Ich war ein Grufti - Thomas Manegold - E-Book

Ich war ein Grufti E-Book

Thomas Manegold

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Beschreibung

Thomas Manegold nimmt Dich mit auf einen Trip durch die Hölle des Normalen aus der Sicht eines Freaks. Dabei tritt er zuweilen wütend auf das Gaspedal. Er streift den Glauben, kollidiert mit der Religion, stößt mit der Wiedervereinigung zusammen und beleuchtet die Jugend- szenarien unserer Zeit. Egal ob sorgende Mutter, rebellierender Teenager oder sinnsuchender Endzwanziger, hier kommt jeder auf seine Kosten und hier bekommt jeder seinen Denkzettel:"Unsere Kinder haben keine Selbstachtung mehr und keine Tradition, sie beginnen kurz nachdem sie im Auto vorn sitzen dürfen, verzweifelt herumzuvögeln und suchen, bis sie selbst Eltern werden, nach irgendeinem Kick, der weder christlich noch zivilisiert ist. Sie suchen in den importierten Popkulturen mit digitalen Daumen- kinos vergeblich nach irgendeiner Identität. Und sie greifen nach jedem noch so dünnen Strohhalm, egal ob das ein Rapper, eine Tittenmaus, ein Prediger oder eine neue Droge ist. Ihr treibt sie dorthin. Ihr seid der Feind! Nicht irgendein Rockmusiker, kein Ballerspiel und auch kein Horrorfilm und schon gar nicht irgendein gehörnter Gott. Ihr seid der Feind!"

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Seitenzahl: 125

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Jeder spricht für sich selbst.

Thomas Manegold: ICH WAR EIN GRUFTI

Ein Pamphlet für Eltern und missratene Kinder

© Periplaneta - Verlag und Mediengruppe

Edition Periplaneta, Mai 2012

Inh. Marion Alexa Müller, Postfach: 580 664, 10415 Berlin

www.periplaneta.com

[email protected]

Erstveröffentlichung: © Thomas Manegold 2006

2.Auflage © Periplaneta Verlag Berlin 2007 

Alle Rechte vorbehalten. Nachdruck, Übersetzung, Vortrag und Übertragung, Vertonung, Verfilmung, mechanische, elektronische oder fotografische Vervielfältigung, eine kommerzielle Verwertung des Inhaltes, gleich welcher Art, auch auszugsweise, nur mit schriftlicher Genehmigung des Verlags.

Autorisierte E_Book-Version 1.7, ISBN: 978-3-943876-01-7

Ungekürzte digitale Version der Printausgabe (ISBN 978-3-940767-40-0)

Lektorat: Jasmin Bär, Marion Alexa Müller

Titelbild: Marion A. Müller

Covergestaltung: Thomas Manegold Satz, Konvertierung: Thomas Manegold, Johannes Schönfeld

Thomas Manegold

Ich war ein Grufti

Ein Pamphlet für Eltern und missratene Kinder

periplaneta

Vorwort

„Bewahrt euch stets die Fähigkeit, jede Ungerechtigkeit, die irgendwo auf der Welt begangen wird, aufs Tiefste zu empfinden.”

Ernesto „Che” Guevara

Vor Ihnen liegt das Machwerk eines Querulanten. Er versucht polemisch zu sein und zu provozieren. Ja, Sie dürfen deshalb die Nase rümpfen und darüber schimpfen. Blöd ist nur, dass dieser Querulant Wert darauf legt, „Ich war ein Grufti” als Pamphlet zu bezeichnen, als Schmähschrift, als Anklage, die alles ist, nur eben nicht objektiv. Da macht das Rümpfen keinen Spaß mehr. Regen Sie sich darüber auf, nickt er und sagt: „Ja ja, Sie haben recht.” Wegen solcher gemeinen Dinge hat man Leute wie ihn früher einfach weggesperrt oder am nächsten Baum aufgeknüpft. Aber das geht leider nicht mehr. Aus Rebellen werden keine Märtyrer[1] und aus schwungvollen Reden werden keine Manifeste mehr. Das Pamphlet war einst, als es die politische Korrektheit[2] noch nicht gab, ein Stück Literatur. Jetzt, da alle einer Meinung sind, ist es etwas, was die Mehrheit offiziell boykottiert, verabscheut und verurteilt. Schön, dass Sie das nicht getan haben. Somit sind auch Sie wieder ein Rebell, und sei es auch nur, weil Sie sich an den Querulanten in uns allen erinnert haben, denn jeder Mensch hat einmal in seinem Leben aufbegehrt, damals, als der Körper nicht mehr mit dem Wachsen hinterherkam.

Rebellen sind nicht etwa einfach auf diesem Hormontrip während ihrer Pubertät hängengeblieben. Rebellen hat es schon immer gegeben, sei es bewaffnet in den Bergen politisch instabiler Landschaften, betroffen in den Regenwäldern bei den zu Tode Missionierten, besessen in den Laboratorien, um spinnende Quarks einzufangen oder schreiende Tiere freizulassen, im Untergrund bei den eigenen Ängsten oder auf den Brettern, die für immer jüngere Menschen die ganze Welt bedeuten, an den brennenden Tonnen in den Slums oder auf den Straßen der domestizierten Metropolen, in Gruppierungen, wie Attac[3] oder daheim, allein, im stillen Kämmerlein. 

Vor Ihnen sitzt so einer.

Ich habe in Anbetracht der großen historischen Konkurrenz nicht allzuviel zu bieten, denn ich habe nur eine Staatsauflösung, zwei Währungs- und drei Rechtschreibreformen passiv überlebt. Aber ich habe dabei der Versuchung widerstanden, so zu werden wie...

Sie merken schon, dass ich einen gewissen Typ Mensch vor Augen habe, dem ich das alles hier erzähle. Er muss mit Ihnen oder mit Dir nicht identisch sein. Nein, es ist noch nicht einmal eine Ähnlichkeit mit meinem imaginären Gegenüber erforderlich, um dieses Buch zu verstehen. Vielleicht bist Du ja wie ich und fühlst Dich bestätigt, vielleicht hast Du selbst solche verschrobenen Kinder und, im Gegensatz zur Mehrheit, gar kein Problem damit, vielleicht haben sie Dich verbogen, und Du weißt es gar nicht.

Egal, hier schreibt ein Rebell[4] und deshalb gibt es auch ein Feindbild. Allerdings habe ich mir sehr viele Gedanken darüber gemacht, was all diese Querulanten vereint, denen ich mich zugehörig fühle und versucht, einen Ausweg aus dem Dilemma zu finden, das mich zwanghaft veranlasst, gegen den Strom zu schwimmen, obwohl ich mittlerweile ganz genau weiß, dass ich so nicht vorwärts komme. Auch, wenn er manchmal gern Gott sein will, glaubt und glauben macht, fliegen zu können, ist der Rebell doch in erster Linie ein Mensch, genau wie Sie.

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[1] Märtyrer (v. griechisch martys – Zeuge; martyrion – Zeugnis): Angehörige von Religionen, die um das Bekenntnis ihres Glaubens willen, unschuldig und nicht im Zusammenhang eigener Gewaltausübung oder Kriegsführung, Misshandlungen oder den Tod erdulden.

[2] Politische Korrektheit, eingedeutscht: Unter Political Correctness versteht man hauptsächlich die verbale Gleichstellung der Frau, jedoch erstreckt sich die modern gewordene Gewissensbereinigung durch Aufblasen der Sprache auf alle gerade populären Minderheiten der Gesellschaft. Verlautbarung ist das Wichtigste und wird zur Ausschließlichkeit.

[3] Attac ist ein international agierendes Netzwerk, das gegen den wirtschaftlichen Neoliberalismus arbeitet. Es vereint viele unterschiedliche soziale und politische Bündnisse. Ursprünglich setzte sich Attac nur für die Einführung einer Steuer auf Finanztransaktionen ein. Inzwischen hat sich Attac besonders der aktiven Kritik an der Globalisierung verschrieben.

[4] Rebell (lat.: re gegen; bellare kämpfen) stammt aus der Lutherzeit und bezeichnete einen Aufrührer oder jemanden, der der Staatsgewalt Widerstand leistete. (n. Wikipedia). Hier: Eine Person, die sich in ihren Ansichten zu politischen oder kulturellen Angelegenheiten von der Masse distanziert, ein sich auflehnender, aufbegehrender Mensch, der seine Ablehnung bestehender Verhältnisse durch sein Äußeres, seine Äußerungen, sein Verhalten zum Ausdruck bringt. Der Rebell ist dem “Krieger” in meinem Sinne am nächsten, der für etwas kämpft, anstatt um etwas Krieg zu führen.

Bild 01: „Piercing“ , ToM, fotografiert von Marry

Rebell

„Mit diesem Herz hab ich die Macht die Augenlider zu erpressen. Ich singe bis der Tag erwacht, ein heller Schein am Firmament, Mein Herz brennt”

Till Lindemann/ Rammstein

Der Rebell lebt und leidet im Schatten seiner vermeintlichen Freiheit. Der einzige Unterschied zum normalen Menschen ist ein anderer Umgang mit seinen Grenzen. Er hat keine Ehrfurcht davor, keinen Respekt, stellt sie in Frage, testet sie aus. Seine Grenzen zu missachten, geschieht aus einem einzigen Grund, nämlich, um anzuecken. Sich absichtlich daran zu reiben, wurde bereits als Krankheit deklariert.[1] Sie zu überschreiten, um dabei den Horizont zu erweitern, ist ebenfalls eine von vielen Begleiterscheinungen eines heroischen Trotzes, der ganze Jugendbewegungen und kulturelle Strömungen gebar, wobei allerdings immer, im metaphorischen Sinne, eine Art ungewollte Schwangerschaft vorausging. Das heißt, jede kulturelle Rebellion entsprang eher der Verzweiflung, als dem Kalkül. Ihre „Gründer” hatten meistens nicht die Absicht, etwas loszutreten, eher den vagen Wunsch, dass etwas passiert. Sie waren bereit und in der Lage, „Nein” zu sagen. Doch ist dieses, als pubertäres Treiben verhöhnte Aufbegehren gegen das Konforme mehr, als es im ersten Moment aussieht. Es ist kein Unfall, keine Entartung und auch alles Andere als bloßer Oppositionismus, obwohl dieses „Dagegensein um des Dagegenseins willen” bereits eine durchaus heiligende Tat sein kann, da sie Monopole in den Ansichten sprengt.[2]

Jede Opposition bricht das Meinungsmonopol. Ebenso ist der Rebell nur ein Rebell, wenn er aneckt. Er tut dies mit Inbrunst und Leidenschaft, weil er aus dem schier Eindimensionalen seiner Umwelt ausbrechen will, ja, scheinbar zwanghaft ausbrechen muss, weil er diese Welt nicht erträgt. Das gelingt ihm meistens auch eine gewisse Zeit sehr gut, besonders die Darstellung des Unerträglichen, der Fingerzeig auf die Wunden seiner gesellschaftlichen Umgebung, die blutend klaffen und zu hungrigen, sabbernden Mäulern mutieren, die das anders Seiende fressen wollen. Die Ignoranz seiner Mitmenschen, insbesondere des Umfelds, in welches der Rebell hineingeboren wurde, der ewige Trott, der ihm als einzige Möglichkeit verkauft wird, die Vehemenz, mit der alles Nichtkonforme gedämpft und zugesabbert wird, reißen ihn in fast schon autistische Zustände.

Autisten sind ja bekanntlich die größten Egozentriker, und so ist auch die Egozentrik des Rebellen dem Umstand zuzuschreiben, dass seine Welt nicht kompatibel ist. Die übertriebene Selbstdarstellung, die Rebellen zuweilen an den Tag legen, entspringt also der selben Ursache, wie eine, in den Augen der Anderen krankhafte Einkehr in sich selbst.

Die Ursache ist das Anderssein oder auch die mangelnde Akzeptanz der Umwelt auf mitunter kauzige Ansichten, Gewohnheiten und Reaktionen. Jenes scharfe „Ich“ fühlt sich bedroht in einem verschwommenen, tristen Matsch aus Umwelt und grauen Schatten. Was daraus folgt, ist Panik oder Selbstschutz, wobei es egal ist, ob man sich introvertiert in die eigenen Eingeweide zurückzieht oder die Flucht nach vorn antritt.

So sind auch große Egos zuweilen helle und kurz brennende Sonnen, die viele Planeten um sich kreisen lassen. Dass doppelt so helle Lichter nur halb so lang brennen[3], ist dabei eine physikalische Untertreibung, denn „lichterloh brennend“ bedeutet auch, sich zu vergeuden, sich zu verschwenden, zumindest in den Augen derer, die sich daran nähren und orientieren, egal ob nun bewundernd oder spottend. In diesen hassenden und liebenden Augen der Anderen schlummert die Unsterblichkeit.

Der Rebell spielt mit dem Feuer und ruft den Angepassten zu, dass es heiß ist. Mit Blasen an den Fingern oder auch als verkohlter Leichnam gilt er dann als lebender Beweis oder als abschreckendes Beispiel, um anderen Rebellen das Spiel zu verbieten. Denn jede Grenzüberschreitung ist auch eine Gefahr für die innere Sicherheit und somit eine Tat, die den Angepassten zwar nicht betrifft, die er aber ebenso zwanghaft persönlich nimmt wie der Rebell seinen Weltschmerz.

Die Grenzen sind dem Normalen die schützende Mauer und dem Rebellen der Thrill. Je enger, desto besser für beide, denn es ist die Burg des Feigen in uns allen, die sich schützend erhebt und das Dasein sicherer macht, auch für den Aufbegehrenden. Es ist bequemer, in einer Kammer an der Wand zu klopfen, anstatt auf weitem Feld nach dem Stein des Anstoßes zu suchen. Je weiter der Freiraum, um so extremer das Verhalten. Das ist der Egotrip und das Gefängnis, das unterscheidet den Rebellen von demjenigen, der wahrhaft nach Werdung Ausschau hält. Dem Suchenden sind die einstigen Steine des Anstoßes Wegweiser geworden. Dahinter verbirgt sich eine Werdung, denn genauso, wie der Arme nicht verzichten und der Ungeliebte nicht entsagen kann, wird es keinen wahrhaft Suchenden geben ohne den rebellischen Geist.

Der Rebell wird aber, wenn er nicht in den Spiegel der Wahrhaftigkeit zu blicken vermag, zum Psychopathen, allerdings ohne es zu bemerken. Da sind große Emotionen im Spiel, große Gedanken, großes Leid und die Sehnsucht nach Bedeutsamkeit, die ihn treibt. Irgendwann wird das alles zu viel. Der Psychopath fühlt sich plötzlich unwohl. Längst schon ist es selbst für ihn da drinnen nicht mehr nachvollziehbar, wie viele Hüllen er sich schon überstülpte. Längst hat er vergessen, wie viele Maschen er ausprobierte, um sich immer wieder selbst auszutricksen und wieviel seine Eskapaden schon zerstört haben, mit denen er im Grunde nur davon ablenken will, dass er sich nach dem normalen Werdegang sehnt, aber nicht imstande ist, ihn zu beschreiten.

Einzig die Tatsache, sich zu jeder Zeit dem Wahn und dem Leben in all seinen Wirrungen aufrichtig hingegeben zu haben, unterscheidet ihn dann noch vom Angepassten. Das ist nicht viel. Lediglich die Überzeugung, dass das Normale die eigentliche Krankheit ist, dass der eigene Wahn dagegen das einzig Wahre und ihn auszuleben die einzige Therapie darstellt, rettet das Weltbild des Querulanten. Eigentlich müßte jeder Mensch seinen Wahn entdecken und ihn ausleben, nur gäbe es dann keine Grenzen mehr. Der seiner Krankheit Ergebene bestimmt das Normale und pflegt es normativ[4], bildet so die Basis für den rebellischen Geist. Der Rebell im Schatten seiner Freiheit kann immer noch lautstark behaupten, als Einziger zu atmen, jedoch erhält ihn nicht sein Schreien am Leben, sondern das ach so schmerzvolle Gefühl, der einzige zu sein. Es ist der Leichenberg in seinem Kopf, auf dem er steht, der ihn erhebt und leben lässt. Und eines muss selbst der Rebell einsehen: Die Leichen sind auch ohne ihn tot und glücklich, aber er kann ohne sie nicht leben. Nur das Rebellische kann einerseits das Normative in Frage stellen und macht sich doch zu seinem Instrument, wenn es sich dagegenstellt. Der Rebell muss sich entweder eines Tages dem Normativen beugen oder es überwinden. Überwinden bedeutet, die Konfrontation beenden, ein sich Verabschieden ohne Sieg, bedeutet loszulassen und zu „sterben“ in den Augen der Anderen.

Die Liebe, die ihm auf seinem Leidensweg begegnet, erdrosselt der Rebell selbst, denn er gibt zwar mit vollen Händen, will aber auch dabei immer der Bessere sein. So übervoll sich wähnend, wertet er ab, was ihm an Zuwendung widerfährt. Er meint, vielleicht noch nicht einmal zu Unrecht, die Welt um ihn herum fühle oberflächlicher als er. Des Rebellen Schicksal ist es, glauben zu müssen, der einzige zu sein, der wirklich liebt. Genau so, wie andere immer mehr haben wollen, gleich wovon, will er immer mehr geben, als die anderen verkraften können oder erwidern wollen. Die Gabe klebt förmlich an den Händen. Dabei ist es so einfach zu erkennen, wie sehr man selbst am diktierten MEHR und WENIGER haftet, dass die verfluchte, verhasste Mengenlehre, die das Leben schreibt, sich selbst in die Gefühlswelt schleicht, sie vergiftet. Nicht die Manie vom „ZU WENIG” ist die Krankheit, sondern das Werten der eigenen Gefühle, was uns so selbstverständlich geworden ist, dass wir diese Quelle des Schmerzes nicht erkennen können.

Blicke lodern aufeinander zu, verschlingen sich, verblassen. Hände halten aneinander fest, werden feucht, entgleiten, tasten, suchen. Und so entgleitet auch der Blick für das Wesentliche. Er entfleucht in die Normalität, sobald er Gelegenheit dazu hat. Jene Lebensweise, so zwischen Bausparvertrag und Zusatzrente, zwischen Jahreswagen und vorgeschobenem Verantwortungsgefühl, sitzt auch dem Rebellen in den Knochen, gleich der vertrockneten Zecke im Unterholz, die nur darauf wartet, sich nach Jahren der Enthaltsamkeit in unsere Kniekehle beißen zu können, um sich zu laben und uns die Hirnhautentzündung zu bringen.

So wie dieser Zeckenbiss - oder auch nur die Vorstellung davon - Menschen panisch aus den Wäldern in den Wartestrom der Vorsorger treibt, treiben den Rebellen im christlichen Abendlande Lebenskrisen in die offenen Arme des normalen Werdegangs. Dort, wo das Grelle hinter getöntem Glas verschwindet und selbst Pastellfarben nur mit Genehmigung statthaft sind, lauert die Bequemlichkeit, die den Menschen aber auferlegt, sich an Vergangenem zu messen und die Zukunft zu planen. Wann ist der Moment, an dem alles eins ist, weil es keine Zeit gibt? Wo ist die Heiligkeit des Augenblickes geblieben? Sie ist dort, wo ihr jene Ruhe findet, die dem Sterben gegensätzlich ist, dort, wo es den einzig wahrhaften Frieden gibt: IN EUCH SELBST. Doch genau dort kennt ihr euch am wenigsten aus.