Man bekommt ja so viel zurück - Marlene Hellene - E-Book
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Man bekommt ja so viel zurück E-Book

Marlene Hellene

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Beschreibung

«Liebe Freunde des gepflegten Beischlafs: Jetzt haben Sie noch Spaß, aber bald laufen Sie vielleicht schon mit Laternen durch den Regen. Ich bin eine von vielen Betroffenen. Ich bin genauso verzweifelt, genervt, wütend, müde, amüsiert und voller Liebe für meine Kinder. Den gezückten Zeigefinger lasse ich in der Tasche. Dafür erzähle ich ein paar Geschichten aus meinem Alltag und rufe auf diese Weise all den ebenso müden, entnervten, liebenden anderen Eltern-Menschen zu: Wir sitzen alle in einem Boot. Wir können nicht in Ruhe schlafen, essen oder auf Toilette gehen, also lasst uns wenigstens zusammen lachen!» Marlene Hellene schreibt so unterhaltsame wie tröstliche Geschichten aus ihrem Leben als junge Mutter – und wird von ihren Fans für ihre witzigen, treffsicheren Erzählungen geliebt.

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Seitenzahl: 164

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Marlene Hellene

Man bekommt ja so viel zurück

Leitfaden für verwirrte Mütter

 

 

 

Über dieses Buch

«Liebe Freunde des gepflegten Beischlafs: Jetzt haben Sie noch Spaß, aber bald laufen Sie vielleicht schon mit Laternen durch den Regen. Ich bin eine von vielen Betroffenen. Ich bin genauso verzweifelt, genervt, wütend, müde, amüsiert und voller Liebe für meine Kinder. Den gezückten Zeigefinger lasse ich in der Tasche. Dafür erzähle ich ein paar Geschichten aus meinem Alltag und rufe auf diese Weise all den ebenso müden, entnervten, liebenden anderen Eltern-Menschen zu: Wir sitzen alle in einem Boot. Wir können nicht in Ruhe schlafen, essen oder auf Toilette gehen, also lasst uns wenigstens zusammen lachen!»

Marlene Hellene schreibt so unterhaltsame wie tröstliche Geschichten aus ihrem Leben als junge Mutter – und wird von ihren Fans für ihre witzigen, treffsicheren Erzählungen geliebt.

Vita

Marlene Ottendörfer, geboren 1979, begeistert auf dem Blog Tollabea und auf Twitter als MarleneHellene regelmäßig mit ihren Texten und Tweets. Sie lebt mit ihrer Familie in Karlsruhe.

 

Till Hafenbrak schloss 2009 sein Studium der Visuellen Kommunikation an der Universität der Künste Berlin ab. Seither arbeitet er als selbständiger Illustrator in Berlin. Er illustrierte bereits die im Kindler Verlag erschienenen Bestseller «Das Pubertier» und «Im Reich der Pubertiere» von Jan Weiler. Mehr Informationen und Bilder gibt es auf www.hafenbrak.com.

Einleitung:«Man bekommt ja so viel zurück»

Das ist der Titel dieses Buches, aber stimmt das überhaupt? Was bekommt man denn wirklich von Kindern zurück? Meine spontanen Gedanken hierzu sind Schwangerschaftsstreifen und leergesüffelte Brüste. Graues Haar und Tränensäcke. Bleierne Müdigkeit und die Gereiztheit eines bengalischen Tigers. Man bekommt Kackawindeln, Popel und wenn es richtig doof läuft Erbrochenes auf die Seidenbluse. Einen Wäscheberg mit den Ausmaßen des Mount Everest und vollgekritzelte Wände. Geldsorgen, Chaos und Tinnitus. Man bekommt nie seine Ruhe auf der Toilette und viel Geschrei. Cluburlaub und Kinderkrankheiten. Wutanfälle im Supermarkt und drei Kilo verkrümelte Brezel im Auto. Man bekommt Kindergeburtstage, Elternbekanntschaften aus der Hölle und neue Hobbys, die allen Spaß machen, außer einem selber.

Man bekommt ein völlig neues Leben.

Habe ich Ihnen jetzt Angst gemacht? Das wollte ich wirklich nicht. Das hört sich zugegebenermaßen alles wirklich schlimm an, aber keine Sorge, die obige Aufzählung ist noch nicht komplett: Man bekommt feuchte Küsse von warmen kleinen Mündchen und feste Umarmungen. Bezauberndes Lächeln und blitzende Kinderaugen. Man entdeckt die Freude am ersten Schnee des Jahres neu. Man bekommt Erstaunen und Stolz. Lachen und ganz viel Quatsch. Neue Freunde und neue Ziele. Man bekommt Pippi Langstrumpf und die Kinder von Bullerbü zurück. Kuschelnachmittage und Kissenschlachten. Rührung und Herzkonfetti. Man bekommt ganz viel kindliche Freude geschenkt. Kichern, Flüstern und Strichmännchen. Man bekommt Spielkameraden und Reisebegleiter. Das größte Glück und die Liebe seines Lebens.

Man bekommt ein völlig neues Leben.

Frau im Ausnahmezustand

Schwanger. Klappe – die Erste!

So eine Schwangerschaft ist ja nichts für ungeduldige Menschen. Und jetzt raten Sie mal, wer der ungeduldigste Mensch der Welt, was sage ich da, des Universums ist? Los, schneller, raten Sie bitte schneller. Hopp, hopp, hopp. Genau: ich. Ungeduld ist praktisch mein zweiter Vorname. Wenn ich etwas will, dann sofort. Als Gott Gelassenheit und Geduld verteilt hat, war ich schon vorgerannt.

Ich war 31 Jahre alt, als ich mich dabei ertappte, schwangere Frauen verliebt anzuglotzen und fremde Babys überschwänglich für ihre Niedlichkeit zu loben. Ich träumte von kleinen runzeligen Minifüßchen, schlich durch die Babyabteilungen von Kaufhäusern und seufzte verzückt beim Anblick von Guns’n’Roses-T-Shirts in Größe 56. Meine biologische Uhr bimmelte lauter als die Glocken im Vatikan an Weihnachten. Ich tat von nun an alles, was ich in der fünften Klasse im Biologieunterricht über Reproduktion erfahren hatte – und ehe ich michs versah, war ich nicht schwanger. Ja, genau. Nicht schwanger. Wie jetzt? Ich hatte doch alles richtig gemacht. Bienen, Blumen und Störche. Und das bereits seit zwei (!) Monaten.

Im Internet las ich von Frauen, die seit Jahren versuchten, schwanger zu werden, von künstlicher Befruchtung und Sterilität. Ich wurde panisch. Und ich machte umgehend einen Termin beim Arzt aus, ganz meiner ungeduldigen Natur entsprechend. Der Besuch war ernüchternd. Als Erstes nannte dieser Mann Anfang 60 mich alt. Alt. Ich war 31. Praktisch noch ein Teenager. So fühlte ich mich. Aber die bittere Wahrheit war: Mit 31 hatte ich meinen Fruchtbarkeitszenit bereits überschritten. Da konnte es schon mal etwas länger dauern, bis man schwanger wurde, in meinem Alter. Mein Arzt schien zu merken, dass er mich mit der Diagnose «alt» getroffen hatte. Er versuchte mich wieder zu versöhnen, indem er ausgiebig meine wunderschönen Eierstöcke und meine formidable Gebärmutter lobte – und riet mir zu Geduld.

Es vergingen einige Monate, in denen ich mich albern und ganz und gar nicht geduldig benahm. Monate, in denen ich mein Gehalt für Schwangerschafts- und Ovulationstests verballerte und alle «Wie werde ich schnell schwanger»-Foren der Welt las. Bis es so weit war: Ich wurde von unbändigem Hunger geplagt, mein Rücken schmerzte, und ich hatte einen Geschmack im Mund, als wäre dort kürzlich ein Hamster in die ewigen Jagdgründe eingegangen. Ich sollte doch nicht etwa …? Ich traute mich nicht zu hoffen. Meine Brüste schmerzten ja auch gar nicht, und das Internet hatte schließlich gesagt, die Brüste müssen unbedingt schmerzen. Außerdem hatte ich keinerlei Appetit auf saure Gurken mit Schlagsahne, und jeder weiß doch, dass das das ultimative Schwangerschaftsanzeichen ist. Nein, bestimmt war ich nicht schwanger.

Der Schwangerschaftstest behauptete das Gegenteil. Der nächste auch. Und auch der dritte. ICH WAR SCHWANGER. Das verstand ich entgegen meiner sonstigen Natur erst sehr langsam. Der Arzt bestätigte das Ergebnis der Tests und zeigte dem werdenden Papa und mir einen wenige Millimeter großen Punkt auf dem Ultraschallbild, der mir sehr, sehr ähnlich sah. Ich bekam endlich den langersehnten Mutterpass überreicht – meine Eintrittskarte in den Club der Schwangeren, den ich mir am liebsten wie eine olympische Goldmedaille um den Hals gehängt hätte – und verließ beseelt lächelnd die Praxis.

Von nun an wollte ich alles richtig machen. Dem Punkt im Bauch sollte es an nichts fehlen. Und ganz besonders wichtig war ja jetzt – sagte das Internet –, dass ich mich gesund ernährte. Ich aß also frisches (total superordentlich gewaschenes) Obst, Vollkornbrot, gegartes Gemüse und Haferflocken. Dafür mied ich Rohmilchkäse, ungewaschenen Salat, rohes Fleisch und rohen Fisch wie der Teufel das Weihwasser. Rauchern auf der Straße warf ich, mir Frischluft zuwedelnd, böse Blicke zu, und wenn ich durch die Alkoholabteilung im Supermarkt ging, hielt ich den Atem an. Ich dachte sogar darüber nach, mir ein Heim-Ultraschallgerät anzuschaffen, um die täglichen Fortschritte der Schwangerschaft zu dokumentieren, und verwarf diese grandiose Idee nur aufgrund fehlender finanzieller Mittel. Ich war eine Streberschwangere der übelsten Sorte.

Fünf Tage lang.

Dann fing das große Kotzen an.

Anfangs arrangierte ich mich noch ganz gut damit. Die kleinen Schwangerschaftshormone taten offensichtlich fleißig ihren Dienst, das war doch ein gutes Zeichen. Aber relativ schnell war ich es leid, schon morgens beim Zähneputzen zu würgen und mitten am Tag auf belebter Straße meinen Mageninhalt präsentieren zu müssen. Und: Ich nahm ab. Völlig aufgelöst suchte ich meinen Arzt auf, um den kleinen Punkt auf Nährstoffmangel, Untergewicht und Skorbut untersuchen zu lassen. Er sprach auffallend langsam mit mir, in einem sehr, sehr sanften Tonfall – so, wie man es mit Verrückten tut –, und präsentierte mir auf dem Ultraschallbild ein knubbeliges, kleines Gummibärchen mit klopfendem Herzen. Der Punkt war jetzt also ein gummibärchenförmiges Etwas geworden, und wieder glaubte ich ganz deutlich zu erkennen, dass wir einander glichen wie eineiige Zwillinge.

Ich versuchte, mich zu entspannen. Die Übelkeit ließ langsam nach, und die Zeit des Zaubers konnte beginnen – jeder weiß schließlich, dass die Schwangerschaft die schönste Zeit im Leben einer Frau ist. Haben Sie denn je eine schlecht gelaunte, unglückliche Schwangere gesehen? Ich bis dato nicht. Allerdings sollte sie mir von nun an jeden Tag im Spiegel begegnen. Der Zauber blieb erst mal aus: Ich war dünnhäutig und gereizt. Kleinigkeiten konnten mich total aus dem Gleichgewicht bringen, und ich hatte das starke Gefühl, dass ja eigentlich sowieso jeder gegen mich war. Meine sehr, sehr schlechte Laune bekamen vor allem die Menschen zu spüren, die Form und Umfang meines Bauches kommentierten. Ich meine: Geht’s noch? Kommentiere ich vielleicht ungefragt fremde Körperteile (auch, wenn ich dazu manchmal gern so einiges sagen würde)?! Ich fühlte mich wie Freiwild. Jeder gab mir ungefragt Ratschläge, wollte das Geschlecht des Babys durch Handauflegen ertasten oder versuchte mich durch plastische Erzählungen, in denen es hauptsächlich um Körperausscheidungen aller Art ging, auf die Geburt vorzubereiten.

Ist Ihnen eigentlich auch schon einmal aufgefallen, dass beinahe jeder eine Frau kennt, die bei der Geburt gestorben ist? Wahlweise auch der dazugehörige Ehemann. In manchen Fällen sogar die Hebamme gleich mit. Und überhaupt hat die Cousine des Postboten ihr Kind ja damals ganz alleine auf der Toilette der örtlichen Kegelbahn rausgekugelt UND hat danach noch alle Neune abgeräumt. Der putzmuntere kleine Kegel-Kevin wurde noch am selben Tag zum Ehrenmitglied des Kegelclubs Pommes Rot-Weiß ernannt …

Besonders gerne fragten mich Halbfremde auch, ob ich denn vorhätte, das Kind durch Kaiserschnitt oder spontan zu entbinden. Hat man denn als Schwangere kein Recht auf Intimsphäre? Man fragt andere einfach nicht, ob sie ihr Kind aus der Scheide pressen oder sich den Bauch aufschneiden lassen wollen. Nicht, wenn man nicht zufällig der betreuende Arzt oder die betreuende Hebamme ist. Liebe Schwangere: Wehrt euch! Ich tat das mit großem Erfolg – nicht. Nein, ich stammelte irgendwas wie «Es wird schon irgendwie rauskommen», «Das muss der Arzt entscheiden», «Hauptsache gesund» und musste mich mit entrüsteten Erwiderungen von selbsternannten Geburtsexperten rumschlagen: Niemals nicht dürfe ich einen Kaiserschnitt überhaupt nur in Betracht ziehen. Das Kind könne dadurch für immer seelischen Schaden nehmen. Kinder, die sich nicht durch den Geburtskanal pressen mussten, seien weniger widerstandsfähig. Und dann müsse man den Gang durch den Geburtskanal im Teenageralter mühsam mit einem Krabbeltunnel und Kunstblut nachspielen. Ob ich das denn etwa wolle?

Ich war genervt. Diese Schwangerschaft war nicht das romantische Erlebnis, das ich mir erwartet hatte. Keiner machte mir Komplimente für mein inneres Strahlen und mein volles Haar. Und das Schlimmste: Niemand erkannte meine immense Leistung an. Immerhin ließ ich dem Kind in meinem Bauch gerade Organe wachsen, dabei war ich medizinisch überhaupt nicht geschult. Ich weiß ja zum Beispiel nicht mal, wofür man so eine Gallenblase überhaupt braucht und wie lang ein Dünndarm ist, und trotzdem wuchs da alles vorschriftsmäßig heran. Also, Applaus bitte für die Schöpferin! Außerdem war ich der Meinung, dass man mich schon mal etwas mehr verhätscheln könnte. Ich hatte Rückenschmerzen und schlief schlecht, und meine wunderhübsche Taille war verschwunden. Ich fand das ungerecht. Ich wollte Mitleid. Und Kuchen und Geschenke.

Ich konnte mich langsam selbst nicht mehr leiden. So sollte das nicht weitergehen. Nachher steckte ich das Kind noch mit meiner schlechten Laune und Unzufriedenheit an. Ich wollte keinen muffigen kleinen Motzbrocken gebären. Also beschloss ich, ab jetzt diese Schwangerschaft zu genießen. Ich wollte ein fröhlicher, kugelrunder Sonnenschein werden. Und wo fand man am besten seine innere Sonne? Genau, beim Yoga. Genau genommen beim Schwangerenyoga.

So begab es sich also, dass ich mich in einem schummrig beleuchteten Raum mit zehn anderen Schwangeren auf Isomatten wiederfand. Es roch nach eigenartigem Tee und Käsefüßen. Man musterte sich, dann wurden Zahlen ausgetauscht: 26+4, 30+1, 22+5. Die Gewinnerin stach mit 38+2 alle im Schwangerschaftswochen-Quartett aus und versicherte sich so unserer Geburtshilfe im Ernstfall. Als das geklärt war, konnte es losgehen. Bei Yoga dachte ich bisher an leichte, fließende gymnastische Übungen. Tjanun. Wir sangen zuerst ein Lied. Singen? Im Yogakurs? War irgendwo Guido Cantz mit seiner versteckten Kamera anwesend? Ich wollte nicht singen. Ich singe grundsätzlich nur alleine und nur im Auto – meinen Mitmenschen zuliebe. Diesbezüglich ist meine Selbsteinschätzung wirklich gut. Zum Glück hatte ich als Kind oft genug die «Mini-Playback-Show» gesehen und konnte meine Lippen erstaunlich synchron dem Gesang der anderen Damen anpassen.

Unglaublicherweise sollte nach diesem irritierenden Programmpunkt doch noch geturnt werden. Wir kreisten mit den dicken Bäuchen, streckten unsere Gliedmaßen in die Luft und waren dabei so anmutig wie Flusspferde bei Landgang. Gegen Ende der Stunde sollten wir uns auf die Matten legen, in uns hineinhorchen, durch die Füße atmen und eins mit dem ungeborenen Leben in uns werden. Ich war gerade total eins mit mir, dem Kind und überhaupt allem, als ich geweckt und aus dem Schlaf gerissen wurde. Aha, es wurde wieder gesungen! Und während des Abschlussliedes fragte ich mich dann doch, ob das Ganze hier jetzt wirklich das Richtige für mich war. Ich bezweifelte, dass das Singen und Kreisen und Durch-die-Füße-Atmen meine Laune wirklich positiv beeinflussen konnte. Bis 30+1 plötzlich rief: «Wer geht noch mit Schnitzel essen?»

Alle Zweifel, alle Fragen – sie waren wie weggeblasen. Schnitzel. Hier war ich richtig.

Da saßen wir also, fütterten die Föten mit paniertem Fleisch und besprachen die wirklich wichtigen Themen. Von A wie Anstellbett bis Z wie Zangengeburt. Endlich wurde ich verstanden, endlich war ich nicht mehr die Irre mit dem dicken Bauch. Hier war ich schwanger, hier konnt’ ich’s sein.

Die Yoga-Donnerstage wurden zum Highlight der Woche. Besonders, nachdem ich das Yoga ausfallen ließ und direkt zum Schnitzeln ging. Sie können sich gar nicht vorstellen, was wir alles zu besprechen hatten. Da kamen bedeutende Fragen auf, die ich vorher gar nicht bedacht hatte. Allein die Auswahl der richtigen Matratze für den Stubenwagen konnte ja darüber entscheiden, ob das Kind später mal in Jura oder in Medizin promovieren würde.

Die Schwangerschaft fing langsam an, schön zu werden. Der Bauch war rund und beinhaltete unverwechselbar ein Baby. Keine Verwechslungsgefahr mehr mit einer «Zu viel Spaghetti»-Wampe. Der Arzt zeigte mir bei jedem Besuch Bilder meines wunderschönen, gesunden Kindes, und der lang ersehnte Mutterschutz sollte bald beginnen. Hach, es waren gute Tage.

Bis ich mich knapp zehn Wochen vor dem Entbindungstermin im Krankenhaus wiederfand. Ich hatte Wehen. Nicht nur eine paar kleine. Nein das CTG-Ding malte munter die Schweizer Alpen. Bei so etwas reagieren Ärzte relativ schnell relativ humorbefreit. Ehe ich michs versah, war ich an einen Tropf mit einem wehenhemmenden Medikament gekettet und durfte mein Krankenbett nicht mehr verlassen. Für die nächsten vier Wochen. Vier Wochen. Die Vorstellung, eine so lange Zeit unbehelligt im Bett zu verbringen, erscheint einem montagmorgens um sechs vielleicht reizvoll. Aber auch nur dann. Ich wollte das nicht. Nein, das wollte ich ganz und gar nicht. Der Hechelkurs bei der Hebamme sollte ja jetzt auch bald beginnen, und ohne den absolviert zu haben, würde ich das Kind doch sowieso nicht auf die Welt bringen können … Ich wusste ja noch gar nicht, wie das geht.

Ganz eindeutig erfasste ich den Ernst der Lage nicht. Für mich fühlte es sich nicht so an, als ob das Baby auf die Welt wollte, da konnte das CTG Berge malen, wie es wollte. Ich wollte nach Hause und dort meine Ruhe haben vor alldem. Denn es fühlte sich so falsch an, im Krankenhaus zu sein und nicht im Hechelkurs. Womöglich brachte ich das auch recht vehement zum Ausdruck. Die Ärzte fanden jedenfalls urplötzlich einen medizinisch indizierten Grund, mir Valium zu verabreichen. Schlaue Kerlchen! Die nächsten vier Wochen döste ich also leicht benebelt vor mich hin. Dabei vermisste ich mein Zuhause, mein Bett, mein Leben und vor allem meine Freiheit. Mein Tag war nämlich streng durchgetaktet. Da hatte ich gar kein Mitspracherecht. Es gab feste Essenszeiten, Untersuchungszeiten, Besuchszeiten und «Spritzen in den Oberschenkel rammen»-Zeiten. Sogar das Duschen musste ich vorher ankündigen, damit man mich vom Tropf nahm. Für Privatsphäre gab es leider keinen Termin. Ständig forderten fremde Menschen allerlei Informationen zu Häufigkeit und Form meiner Körperausscheidungen ein – ein Thema, das ich ungern mit anderen teile und schon gar nicht, wenn die Bettnachbarin gerade Tante Hilde und Onkel Horst zu Besuch hat. Ich überlegte gerade, ob sich Amnesty International möglicherweise für mich einsetzen würde, als ich aus meinem Dämmerzustand geweckt wurde. Ab diesem Moment war ich schon fast wieder raus aus der Klinik. Nach wochenlangem Vegetieren wurde ich gleich am darauffolgenden Tag holterdiepolter entlassen.

Es war ein echtes Glücksgefühl, das mich überrollte. Dem Baby ging es gut, es schwamm noch gemütlich in seinem 36 Grad warmen Indoor-Pool, und ich durfte endlich wieder nach Hause.

Wissen Sie noch, wie ich Ihnen von meiner Ungeduld erzählte? Ich habe dazu eine bahnbrechende Erkenntnis erworben: Sie ist erblich. Mein kleines Mädchen war jedenfalls in dieser Hinsicht ganz die Mama. Meine Fruchtblase platzte an einem Tag im März, und vier Stunden «Aua», «Ich will nicht mehr» und «Gehen Sie mir mit den verdammten Globuli weg» später war sie da.

Wir sahen uns in die Augen, und die Zeit blieb stehen. Da wusste ich, meine ganze Welt, meine ganze Liebe wiegt 2490 bezaubernde Gramm. Alles, wirklich alles hatte sich gelohnt: Für dieses Mädchen würde ich bis ans Ende der Welt gehen.

Glückwunsch, Sie haben das nächste Level erreicht: Diesmal bitte alles einhändig!

Nach der Geburt eines Kindes spielen die Hormone ja oft verrückt, und ich war im absoluten Babyglück. Nie hatte ich mehr Liebe für einen anderen Menschen empfunden. Ich bestaunte dieses Zauberwesen unablässig, saugte jeden Atemzug, jede Regung in mir auf und seufzte ständig vor Entzücken. Jedenfalls wusste ich bereits einen Tag nach der Entbindung meiner Tochter: Ich will noch mindestens tausend Kinder.

Mein Mann und ich einigten uns schließlich auf ein weiteres.

Meine Tochter hatte gerade begonnen, wie ein besoffener Matrose durch die Wohnung zu stapfen, als sich das Verwesender-Hamster-Gefühl wieder in meinem Mund einstellte. Ich als alte Gestationsexpertin wusste natürlich sofort, was da los war: Mein innerer Chemiebaukasten hatte wieder seine Arbeit aufgenommen.

War die lustige Zeit des Kotzens bei der ersten Schwangerschaft ja noch geradezu entspannend, kotzt es sich mit Kleinkind auf dem Arm eher so mittelschön. Einem Kleinkind ist es nämlich egal, ob Mama gerade damit beschäftigt ist, Finger an Händen wachsen zu lassen, und dass das bei ihr für Übelkeit sorgt. Das Kleinkind will eine frische Windel und freut sich über den lustigen Anblick von Mama, die in den Windeleimer speit. Außerdem will das Kleinkind auf den Arm, auf dem Boden spielen, im Supermarkt abhauen, wütend sein und auf Mama einschlafen. Ein Kleinkind denkt gar nicht daran, sich einzuschränken, weil Mama sich unbedingt vermehren will. Recht hat es.

Ach, wie ich bereute … Nein, keine Sorge, nicht die Schwangerschaft, sondern die Tatsache, dass ich meine erste, kinderlose Schwangerschaft nicht mehr genossen hatte. Ich wollte einfach nur schlafen, mich übergeben und schwarze Oliven essend «Dirty Dancing» schauen. Aber ich konnte mein Schwangersein nicht zelebrieren.

Die zweite Schwangerschaft schwangert sich quasi so nebenbei. Da hat man plötzlich keine Zeit mehr, sich wissenschaftlich mit dem Einfluss von Mozart auf den Fötus auseinanderzusetzen. Auch wächst der Bauch, ohne dass man täglich nachmisst. Zeitweise vergisst man sogar schwanger zu sein, bis man dann versucht, aus dem Auto zu steigen, und merkt, dass man einen größeren Abstand zum Nebenparker halten muss. Nach langen Tagen mit Arbeit, Kleinkind und Babybauch war ich abends nur noch froh, auf die Couch fallen zu können. Ich hatte keine Energie mehr für Schwangeren-Yoga, Schnitzeltreffen oder Geburtsvorbereitungskurs. Also musste auch dieses Kind wieder ohne vorherige Trockenübungen auf alten Gymnastikmatten zur Welt kommen. Ich war ja schon Profi im Geburtenbusiness, und ich erinnerte mich gut. Zu gut, bemerkte ich eines Tages erschreckt. Ich bat daraufhin meine Hebamme um ein Treffen, denn ich wollte alles wissen, was sie mir über Schmerzmittel sagen konnte. Dieses Mal wollte ich absolut nichts spüren. Deshalb sollte sie hoch einsteigen. Am besten gleich bei Betäubungspfeilen.

Irgendwann war ich in der 39. Schwangerschaftswoche angelangt und sehr froh darüber, dass sich die Ungeduld in der Familie nur auf weibliche Nachkommen zu vererben schien. Der Sohn war noch immer in seinem Bauchzuhause, die Kliniktasche gepackt und der Mann darüber instruiert, in welcher Reihenfolge man mir welche Schmerzmittel verabreichen sollte.

Es war ein kalter Sonntagmorgen, als ich den Mann um sieben Uhr weckte, um mich über seine Kochkünste zu beschweren. Beim Abendessen müsse etwas