Ich möchte tiergestützt arbeiten! - Caroline Kohlmey - E-Book

Ich möchte tiergestützt arbeiten! E-Book

Caroline Kohlmey

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Beschreibung

Sie möchten gerne hundegestützt arbeiten, wissen aber nicht so recht, wie Sie ansetzen sollen? Damit das Projekt gelingt, gibt es einige Fragen zu klären. Welche Voraussetzungen sollte mein Hund erfüllen und worauf muss ich als HalterIn achten? Welche Aus- und Weiterbildungen sind für mich und meinen Hund nötig? Welche Stolpersteine gibt es und wie gelingt ein fachlich durchdachtes, wirksames hundegestütztes Projekt? Dieses Buch gibt Orientierung für den Start und nennt Einsatzmöglichkeiten - ob Jugendeinrichtung, Kita, Wohngruppe, Schule oder Beratung. Eine Checkliste für den schnellen Überblick hilft weiter und Tipps zu Projekten und praktische Übungen zeigen konkret, wie es geht.

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Caroline Kohlmey

Ich möchte tiergestütztarbeiten!

Einstieg in die pädagogische undsoziale Praxis mit Hund

Mit Online-Material „Hundesprache verstehen“

Mit 34 Abbildungen und 2 Tabellen

Ernst Reinhardt Verlag München

Caroline Kohlmey, Dipl. Päd., Berlin, ist Fachkraft für tiergestützte Therapie und Pädagogik und leitet seit über 20 Jahren Kinder- und Jugendeinrichtungen. Sie ist in der Beratungsarbeit und als Dozentin, u. a. an der Alice Salomon Hochschule, im tiergestützten Bereich tätig.

Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über <http://dnb.d-nb.de> abrufbar.

ISBN 978-3-497-03179-5(Print)

ISBN 978-3-497-61765-4 (PDF-E-Book)

ISBN 978-3-497-61766-1 (EPUB)

© 2023 by Ernst Reinhardt, GmbH & Co KG, Verlag, München

Hinweis: Soweit in diesem Werk eine Dosierung, Applikation oder Behandlungsweise erwähnt wird, darf der Leser zwar darauf vertrauen, dass die Autoren große Sorgfalt darauf verwandt haben, dass diese Angabe dem Wissensstand bei Fertigstellung des Werkes entspricht. Für Angaben über Dosierungsanweisungen und Applikationsformen oder sonstige Behandlungsempfehlungen kann vom Verlag jedoch keine Gewähr übernommen werden.

Die Wiedergabe von Gebrauchsnamen, Handelsnamen, Warenbezeichnungen usw. in diesem Werk berechtigt auch ohne besondere Kennzeichnungen nicht zu der Annahme, dass solche Namen im Sinne der Warenzeichen- und Markenschutz-Gesetzgebung als frei zu betrachten wären und daher von jedermann benutzt werden dürften.

Dieses Werk, einschließlich aller seiner Teile, ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung außerhalb der engen Grenzen des Urheberrechtsgesetzes ist ohne schriftliche Zustimmung der Ernst Reinhardt GmbH & Co KG, München, unzulässig und strafbar. Das gilt insbesondere für Vervielfältigungen, Übersetzungen in andere Sprachen, Mikroverfilmungen und für die Einspeicherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen. Der Verlag Ernst Reinhardt GmbH & Co KG behält sich eine Nutzung seiner Inhalte für Text- und Data-Mining i. S.v. § 44b UrhG ausdrücklich vor.

Printed in EU

Cover unter Verwendung eines Fotos von iStock.com / Prostock-Studio (Agenturfoto. Mit Model gestellt)

Satz: FELSBERG Satz & Layout, Göttingen

Ernst Reinhardt Verlag, Kemnatenstr. 46, D-80639 München

Net: www.reinhardt-verlag.de E-Mail: [email protected]

Inhalt

1Einführung

1.1Zum Aufbau des Buches

1.2Mein Weg zur tiergestützten Arbeit

2Grundlagen

2.1Definition der Tiergestützten Interventionen

2.2Theorien der Mensch-Tier-Beziehung

2.3ErklärungsansätzeDu-Evidenz – Biophilie – Nonverbale Kommunikation

2.4Biologische und psychologische Wirkungen und wissenschaftliche ForschungenBiologische Faktoren – Psychologische Wirkungen

3Wirkungen von Hunden in der pädagogischen und sozialen Praxis

4Lernerfahrungen durch Tiere

5Voraussetzungen für die Arbeit mit Hunden

5.1Zeitliche Voraussetzungen und Tierschutz

5.2Hygienische Voraussetzungen

5.3Zoonosen

5.4Regelmäßige veterinärmedizinische Untersuchungen

5.5Ausschluss des tiergestützten Einsatzes

5.6Unfälle

5.7Rechtliche Voraussetzungen

5.8Ausbildungen und Zertifikate

5.9Tiergestützte Qualitätsstandards

6Eignungen

6.1Eignung der HundehalterinGrundvoraussetzungen – Sicherheit im Beruf – Hundesachkenntnisse – Unterstützung durch das Umfeld – Beachtung ethischer Aspekte – Umfeld des tiergestützten Einsatzes

6.2Eignung des Hundes

6.3Signale vom Hund

6.4Hedonisches Budget

6.5Einsatz-Eignung

7Einsatzmöglichkeiten

7.1Beratungsarbeit

7.2Offene Kindereinrichtungen

7.3Jugendarbeit

7.4Sozialintegrative Gruppenarbeit

7.5Grenzen der tiergestützten Arbeit

7.6Positive Erfahrungen aus der praktischen Arbeit

8Wie fange ich an?

8.1Tiergestützte Ideen gut begründen

8.2Alle ins Boot holen

8.3Das Team

8.4StolpersteineVorbereitung – Familie und Umfeld – Finanzen und Zeit – Institution – MitarbeiterInnen und KollegInnen – Tiere – Trägerwechsel

9Vorbedingungen vor Ort

9.1Voraussetzungen in der sozialen InstitutionBedingungen in der sozialen Einrichtung – Bedingungen bei der Klientel beim tiergestützten Einsatz

9.2Voraussetzungen in der SchuleBedingungen in der Schule – Bedingungen bei den SchülerInnen für den Einsatz des Tieres

9.3Verantwortlichkeiten

10Die tiergestützte Praxis mit Hund

10.1Vorbereitung für den Einsatz des Hundes

10.2Einsatzkoffer und Notfallutensilien

10.3Ein tiergestützter PraxistagMaterial – Vorbereitung – Mein Hunde 1x1-Beispieltag

10.4Alternativprogramm und Natur- und Umweltprojekte

11Wie schreibe ich eine tiergestützte Kurzkonzeption?

12Was ist, wenn es nicht funktioniert?

13Checkliste für den Start

14Fazit

Anhang

Praktische Übungen für den Einsatz mit HundVorabinformationen – Regeln erarbeiten – Welche Hundeberufe kenne ich? – Hundesprache verstehen – Ressourcenübung – Stundenplan Hund – Kleine Tricks – Suchaufgaben – Karten holen – Parcours – Zirkusvorführung – Lesehundübung – Woran erkenne ich Gefühle? – Taschenbingo – Wie ist es, ein Hund zu sein? – Ich möchte ein Haustier – GoPro-Übung: Die Welt aus den Augen eines Hundes erleben – Alternativprogramm – Tierspuren erkennen lernen – Hundedomino – Spielzeug basteln

Wichtige Organisationen

Weiterbildungen

Wo kann ich mich informieren?

Bildnachweis

Literatur

Register

Das Online-Material zum Buch können Sie auf der Homepage des Ernst Reinhardt Verlags unter https://www.reinhardt-verlag.de herunterladen. Auf der Homepage geben Sie den Buchtitel oder die ISBN in der Suchleiste ein. Hier finden Sie das passwortgeschützte Online-Material unter den Produktanhängen. Das Passwort zum Öffnen der Dateien finden Sie im Buch vor dem Literaturverzeichnis.

Einführung

Tiere werden bereits seit Jahren in vielen Bereichen der sozialen und Bildungsarbeit eingesetzt. Durch die Corona-Pandemie haben sich immer mehr Menschen Hunde bzw. Tiere angeschafft und einige interessieren sich dafür, tiergestützt zu arbeiten.

In den USA und Kanada sind Tiergestützte Interventionen schon weit verbreitet und ihre Einsätze im Krankenhaus, in Psychiatrien, in Seniorenheimen, in Schulen, in Kindergärten, in Jugendeinrichtungen u. v.m. sind etwas ganz Normales. Die positive Wirkung der Tiere auf die KlientInnen wird hier schon lange erkannt und wissenschaftlich erforscht. So können die KlientInnen wundervolle Wirkungen wie Achtsamkeit, Einfühlungsvermögen, Gemeinschaftsgefühl, Akzeptanz von Andersartigkeit, Verantwortung, Verständnis und physische und psychische Gesundung durch Tiere erleben und erlernen. In Deutschland nimmt die tiergestützte Arbeit in vielen Bereichen zu, da die positiven Wirkungen auch hier erkannt werden (Greiffenhagen / Buck-Werner 2007).

In meinen Seminaren und in der praktischen pädagogischen Arbeit erlebe ich immer wieder, wie schwierig es für die TeilnehmerInnen ist, einen Überblick über die tiergestützte Arbeit und ihre Voraussetzungen zu erhalten. Welche Seminare sollte ich besuchen, welche Literatur ist sinnvoll, welche Zertifikate, Versicherungen, Tests benötige ich und welche Hygienemaßnahmen muss ich ergreifen? Was sollte ich können und wissen? Welches Tier ist geeignet und was sollte ich wie am besten zuerst tun? Mittlerweile steht man einem riesigen Angebot von Weiterbildungen, Seminaren, TiertrainerInnen etc. gegenüber. Aber was ist wirklich wichtig und hilfreich?

Tiergestützte Arbeit bedeutet eine qualifizierte, zertifizierte, zeitintensive und gut durchdachte Arbeit mit dem Tier. Eine gute Planung, Fortbildung, Wissensaneignung, Training und Testung des Tieres gehören mit dazu. Eine qualitativ gute tiergestützte Arbeit bedeutet auch, viel Zeit in Seminare, Trainings und Ausbildungen für sich und das Tier zu investieren. „Einfach mal so sein Tier zur Arbeit mitzunehmen“, gehört nicht dazu.

In diesem Buch möchte ich eine Orientierung zu Möglichkeiten für den Einsatz eines Hundes im sozialen und pädagogischen Bereich aufzeigen (z. B. Jugendclub, Kita, Wohngruppe, Schulen, Beratung etc.) und Anregungen für den tierschutzgerechten Einsatz geben – vor allem mit Blick auf die Arbeit mit Hunden. Dabei werden folgende Punkte berücksichtigt:

●Wie kann ich Stolpersteine möglichst im Vorfeld aus dem Weg räumen und wie gehe ich mit Veränderungen in der Familie, im Arbeitsalltag und im Umfeld um?

●Wie kann ich mein Tier in der Arbeit mit Jugendlichen, in der Schule, in der Beratungsarbeit und mit Kindern einsetzen?

●Was sollte ich dazu selbst mitbringen, was sollte mein Tier können und mögen, und welche Zertifikate und Einverständnisse sind nötig?

●Was soll das Ziel meiner Arbeit sein und was möchte ich gerne warum erreichen?

●Nicht jedes Tier mag Menschen, nicht jedes Tier mag gestreichelt werden oder mag Tricks.

●Gerne möchten wir mit unserem Tier arbeiten, aber nicht jedes Tier und auch nicht jeder Mensch und auch nicht jede Klientel ist geeignet.

Finden Sie heraus, ob Ihr Tier überhaupt geeignet ist, was Ihr Tier mag, ob und wie es gerne mit Menschen umgeht. Zuallererst möchte ich besonders darauf aufmerksam machen, dass die Tiere im Einsatz sehr gefordert werden, da sie wesentlich mehr wahrnehmen als wir selbst. Unsere Aufgabe ist es, unsere Tiere nicht zu überfordern, unsere Tiere richtig lesen zu lernen, ihre Stresssignale wahrzunehmen und sie zu (be-)schützen und, wenn nötig, aus dem Einsatz zu nehmen.

Einige TierhalterInnen nehmen ihre Tiere mit zur Arbeit und eigentlich scheint alles gut zu laufen, bis dann die ersten Stolpersteine und Probleme auftauchen. Die tiergestützte Arbeit bedarf einer guten fachlichen Qualifikation und eines Know-hows, das oft unterschätzt wird.

Ich selbst habe in der Ausbildung zur Fachkraft für tiergestützte Interventionen sehr viel gelernt und lerne immer noch viele Dinge für die tiergestützte Arbeit dazu. In meinen Einführungsseminaren erlebe ich oft, dass die TeilnehmerInnen denken, nach einem Tages- oder Wochenendseminar alles über die tiergestützte Arbeit zu wissen und damit starten zu können. Die tiergestützte Arbeit ist eine komplexe Tätigkeit, die viel Wissensaneignung bedarf. Als Beispiel nenne ich in meinen Einführungsseminaren immer, dass man sich auch nicht von einem Dachdecker die Haare schneiden lässt.

Ich hoffe, ich kann Sie inspirieren, fachlich und qualifiziert tiergestützt arbeiten zu wollen und Stolpersteine zu umgehen. Hierauf möchte ich Sie in diesem Buch vorbereiten. Das Buch soll Sie vor der üblichen Suche und Odyssee bewahren, die am Beginn der tiergestützten Arbeit steht. Es gibt eine Menge zu verstehen und zu erfahren in der tiergestützten Arbeit. Lassen Sie sich auf diese Reise ein, damit Sie und Ihr Tier wirklich etwas Positives bewirken können.

Viel Spaß beim Lesen!

Caroline KohlmeyBerlin, im Herbst 2022

1.1Zum Aufbau des Buches

Dieses Buch soll einen ersten Einblick zum Start in die Tiergestützten Interventionen geben und hoffentlich auch die Frage beantworten, ob dies etwas für Sie und Ihr Tier ist. Um im tiergestützten Bereich arbeiten zu können, bedarf es eines Grundwissens. Definitionen der tiergestützten Arbeit, Grundlagen der Mensch-Tier-Beziehung, Wirkfaktoren, wissenschaftliche Forschungen helfen Ihnen später, ein tiergestütztes Konzept zu entwerfen. In den einzelnen Kapiteln werden wichtige Eckdaten benannt und am Ende zusammengefasst. Einige wissenschaftliche Forschungen, welche die Effekte der tiergestützten Arbeit belegen, sind zur besseren Verständlichkeit mit Praxisbeispielen erläutert. Zu jedem Themengebiet gibt es Literaturhinweise und Links im Anhang. Dort sind weiterführende Bücher aufgelistet, um sich genauer mit den entsprechenden Themen in Ihrem Arbeitsfeld zu beschäftigen. Zur praktischen Anwendung gibt es Selbstlernübungen, Hinweise zu Ausbildungsinstituten, TiertrainerInnen und Hundeschulen usw. Abgerundet wird das Buch mit praktischen Übungen für den tiergestützten Einsatz. Eine Online-Broschüre für den Einsatz zum Thema „Hundesprache verstehen“ sowie eine Vorlage zum Selbstgestalten mit eigenen Hundefotos bilden das Online-Material, das zum Download auf der Verlagshomepage zur Verfügung steht.

Was brauchen Sie also alles? Sie brauchen Grundlagenwissen über tiergestützte Arbeit und Hygienemaßnahmen, Ausbildungen von Tier und Mensch, Wissen über rechtliche und institutionelle Bedingungen, Versicherungsnachweise, Tiersachkenntnisse und praktische Kenntnisse über Kurzkonzepte und über Überzeugungsarbeit vor Ort. Es gibt also eine Menge zu bedenken, zu erfahren und zu entdecken.

1.2Mein Weg zur tiergestützten Arbeit

Ich habe das Glück, dass, seitdem ich denken kann, Hunde, Katzen, Meerschweinchen, Hamster und Schildkröten meinen Lebensweg begleitet haben. Groß wurde ich auf dem Land mit einem Irish Setter und einem Berner Sennenhund, mit Katzen, Meerschweinchen, Schildkröten, Hamstern und später kamen einige Cocker Spaniel hinzu. Mit einer recht wilden Fami­liengeschichte waren mir besonders die Hunde immer treue Begleiter und Vertraute. Heute besitze ich einen ausgebildeten Therapiehund, einen weiß-braun gepunkteten Cocker Spaniel namens Mowgli (9 Jahre alt, Abb. 1), der mich in der Kinder-, Jugend-, Erwachsenen- und sozialintegrativen Beratungsarbeit und als Dozentin im tiergestützten Bereich begleitet.

Zuvor hatte Jasper (Cocker Spaniel) mit mir in einer Jugendeinrichtung und in der Jugendberatung gearbeitet und nicht nur mir und dem Team, sondern besonders den Kindern und Jugendlichen viel Liebe und uneingeschränkte Zuneigung entgegengebracht.

„Hunde wollen einschätzen können, wie es anderen im Rudel geht. Sie nehmen Stimmungen auf und erspüren die wahre Seelenlage hinter der menschlichen Fassade“ (Schrot und Korn 2011, 47).

Ich brauchte sehr lange, um das Verhalten meines Hundes Jasper in der Jugendeinrichtung zu verstehen. Jeden Morgen, wenn ich ihn mitgenommen hatte, setzte sich Jasper gerne neben irgendwelche Personen. Manches Mal neben Jugendliche, aber auch neben Eltern, MitarbeiterInnen und KollegInnen. Ich freute mich immer über die Freundlichkeit meines Hundes, verstand aber überhaupt nicht, was er mir eigentlich mitteilen wollte. Ich beobachtete dies wohl sehr lang, bis ich endlich begriff, worauf Jasper mich aufmerksam machen wollte. Mein Hund hatte die Fähigkeit, zu erkennen, vielleicht auch zu erriechen, wem es nicht gut ging. Er setzte sich neben die Menschen, die sich schlecht fühlten, Stress zu Hause hatten, schlechte Noten geschrieben hatten oder die einfach traurig waren. Später merkte ich dann, dass Jasper zu Beginn unseres Arbeitstages besonders zu den Jugendlichen oder MitarbeiterInnen ging und sich zu ihnen setzte, von denen ich im Laufe des Tages erfuhr, dass es ihnen nicht gut ging. Später achtete ich sehr darauf und merkte an Jaspers Verhalten, um wen ich mich besonders kümmern musste. Er hatte jedes Mal recht und erleichterte mir meine Arbeit ungemein. In vielen Beratungsgesprächen mit den Jugendlichen fiel mir mit der Zeit auf, dass Jasper fast immer auch aus seinem Korb kam, wenn die Kinder und Jugendlichen mir schreckliche, traurige Dinge erzählten, die ihnen widerfahren waren.

Er ging dann zu den Jugendlichen oder Erwachsenen und stellte sich zum Streicheln zur Verfügung. Mit Jasper an der Seite ging es den Jugendlichen oft besser und es sah aus, als ob Jasper ihnen Kraft geben würde und das zu Erzählende durch ihn nicht mehr so schwer war. Durch meinen Hund begann ich mehr über die Wirkungen und Erfolge von Tieren wissen zu wollen. So erfuhr ich, wie Schildkröten und Schweine auf ihre Namen hören, Schafe jemanden in ihre Herde aufnehmen, die Wärme von Kühen bei Traurigkeit helfen kann, Hunde Klassengemeinschaften beruhigen und stärken usw.

Ich begann, Bücher zu lesen, Seminare zu besuchen, einige HundetrainerInnen zu befragen und später, nach einer langen Odyssee, die Ausbildung zur Fachkraft für tiergestützte Therapie und Pädagogik zu absolvieren. Eine dreisemestrige zertifizierte Weiterbildung baute ich 2012 an der Alice-Salomon-Hochschule in Berlin als Kursleitung und Dozentin mit auf. Der Weg zur tiergestützten Arbeit kann sehr unterschiedliche Beweggründe haben und sicherlich ist auch Ihr Motiv sehr interessant. Wie auch immer Sie zu der tiergestützten Arbeit gekommen sind, dieses Buch soll Ihnen helfen, einen schnelleren, fachlich guten Einstieg in diese Arbeit zu finden.

Abb. 1: Caroline Kohlmey mit Mowgli

Grundlagen

2.1Definition der Tiergestützten Interventionen

Tiergestützte Arbeit wird in verschiedene Arbeitsgebiete unterteilt. Unter dem Begriff Tiergestützte Interventionen wird laut IAHAIO (International Association of Human-Animal Interaction Organizations, s. Anhang) eine zielgerichtete, strukturierte Intervention verstanden. Die Tiere werden bewusst zur Gesundheitsfürsorge und zur Erhöhung des Wohlbefindens im pädagogischen und sozialen Bereich integriert. Folgende tiergestützte Tätigkeiten werden darunter zusammengefasst:

Tiergestützte Aktivität (TGA) bzw. Animal-Assisted Activities (AAA): Bei dieser Art von Aktivitäten soll die Lebensqualität, zum Beispiel mit Hilfe von Besuchsprogrammen mit Tieren, in (Altenpflege-)Heimen verbessert werden. TGA ist eine Interventionsmöglichkeit, um die pädagogischen, sozialen und therapeutischen Prozesse mit Hilfe eines Tieres zu unterstützen. Die allgemeine Verbesserung des Wohlbefindens der KlientInnen ist das Ziel. Die durchführenden Personen sind oft ehrenamtliche HelferInnen mit einem Tier, häufig ohne spezifische Ausbildung. Die Einsätze können zeitlich flexibel und auch spontan erfolgen. Hierbei findet keine Dokumentation statt (Vernooij / Schneider 2010).

Tiergestützte Pädagogik (TGP) bzw. Animal-Assisted Education (AAE): Tiergestützte Pädagogik ist der Einsatz von Tieren im pädagogischen Alltag (Schule, Kindergarten, Jugendeinrichtung u. a.) mit einem bestimmten Ziel. TGP ist eine Interventionsmöglichkeit mit Hilfe eines geschulten Tieres, um die emotionalen und sozialen Kompetenzen zu fördern. Ziel sind Fortschritte im Lernen und im emotionalen und sozialen Bereich zu erlangen. Durchgeführt werden diese Prozesse durch PädagogInnen. Die Interventionen sind zielgerichtet und werden dokumentiert (Vernooij / Schneider 2010).

Tiergestützte Therapie (TGT) bzw. Animal-Assisted Therapy (AAT): Hier handelt es sich um den zielorientierten Einsatz von Tieren durch ÄrztInnen, PsychologInnen und qualifizierte Fachkräfte. Der Einsatz der Tiere als Co-Therapeuten wird dokumentiert. TGT ist eine Interventionsmöglichkeit mit Hilfe eines ausgebildeten Tieres, um auf bestimmte Persönlichkeitsbereiche (z. B. Reduzieren sozialer Ängste, Verarbeiten von Erlebnissen, Lösen von emotionalen Blockaden etc.) einzugehen. Ziel ist es, die Lebensgestaltungskompetenz zu stärken. Die TherapeutInnen verfolgen ein Therapiekonzept. Voraussetzung ist ein Therapieplan mit Zielvorgaben und festgelegten Endzielen. Das Tier benötigt eine qualifizierte Ausbildung. Die Intervention findet in regelmäßigen Sitzungen, zu festgelegten Zeiten, über einen längeren Zeitraum statt. Für die Dokumentation ist ein Sitzungsprotokoll von jedem Einsatz anzufertigen, um Fortschritte festzuhalten (Vernooij / Schneider 2010).

Tiergestützte Förderung (TGF): Tiergestützte Förderung ist der Einbezug von Tieren in die individuelle Förderung von KlientInnen / PatientInnen. Auf der Grundlage eines Förderplans sollen vorhandene Stärken verstärkt und weniger ausgebildete Ressourcen gefördert werden. Ein zielgerichteter Einsatz mit dem Tier und qualifizierten Fachkräften, im Sonder- und Förderbereich, findet statt.

Tiergestütztes Coaching (TGC): Tiergestütztes Coaching / Beratung ist eine weitere neuere Interventionsmöglichkeit, die überwiegend mit Führungskräften bzw. im Beratungskontext stattfindet. Sie ist ebenfalls geplant, strukturiert und zielorientiert und wird durch BeraterInnen und Coaches durchgeführt. Gruppenbildende Prozesse sowie sozio-emotionale, soziale und persönliche Kompetenzen der Klientel werden gefördert. Hier geht es besonders um Kommunikationskompetenz, Achtsamkeit und das Bewusstmachen der Wirkung von Körpersprache (IAHAIO Weissbuch 2014 / 2018).

Es gibt immer wieder die Überlegung, die Tiergestützten Interventionen / Einsätze mit den entsprechenden Berufen zu ergänzen (z. B. tiergestützte Ergotherapie), um den Einsatz eindeutiger zu beschreiben (Wohlfarth / Mutschler 2022).

ZUSAMMENFASSUNG

Unter Tiergestützten Interventionen versteht man die Tiergestützte Therapie, Tiergestützte Pädagogik, Tiergestützte Aktivität, Tiergestützte Fördermaßnahmen und Tiergestütztes Coaching.

2.2Theorien der Mensch-Tier-Beziehung

Schon seit Jahrtausenden begleiten Tiere den Menschen. Die Funktion der Tiere vom Jagdgefährten bis zum Familienhund hat sich stark verändert. Ob als Inkarnation von Menschen oder als Mittler zu den Göttern wurden vor der Mechanisierung die Natur und die Tiere verehrt. Mit Descartes beginnt eine Unterscheidung zwischen der belebten Natur und den unbelebten technischen Entdeckungen und die Herabsetzung, die den vernunftbegabten Menschen zur „Krone der Schöpfung“ macht.

Eine Tendenz, diese Verbindung zwischen Mensch und Tier wiederherzustellen, entwickelte sich u. a. durch die Achtung vor anderen Lebewesen durch Franz von Assisi, Arthur Schopenhauer, Albert Schweitzer und heutzutage u. a. durch Peter Wohlleben. So entdecken die modernen WissenschaftlerInnen, z. B. in der Psychologie und der Verhaltens- und Hirnforschung, zunehmend Zusammenhänge und Verbindungen, die auf eine tiefe Gemeinschaft mit den Tieren hindeuten (Greiffenhagen / Buck-Werner 2007). Nach Paul Shepard (1993) ist das Halten von Tieren Ausdruck einer Sehnsucht nach Natur und Kompensation für etwas, dass die Menschen stark vermissen (Glaser 2010). Der tiergestützten Arbeit liegen Erklärungsansätze zugrunde, welche die Bezogenheit der Menschen zu Tieren erläutern.

2.3Erklärungsansätze

Du-Evidenz

„Die Du-Evidenz bedeutet, dass einem Lebewesen ein zunächst beliebiges anderes Lebewesen durch intensive Begegnung zum individuellen, unverwechselbaren und insofern auch unersetzlichen Partner wird“ (Teutsch 1987, 26).

Du-Evidenz bezeichnet die Tatsache, dass Menschen und höhere Tiere miteinander Beziehungen knüpfen können, die denen von Menschen untereinander und denen von Tieren untereinander ähnlich sind. Die Initiative zum Beziehungsaufbau geht meist vom Menschen aus, es gibt aber auch Fälle, in denen sich Tiere Menschen als Du-Genossen auswählen (Greiffenhagen / Buck-Werner 2007). Die Du-Evidenz ist sowohl gegenseitig wie auch einseitig möglich und setzt keine rational verarbeitete Wahrnehmung des anderen voraus, sondern beruht auf Erleben und Emotionen, also Möglichkeiten und Fähigkeiten, die schon beim Kleinkind und Säugetier gegeben sind (Teutsch 1987).

„Das Tier wird als Gegenüber gesehen, dem personale Qualitäten zugeschrieben werden. Es wird also als Person erlebt, als adäquater Partner für soziale und emotionale Beziehungen angesehen“ (Saumweber 2009, 89).

FALLBEISPIEL