Ich liebe MEINE KINDER machen mich fertig - Marlene Hellene - E-Book

Ich liebe MEINE KINDER machen mich fertig E-Book

Marlene Hellene

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Beschreibung

Das neue Buch von Erfolgs-Bloggerin Marlene Hellene nimmt die Leserinnen mit in das komplexe Universum der Muttergefühle. Bewährt selbstironisch beschreibt die zweifache Mutter moralische Fallstricke im ganz normalen Alltagswahnsinn. Ihre Geschichten aus dem Leben zeigen, wie nah Tränen der Freude und der Verzweiflung manchmal beieinanderliegen. Nicht zu vergessen natürlich das schlechte Gewissen, das jede Mutter quasi täglich befällt. Weg damit, her mit der Gelassenheit, sagt Marlene. Wenn das denn mal so einfach wäre. Ein Anfang ist die Lektüre ihres Buches definitiv!

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Marlene Hellene

Ich liebe MEINE KINDER machen mich fertig

Muttergefühle von Hach bis Ach

 

 

 

Über dieses Buch

Das neue Buch von Erfolgs-Bloggerin Marlene Hellene nimmt die Leserinnen mit in das komplexe Universum der Muttergefühle. Bewährt selbstironisch beschreibt die zweifache Mutter moralische Fallstricke im ganz normalen Alltagswahnsinn. Ihre Geschichten aus dem Leben zeigen, wie nah Tränen der Freude und der Verzweiflung manchmal beieinanderliegen. Nicht zu vergessen natürlich das schlechte Gewissen, das jede Mutter quasi täglich befällt. Weg damit, her mit der Gelassenheit, sagt Marlene. Wenn das denn mal so einfach wäre. Ein Anfang ist die Lektüre ihres Buches definitiv!

Vita

Marlene Hellene, geboren 1979, begeistert auf X und Instagram mit ihren Texten und Posts. Artikel der Autorin erscheinen u.a. in der SZ, bei Zeit Online und in Elternmagazinen. Ihre Bücher «Man bekommt ja so viel zurück» und «Zu groß für die Babyklappe» waren Bestseller. Sie lebt mit ihrer Familie in Karlsruhe.

 

X:Lilli Marlene @MarleneHellene

Instagram: @marlenehellene

Impressum

Veröffentlicht im Rowohlt Verlag, Hamburg, Februar 2024

Copyright © 2024 by Rowohlt Verlag GmbH, Hamburg

Das Einstiegszitat wird mit freundlicher Genehmigung von Philomel, einem Imprint der Penguin Young Readers Group, Penguin Random House LLC, abgedruckt. Entnommen aus: «You are my I love you», Maryann K. Cusimano, Copyright © 2001 by Maryann K. Cusimano.

Covergestaltung zero-media.net, München

Coverabbildung FinePic®, München

ISBN 978-3-644-01816-7

 

Schrift Droid Serif Copyright © 2007 by Google Corporation

Schrift Open Sans Copyright © by Steve Matteson, Ascender Corp

 

Dieses Werk ist urheberrechtlich geschützt, jede Verwertung bedarf der Genehmigung des Verlages.

 

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Dieses E-Book entspricht den Vorgaben des W3C-Standards EPUB Accessibility 1.1 und den darin enthaltenen Regeln von WCAG, Level AA (hohes Niveau an Barrierefreiheit). Die Publikation ist durch Features wie Table of Contents (Inhaltsverzeichnis), Landmarks (Navigationspunkte) und semantische Content-Struktur zugänglich aufgebaut. Sind im E-Book Abbildungen enthalten, sind diese über Bildbeschreibungen zugänglich.

 

 

www.rowohlt.de

Inhaltsübersicht

Vorwort

Das schlechte Gewissen

Müde

Neid

Angst

Wut

Fürsorge

Muttertät

Freunde

Unwohlsein

Demut

Wehmut

Liebe

Dank

I am your parent, you are my child. I am your quiet place, you are my wild.

Maryann Cusimano

Vorwort

Mut|ter|ge|fühl, das

Wortart: Substantiv, Neutrum

Bedeutung: von einer Mutter ihrem Kind entgegengebrachtes Gefühl der Zuwendung, Fürsorglichkeit o.Ä.

Aha! Das sagt also der Duden zum Thema Muttergefühle. Ein wenig spärlich, mein Freund, oder?! Ein bisschen einseitig und unvollständig? So ganz ohne Gänsehaut, Tränenlachen und Herzklopfen. Wo sind die Wutanfälle aus der Hölle, die Nerven aus Nylon und die Müdigkeit, die einem unerbittlich die Augenlider nach unten tackert? Kein Wort zu Mental Overload und dreckigen Gummistiefeln, zur Transformation von Partymaus in Mamatier oder heimlichen Tränen auf der Raststättentoilette, nachdem das Kind Linseneintopf ins neue Auto gekotzt hat. Wo sind die Aufs und Abs? Wo die Gefühlsachterbahn, das schlechte Gewissen und die Verunsicherung über nachgeburtliche Körperformen? Warum erzählst du nichts über die schlimme Angst, wenn das Herz plötzlich außerhalb des eigenen Körpers wohnt und sich das erste Mal mutterseelenallein auf den Weg zur Schule macht? Wieso verschweigst du, wie qualvoll manchmal alles ist und zeitgleich so wunderschön, dass man glaubt, gleich aus der eigenen Haut zu platzen vor Glück? Kein Mucks zu den ganzen Plänen, die sich ständig über Bord machen, und dem großen Vermissen von sich selbst und wenigstens drei Minuten Ruhe im Bad, verdammt noch mal?

 

Muttergefühle sind mehr als ein Satz. Muttergefühle sind ein Regenbogen an Emotionen. Manchmal wolkenverhangen, manchmal bunt und sonnenbestrahlt. Sie sind komplex und schön und schlimm. Sie nehmen einen mit auf eine ganz besondere Reise, gespickt mit kleinen Hürden und großen Überraschungen, aber immer vollgepackt mit ganz viel Liebe. Und weil der Duden bei diesem Thema so kläglich versagt hat, lade ich euch ein, mich zu begleiten auf den wilden Ritt durch die mütterliche Gefühlswelt. Also anschnallen und festhalten. Es wird lustig, es wird ehrlich, manchmal tut es ein klitzekleines bisschen weh, und am Ende liegen wir uns alle in den Armen.

Das schlechte Gewissen

Auf der Suche nach Muttergefühlen trifft man sofort und fast ausschließlich auf eines: die Mutterliebe. Über sie wollen alle sprechen, da weiß jeder was. Dieses Gefühl assoziiert sich von alleine mit dem Begriff Mutter. Automatisch. Als das erste, das größte, das allumfassendste aller Gefühle. Mutter und Liebe sind fest verankert in einem Wort. Untrennbar. Für immer vereint. Sie sind also nicht mehr zwei, sondern eins. Was aber Gott verbunden hat, das darf der Mensch nicht trennen. Halt, Moment! Jetzt ist mir das Thema etwas entglitten. Aber ihr versteht schon. Mutterliebe – ganz großes Ding! Finde ich schon auch. Aber nicht an dieser Stelle. Hier will ich auf ein anderes Gefühl eingehen. Eines, das mit Mutterschaft mindestens genauso fest verheiratet, verpartnert oder verkettet ist wie die Liebe. Nur, dass es deutlich weniger populär ist. Trotzdem gehört es auf Platz eins der Bestenliste.

 

Als ich vor vielen Jahren das erste Mal die beiden blauen Striche auf einem sehnlichst herbeigehibbelten positiven Schwangerschaftstest bewundern durfte, war ich überwältigt. Ich war aufgeregt. Ich hüpfte duracellhasenmäßig durch die Gegend, als hätte ich bei Günther Jauch die Millionenfrage richtig beantwortet. Ohne Joker. Aber das erste richtige Gefühl, das ich dem klitzekleinen Zellhaufen, der mal mein Kind werden sollte, gegenüber empfand, war nicht Liebe, es war ein anderes.

 

Tausend Fragen und Befürchtungen quälten mich. Hatte ich mich in den letzten Tagen, bevor ich von meiner neuen Existenz als Quasimutter erfahren habe, überhaupt schwangerenkonform verhalten? Habe ich gut genug auf mich geachtet? Ausreichend geschlafen, Stress vermieden und klassische Musik gehört? Was habe ich eigentlich gegessen, und OH GOTT, was ist mit dem Glas Sekt bei Julias Geburtstag? Habe ich mein Kind etwa schon vergiftet? Und stand neben mir nicht Kai und hat eine Zigarette geraucht? Hätte ich ihm postwendend eine Plastiktüte über Kopf und Glimmstängel ziehen müssen? Was habe ich mir nur gedacht? Ich habe ja alles falsch gemacht! Vielleicht habe ich nicht mal im richtigen Takt geatmet. Habe ich überhaupt geatmet?

Und während ich mir noch selbst den Puls fühlte und mein Herz leicht im Takt zu Stayin’ Alive massierte, steckte ich direkt bis zum Hals in meinem allerersten Muttergefühl: dem schlechten Gewissen. Hallo erst mal! Da war es also. Nicht bestellt und trotzdem gekommen, um zu bleiben.

 

Ich kenne kaum eine Mutter, die es nicht kennt. An der es sich nicht festgebissen hat. Die nicht davon befallen ist. Und, und das ist das Miese daran, die nicht darunter leidet.

Laut der Psychologin Isabel Huttarsch ist ein schlechtes Gewissen von der Natur durchaus gewollt: «Das schlechte Gewissen oder die Schuldgefühle, die Mamas plagen, sind etwas total Normales und auch eine sinnvolle Emotion. Sie wollen, dass wir dahin schauen, wo es wehtut und ob wir etwas verändern oder besser machen können.»[1]

Okay, verstehe. Das macht in gewisser Hinsicht Sinn. Auch wenn ich es widerwillig und mit grummeligem Ton zugebe. Aber lasst uns nicht vergessen, dass die Natur auch Stechmücken gewollt hat. Und Zecken. Oder Ohrenkneifer, die einem nachts in die Ohren krabbeln und das Gehirn aufessen. Nur weil etwas «von Natur aus Sinn macht», kann ich es doch trotzdem saublöd finden. Oder? Weil es mein Blut trinkt oder mein Gehirn frisst. Oder weil es mich leiden lässt und mein Selbst einschränkt. Weil es eine fiese kleine Stimme in meinen Kopf sperrt, die mir zuflüstert, dass ich nicht gut genug bin. Nicht ausreiche. Alles falsch mache. Zu wenig da bin. Zu viel glucke. Zu inkonsequent bin oder zu streng. Zu wenig koche, backe und putze. Zu viel Medienkonsum zulasse und zu wenig auf Matheüben bestehe. Zu oft schreie und zu wenig Traumreisen veranstalte. Zu oft wegfahre und zu wenig schnitzeljage. Zu oft keinen Bock auf Lego habe und zu wenig Bügelperlenbilder kreiere. Zu oft «später» sage und «nie» meine. Zu oft alleine sein will. Zu oft müde bin. Zu oft keinen Nerv habe. Immer zu wenig. Nie genug. Von allem etwas. Kaum was richtig. Halb gut. Halb schlecht. Gerade so bestanden. Aber die Auszeichnung, die bleibt aus. Dabei liebe ich Pokale doch so sehr und will immer auf Treppchen ganz nach oben. Was für ein Dilemma!

 

Wenn wir also von der Theorie ausgehen, dass ein schlechtes Gewissen sinnvoll sein kann und als mütterlicher Selbstüberprüfungskompass dient, dann wird es wohl gestattet sein, zu fragen, ob die Natur in ihrer Ausschüttungsmenge an die mütterlichen Emotionsquellen möglicherweise ein wenig übertreibt. Oder besser gefragt: Hat die Lack gesoffen? Ganz gewiss nicht sinnvoll kann nämlich sein, dass Mütter reihenweise wegen der Last ihres schlechten Gewissens, des damit verbundenen ständigen Drucks und der nie endenden kreisenden Gedanken, zusammenbrechen. Weil das, liebe Natur, wäre doch wohl kaum in deinem Sinne. Also wenn dein großes Ziel immer noch der Arterhalt ist, wovon ich jetzt mal ausgehe, auch wenn ich im Biologieunterricht äußerlich zwar immer top gestylt, innerlich aber meist tot war.

 

Da ich die Natur eigentlich grundsätzlich für recht schlau halte und weil ich eine juristische Hochschulausbildung genossen habe und «in dubio pro reo» praktisch in meiner DNA verankert ist, möchte ich die Natur von jeglicher Schuld freisprechen. Hinsichtlich des Gewissens. Über Zecken und Ohrenzwicker sprechen wir gesondert. Zwar mag sie das schlechte Gewissen bewusst angelegt haben, es war aber nie, nie und nochmals nie in ihrem Sinne, dass sich dieses aufbläht wie ein Zeitungsgerücht während des Sommerlochs.

 

Wenn aber die Natur doch nur einen kleinen Samen des schlechten Gewissens gelegt hat, gerade genug für ein harmloses und nützliches Pflänzchen, wie kam es dann zu seiner übermäßigen und gefährlichen Ausbreitung? Wer wässert den Samen? Wer düngt und bescheint ihn? Wer ist schuld am Wildwuchs, an der exponentiellen Ausbreitung, der Überwucherung, der Seuche?

Seuche? Ob ich übertreibe? Nein, ich nicht. Nur das schlechte Gewissen. In seiner Maßlosigkeit. Nicht nur, dass es sich früher im Leben einer Mutter einstellt als die morgendliche Übelkeit oder das Wachstum der Gliedmaßen des Embryos. Es ist auch noch mit einer Hartnäckigkeit ausgestattet, bei der selbst die Mahnabteilung des Finanzamtes vor Neid erblassen würde. Egal, wie vermeintlich fähig eine Person im Muttersein auch ist, das schlechte Gewissen schickt ihr mindestens einmal am Tag einen gelben Brief mit dem brüllenden Inhalt «LOSER-MOM!».

 

Du hast alle Bücher, die die Erziehungsratgeberecke bereitstellt, gelesen, legst Obststücke in Mandalas und streichelst deine Kinder täglich eine Stunde liebevoll in den Schlaf, während du mit der Querflöte auf Profiniveau La-Le-Lu spielst? Egal – schlechtes Gewissen!

Du hast einen Master in Pädagogik, deine Kinder schreiben dir täglich kleine Liebesbriefe, und andere Mütter bewundern deine Gelassenheit? Egal – schlechtes Gewissen!

Du bist gleichzeitig ausgebildete Kinderärztin, Hebamme, Erzieherin, Lehrerin und Psychotherapeutin, dein Gemüse baust du ausschließlich selbst an, und du bewohnst mit deinen elf wunderschönen Wunderkindern einen Ponyhof mit Bällebad, Pool und Töpferwerkstatt? Egal – schlechtes Gewissen!

 

Und wie muss es dann erst allen anderen gehen? Jenen, die manchmal schreien, Tiefkühlpizzen aufbacken, keine Geduld haben, müde sind, ach, so müde. Die vergessen haben, dem Kind ein neues Deutschheft mitzugeben, und es zu spät vom Judo abholen? Die, die durch den Alltag hetzen und am Ende des Monats vielleicht nur noch Spaghetti mit Ketchup anbieten können? Die frustriert sind vom Schulsystem, von der vermeintlichen Gleichberechtigung und vom Leben? Die eigentlich so vieles anders machen wollten? Die, die ihre Kinder lieben, ihre Ruhe aber halt auch?

Mir und dir und praktisch jeder Mutter, weil Mütter eben auch nur Menschen sind. Tja. Die werden vom schlechten Gewissen nicht nur gezwickt, die werden am Kragen gepackt und so richtig durchgeschüttelt. Tag für Tag für Tag. Wie beschissen! Was das mit Müttern macht, kann man sich leicht vorstellen. Es macht sie fertig. Es sorgt dafür, dass sie sich und ihre Bedürfnisse komplett aufgeben und nur noch dem Wohl des Kindes hinterherrennen. Hauptsache, es ist gesund. Und glücklich. Gut in der Schule. Beliebt und freundlich. Wohlerzogen und begabt. Ihm ist nie zu kalt. Oder zu heiß. Es hat nie Hunger. Es hat nie Durst. Es muss nie etwas missen, und alle Wünsche werden ihm von den Lippen abgelesen. Sein Wachstum liegt im optimalen Wertebereich, und es hat weder je einen blauen Fleck noch eine Schramme. Keine Wespe oder Biene wagt es, den Stachel in das zarte Fleisch zu piken. Kein Hund traut sich, zuzuschnappen. Es fällt nie vom Rad, es stolpert nie über die eigenen Füße. Kein Husten, Schnupfen, Heiserkeit. Kein eingewachsener Fußnagel. Es hat Freunde, es streitet nie. Es ist nie traurig, unglücklich oder verletzt. Es wird ständig beschäftigt, gefördert, bespaßt. Es lebt den Traum. Den unerreichbaren Traum. Egal, wie schnell, wie lang und wie ausdauernd Mütter rennen. Weil die Realität natürlich so nicht ist. Kinder, egal, wie sehr wir es zu vermeiden versuchen, sind manchmal traurig, verletzen sich, schreiben eine Fünf oder sitzen mit regennasser Hose auf kalten Steinen. Sie streiten. Sie hauen. Sie fallen. Sie werden krank oder vom Hund des Nachbarn gebissen. Sie leben. Und all das gehört dazu. Muss so sein. Und darum befinden sich Mütter in einem unstoppbaren Hamsterrad. Ihr Ziel ist eine Utopie. Und trotzdem versuchen sie es. Das kann nicht gut gehen.

 

Nur, warum? Objektiv gesehen weiß ich, weißt du, dass unser schlechtes Gewissen in neunzig Prozent der Fälle Humbug ist. Völlig unnötig, übertrieben und nicht gerechtfertigt. Aber als Mütter sind wir selten objektiv. Leider. Das ist das Perfide am schlechten Gewissen. Es vernebelt uns die Sicht, das Denken und das Fühlen. Weil es zu groß geworden ist. Dick und fett setzt es sich auf uns drauf und verhindert, dass wir einen Schritt zurücktreten und einen objektiven Blick auf uns werfen können.

 

Aber, mal Klartext. Wer hat das schlechte Gewissen so fett gefüttert? Wer verdient lebenslang bei Wasser und Brot? Puh, ja. Das ist nicht so einfach. Ich kann mich jetzt nicht hinstellen und sagen: «Der Johannes war es. Auf ihn mit Gebrüll!» Wäre toll, so ein Sündenbock. Aber natürlich mal wieder zu einfach. Weil schuld – wenn wir überhaupt von Schuld reden können – sind wir letztlich alle so ein bisschen. Das Problem ist nämlich gesellschaftlicher Natur.

 

Die Ansprüche an Mütter, die Ansprüche an uns selbst sind heutzutage höher als dieses Riesenhotel in Dubai, in dem Dschungelcampgewinner*innen so gerne urlauben. Und diese unerreichbaren Erwartungen, diese hanebüchenen Ziele, die wir uns selbst auferlegen und deren Erreichen etwa so realistisch ist wie die Vorstellung, ich könnte den Nobelpreis in Physik gewinnen (ich sehe Sie lachen, Herr Oberstudienrat Kreukler), führen in die Schlechtes-Gewissen-Falle.

 

«Dein Alltag ist ihre Kindheit.» Viele von euch kennen möglicherweise diesen Spruch. Er begegnet uns bei Facebook, bei Instagram und in der Kinderflohmarkt-WhatsApp-Gruppe, in der Andrea echt meint, sie könnte für ihren völlig durchgenudelten Sterntaler-Fußsack noch 25 Euro verlangen (wach auf, Andrea!).

 

«Dein Alltag ist ihre Kindheit» also. Dieser Spruch, auf hübschem pastellfarbenem Hintergrund, garniert mit klitzekleinen Babyfüßen oder patschigen Patschhändchen, sorgt im ersten Moment meist für eine Explosion von Herzen und Likes. Von Hachs und Achs. Sorgt für Entzücken und eigene vollkommen verklärte Kindheitserinnerungen beim Blumenpflücken mit Mama im Sommerkleid, die in Wahrheit aus der Perwoll-Werbung stammen.

Also teilen wir diesen Spruch fleißig weiter auf allen Kanälen. Schicken ihn der Freundin, der Nachbarin und Andrea. Und machen uns damit (mit)schuldig. Häh? Wieso? Ist doch voll der niedliche Spruch. Und so wahr! Oder etwa nicht?

Schauen wir doch mal genauer hin. Wenn unser Alltag die Kindheit unserer Kinder ist, was heißt das dann für ihre Kindheit? Wie sieht unser Alltag denn aus? Der Alltag von uns Müttern? Um das adäquat zu beschreiben, musste ich ein neues Adjektiv (das ist ein Wiewort, mein Sohn) erfinden. Achtung, jetzt kommt es: hamsteresk. Und ich liefere direkt die Beschreibung für den Duden mit. «Adjektiv, aus der Muttersprache. Dem Leben eines Hamsters entliehen. Ähnlichkeiten zum Begriff ‹kafkaesk› (in der Art der Schilderung Franz Kafkas) lassen Rückschlüsse darauf zu, dass die Schöpferin ein humanistisches Gymnasium besucht hat (mäßiger Erfolg, wenig Erinnerung).»

 

Ich für meinen Teil kann eindeutig sagen, dass mein Leben hamsteresk ist. Und damit meine ich nicht, dass mein Alltag dem eines freien Feldhamsters ähnelt, der sich die Sonne auf den Pelz scheinen lässt und gemütliche Maiskolbenpartys mit seinen dickbackigen Freunden feiert. Mein Alltag als Mutter ist wie das Leben eines beim Kölle Zoo erworbenen Dsungarischen Zwerghamsters, der 24/7 in seinem quietschenden Rädchen strampelt, bis seine Augen hervorquellen und seine Zunge hinter den Ohren flattert. Ich hetze von Schule zu Supermarkt. Ich flitze von Fußballtraining zu Musikstunde. Ich wirble durch Küche, Job und Kinderzimmer. Immer irgendwie auf Trab. Und meist unter Zeitdruck. Da ist wenig Platz für singend über Wiesen tanzen mit Kindern in weichspülerfrischen Kleidchen. Mein Alltag ist wie der Alltag der meisten Mütter. Schnell, hektisch, laut und fremdbestimmt. Mit grauem Schneematsch auf dem Seitenstreifen und labberigen Tiefkühlpommes auf dem Teller. Erschreckend, oder? Wenn unser Alltag so schneematschgrau und tiefkühlpommeslabberig ist, was macht das dann mit der Kindheit unserer Kinder? Was für Erinnerungen müssen die armen Hamsterkinder dann in zwanzig Jahren auf durchgelegenen Therapeut*innencouchen durchleben? Mit Mama im Aldi Klopapier und Spülmittel kaufen. Bei Mama auf dem Rücksitz, während sie «Fahr doch, du Arschloch!» schreit. Neben Mama auf der Couch, während sie zu Gute Zeiten, schlechte Zeiten einschläft. Ein wenig sabbernd.

SO SOLL DIE KINDHEIT MEINES GOLDSCHATZES AUSSEHEN? Frage ich mich dann. Fragst du dich. Fragen wir uns. AUSGESCHLOSSEN! Schreien wir hinterher. Wir bessern uns! Wir schaffen Erinnerungen, die es wert sind, austherapiert zu werden. Unser Alltag wird ihr Disneyland. Das Hamsterrad wird dann eben ausgepackt, wenn das Kind schläft. Gehe ich halt nur noch nachts um drei an der Esso-Tankstelle im Industriegebiet einkaufen. Platze ich halt in einen Drogendeal und werde abgestochen. Verliere ich halt meine Milz. Die kindwache Zeit muss genutzt werden! Alles andere wäre ein Verbrechen an der Kindheit unserer Mini-Mes. Und so finden wir uns wieder in dem Versuch, dass sich unser stressiger Alltag für unsere Kinder wie Ferien auf dem Bauernhof anfühlt, was aus unserem stressigen Alltag die absolute Hölle macht, aber während wir das noch denken und gleichzeitig schon wieder ein schlechtes Gewissen gegenüber dem Kind haben, weil es kurz mit in die Post muss, wo es weder Ponys noch Zuckerwatte gibt, piept das Handy, und Andrea schickt uns eine Spruchkachel von Pinterest mit den Worten «Genieße die Zeit, sie werden so schnell groß». Ich kann nicht zeichnen, aber bitte fügt hier ein Bild einer Mutter ein, deren Kopf platzt.