Muttertier - Birgit Kelle - E-Book

Muttertier E-Book

Birgit Kelle

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Beschreibung

"Wir Mütter tragen die Zukunft!", ruft Birgit Kelle. "Eine glückliche Mutter ist heute eine Provokation. Sie ist die selbstverständlich gelebte Weiblichkeit. Sie kann Leben schenken und Leben weitergeben. Was für ein Potenzial! Mutterglück – allein das Wort dreht den Fossilfeministinnen ja schlicht den Magen um. Haben sie nicht jahrelang gekämpft, um uns von diesem 'Mythos', von unseren Männern und auch von den Kindern zu befreien? Oder sollten wir nicht gleich sagen: von unserer weiblichen Natur? Früher legten wir Karrieren auf Eis, um Kinder zu bekommen. Heute sollen wir unsere Eizellen auf Eis legen, um Karriere zu machen und unsere besten Jahre der Firma statt unseren Familien zu schenken. Danke auch. Aber entgegen jedem Mainstream sind wir immer noch da: Beherzte Mütter. Weibliche Frauen. Wir sind die wahre Avantgarde. Ohne uns kein Leben. Wir sind die Muttertiere – wir spielen keine austauschbare Rolle, wir sind nicht dekonstruierbar, wir sind. Gekommen, um zu bleiben. Wir hüten die Brut, wir verteidigen sie wie Löwinnen. Wir geben ihr Wurzeln und Flügel. Wir lieben sie. Es ist nicht rational, es ist. Wir sind Muttertiere bis zum letzten Atemzug. Und das machen wir gut so."

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Birgit Kelle Muttertier

Für alle meine Kinder

Birgit Kelle

Muttertier

Eine Ansage

Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über www.dnb.de abrufbar.

© 2017 by Fontis – Brunnen Basel

Umschlag: Spoon Design, Olaf Johannson, Langgöns Fotos Umschlag: Kerstin Pukall, Pukall Fotografie Studios, Norderstedt & Borstel E-Book-Vorstufe: InnoSet AG, Justin Messmer, Basel E-Book-Herstellung: Textwerkstatt Jäger, Marburg

ISBN (EPUB) 978-3-03848-464-6 ISBN (MOBI) 978-3-03848-465-3

Inhalt

Vorwort: Hört auf, uns zu befreien!

Kapitel 1: Bis zum letzten Atemzug

Kapitel 2: Was ist weiblich?

Kapitel 3: Kinderlose Mütter

Kapitel 4: Wie viel Kind braucht die Mutter?

Kapitel 5: Nimm endlich teil!

Kapitel 6: Wir Retro-Weibchen

Kapitel 7: Der Staat, dein Feind und Ausbeuter

Kapitel 8: Mutter-Ersatzstrukturen

Kapitel 9: «Guter Hoffnung» war gestern

Kapitel 10: Früher war die Mutter sicher

Kapitel 11: Kontaktreiche Beziehungsarmut

Kapitel 12: Weibliche Frauen

Anmerkungen

Vorwort

Hört auf, uns zu befreien!

Eine glückliche Mutter ist eine Provokation. Sie ist selbstverständlich gelebte Weiblichkeit. Sie kann Leben schenken und Leben weitergeben. Was für ein Potenzial.

Mutterglück – allein das Wort dreht den Fossilfeministinnen schlicht den Magen um. Haben sie nicht jahrelang gekämpft, um uns von diesem «Mythos» zu befreien? Oder sollten wir nicht gleich sagen: von unserer weiblichen Natur? Mein Gott, Mädchen, jetzt begreif doch, dass du in Fesseln liegst und dich endlich von deinem biologischen Erbe lösen musst. Ganze Generationen von Feministinnen haben sich damit abgemüht, uns auf Kurs zu bekommen.

Zuerst hat man uns von unseren Männern befreit, jetzt müssen nur noch die Kinder weg, dann kann es endlich losgehen mit der grenzenlosen Emanzipation, der absoluten Freiheit. Ohne Verpflichtung, ohne Bindung, ohne Familie – also ohne Leben.

Was für eine Verheißung …

Früher legten wir Karrieren auf Eis, um Kinder zu bekommen. Heute sollen wir unsere Eizellen auf Eis legen, um Karriere zu machen. Um unsere besten Jahre der Firma statt unseren Familien zu schenken. «Social Freezing» heißt der Trend aus den USA, und «soziales Einfrieren» ist in der Tat eine gute Übersetzung dafür. Denn wir sollen nicht nur die Eizellen einfrieren, sondern auch den Kinderwunsch, die Sehnsucht nach Beziehung und die Zeit für Familie. Dafür bezahlen sie uns die Lagerung unserer Eizellen in Tiefkühlfächern. Danke auch.

Bloß nicht in Abhängigkeit geraten, Mädchen! Bloß nicht auf dein Bauchgefühl hören! Lass dir nicht einreden, dass du einen Kinderwunsch hast. Dass du leben, lieben und für andere sorgen willst.

Wie teuer es immer häufiger bezahlt wird, dass Frauen sich über Jahre einreden lassen, ihre Weiblichkeit könnte von der Mutterschaft abgekoppelt werden, darüber können diejenigen Frauen bitter berichten, die oft erfolglos in späten Jahren mit allen medizinischen und finanziellen Mitteln noch versucht haben, Mutter zu werden.

Mutterschaft ist zum Politikum geworden. Die Selbstverständlichkeit bisheriger Generationen ist abhandengekommen. Die Errungenschaften der künstlichen Verhütung brachten als Kehrseite der Medaille auch neue Entscheidungszwänge. Was früher als Schicksal angenommen wurde, muss heute wohlüberlegt sein. Man kann ja nicht einfach so dann Kinder bekommen, wenn sie kommen – wo kommen wir denn da hin?

«Mein Bauch gehört mir» war der Slogan der Abtreibungsbewegung. Lächerlich. Unser Bauch gehört immer weniger uns selbst, denn er ist heiß begehrt als potenzielle Brutstätte. Und wird inzwischen sogar auf ganz neue Art ausgebeutet.

Heute kann man weltweit sein Kind nicht nur verhindern, sondern auch im Mutterleib töten und sogar auf dem internationalen Markt verkaufen. «Leihmutterschaft» nennt sich das Geschäftsmodell, nur dass nicht die Mutter ausgeliehen, sondern stattdessen eine Gebärmutter gemietet und das Kind verkauft wird. To rent a womb nennen es die pragmatischen Amerikaner. Schöne neue Mütter-Welt.

Nirgendwo protestieren Feministinnen gegen diese menschenverachtende Praxis, die man ehrlicherweise als das bezeichnen muss, was sie ist: moderner Menschenhandel. Was sollen sie auch sagen, die Damen Feministinnen, es sind ja gerade auch ihre lesbischen Schwestern, die diese Option rege nutzen.

Oh ja, er wird immer noch gebraucht, unser Bauch – und doch verleugnet. Wir sollen immer noch Mütter werden, aber um Himmels willen nicht zu viel Zeit darauf verschwenden. Es könnte uns ja gefallen. Wir könnten auf den Geschmack kommen und uns böswilligerweise vom Arbeitsmarkt fernhalten. Die Selbstverständlichkeit des Mutterseins ging verloren, seit wir in den Feuilletons statt in den Wohnküchen unsere Frauenleben diskutieren.

Sollen wir Mütter werden, und wenn ja: wann und von wem oder von wie vielen? Und wären wir überhaupt eine gute Mutter? Ruinieren wir damit nicht von der Figur übers Sexleben bis zur Karriere unsere Existenz? Für jedes Problem ein Ratgeber. Für jede Frage eine Frauenzeitschrift. Immer mehr Fragen, immer weniger Antworten in einer getriebenen Welt, die für die Zeitlosigkeit der Mutterschaft keinen Platz mehr findet. Geblieben ist die Sehnsucht nach Weiblichkeit. Bei den Männern sowieso.

Auch die genderbewegten Jungfeministinnen bringen uns derweil keine Lösungen. Neue schon gar nicht. In der Regel kinder- und ahnungslos, sind sie schwer damit beschäftigt, neue, possierliche Geschlechterdefinitionen zu finden und höchst gendergerecht ihren letzten Rest an Weiblichkeit optisch und mental selbst zu entsorgen. Oder sich neuerdings mehr für die Belange von Transmännern und adoptionswilligen Schwulen einzusetzen als für Millionen von Frauen, die wirklich andere Sorgen haben.

Gut, man muss das verstehen. Es ist natürlich auch wichtig, dass sich die «Queer-People» aus dem vegan-lesbischen Arbeitskreis mit Hang zu bisexuellen «Cis-Frauen» gesellschaftlich «empowern» und mit Hilfe gendergerechter Sprach*Sternchen, Unisextoiletten und Ampelweibchen an ihrer visibility arbeiten. Schließlich muss der eigene Opferstatus nicht nur entdeckt und angeprangert, sondern auch langfristig kultiviert werden, um auch für das nächste Jahr noch ein Budget aus dem Staatshaushalt abzustauben.

Schon das Neusprech dieser vermeintlich modernen, selbsternannt «intersektional-feministischen» Bewegung ist so lächerlich dämlich, dass man immer aufwachen will – in der Hoffnung, aus Versehen vor dem Fernseher beim ARD-Satiregipfel eingeschlafen zu sein. Es gibt bloß kein Erwachen, stattdessen immer neue Gender-Lehrstühle.

Da wollen sie neu sein und rennen doch immer noch erbsenzählend den Männern hinterher, vergleichen eifersüchtig Macht und Posten. Kultivieren einen maskulinen Feminismus und merken es nicht einmal. Es hat schon eine ganz eigene Ironie, dass man mir männliche Karrieren anbietet, damit ich mich als Frau darin verwirklichen kann. Aber was bitte soll daran weiblich sein, dass wir nun das Leben von Männern führen dürfen?

«Ihr macht Stuhlkreise, wir tragen die Zukunft!», will man ihnen zurufen. Entgegen allen Totgesängen und jedem medial gehypten Mainstream sind wir nämlich immer noch da: beherzte Mütter. Weibliche Frauen. Wir sind die wahre Avantgarde. Ohne uns kein Leben. Wir bekommen nicht Kinder, weil wir sollen, sondern weil wir es wollen.

Wir sind die Muttertiere – wir spielen keine austauschbare Rolle, wir sind nicht totzuquatschen und dekonstruierbar im Morgenkreis universitärer AStA-Selbsthilfegruppen. Wir sind. Wir waren schon immer. Und wir werden auch dann noch sein, wenn die letzte kinderlose Emanzipationsbewegte sich ihr selbstdefiniertes Gender-Geschlecht auf den Grabstein hat gravieren lassen.

Die meisten Mütter, die mir in den vergangenen Jahren begegneten, waren nicht unzufrieden mit ihrem Leben, sondern mit der Resonanz auf selbiges. Ich habe noch nie eine Mutter kennen gelernt, die nicht schon zigmal in ihrem Leben mit der Frage konfrontiert wurde, warum sie nicht arbeite oder ob sie denn auch «was Richtiges» mache, außer Kinder zu hüten. Wann sie denn endlich wieder arbeite? Oder warum sie überhaupt studiert habe, wo sie doch nur Kinder hüte?

Zumindest die letzte Frage ist einfach zu beantworten: Damit wir klug genug sind, auf solche Beleidigungen nicht mit Handgreiflichkeiten zu antworten, sondern bestenfalls mit Ignoranz.

Vielen tun diese unaufhörlichen Beleidigungen aber stattdessen leider weh. Es tut ihnen weh, dass die Gesellschaft, ihre Politiker, ihre Arbeitgeber und manchmal sogar ihre Ehemänner und ihre besten Freundinnen der Meinung sind, dass das, was sie täglich tun, weniger wert sei als der stupideste Job an einem x-beliebigen Fließband. Dafür gäbe es nämlich Geld, wenn auch noch so wenig. Eine Mutter bekommt oft nicht einmal ein «Danke».

«Sie sprechen mir aus der Seele» – das ist immer noch der häufigste Satz, den ich von anderen Müttern höre, einfach nur, wenn ich darüber schreibe und spreche, warum es mich glücklich macht, Zeit für meine Kinder zu haben. Warum es mich wütend macht, wie die Politik mit uns umgeht, und warum ich für nichts in der Welt meine Kinder gegen eine Karriere tauschen würde.

Es macht mich wütend, dass so viele dieser Frauen in dem Bewusstsein leben, mit ihnen sei irgendetwas nicht in Ordnung, weil ihnen alle Welt erklärt, sie seien auf dem falschen Weg. Die meisten haben längst aufgegeben, ihren Standpunkt in Diskussionen überhaupt noch zu benennen. Sie schweigen. Aber sie sind wütend.

«Nur Mutter», «nur Hausfrau» – wie viele Frauen geben selbst schon diese Antwort auf die Frage, was sie denn tun. «Nur». Richtig, die Gehirnwäsche jahrzehntelanger «Befreiung» der Frau ist nicht spurlos an uns vorübergegangen. Sie führt so weit, dass wir als Mütter selbst schon unter den Scheffel stellen, was wir täglich leisten. Sieben Tage die Woche, 24 Stunden täglich.

Wir nehmen seit Jahrzehnten hin, dass in unserer Gesellschaft Arbeit nur als solche definiert wird, wenn sie auch bezahlt wird. Was nichts kostet, ist nichts wert – nirgendwo zeigt sich dieser Grundsatz deutlicher als im Umgang mit Müttern. Und anstatt diese Tatsache anzuprangern, sind ausgerechnet Frauen ganz vorne mit dabei, wenn es heißt, die eigenen Geschlechtsgenossinnen zu degradieren, die sich partout nicht aus der «Gefangenschaft» als Hausfrau und Mutter befreien lassen wollen. Alle Argumentationen habe ich schon gehört in den Diskussionen der vergangenen Jahre.

Dass Mütter nicht arbeiten würden, ist ja noch der mildeste Vorwurf in einer langen Reihe von Beleidigungen zwischen «Heimchen am Herd», «Glucken», «Milchkühen» oder «Latte-Macchiato-Müttern», die den ganzen Tag in der sozialen Hängematte liegen und am Schaumlöffel lutschen. Kennt man ja, im Schaukelstuhl wippen und Kaffee schlürfen.

Man unterstellt, dass ich ein Opfer des Systems sei, welches mich in dem Bewusstsein sozialisiert hat, ich würde mich gerne um meine Kinder kümmern. Es sei aber gar nicht der Fall, dass ich das freiwillig mache. Erst müsse das System befreit werden, dann ich, und dann erst könne ich klar denken. Das waren die Worte einer anerkannten Soziologin, die unsere Bundesregierung berät.

Oder man unterstellt, wir ließen uns wie Prostituierte von unseren Männern aushalten. Schließlich böten wir körperliche Zuwendung im Tausch gegen finanzielle Zuwendung. Einmal Nutte, immer Nutte. Ist ja auch kaum ein Unterschied für manche. Ich stehe als verheiratete Mutter bloß nicht an der Straße, sondern am Herd. Es war übrigens eine Soziologin mit Doktortitel, die das so sah.

Ganz groß war auch die österreichische Feministin, die mir live in einer Diskussion erklärte, ich würde meinen Kindern schaden, wenn die den ganzen Tag bei mir wären. Damit war sie, ohne es zu wissen, auf einer Linie mit dem Sprecher der Bertelsmann-Stiftung, der sich im Zuge der Betreuungsgeld-Debatte in Deutschland dazu hinreißen ließ, in eine Kamera zu sagen, dass nicht nur Kinder, sondern auch die dazugehörigen Mütter ja zu Hause «verdummen».

Es war dann aber eine hochrangige Frauen- und Familienfunktionärin, die mich entgeistert anblaffte, ob ich mir «mein Hausfrauendasein» nun auch noch bezahlen lassen wollte, als ich bei der Diskussion in einer politischen Kommission einforderte, dass die kostenlose Familienarbeit, die Mütter leisten, von der Gesellschaft auch finanziell, in welcher Form auch immer, honoriert werden müsse.

Doch was soll man als Mutter noch sagen, wenn selbst die Bundeskanzlerin – allerdings auch nur als eine von vielen – bereits den Begriff der «vergeudeten» oder «verschenkten» Potenziale in den Mund nimmt, wenn es darum geht, über Mütter zu reden, die böswilligerweise dem Arbeitsmarkt fernbleiben und damit aus Sicht von Feminismus, Wirtschaft und Politik etwas tun, das nahezu ungehörig erscheint: Sie verweigern sich den Mechanismen des Marktes. So marschieren sie in unheiliger Allianz gemeinsam: der Turbokapitalismus und die feministische Mädchenmannschaft mit freundlicher Unterstützung der Familienministerin ihres Vertrauens.

Und deswegen bekommen wir als Frauen auch kein politisches Angebot, wie wir tatsächlich Kinder bekommen können und dazu auch die Zeit und das Geld, um diese dann großzuziehen, denn in Wirklichkeit will das ja auch niemand.

Die Feministinnen wollen uns befreien aus den Fängen der Männer und der Kinder und schicken uns auf den Arbeitsmarkt. Die Wirtschaft will uns vor allen Dingen von unseren Kindern befreien, denn sie braucht unsere fleißigen Händchen, jetzt, da durch den demografischen Wandel die Fachkräfte knapp werden – und da stehen die Blagen einfach im Weg rum. Was sollen wir unsere guten Uniabschlüsse beim Kochen am heimischen Herd vergeuden, wenn man doch genausogut eine Dienstleistung daraus machen kann, dass Kinder in Kitas großgezogen werden und Essen aus Großküchen geliefert wird. Husch, husch, ins Büro mit dir!

Und nicht zuletzt will uns auch die Politik noch befreien, selbstverständlich für den Arbeitsmarkt. Es ist ja auch nicht hinzunehmen, dass wir Mütter uns dem Steuerzahlen verweigern, wo doch jeder weiß, wie teuer diese ganze Familienpolitik mit ihren Kitaplätzen und Ganztagsschulen ist. Wer soll das alles bezahlen? Da müssen wir schon selbst ran, um all das zu finanzieren, was wir nicht bräuchten, würde man uns einfach nur in Ruhe lassen.

Aus der Sicht des Finanzministers leisten wir Mütter doch familiäre Schwarzarbeit. Wir ziehen unsere Kinder groß, ohne diese Arbeit zu versteuern. Dieser Skandal muss offensichtlich dringend behoben werden, indem wir familiäre Arbeit endlich in sozialversicherungspflichtige Dienstleistungsverhältnisse umwandeln, damit wir alle was davon haben. Böse Muttis, die sich dem verweigern.

Und natürlich nur richtig, dass die renitenten, selbsterziehenden Fremdbetreuungsverweigerinnen mit einer Hunger-Rente abgespeist werden. Schließlich haben sie ja ihr ganzes Leben lang «nicht gearbeitet», sondern «nur» in familiärer Schwarzarbeit Rentenzahler großgezogen.

Auch hier versagt der versammelte Feminismus komplett. Wo bleibt die Forderung, dass die Lebensleistung von Frauen, die oft nicht nur mit Liebe Kinder großziehen, sondern auch die Generation ihrer Eltern pflegt, zumindest in der Rente dafür nicht abgestraft, sondern belohnt wird?

Stattdessen bekommen wir selbst von unserer sogenannten Frauenministerin nur mitgeteilt, dass sie ja Verständnis hat, wenn man mehr als ein Jahr bei den Kindern bleibt. Wir sollten aber schon wissen, dass es ein finanzielles Risiko ist, dem Arbeitsmarkt fernzubleiben. Ein dahingeworfenes «Selbst schuld, Mädchen» ist alles, was wir von der «Ministerin für berufstätige Frauen» erwarten können.

Wir haben uns längst daran gewöhnt, dass wir als Mütter im zuständigen Ressort leider keine Zuständigkeit finden, weil wir leider das falsche Leben führen.

Auch bei der Konzeption der Rente merken all diese frauenbewegten Damen nicht, dass sie wieder nur einer männlichen Definition von Arbeit aufsitzen. Schlimmer noch, diese weitertreiben und damit all die Geschlechtsgenossinnen im Regen stehen lassen, die mit Ehrenamt und abseits des Arbeitsmarktes täglich und oft zum Wohl der Gemeinschaft arbeiten.

Nach der gängigen Arbeitsdefinition hat eine Mutter Teresa ihr ganzes Leben lang nichts geleistet. Keine Mutter hat etwas geleistet. Jeder, der sich ehrenamtlich engagiert, hat demnach auch nichts geleistet. Jeder, der sich um andere kümmert, nicht weil er muss und weil es sein Job ist, sondern weil er es gerne und aus Liebe tut, gilt per definitionem als untätig und faul. Und damit ist unser staatliches Rentensystem möglicherweise das letzte Relikt eines patriarchalen Gesellschaftssystems, weil es konsequent die häusliche Sphäre als Bereich des Nichtstuns definiert.

Da prangert eine ganze und nicht selten staatlich hochbezahlte Feministinnen-Zunft die Herrschaft des «alten weißen Mannes» an, die man bekanntlich endlich abschaffen müsse. Marschiert aber freudig mit, wenn nur das als Leistung definiert wird, was traditionell von Männern ausgeübt wird, und im Gegenzug das degradiert wird, was Frauen täglich tun.

Keine Frage, der schlimmste Feind der Frau ist einfach eine andere Frau. Kinderlose gegen Mütter. Berufstätige gegen Nicht-Berufstätige. Verheiratete gegen Alleinerziehende. Heimchen am Herd gegen Rabenmütter. Wäre ich Mann, ich würde mich entspannt zurücklehnen und nach dem Popcorn greifen. Denn mit dieser Methode verhindern Frauen seit Jahrzehnten, dass alle Frauen vorankommen.

Ausgerechnet eine Bewegung, die angetreten ist, «die Frau» zu befreien, lässt Millionen von Frauen im Stich, weil sie sich nicht in die schöne neue Emanzipationswelt einfügen wollen. Sehen wir doch den Tatsachen ins Auge: Man wollte uns nie befreien, man wollte uns einfach nur in ein neues Leben führen.

Von verheiratet zu unabhängig.

– Sagen wir besser: Allein.

Von Familie zu berufstätig.

– Sagen wir besser: Beziehungslos.

Von Mutter zu kinderlos.

– Sagen wir besser: Spurenlos.

Von weiblich zu geschlechtslos.

– Sagen wir besser: Seelenlos.

Inzwischen zucke ich regelmäßig zusammen, wenn die Politik, die Wirtschaft oder Berufsfeministinnen mir wieder mal etwas Gutes tun wollen. Jede «Befreiung» der Frau hatte bislang einen Haken. Es wird Zeit, dass wir als Mütter unsere Feinde kennen und benennen. Keine Befreiung kam bislang ohne Hintergedanken daher.

Wenn wir als Mütter befreit werden müssen, dann definitiv nicht von unseren Männern, unseren Kindern oder unseren Familienpflichten, sondern allerhöchstens von ungefragten Ratschlägen ahnungsloser Geschlechtsgenossinnen, die nicht wissen, wovon sie reden, wenn sie das Wort «Mutterschaft» mit der Kneifzange anfassen.

Wenn wir befreit werden müssen, dann von den Zwängen des kapitalistischen Marktes, während wir uns darum kümmern, dass auch morgen noch potenzielle Käufer all der produzierten Waren existieren.

Wenn wir befreit werden müssen, dann ganz sicher nicht durch, sondern von einer Politik, die vorgibt, uns helfen zu wollen, damit aber meint, dass wir gefälligst zu wollen haben, was man für uns vorgesehen hat.

Wenn wir befreit werden müssen, dann von den Auslassungen einer ignoranten Gesellschaft, die glaubt, eine Mutter, die Kinder großzieht, würde nicht arbeiten.

Ihr wollt uns also befreien? Sehr gerne. Der beste Weg dazu wäre, mal die Luft anzuhalten und zuzuhören. Wir sind alles große Mädchen, und was gut für uns ist, mit Verlaub, das entscheiden wir ganz alleine.

Wir sind Mütter. Wir tragen Verantwortung. Wir sind gekommen, um zu bleiben.

Wir hüten das Leben, wir hüten die Zeit. Wir hüten die Brut. Wir verteidigen sie wie Löwinnen. Wir geben ihr Wurzeln und Flügel. Wir lieben sie. Es ist nicht rational, es ist. Wir sind Muttertiere bis zum letzten Atemzug. Und das machen wir gut so.

Kapitel 1

Bis zum letzten Atemzug

Mutter zu werden ist nicht rational. Es ist eine Sehnsucht, ein Wagnis, vielleicht die größte Aufgabe, der man sich als Frau stellen kann. Einem anderen Menschen das Leben schenken. Das ist ein derart gewaltiges Unterfangen, dass man diese Worte vor Ehrfurcht flüstern müsste. Es ist für viele ein inneres Verlangen. Und im schönsten Fall das Sichtbarwerden einer Liebe.

Leben in mir. Ich kann kaum in Worte fassen, was dieser Moment einst in mir auslöste, als ich das erste Mal mein Kind in mir spürte. Ein zarter Windhauch. Dieser Wimpernschlag der Geschichte, von der Leichtigkeit eines Schmetterlingsflügels. Es war kaum spürbar, sacht und doch so mächtig. Mir wurde heiß und kalt, mein Herz raste, und ich wusste: Hier ist Leben. In mir.

Wie soll man das jemandem beschreiben, der das noch nie gefühlt hat? Erklär einem Blinden die Farben. Mütter verstehen, was ich meine, wir sind Schwestern der Erfahrung.

Der Wunsch, in die Zukunft zu reichen, etwas Lebendiges zu hinterlassen, das über uns hinausweist, ist größer als der Verstand. Der Biologe sagt, es ist ein Trieb. Der Theologe sagt, es ist ein göttlicher Auftrag, und selbst der Atheist kann sich dem Willen der Natur nicht entziehen, auch wenn er ihn sinnlos findet.

Die Frage der Fortpflanzung folgt, wenn überhaupt, einer kosmischen und keiner menschlichen Logik. Für Juden und Christen folgt sie der Fortführung der Schöpfungsgeschichte, aber ganz sicher nicht einer Erörterung von Pro und Kontra. «Gott sei Dank!», will man da ausrufen.

Was wäre aus der Menschheit geworden, würde die Frage, ob wir Kinder bekommen, ob wir Leben schenken oder nicht, nur rationalen Gedanken oder dem vielzitierten Zeitgeist folgen? Oder gar den Vorstellungen kinderloser Feministinnen, die in jedem sich wölbenden Bauch die dunklen Wolken drohender Unterdrückung am Horizont heraufziehen sehen?

Von seinen Wurzeln etwas weiterreichen. Den Stammbaum erweitern. Wir kommen irgendwoher. Wir bleiben eine Weile. Und wir hinterlassen danach Spuren. Oder auch nicht. Nirgendwo wird die tief in uns liegende Sehnsucht nach dem Kind deutlicher und schmerzhafter sichtbar als in der Mutterschaft, die sich nicht einstellen will.

Es gibt viele Momente in meinem Mutterdasein, die ich nie vergessen werde. Niemals. Man könnte mich nachts wecken, und ich könnte es auf Knopfdruck erzählen. Wie etwa von dem Tag, an dem ich mich selbst erkannte. Im Gesicht meines dritten Kindes. Die ersten beiden sahen aus wie ihr Vater.

Ich weiß noch, wie ich beim ersten Blick auf den oben zitierten Wimpernschlag dachte: Die hat optisch jedenfalls nichts von dir. Etwas, was sich fortsetzen sollte mit steigender Kinderzahl und erst durch Nummer drei durchbrochen wurde. An seinem zweiten Lebenstag, als sich sein Gesicht von den Strapazen der Geburt langsam entfaltet hatte, sah ich in diese kleinen Augen auf der Wickelkommode und schreckte fast zusammen.

Als wenn man unbewusst an einem Spiegel vorbeiläuft und das Gesicht, das man sieht, einen irritiert, weil es unerwartet bekannt erscheint. Wie das doppelte Lottchen, das zum ersten Mal sein Gegenüber erblickt.

Wieder erwischte es mich heiß und kalt, und erst nach einer Weile habe ich begriffen, wodurch dieses emotionale Chaos in mir ausgelöst wurde: Ich hatte mich gesehen. Meine Linie. Meinen Stammbaum. Meine Familie. Die kurze Ahnung von Ewigkeit.

Wie in dem Gedicht des arabischen Dichters Khalil Gibran: «Eure Kinder sind nicht eure Kinder … Sie kommen durch euch, aber nicht von euch … Ihr seid die Bogen, von denen eure Kinder als lebende Pfeile ausgeschickt werden.»

Sie gehören uns nicht, wir dürfen sie eine Weile hüten, lieb haben. Aber ja, sie kommen durch uns und legen unsere Spur weiter.

Muttergefühle. Sie sind unmodern und unvernünftig. Anstrengend und manchmal nervtötend. Sie fesseln einen, man wird sie nicht los. Manchmal auch dann nicht, wenn es Zeit wäre, sich zu lösen. Gerade dann nicht. Wie sollten wir auch als Mütter? Diese Kinder sind ein Teil von uns. Gewachsen in unserem Körper. Wir nabeln sie zwar im Kreißsaal ab, es bleibt aber eine theoretische Betrachtungsweise, denn das Muttersein legt man nicht ab. Es ist keine Phase, nichts, was man delegiert oder dekonstruiert. Es ist ein Teil von uns.

Wir stellen uns schützend vor unsere Kinder, wir verteidigen sie auch dann, wenn alle anderen sie längst aufgegeben haben. Auch die anstrengenden und die nervigen, die lauten und die ungezogenen. Ich weiß nicht, was passieren muss, bis eine Mutter ihr Kind fallen lässt. Oder verleugnet. Mir ist noch keine Mutter begegnet, die das getan hat.

Mein Mutterdasein hat mir Seiten an mir selbst offenbart, die ich im Buch meines Lebens bislang nicht kannte. Es verändert uns als Frauen, ob wir wollen oder nicht. Ich bin empfindlich geworden. Selbst das Weinen fremder Kinder lässt mich plötzlich ganz anders als früher erschauern.

Im Fernsehen ertrage ich kaum Szenen, in denen Kinder leiden, egal ob Fiktion oder in der Tagesschau. Es jagt mir Adrenalin durch den Körper. Es könnte ja auch mein Kind sein. Ich war früher nicht so. Es ist wie eine Konditionierung. Ein Schalter, der in mir umgelegt wurde. Das Muttertier in mir schläft nie.

Die ersten sechs Jahre meiner Mutterschaft war das nahezu wörtlich zu nehmen. Ich musste meine Neugeborenen immer ins Nebenzimmer zum Schlafen legen, weil ich sonst nachts bei jedem Atemzug bereit zur Verteidigung der Brut und mit vollem Adrenalinanschlag wach geworden wäre.

Wer weiß, dass er auch im Schlaf wachsam sein muss, um seine Kinder zu beschützen, zu trösten oder zu stillen, der hört alles. Das ist nicht rational, es ist. Es ließ sich nicht nach vernünftiger Erwägung abstellen. Sag deinem Kopf, er soll aufhören zu denken. Was für ein lächerlicher Gedanke.

Rational konnte ich nur einen Flur zwischen unsere Betten bringen. Ich konnte es nicht abstellen, weil wir es uns nicht aussuchen. Es wird uns mit diesem Kind in die eigene Wiege gelegt. Du bist Mutter, du kümmerst dich. Du fühlst dich zuständig, auch wenn du müde bist, schlafen willst.

Mein Mutterdasein hat mich aufmerksamer gemacht. Und auch gefährlicher. Animalisch, instinktiv. Wir respektieren Muttertiere in der freien Wildbahn. Wir bringen schon unseren Kindern in der Schule bei, dass man um die Muttertiere bei Löwen oder Bären mal besser einen großen Bogen macht. Weil sie unberechenbar sind, wenn sie ihre Jungen in Gefahr wähnen. Wenn man ihnen zu nahe kommt. Fass mein Kind an, und du bist tot. Der Mensch ist auch ein Tier.

Dies ist ein Buch über Mütter; die Herren mögen sich ihre Vatergefühle selbst von der Seele schreiben. Aber ja – vieles hier werden auch Väter nachvollziehen können.

Vor über zehn Jahren geriet ich einmal in einen Streit mit einem jungen Mann über die Frage irrationaler mütterlicher Emotionen. Er hielt mich für ein hysterisches Weib, weil ich ihn anblaffte, dass er als Kinderloser eben keine Ahnung habe. Ich hielt ihn tatsächlich für ahnungslos. Beide hatten wir damals ein bisschen recht.

Eine Begegnung im örtlichen Park hatte mich so aus der Fassung gebracht, dass ich über mich selbst erschrocken war. Meine Kinder auch über mich. Eine Frau mit ihrem Hund war uns zu nahe gekommen. Schon aus weiter Entfernung instruierte sie laut rufend meine Kinder, sie sollten nicht wagen, diesen Hund, den sie frei laufen ließ und der uns zielsicher ansteuerte, anzufassen. Sie machte aber keine Anstalten, ihren blöden Köter zurückzurufen oder gar festzuhalten.

Ich liebe Hunde, mein Vater ist Tierarzt, aber hier näherte sich ein riesiger Hund meinen Kindern und mir. Zwei der Kinder noch so klein, dass sie dem Hund nahezu auf Augenhöhe gegenüberstanden. Wie schützt man drei Kinder gleichzeitig?

Der Hund kommt sehr nahe, streift um die Beine von Sohn zwei, der mit der Hand versucht, ihn vorsichtig wegzuschieben, er soll ihn ja nicht anfassen, das hatte er mit seinen vier Jahren begriffen. Aber was tun, wenn der Hund ihn anfasst? Als die Kinderhand das Fell berührte, bekam die Hundebesitzerin, die sich nun doch genähert hatte, einen Anfall und schrie meine Kinder an.

Sie hätte das nicht tun sollen. Ich weiß nicht mehr, was ich alles gesagt habe. Ich bin völlig ausgerastet und brüllte sie an, sie solle schauen, dass sie Land gewinne, weil ich mich sonst vergäße. Ein Stadium, das ich längst erreicht hatte. Weil sie meine Kinder in Gefahr gebracht hatte und mein Verstand in den Löwenmutter-Modus umschaltete.

Es war so etwa vier Jahre später, als mir dieser junge Mann unvermittelt wieder schrieb. Er war inzwischen Vater eines Sohnes geworden: «Du hattest damals recht. Ich würde töten für diesen Jungen.»

Ja.

Bekommen Sie auch noch jenseits der vierzig und obwohl Sie schon selbst Kinder haben, gute Ratschläge mit auf den Weg, wenn Sie Mutti zu Hause besucht haben? Marmeladegläschen gegen den Welthunger, den Tipp, sich warm anzuziehen, vorsichtig zu fahren, und den dringenden Hinweis, anzurufen, wenn Sie angekommen sind, damit man weiß, dass Sie sicher zu Hause sind? Es sind ja auch so viele Räuber auf den Straßen unterwegs. All diese nervenaufreibenden Dinge?

Gratuliere: Sie haben eine ganz normale Mutter. Ich werde versuchen, nicht so zu sein, wenn meine Brut ausgezogen ist, und ich werde zumindest in Teilen vermutlich scheitern. Weil man Mutterschaft nicht einmal dann ablegt, wenn die Kinder aus dem Haus sind. Wir werden uns Sorgen machen, weil es unser Job ist. Unser evolutionäres Erbe, das unseren Kindern das Überleben sichert.

Und deswegen ist die Balance zwischen Wurzeln und Flügeln, die wir ihnen geben wollen, so schwer zu gewährleisten. Weil wir über Jahre zum Wohl unserer Kinder ihre Wurzeln kultivieren, während sie über Nacht erwachsen werden und fliegen wollen.