all die unerwarteten und unplanbaren Komplikationen, die eine Schwangerschaft für den Terminkalender bringen können. Manche Frauen hätten Morgenübelkeit oder Bluthochdruck und könnten ihr Tagespensum dann nicht leisten. Wir lesen: »Manche dieser Frauen haben schon zu hart und zu lange gearbeitet, um ihre Position in der Karrierewelt zu opfern. Sie können es sich nicht leisten, schwanger zu werden. Buchstäblich nicht.« Ja, es ist besser, das übernimmt eine Frau, die nicht so high potential ist, denn die hat ja nicht so viel zu verlieren. Wie gut, wenn Frau es sich leisten kann, dass eine andere Geschlechtsgenossin schwanger wird, Bluthochdruck bekommt und sich morgens übergibt, statt zur Vorstandssitzung zu fahren. Wie sozial!

Nicht geklärt wird die Frage, ob all die erfolgreichen Arbeitsbienchen danach Zeit haben für das ganze Leben eines Kindes, wenn schon keine neun Monate für die Schwangerschaft da sind. Leider stellt diese Frage keiner der zahlreichen Medienberichte zu diesem Thema, aber dafür gibt es sicher Personal.

Bling-Bling-Babys

Manchen reicht es nicht, Mietmutterkinder zu kriegen, sie müssen auch der ganzen Welt davon erzählen, es dokumentieren, sich feiern lassen. Je pompöser und ungewöhnlicher das Ganze ist, umso besser. Auf Instagram bejubelt ein schwules Influencer-Paar mit Fotostrecke die baldige Geburt des eigenen Sohnes, ausgetragen von der Mutter beziehungsweise Schwiegermutter des Paares, also der Oma des Kindes. Wer bislang dachte, in komplizierten Patchwork-Konstellationen zu leben, kann bei »Jensy und Genao« noch etwas lernen. Das inszenierte Kitsch-Bild5 lässt sich kaum in Worte fassen. Wir sehen die Herren im schwarzen Anzug anbetend Richtung »Leihmutter«-Oma blicken, eine fesche Spätfünfzigerin halb nackt in rosafarbener Unterwäsche, mit farblich passenden Glitzer-High-Heels und überdimensionalen rosafarbenen Flügeln, die in dieser Inszenierung als Geburtsengel mit Föhnfrisur freudig strahlend den nackten Neunmonatsbauch umfasst. Im Begleittext bedankt sich der Sohnemann für das Wunder, das Gott in Form eines Engels vom Himmel habe fallen lassen, damit dieser Engel sein Kind austrage. Und natürlich liebe er seine »Mommy« sehr für diese »majestätische Geste«. Was für ein guter Junge! Auf anderen Bildern darf die Brut-Omi – immer noch halb nackt – auf einem silbernen Thron sitzen, während sich Sohnemann und Schwiegersohn über ihrem Kopf zum Kusse neigen und beide gleichzeitig den Bauch der Schwangeren tätscheln.

Auch die zweite Elternwerdung mittels Mietmutti findet sich bildreich inszeniert, inklusive Gender-reveal-Party, um der Welt das Geschlecht des Kindes zu präsentieren. Ein Mädchen! Wir dürfen teilhaben an Ultraschallbildern und daran, wie der Erstgeborene den Bauch der neuen Mietmutter betatscht, aus dem dann das Schwesterchen geboren werden soll. Dazwischen verbringen Jensy und Genao offensichtlich viel Zeit vor den Spiegeln ihres Fitnesstempels und auf Fernreisen. Eine schrecklich nette Familie.

In Spanien lässt die 68-jährige Schauspielerin Ana Obregon mit dem Samen ihres an Krebs verstorbenen Sohnes bei einer »Leihmutter« in den USA ein Kind des Toten produzieren und sich selbst als rechtliche Mutter eintragen. Seit Frühjahr 2023 ist sie damit gleichzeitig Oma und Mutter eines kleinen Mädchens, das praktischerweise dann auch noch ebenfalls Ana heißt. »Ich werde nie wieder alleine sein«, freut sich Oma-Mama Ana6. Der in Spanien recht bekannte TV-Star sagt, es sei der letzte Wille ihres Sohnes gewesen. Die freudige Nachricht wird als Coverstory des spanischen Boulevardmagazins Hola! verkündet. Seither kann man Oma-Mama und ihre Enkel-Tochter auf Instagram beim Heranwachsen beobachten. Wenn die kleine »Anita« volljährig ist, wird ihre Oma-Mama fast 90 sein – oder tot. Bei RTL7 lässt man dazu das Influencer-Paar Horst und Manuel, die als »Influencer Dads« auf ihrem Social-Media-Kanal über ihre eigene »Leihmutterschaft« informieren, kommentieren. Sie finden Anas Verhalten »super egoistisch«, »wenig sinnvoll« und »nicht nachhaltig«, außerdem sei das »nicht zum Wohle des Kindes«. Das ist ganz mein Humor, wenn jene, die selbst rote Linien für ein eigenes Kind überschritten haben, öffentlich darüber sinnieren, warum das andere nicht tun dürfen. Manche sind eben doch gleicher.

In Georgien und auf Instagram wohnt die 26-jährige Millionärsgattin Christina8 mit ihren 21 Kindern, eines hat sie selbst geboren, 20 davon hat sie innerhalb von 12 Monaten durch »Leihmütter« angeschafft. Eigentlich wollen sie und ihr Millionär Galip Öztürk gern 100 Kinder, plaudert sie weltweit in zahlreichen Boulevardblättern aus. Er sitzt aber seit Mai 2022 nun im Gefängnis wegen Geldwäsche und ein paar anderen Kleinigkeiten. Hoffentlich hat er genug Samen auf Vorrat eingefroren. Der Gatte floh einst aus der Türkei nach Georgien, als er 2013 wegen Anstiftung zum Mord vor Gericht stand und ihm eine lebenslange Haftstrafe drohte. Christina bespielt derweil das Instagram-Profil und die Presse mit aufwendigen Bildern, Videos und Geschichten9. Jedes einzelne Kind hat seine eigene Insta-Story, wir erhalten aber auch wertvolle Kochtipps und Bilder aus der hauseigenen Kita. Nur einmal hätte eine »Leihmutter« ein Kind nicht rausrücken wollen, aber man hatte ja einen Vertrag, und immerhin haben die »Leihmütter« jede umgerechnet rund 8000 Euro bekommen. Das muss reichen, schließlich kosten die 16 Nannys, die jetzt mit in den Kinderzimmern wohnen, fast 100.000 Euro im Jahr. Galip und Christina haben die 20 Kinder damit quasi als Schnäppchen ergattert, für 160.000 bekommen andere nur ein einziges Kind in den USA, sie kauften damit 20 in Georgien. Man kann ja sagen, was man will, aber geschäftstüchtig sind sie jedenfalls.

Die Nutzung von »Leihmutterschaft« wird in den bunten Gazetten gerne ohne ethischen Ballast erzählt. Die Elternwerdung mittels Mietmüttern findet sich vielfach und bildreich inszeniert in allen sozialen Netzwerken. In dieser Welt sind »Leihmütter« aufopferungsvoll und begeistert über ihre Möglichkeiten, einem kinderlosen Paar zu helfen. Sie werden ordentlich bezahlt oder sind am besten gleich verwandt und machen es aus lauter Nächstenliebe. In dieser Welt sind die dazugehörigen Ehepartner verständnisvoll, die Großverwandtschaft in freudiger Erwartung und die Kinder immer glücklich. Wer nicht selbst Mutter werden kann oder will, lässt sich eben ein Kind liefern. Geld spielt keine Rolle.

Damit wird das Thema »Leihmutterschaft« im Fahrwasser der bunten Glitzerwelt der Stars dank freundlicher Berichterstattung über glückliche Mütter und Väter, die durch den Segen der modernen Reproduktionsmedizin zu spätem Elternglück gelangt sind, salonfähig gemacht und die Gewöhnung der Gesellschaft an diese neue Form des Kinderkriegens für alle Varianten von Beziehungsformen schleichend vorbereitet.

Ja, warum soll man sich nicht wie die Kardashians die Brüste, die Lippen oder die Kinder machen lassen, wenn es doch möglich ist? Oder will hier etwa jemand behaupten, den Kindern von Elton John fehle es an irgendetwas in dieser Welt, immerhin haben sie sogar zwei Väter, die sie lieben, und eine berühmte Patentante, die sicher einwandfreie Gutenachtlieder vortragen kann. Zauberhaft waren auch diese Bilder, als sie neulich mit den Beckhams und allen Kindern gemeinsam Familien-Yachturlaub in Südfrankreich machten. Das Konzept »Kinder für alle«, egal in welcher Lebens- und Beziehungskonstellation, egal in welchem Alter und egal was dafür ethisch, medizinisch oder finanziell überwunden werden muss, wird medial mit Hochglanzbildern pausbäckiger Kinder inklusive Jetset-Leben inszeniert.

So ganz neu ist die Idee, dass man zwar Kinder will, sei es als Erben einer langen Familientradition oder als Statussymbol, die Mühen der Aufzucht aber lieber andere erledigen lässt, nun auch nicht. High Society und Hochadel kennen schon immer das Weiterreichen des Nachwuchses an das bereitstehende Personal. Hätte man in früheren Zeitaltern bereits die reproduktionsmedizinischen Möglichkeiten von heute gehabt, es wäre schon damals in den Königshäusern nicht nur zum Fremdbetreuen und Fremdernähren, sondern auch zum Fremdgebären gekommen. Einst hatte man die Amme zum Stillen, heute hat man die »Leihmutter« zum Schwängern. Geblieben ist die Auslagerung der sogenannten »Reproduktionsarbeit«, aber auch des Reproduktionsrisikos auf gesellschaftlich niedrig gestellte Frauen. Denn es hat noch nie eine reiche Frau für eine arme Geschlechtsgenossin ein Kind ausgetragen. Sie selbst hat schließlich »zu viel zu verlieren«.

Mutterschutz für Väter

Die Propagandamaschinerie der glücklichen »Leihmutter«, die lauter glückliche neue Familienformen voller glücklicher Elternvariationen mit noch glücklicheren Kindern produziert, wird auch in deutschen Medien willig bedient. Hier wird vorbereitet, was später in Gesetzesvorhaben legalisiert werden soll. »Fläschchen geben und kuscheln statt Bundespolitik« vermeldet der Nordkurier10 im August 2023 und überbringt die freudige Nachricht, dass der Bundestagsabgeordnete Johannes Arlt von der SPD durch eine dänische »Leihmutter« sein Elternglück verwirklichen konnte, Fotos der glücklichen Väter mit Baby inklusive. Man lässt die Welt teilhaben an den Sorgen und Freuden der jungen Familie und daran, wie die frischgebackenen Väter mit dem Schlafentzug und dem Wickeln klarkommen, aber auch, dass sie diese ersten Wochen in Dänemark, am Wohnsitz von Arlts Mann verbringen würden. Wir lernen zudem, in Dänemark gäbe es »andere rechtliche Möglichkeiten für gleichgeschlechtliche Paare als in Deutschland«. Nicht nur den Nordkurier, sondern auch Johannes Arlt selbst11 beschäftigt nun die Ungerechtigkeit, dass es für Politiker gar keine Elternzeitregelung gäbe. Oft werde gesagt, »dass ›die da oben‹ das normale Leben nicht kennen und man sich Politiker wünschen würde, die mit denselben Problemen kämpfen wie alle anderen«, so Arlt selbst, und in seiner Familienkonstellation greife nicht einmal der erst 2019 für weibliche Abgeordnete eingeführte Mutterschutz. Sie hätten also ein »gewöhnliches Betreuungsproblem« mit europäischer Dimension.