Zu groß für die Babyklappe - Marlene Hellene - E-Book

Zu groß für die Babyklappe E-Book

Marlene Hellene

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Beschreibung

Disclaimer: Hiermit distanziere ich mich von diesem Titel, jedenfalls die paar Schritte, die es braucht, um mich erschöpft aufs Sofa fallen zu lassen. Sie können die Mistgabeln und Fackeln also wieder zurück in den Keller stellen. Danke! Zu groß für die Babyklappe? Ich gebe zu, ich habe diesen Satz schon einige Male gedacht und ja, auch im Gespräch mit befreundeten Müttern fiel er das ein oder andere Mal, meist gefolgt von einem tiefen Seufzer der Zerrissenheit. Ich liebe meine Kinder, aber manchmal möchte ich sie auch auf den Mond schießen. Denn ja, bereits Sechsjährige können genervt und türenschlagend durchs Haus laufen. Breiflecken auf der Bluse, volle Windeln und durchwachte Nächte werden abgelöst von Eltern-WhatsApp-Gruppen, von Schulängsten 2.0 und von Gesprächen, die mit einem verzweifelten: "Aber Karl-Friedrich hat auch ein Smartphone" anfangen und mit einem drohenden "Ist da etwa Gemüse in der Tomatensoße?" enden. Für Mütter gilt in dieser Phase wie immer: Lachen ist die beste Medizin.

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Seitenzahl: 166

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Marlene Hellene

Zu groß für die Babyklappe

Geschichten aus dem Müttergenesungswerk

 

 

 

Über dieses Buch

Eine Bekannte meinte, ich solle froh sein, dass meine Kinder noch so klein seien. Ihr Sohn sei 16 und würde kiffen.

«Dann schläft er wenigstens durch» ist als Reaktion unangebracht. Das weiß ich jetzt.

 

Disclaimer: Hiermit distanziere ich mich von dem Titel dieses Buches, jedenfalls die paar Schritte, die es braucht, um mich erschöpft aufs Sofa fallen zu lassen. Sie können die Mistgabeln und Fackeln also wieder zurück in den Keller stellen. Danke! Zu groß für die Babyklappe? Ich gebe zu, ich habe diesen Satz schon einige Male gedacht und ja, auch im Gespräch mit befreundeten Müttern fiel er das ein oder andere Mal, meist gefolgt von einem tiefen Seufzer der Zerrissenheit. Ich liebe meine Kinder, aber manchmal möchte ich sie auch auf den Mond schießen. Denn ja, bereits Sechsjährige können genervt und türenschlagend durchs Haus laufen. Breiflecken auf der Bluse, volle Windeln und durchwachte Nächte werden abgelöst von Eltern-WhatsApp-Gruppen, von Schulängsten 2.0 und von Gesprächen, die mit einem verzweifelten «Aber Karl-Friedrich hat auch ein Smartphone» anfangen und mit einem drohenden «Ist da etwa Gemüse in der Tomatensoße?» enden. Für Mütter gilt in dieser Phase wie immer: Lachen ist die beste Medizin.

 

«Kinder lachen angeblich 400 Mal am Tag, Erwachsene nur 17 Mal. Mütter, die Marlene Hellene lesen, wissen genau, warum das so ist. Und machen dann gleich die ganze schöne Statistik kaputt, weil sie sich bei der Lektüre wegschmeißen vor Lachen.»

BRIGITTE MOM

Vita

Marlene Ottendörfer, geboren 1979, begeistert auf dem Blog Tollabea, und auf Twitter und Instagram als MarleneHellene, regelmäßig mit ihren Texten und Tweets. Sie lebt mit ihrer Familie in Karlsruhe. Ihr erstes Buch «Man bekommt ja so viel zurück» ist 2018 bei Rowohlt erschienen.

Inhaltsübersicht

Einleitung: Zu groß für die Babyklappe

Endlich Schulkindmama

Auf die Barrikaden!

Kalenderkarussell

Wenigstens wird es nie langweilig

F*** off, Superwoman

Blumenkinder

Love, love, love

Mamalog

Leseprobe «Man bekommt ja so viel zurück»

Einleitung:Zu groß für die Babyklappe

Eines Morgens wachte ich auf und stellte erschrocken fest, dass meine Kinder keine Babys mehr waren. Ich bemerkte es daran, dass mir etwas sehr Entscheidendes, ja Liebgewonnenes fehlte: Atemluft. Sie wurde mir geraubt – von einer Siebenjährigen und einem Fünfjährigen, die kuscheln wollten. Was bis vor kurzem noch niedlich und entzückend war, führte nun zu Schnappatmung und Hämatomen. Aus federleichten Babys waren scheinbar über Nacht tonnenschwere Kinder geworden. Dabei hatte ich gedacht, dass mit den Jahren (und zunehmendem Gewicht) alles leichter werden würde: kein Brei, keine Windeln, keine durchwachten Nächte, kein Zahnen, kein Schreien, keine Kinderkotze. Ich wäre endlich frei! HAHAHAHAHAHAHAAAAAAAAAHHHHHHHHHH! Ich armseliger Trottel.

Ernsthaft, Menschen, die behaupten, nach den ersten paar stressigen Babyjahren würde alles einfacher, sollte man strafrechtlich belangen. Wegen unerlaubter Hoffnungmache oder so. Darauf sollte Haft stehen. Ohne Bewährung. Im Kerker! Es wird bei weitem nicht einfacher. Es wird höchstens anders. Und von diesem «anders» handelt dieses Buch. Die Geburt meiner Kinder liegt schon lange hinter mir, die Brüste haben den Milchjob an den Nagel gehängt, und auf meiner Bluse sind keine Breiflecken mehr zu finden. (Okay, meistens nicht.) Dafür findet man mich jetzt wimmernd in einer Ecke des örtlichen Schreibwarengeschäfts, weil ich auch nach stundenlanger Suche nicht herausfinden konnte, in welchem Regal es den Einband für das Flex-und-Flo-Heft der Größe DIN A12 ¾ gibt.

Ja, so ein angehendes Schulkind stellt einen vor neue Herausforderungen, und eine davon ist die Anschaffungsliste für das erste Schuljahr. Die Einschulung ist mit hohen Anforderungen und Ängsten verbunden – und für das Kind ist es auch nicht einfach. Stichwort Wackelzahnpubertät. Kennen Sie nicht? Kannte ich auch nicht. Bis ich plötzlich eine siebenjährige, türenschlagende Tochter im Hause hatte. Warum sagt einem das keiner? Vor der Empfängnis wäre zum Beispiel ein guter Zeitpunkt gewesen. Man hat außerdem verpasst, mir beizubringen, eine Schultüte zu basteln, in Eltern-WhatsApp-Gruppen diplomatisch zu bleiben und auf Elternabenden nicht Amok zu laufen. Größere (und schwerere) Kinder lassen einen an völlig neue Grenzen des bisherigen Seins stoßen. Hausaufgaben wollen betreut werden – ohne dass es Tote gibt. Haustiere müssen ausgeredet werden. («Wir haben doch schon Vögel. Im Garten.») Schulfeste wollen organisiert und Hobbys koordiniert werden.

Die größte Herausforderung aber ist das Loslassen. Ich war plötzlich gezwungen, den eisernen Griff um gar nicht mehr so kleine Patschehände zu lockern und meine innere Helikoptermum an die Leine zu nehmen. Schulen haben heutzutage aber auch strenge Regeln. Es ist zum Beispiel nicht erlaubt, das Kind mit dem SUV bis ins Klassenzimmer zu fahren. Frechheit! Auch Videoüberwachung auf dem Schulhof ist nicht gern gesehen. Und so muss man sich mit völlig neuen Ängsten auseinandersetzen. Mit Schulängsten 2.0, sozusagen: Plötzlich fürchtet man nicht mehr die eigene Mathematiknote, sondern die des Kindes.

Zum Glück sind zwischendurch Schulferien. Zum Unglück sind es 72 Tage im Jahr. 72 Tage, an denen das Kind betreut werden muss. Von wem auch immer. Man selbst hat leider nur 30 freie Tage. Da kann die Mathematiknote noch so unterirdisch gewesen sein, diese Differenz kann sich jeder ausrechnen, und sie sorgt für schlaflose Nächte. Da ist das Organisationsgeschick eines Topmanagers gefragt, nämlich das der Mutter. Denn meistens ist es die Mutter, die von A wie Arztbesuch bis Z wie Zahnfee alles im Leben des Kindes organisiert. Natürlich stets lächelnd, stets engagiert, stets ökologisch einwandfrei (auch wichtig: plastikfrei), nah am Kind, aber nicht klammernd und dazu perfekt gestylt.

Damit Sie bei diesem Anforderungskatalog nicht völlig durchdrehen müssen, übernehme ich das für Sie. Stolpern Sie mit mir gemeinsam durch das neue Kapitel im Leben Ihres Kindes. Lernen Sie von mir, wie es nicht geht, und vor allem: Lachen Sie mit mir. (Okay, auch über mich.) Denn dass Lachen die beste Medizin gegen den Wahnsinn ist, habe ich ja schon im ersten Buch bewiesen.

Endlich Schulkindmama

Das große Schulranzen-, Schultüten- und Schulmaterialschlamassel

Zwei Schimmel, die eine Kutsche über eine Regenbogenstraße ziehen. Darüber ein riesiges Schloss, umflattert von filigranen Feen – das alles hinterlegt mit leuchtendem Rosa. An den Seiten ist er rot, die aufgenähten Taschen sind orange. Das ist er. So sieht der Schulranzen meiner Tochter aus. Rosa, rot, orange. Regenbögen, Feen, Pferde, Kutsche, Schloss. Na, wie liest sich das für Sie? Schlimm? Angsteinflößend? Brechreizprovozierend? Ich sage Ihnen, wie es ist: Der eigentliche Anblick ist noch schrecklicher. Alleine diese Rot-rosa-orange-Kombination, die sich offenbar ein blinder, besoffener Schimpanse ausgedacht hat, beraubt mich beinahe meines Augenlichts. Die aufgedruckten Motive, die unter Einfluss psychedelischer Pilze entstanden sein müssen (es kann dafür keine andere Erklärung geben), verleihen dem ganzen einen poppigen Achtziger-Jahre-Disco-Look. Und, nein, das soll kein Kompliment sein. Der Schulranzen meiner Tochter ist grottenhässlich, und zwar leider nicht auf diese besondere Weise, dass es schon wieder cool ist. Einfach nur grottenhässlich. Kein Interpretationsspielraum. Meine Tochter sieht das allerdings anders. Sie liebt ihren Schulranzen. Die Farben, die Kutsche, die Pferde – alles. Heiß und innig. Genau der musste es sein, nebst passendem Mäppchen und Turnbeutel. Und weil meiner Tochter die Schulausstattung gefallen soll und nicht mir, habe ich zugestimmt.

Meine Tochter ist bezaubernd, daran ändert auch die Grottenhässlichkeit ihrer Tasche nichts. Natürlich hätte ich es lieber gesehen, sie hätte sich für die dezent anmutende Kombination mit den farblich zurückhaltenden Sternen aus dem hippen Ökoladen entschieden, aber: ihre Schullaufbahn, ihre Wahl. Da redet man nicht rein. Das zukünftige Schulkind entscheidet selbst. Der Haken an der Sache: Im Falle des Schulranzens zahlt die zukünftige Schulkindmama. Also ich. Und bis man als zukünftige Schulkindmama (die mit dem Geldbeutel) gefragt ist, kann es dauern. Ich rede nicht von Stunden, ich rede von Monaten. Schon über ein Jahr vor der Einschulung brach bei meiner Tochter das Schulranzenfieber aus. Wer trägt welchen? Welche Formen sind gerade in? Welche Farben angesagt? Während sie sich mit nichts anderem mehr beschäftigte, war ich zu diesem Zeitpunkt gedanklich, sagen wir mal, noch nicht ganz so tief drin im Thema. Aber das sollte nicht lange so bleiben. Denn nicht nur meine Tochter war schon voll on Schulranzen-fire, nein, auch die meisten zukünftigen Schulkindmamas hatten sich angesteckt. Welches Modell ich kaufen würde und vor allem wo? Ob ich schon Probetragtermine im Fachgeschäft vereinbart hätte? – Moment mal. Probetragtermin? Mir war damals nicht bewusst, dass es so etwas überhaupt gab. Früher gab es blaue, gelbe, rote und grüne Schulranzen. Unifarben. Die waren von Scout oder Amigo, wobei die coolen Kinder einen Scout-Ranzen hatten. Meiner war von Amigo.

Irgendwann hielt ich dem Druck nicht mehr stand. Ich vereinbarte einen Termin im Schulranzenladen. Nein, nicht in irgendeinem. In der SchulranzenWELT! Tausende Schulranzen auf über drei Stockwerken, an jeder Ecke angeknipste Verkäuferinnen und dazwischen zukünftige Schulkinder on fire. So kann man sich einen Samstagmorgen auch versüßen – nicht.

Bevor mein freudig erregtes Kind auf die circa dreitausend Ranzen in allen erdenklichen Farb- und Motivkombinationen losgelassen wurde, musste es zuerst durch den sogenannten Blindtest. Das zukünftige Schulkind soll so daran gehindert werden, den Ranzen ausschließlich nach optischen Kriterien auszuwählen, denn nicht die Optik, der Komfort ist der entscheidende Faktor. Meine Tochter testete sich also zunächst durch eine Reihe von Modellen, die durch Überzüge unkenntlich gemacht worden waren. Und heute, nach einigen schrecklichen Stunden, die ich in der SchulranzenWELT zubringen musste, weiß ich: Schulranzen sind kleine Wunderwerke in Sachen Ergonomie und Tragekomfort. Nicht jedes Kind kann jeden beliebigen Ranzen tragen. Gott, nein! Wichtig ist, dass sich das Gewicht des Ranzens optimal auf den schmalen Schultern des Kindes verteilt. Da fallen Schlagwörter wie: Druckverteilung, Reliefpolsterung und Rückenteilhöhe. Fachverkäufer ziehen DIN-Normen heran, lobpreisen Fadennahtdetails und stellen komplizierte Körpergewichtsberechnungen an, um zuletzt detailliert über Schulranzenpacktipps zu fachsimpeln. Erst wenn das zukünftige Schulkind dieses höchst wissenschaftliche Verfahren durchlaufen hat, erst dann darf es über das Design nachdenken. Irgendwann schaltete ich innerlich ab. Ich ließ die freundliche Fachverkäuferin und die Tochter das regeln.

Nach mehreren (mehreren!) Stunden stand das Modell endlich fest. Es war natürlich das teuerste. Surprise! Jetzt durfte das zukünftige Schulkind über die Optik entscheiden. Der Rest ist Geschichte (Regenbögen, Feen, weiße Pferde, Kutsche, Schloss, Rosa, Rot, Orange, Albtraum). Nachdem ich stundenlang gewartet hatte, wurde ich zur Kasse komplimentiert, und man nannte mir einen exorbitanten Betrag, den ich zu zahlen hätte. Der Ranzen war weder mit Gold durchwirkt, noch waren Diamanten oder 500-Euro-Scheine verarbeitet; da ich aber längst zu der Erkenntnis gelangt war, dass meine Meinung keine Rolle spielte, überreichte ich der freundlich lächelnden Verkäuferin ohne Zögern meine linke Niere. Äh, Quatsch, natürlich ließ ich nur mein gesamtes Vermögen in der SchulranzenWELT, um die Veranstaltung erschöpft und arm wie eine Kirchenmaus zu verlassen. Naiv, wie ich war, dachte ich, ich hätte das Schlimmste hinter mir. Grober Fehler. Wir waren noch lange nicht fertig. Ich sage nur A) Schultüte und B) Schulmaterial.

Kommen wir zu A). Die Schultüte. Ich möchte Sie nicht nerven und mit den Geschichten von Omma von vorm Krieg anfangen, aber FRÜHER ist nun mal die einzige Erfahrungsreferenz, auf die ich mich berufen kann. Und FRÜHER habe ich meine Schultüte noch selbst gebastelt. Im Kindergarten. Mit Fräulein Elisabeth. Aus Pappmaché und Tonpapier. Unkostenbeitrag: zwei Mark. Das war damals super, ist heute aber out. Heute muss Mama die Schultüte basteln. Oder Papa. Oder Oma und Opa. Oder ein bastlerisch begabter Familienhund. Auf jeden Fall selbstgemacht muss sie sein, aber eben nicht vom Kind. Das muss nur damit überrascht werden. Noch angesagter als eine gebastelte ist übrigens eine genähte Schultüte. Die Hülle wird genäht und dann mit Motiven und Namen des Schulanfängers bestickt. Später, also nach der Einschulung, könne man die Stoffhülle mit Watte füllen, wodurch ein phantastisches, individuelles und bedeutungsschwangeres Kissen entstehe – laut Pinterest. Und Instagram. Und Facebook. Und wenn sogar Facebook die genähte Schultüte als die einzig wahre Art preist, seine Mutterliebe zu zeigen, bleibt auch mir nichts anderes übrig: Ich musste nähen und sticken. Kann ich aber leider nicht. Doof, denn ich liebe mein Kind wirklich und möchte es mit meinem Nichtkönnen ungern in Verlegenheit bringen. Reicht doch schon, dass der Ranzen hässlich ist. Eine selbstgenähte Schultüte schied also aus. Weder Papa noch Opa noch Oma waren dazu in der Lage. Ich musste eine Schultüte von einem Dritten machen lassen. Im Austausch gegen Geld. Viel Geld. Sie erinnern sich an den Unkostenbeitrag von zwei Mark für meine eigene Schultüte anno dazumal? Dieser Betrag reichte nicht mal für den Versand.

Tatsächlich wurde die Schultüte sehr hübsch. Nur leider war sie leer. So ein Mist, das hatte ich nicht bedacht. Da Süßigkeiten heutzutage ja nur noch so einen mittelguten Ruf haben, verwarf ich meine erste Idee, zwanzig Beutel Gummibären zu kaufen und die Tüte damit zu füllen. Ich musste wohl oder übel kreativ werden. Also verbrachte ich Stunden damit, Bücher, besonders hübsche Stifte und sonstigen Kleinkram wie Haarspangen, Aufkleber und Badeschaum zu besorgen. Ernsthaft, Mutter eines zukünftigen Schulkindes zu sein, ist ein Fulltimejob, und dabei hatte ich das Wichtigste noch nicht erledigt: Es fehlte noch B), das Schulmaterial.

An einem der zahlreichen Elternabende, die schon vor Beginn des eigentlichen Schuljahres abgehalten wurden, drückte man mir eine Liste in die Hand. Eine lange Liste. Gesetzt in sehr kleiner Schrift. Auf dieser Liste stand alles, was das Kind für die erste Klasse brauchte. Als ich mir die Liste das erste Mal durchlas, war ich mir nicht sicher, was ich da vor mir hatte. Deutsch konnte es nicht sein, ich verstand nämlich nur Bahnhof, chinesischer Provinzbahnhof. Flex-und-Flo-Hefte, DIN-A-XYZ-Umschläge, Bleistifte Stärke 294749q0, Pinsel Größe F bis Ü, Farbtupfschwämme und dazu bitte die Nummer 58, extra scharf. (Okay, Letzteres stand auf einer anderen Liste.)

Tage nachdem ich aufgebrochen war, um die Liste abzuarbeiten, fand man mich zitternd und in Embryonalstellung zusammengekrümmt in der Schreibwarenabteilung des Kaufhauses wieder. Na ja, nicht wirklich, aber ich fühlte mich so. Weder die eigene Schulzeit noch das abgeschlossene Studium oder mein gesunder Menschenverstand befähigten mich dazu, die Liste ohne Hilfe von eigens dazu ausgebildetem Personal abzuarbeiten. Die Bleistifte zu finden, das schaffte ich noch, gerade so. Ich erstand auch einen Malkasten, doch dann riss meine Glückssträhne ab. Was war mit den Pinseln? Meine verzweifelte Suche führte mich schließlich ins Schreibwarenfachgeschäft meiner Kindheit. Allein der Geruch nach Heften, Radiergummi und den sauren Schlangen, die auf dem Kassentresen für Cent-Beträge angeboten wurden, katapultierte mich dreißig Jahre zurück. Es war herrlich. Es gab sogar noch die gleichen Aufkleber wie damals, und ich war so kurz davor, mir die mit Samtstoff bezogenen Babykatzenaufkleber zu gönnen, die in meiner Schulzeit der größte Schatz eines jeden kindlichen Aufklebersammelalbums und heißbegehrtes Handelsgut waren, als mich eine Stimme jäh aus der Vergangenheit riss: «Haben Sie eine Liste? Brauchen Sie Hilfe?» Ja, ja, halleluja! Ich streckte der lächelnden Schreibwarenfachverkäuferin in stummer Verzweiflung die Liste entgegen, und binnen weniger Minuten hatte dieser DIN-Normen-Engel alles für mich zusammengesucht. Dies ist vielleicht der wertvollste Mütterrat, den ich erteilen kann: Suchen Sie für Schulwaren ein Fachgeschäft auf! Das spart Zeit und Nerven. Sie müssen nicht wochenlang kurz vorm Nervenzusammenbruch in Einkaufszentren umherhasten. Ihnen kann geholfen werden. Was für ein Glück! Was für ein Segen! Einzelhandel for President.

Zuletzt habe ich es tatsächlich geschafft. Meine Tochter konnte ihren Schulstart mit Schulranzen auf dem Rücken, gefüllter Schultüte im Arm und vollständigem Schulmaterial feiern. Ob mich das einen Haufen Geld, Nerven und Lebenszeit gekostet hat? Aber ja! Ob ich das im kommenden Jahr für meinen Sohn wieder machen werde? Und wie! Immer und immer wieder. Liebe halt. Die macht schon komische Sachen mit einem. Ich erinnere mich vage an eine junge Frau (blond und weiblich), die einmal sagte: «Man bekommt ja so viel zurück», und damit hatte sie verdammt noch mal recht.

Der Ernst des Lebens kann uns mal

Einschulung. Ein-schu-lung. Ein sehr deutsches Wort. So bürokratisch. Ein Lebensabschnittswort. Geburt. Einschulung. Vermählung. Fortpflanzung. Rente. Tod. Jedenfalls sollte meine Tochter diesen bürokratischen Akt nun auch endlich durchlaufen. «Mama, in wie vielen Tagen komme ich in die Schule?» – «189.» – «Wie viele Minuten sind das?»

Viele Menschen sagen, mit der Einschulung beginne der Ernst des Lebens. Schrecklich, oder? Nach gerade einmal sechs kurzen Jahren auf dieser Erde soll der Ernst des Lebens beginnen? Doof! Wer soll denn der Ernst des Lebens eigentlich sein? Ich kenne den gar nicht. Wurde mir nie vorgestellt. Und auch meine Tochter soll sich von diesem ominösen Ernst bitte mal schön fernhalten. Wir sind anständige Leute. Dieser Ernst soll gehen. Meine Meinung!

Völlig ohne Ernst freute sich meine Tochter zum Glück auf die Schule. Es hatte sich also gelohnt, ihr jahrelang von der wunderschönen Zeit vorzuschwärmen, die ihr bevorstand. Und wenn es eines gibt, womit ich mich auskenne, dann mit der wunderschönen Schulzeit. Schließlich habe ich mir als Teenager nicht umsonst eine Highschool-Serie nach der anderen angesehen, sodass ich ihr anschaulich von neuen Freunden, extra aufregenden Abenteuern und wilden Partys erzählen konnte. Von meiner eigenen Schulzeit wollte ich lieber schweigen. Aus Gründen.

Der Tag der Einschulung begann früh, sehr früh am Morgen. Nicht dass er das hätte müssen. Die Aufregung, Sie verstehen? Die Aufregung, verkörpert durch eine rennende, plappernde, kichernde und kreischende Sechsjährige, trieb uns alle gegen kurz vor sechs aus den Betten. Endlich konnte das Outfit angezogen werden, das wir extra für diesen besonderen Anlass gekauft hatten. Und auch für das einzuschulende Kind fand sich etwas Hübsches. Nach quälend langer Wartezeit – «Nein, es geht noch nicht los, wir sind viel zu früh aufgestanden, hättest du mal lieber noch etwas geschlafen, und wo ist eigentlich mein Kaffeefässchen?» – ging es mit dem ersten Programmpunkt des Tages los: der Kirche, der katholischen Kirche! Kirchen mag ich ja am liebsten aus der Ferne. Also, grundsätzlich. Aber das Kind quengelte, alle gingen dorthin, der Kindergarten-Chor werde singen! Also ging ich in die Knie und in die Kirche. Als ich eintrat, war ich erst mal froh, dass mich kein Blitz in den hübschen heidnischen Popo traf, und suchte mir ein nettes Plätzchen in der Nähe der Tür. Fluchtwege und so. Auf der Kanzel erschienen zwei Herrschaften in Gewändern. Zwei? Aha. Ein ökumenischer Gottesdienst also. Gerade als der Vierjährige mich fragte, wer von den beiden denn nun Gott sei, fing zu meinem Glück der Kinderchor an zu singen und ersparte mir die Antwort auf diese höchst schwierige, wenn auch interessante Frage. Die nächste Stunde verharrte ich in einer Mischung aus Katatonie, Kopfschütteln und der Hoffnung, Whoopi Goldberg möge mit ihren Schwestern die Bühne stürmen und den Laden etwas aufmischen.

Aber auch das längste Vaterunser findet irgendwann zum Amen, und so konnten wir (endlich) zum Höhepunkt der Veranstaltung übergehen: dem Besuch der Schule. Ich hatte aus zuverlässigen Quellen erfahren, dass die Eltern während der sehnlichst erwarteten ersten Schulstunde der ABC-Schützen mit Kaffee und Kuchen versorgt würden, und meine Vorfreude war dementsprechend groß. Leider hatte ich die Rechnung ohne die Veranstalter gemacht. Vor dem Schlemmen kam nämlich die Pflicht. Ich sollte mich mit gefühlt dreitausend anderen Eltern und völlig überdrehten Schulanfängern in die stickige Aula quetschen und den Aufführungen der älteren Grundschüler beiwohnen. Also klatschte ich zu Liedern über das Lesenlernen, machte gute Miene zu einem Theaterstück einiger als Tiere verkleideter Zweitklässler und ließ mich von einer modernen Handpuppen-Darbietung faszinieren, die gleich dreimal zur Aufführung kam. Sollte ich je das Bedürfnis nach sprechenden Socken auf Kinderhänden verspürt haben – es ist es nunmehr erfüllt. Für immer. Für absolut immer!

Endlich betraten drei nett aussehende Damen die Bühne und riefen die Kinder in ihre jeweiligen Klassen. Meine Tochter, die sich aufgrund des subtropischen Klimas in der Aula mittlerweile eines Großteils ihrer Kleidung entledigt hatte, war nun stolzes Mitglied der Klasse 1c und verschwand mit achtzehn Kindern und einer freundlichen älteren Dame, der ich ohne weiteres all mein Hab und Gut anvertraut hätte, im Klassenzimmer. Während die anderen Eltern noch klatschten, winkten und Fotos machten, rannte ich wie der Blitz zum Kuchenstand. Mit einem Muffin in jeder Backentasche und einem Pott Kaffee in der Hand fühlte ich mich endlich dem Anlass entsprechend feierlich. Meine Tochter war nun also ein Schulkind. Verrückt! Gerade war sie doch erst geboren. Ein hilfloses Bündel, ein klitzekleines Baby, und jetzt lief sie in ihre Klasse. Stolz wie Oskar. Mit Schultüte unterm Arm und Ranzen auf