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Kriege, geopolitische Spannungen, nukleare Bedrohung, wachsender Nationalismus – das 21. Jahrhundert ist geprägt von einer Vielzahl globaler Konflikte. „Ideen zum positiven Frieden“ von Univ.-Prof. Dr. Heinz Gärtner analysiert nicht nur aktuelle Konfliktherde – von der Ukraine über den Nahen Osten bis zu den USA und China –, sondern entwickelt konkrete und fundierte Denkalternativen für eine internationale Politik des Friedens. Der Politikwissenschaftler und Sicherheitsexperte öffnet mit diesem Buch einen Diskursraum jenseits von Blockdenken, Aufrüstung und reaktiver Außenpolitik. Seine zentrale These: Frieden entsteht nicht durch militärische Hochrüstung, sondern durch Kooperation und neue Wege in den internationalen Beziehungen. – Warum militärische Aufrüstung keine nachhaltige Lösung ist – Wie Neutralität und Dialog geopolitische Blockaden lösen könnten – Welche Rolle Europa, die USA, China und kleinere Staaten in einer neuen Weltordnung spielen können – Wie historische Beispiele wie die KSZE oder Österreich 1955 heute noch Impulse geben Ein tiefgründiges, klarsichtiges Buch für alle, die sich für internationale Beziehungen, Friedenspolitik, Geopolitik und die Zukunft globaler Kooperation interessieren.
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Seitenzahl: 159
Veröffentlichungsjahr: 2025
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Impressum
Heinz Gärtner - Ideen zum positiven Frieden
1. Auflage 2025
ISBN: 978-3-903229-51-8
© Delta X Verlag, Herbststraße 43, 1160 Wien
www.deltax.at | [email protected]
Lektorat: Norbert Regitnig-Tillian
Satz und Umschlaggestaltung: Josephine Schwandt | www.meisterseiten.com
E-Book-Herstellung: Zeilenwert GmbH, Rudolstadt
Alle Rechte vorbehalten. Kein Teil des Buches darf ohne schriftliche Genehmigung des Verlages vervielfältigt oder verbreitet werden. Das gilt insbesondere für die gewerbliche Vervielfältigung per Kopie, Übersetzungen sowie für die Vervielfältigung auf elektronischen Datenträgern.
Für Mitra
Über den Autor
Univ.-Prof. Dr. Heinz Gärtner (geb. 1951) lehrt Politikwissenschaft an der Universität Wien. Er war Direktor des Österreichischen Instituts für Internationale Politik (OIIP) und ist Vorsitzender des Beirats des International Institute for Peace (IIP). Gastprofessuren und Forschungsaufenthalte führten ihn unter anderem an die Universitäten Stanford, Oxford, Johns Hopkins (Washington, D.C.) und Erlangen. Seine Forschungsschwerpunkte sind internationale Sicherheit, Abrüstung, Rüstungskontrolle und die Rolle der USA in der Weltpolitik. Er veröffentlichte zahlreiche Bücher und Fachartikel zu diesen Themen.
Cover
Titel
Impressum
EINLEITUNG
Die Idee zum Buch
Fast nur militärische Antworten
Ideen zur Unterbrechung des Dilemmas von Sicherheit und Gewalt
Die Organisation des Buches
DIE DYNAMIK DER GEOPOLITIK
Unipolarität nach Ende des Kalten Krieges
Multipolarität nach Ende der Unipolarität?
Die Dimensionen geopolitischer Macht
Ideologie und Bündnis
Was können kleinere Staaten tun?
Ukraine: Verpasste Chance
WELTMACHT USA
Ein neuer Kalter Krieg
Ein Bündnis von Demokratien?
Nicht nur ein Vorbild
Isolationismus und Interventionismus
Donald Trump ist Interventionist und Isolationist
Trump I (2017-2021)
Trump II
Relative Gewinne
Die USA und Bündnisse: Verpflichtung oder Verwicklung?
Weltpolizist USA?
Die USA als normaler Staat
HAT EUROPA ANTWORTEN?
„Juniorpartner“ Europa
Europäische Initiativen sind möglich
NUKLEARWAFFEN
Abschreckung ist ein Gesinnungszustand
Gefährliche Proliferation
Können Nuklearwaffen verboten werden?
Nuklearwaffenfreie Zonen
KANN ES FRIEDEN FÜR DEN MITTLEREN OSTEN GEBEN?
Friede nur mit einer Zwei-Staaten-Lösung
Eine Autonomielösung für die Siedler?
Kriege im Mittleren Osten
Der Sturz al-Assads von Syrien, Donald Trump und das Nuklearabkommen
Die EU muss in größeren Dimensionen denken
Ein regionales Dialogforum
DER IRAN UND DIE USA: AUCH EIN WAHRNEHMUNGSPROBLEM
Der Sturz von Mossadegh – ein iranisches Narrativ
Die Revolution und die Geiselnahme – zwei amerikanische Bilder
Die amerikanische Unterstützung des Irak im Krieg – eine iranische Wahrnehmung
Iran nach der Wahl eines Reformpräsidenten
Das gescheiterte Nuklearabkommen
Vertrauensbildung durch Abbau der negativen Erzählungen
KOREA: MODELLE ZUR WIEDERVEREINIGUNG
Ausweglose Situation
Das Modell Deutschland
Das österreichische Modell
Die Rolle der USA und Chinas
Sieben-Parteien-Gespräche mit Beteiligung der EU
TERRORISMUS, WIDERSTAND UND KRIEG
Terrorismus und Widerstand
Krieg und Terrorismus
SANKTIONEN UND ALTERNATIVEN
Geringe Erfolgsrate
Sanktionierte Staaten werden autoritärer und korrupter
Es gibt kreative Alternativen
VOM KRIEG ZUM POSITIVEN FRIEDEN
Kriegsdynamik
Das Sicherheitsdilemma
Positiver Friede: ein Beispiel
KONFLIKTVERMEIDUNG DURCH NEUTRALITÄT
Was ist Neutralität?
Neutralität muss glaubwürdig und nützlich sein
Neutralität als Sicherheitsgarantie
Engagierte Neutralität
STAAT OHNE NATION
Die Nation und nicht der Staat ist Basis des gewaltsamen Nationalismus
Keine Identität von Staat und Nation
Trennung von Staat und Nation
SCHLUSS: DIE ROLLE DER IDEE IN DER WELTPOLITIK
Die Abwesenheit von neuen Ideen
Die Nützlichkeit von Wissenschaft
Intellektuelle, die die Weltpolitik beeinflussten
Idee und Wirklichkeit
VERWENDETE LITERATUR DES AUTORS
Wissenschaftliche Bücher
Wissenschaftliche Artikel
Weltweite geopolitische Spannungen, Konkurrenz zwischen den Großmächten, Kriege in Europa und im Mittleren Osten, Nationalismus und Terrorismus: Diese Themen werden in diesem Buch als einzelne Szenen dargestellt und analysiert. Das Buch beschränkt sich aber nicht auf die Beschreibung dieser Konfliktbereiche. Es entwickelt eine Reihe von Ideen, die zur Lösung oder Milderung dieser Spannungen führen können.
Dieses Buch unterbreitet Analysen der Weltpolitik und eine Reihe von Ideen, die gegenwärtig außerhalb der Denkwelt der Politik liegen. Ihre Wirklichkeit ist noch nicht gekommen, sie kommt vielleicht auch gar nicht. Das Buch beansprucht nicht, der Politik unmittelbare Vorschläge zu unterbreiten. Es gibt ausreichend Berater, die Politikern praktische Empfehlungen und Ratschläge für deren Handlungen geben. Es reicht aber nicht, Politikern praktische Vorschläge zu unterbreiten, wie sie ihre Interessen besser vertreten und durchsetzen können. Es müssen grundlegendere Antworten gesucht werden.
Sehr oft wird in internationalen Konflikten schnell zu militärischen Reaktionen gegriffen. Die hier präsentierten Ideen verwerfen militärische Wehrhaftigkeit nicht. Sie geben aber politischen und diplomatischen Initiativen den Vorrang. Sie basieren auf der Beobachtung, dass Sicherheit nicht nur durch Erhöhung militärischer Fähigkeiten, sondern auch durch die Schaffung eines weniger bedrohlichen Umfelds geschaffen werden kann.
Die oft beobachtete Multipolarität mit mehreren Machtzentren in der Welt bringt an sich keine gewaltfreiere Welt. Polarität bedeutet immer auch Polarisierung und potentielle Konflikte. Tatsächlich handelt es sich aber um einen Großmachtkonflikt zwischen den USA, China und Russland. Dieser wird vorerst mit gegenseitigen Aufrüstungsprozessen ausgetragen. Bündnisse werden gebildet, Ideologien formuliert. Der Konflikt kann jederzeit gewaltsam werden.
Die übermäßige Konzentration auf militärische Lösungen führt zur Steigerung, ja zu unverhältnismäßigen Steigerungen von Rüstungsausgaben. Beschleunigt werden die Modernisierungsprozesse konventioneller Waffen, aber auch die Nuklearwaffenfähigkeit wird ausgebaut. Das zeigen auch die aktuellen Beispiele: Der militärische Angriff von Russlands Präsident Putin auf die Ukraine entstand aus einer wahrgenommenen Bedrängnis durch die NATO, aber auch durch den steigenden Einfluss von Chinas Seidenstraßeninitiative in Ost- und Südeuropa. Diese militärische Aktion Russlands war eine völlige Fehlkalkulation, weil die NATO massiv aufrüstete und noch viel näher an Russland rückte. Die erste militärische Reaktion der NATO ließ nicht lange auf sich warten. Die Ukraine wurde massiv aufgerüstet, die NATO auf Schweden und Finnland ausgeweitet. Eine direkte Bedrohung dieser Staaten durch Russland hatte es aber – auch nach Angaben der finnischen Außenministerin gegenüber dem Autor – nicht gegeben.
Nächstes Beispiel: Die Konflikte im Mittleren Osten werden zunehmend mit direkter Waffengewalt ausgetragen. Die Organisation Hamas glaubte mit einem Terrorakt auf israelisches Territorium den Palästinensern im Gazastreifen Erleichterung von israelischer Isolierung zu verschaffen. Der damit ausgelöste Krieg führte nicht nur zu einer Schwächung der Hamas, sondern zu einer Zerstörung der Lebensgrundlagen der Palästinenser im Gazastreifen durch die israelische Armee. Die USA lieferten Israel ungebrochen weiter Waffen. Die libanesische Organisation Hisbollah gab vor, mit Raketenangriffen auf den Norden Israels den Palästinensern zu Hilfe zu kommen, was zu einer weitgehenden Zerstörung der eigenen Organisation durch Israel führte. Israel tötete eine Reihe von führenden Personen von Hamas, Hisbollah und den Iranischen Revolutionären Garden (IRG) auch auf iranischem Territorium, was militärischen Schlagaustausch zwischen Iran und Israel zu Folge hatte.
Ein weiteres Beispiel: Die USA sind die stärkste Militärmacht der Welt. Obwohl es Phasen der Zurückhaltung und des Isolationismus gab, haben sich die USA immer auf ihre interventionistischen Fähigkeiten verlassen, um oft maximale Ziele zu erreichen. Sehr oft wurde eine gewaltsame Einmischung in ein nicht-freundliches Land als Demokratieförderung dargestellt. Präsident Trump ist weder nur Interventionist noch nur Isolationist. Trumps Außenpolitik hat also sowohl isolationistische als auch interventionistische Züge. Er vertritt beides. Er ist nicht schwarz oder weiß – und er ist definitiv nicht grau. Er ist schwarz und weiß! In diesem Rahmen ist er aber durchaus berechenbar. Abkommen sind möglich – aber auch Extreme sind nicht auszuschließen. Nur wenn sich die USA nicht mehr als „außergewöhnliche“ und „unverzichtbare“ sondern als normale Macht betrachten würden, würde es die Ausschläge in das eine oder andere Extrem nicht mehr geben.
Diese Konzentration auf militärische Lösungen, selbst wenn sie zur Verteidigung gedacht sind, schafft eine Reihe von Dilemmas. Sie werden fast immer von anderen als Bedrohung wahrgenommen. Die Antwort darauf sind fast immer militärische Vorbereitungen und Aktionen. Es handelt sich dabei um eine delikate Kombination von defensiven und offensiven Maßnahmen, Interpretationen von Absichten und eigenen Wahrnehmungen.
Dieses Dilemma von Sicherheit und Gewalt gilt es zu durchbrechen. Allgemeine Aufrufe zu Frieden und Gewaltverzicht sind dabei zwar wünschenswert, aber keineswegs ausreichend, um friedliche und gewaltfreiere Verhältnisse zu schaffen. Friede kann nur durch Verringerung der Bedrohung erreicht werden. Dabei gilt ein wichtiger Grundsatz: Sicherheit an sich bringt nicht Frieden, sondern nur Frieden führt zu nachhaltiger Sicherheit.
Wie man diesen Grundsatz richtig umsetzt, zeigt ein historisches Dokument besonders deutlich: Die Schlussakte der Konferenz über Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa (KSZE), die auf der Abschlusskonferenz in Helsinki am 1. August 1975 beschlossen und von 35 Ländern unterzeichnet wurde. Dazu gehörten unter anderem die Mitgliedstaaten der NATO, des Warschauer Pakts sowie neutrale und blockfreie Staaten wie Österreich, Schweden, Schweiz und Jugoslawien. Dieses Dokument stellt den Versuch dar, dieses Sicherheitsdilemma zu unterbrechen. Die KSZE-Schlussakte entstand zwar in einer Phase beginnender Entspannungspolitik, dennoch aber am Höhepunkt des Kalten Krieges. Trotzdem enthält das Dokument keine gegenseitigen Drohungen – ein starker Kontrast zu heutigen Sicherheits- und Verteidigungsstrategien. Diese verwenden häufig Begriffe wie „Feind“, „Gegner“, „Rivale“ oder „Herausforderer“, Begriffe, die in der KSZE-Schlussakte nicht vorkommen. Stattdessen standen damals kooperative und gemeinsame Sicherheit sowie deren Unteilbarkeit im Mittelpunkt.
Ideen und Maßnahmen zur Unterbrechung des Sicherheitsdilemmas sind auch Schritte zu einem „positiven Frieden“. Dieser unterscheidet sich vom „negativen Frieden“, indem Frieden nicht nur durch die Abwesenheit von Krieg und Gewalt definiert wird, sondern positive Friedens-Elemente hinzugefügt werden, wie Kooperation, Multilateralismus oder Gerechtigkeit.
Obgleich die Spannungen zwischen den beiden Blöcken während des Kalten Krieges, Warschauer Pakt und NATO, nicht verschwunden waren und mit der sowjetischen Intervention in Afghanistan wieder zugenommen hatten, haben diese multilateralen Prinzipien nachhaltige Wirkungen gezeitigt. Es entstanden osteuropäischen Unabhängigkeitsbewegungen, wie die tschechoslowakische Charta 77 und die polnische Solidarnosc, die sich auf diese Prinzipien beriefen und sie als Grundlage für ihre Forderungen nutzten. Letztlich hat der sowjetische Präsident Michael Gorbatschow mit diesen Prinzipien die osteuropäischen Staaten in ihre Unabhängigkeit entlassen.
Ein neueres Beispiel für die Unterbrechung des Sicherheitsdilemmas stellt auch der Vertrag über die Reduktion und schließliche Abschaffung von Nuklearwaffen von 2021 dar. Er beabsichtigt, die Norm der gegenseitigen nuklearen Bedrohung durch die Norm der Nuklearwaffenfreiheit zu ersetzen. Wenn auch die Staaten mit Nuklearwaffen und deren Verbündete dem Vertrag nicht beigetreten sind, könnten diese zumindest vertraglich darauf verzichten, Staaten ohne Nuklearwaffen mit diesen Waffen zu bedrohen oder gegen sie einzusetzen.
In dieselbe Richtung zeigen auch regionale Versuche zur Einrichtung „Nuklearwaffenfreier Zonen“ (NWFZ). Diese Initiativen sollen die Bedrohung und den Einsatz von Nuklearwaffen durch Nuklearwaffenstaaten in diesen Regionen abwenden. Kreative Lösungen könnten diese Initiativen ausweiten, indem einige dieser Zonen verschmolzen werden. Eine nuklearwaffenfreie Zone im Mittleren Osten konnte allerdings nicht verwirklicht werden, weil Israel seine Nuklearwaffen behalten will. Die USA verhinderten derartige Resolutionen immer wieder in den Vereinten Nationen und in anderen internationalen Foren.
Alternativ könnte die nuklearwaffenfreie Zone aber in Zentralasien (Semipalatinsk) nach Südwesten ausgeweitet werden, wenn der Iran beitritt, der mit diesen Staaten historisch ohnehin viel gemeinsam hat. Die nuklearwaffenfreie Zone Nordafrika (Pelindaba) kann nach Nordosten erweitert werden, wenn die Golfstaaten beitreten würden. Israels Nuklearwaffen würden viel von ihrer Funktion verlieren, wenn es von nuklearwaffenfreien Staaten umgeben ist. Wenn der Streifen zwischen Mongolei und Kasachstan einbezogen werden kann, entstünde ein nuklearfreier Gürtel von der Mongolei bis Afrika.
Kleine Staaten können zudem versuchen, Schutz in einem Bündnis zu finden. Schutzversprechen der Bündnisse sind aber auch mit Verpflichtungen verbunden. Sie schließen auch eine Kriegsbeteiligung mit ein. Um diese Gefahr der Verwicklung in fremde Kriege zu vermeiden, können Staaten neutral bleiben. Neutralität kann sehr oft zur Reduktion von Spannungen beitragen. Neutrale Staaten müssen aber Neutralität der internationalen Staatengemeinschaft glaubwürdig klar machen und auch nützliche Dienste als Pufferstaaten oder Vermittler und Gastgeber anbieten, damit sie ernst genommen werden. Damit wird Neutralität auch eine gute Sicherheitsgarantie. Die Geschichte zeigt, dass fast nur bei gegenseitigen Angriffen von feindlichen Staaten und Militärbündnissen neutrales Territorium verletzt wird. Das Learning daraus: Neutrale Staaten können es selbst vermeiden, durch Beistandsverpflichtungen von Militärbündnissen in deren Kriege hineingezogen zu werden.
Neutralität wäre jedenfalls in einigen Konflikten eine bessere, leider aber auch versäumte Möglichkeit gewesen: Eine Neutralität Afghanistans vor und nach dem sowjetischen Einmarsch 1979 hätte für alle Beteiligte, Afghanistan, Sowjetunion und auch die USA, weniger Verluste bedeutet. Auch eine Neutralität der Ukraine wäre vor und auch dem russischen Einmarsch 2022 eine bessere Lösung als der Krieg gewesen. Ebenso wäre eine Wiedervereinigung des geteilten Koreas unter den Bedingungen der Neutralität nach dem österreichischen Vorbild deutlich günstiger, als unter der konfrontativen Politik, die das gegenwärtige Verhältnis zwischen Nord- und Südkorea bestimmt.
Wie schaut es nun im Mittleren Osten aus? Gesagt werden kann eines: Die Spannungen im Mittleren Osten werden nicht durch die militärische Zerstörung der Organisation der Hamas oder der Hisbollah verschwinden. Vielmehr muss eine Lösung gefunden werden, die den Palästinensern ohne militärische Gewalt ihre Rechte nach einem eigenen Staat zurückgibt. Gleichzeitig muss ein jüdischer Staat erhalten bleiben. Die Lösung sind zwei Staaten, wobei die Palästinenser ihren Staat auf den von Israel besetzten Gebieten in der Westbank und im Gazastreifen entlang der Grenzlinien von 1967 errichten können müssen. Den israelischen Siedlern in der Westbank soll eine Autonomielösung zugesprochen werden. Präsident Trumps Vorschlag, die Bevölkerung des Gazastreifens in die Nachbarländer umzusiedeln, würde einer Zwei-Staaten-Lösung unter Einschluss des Gaza ein Ende setzen.
Israel wird nicht verschwinden, wie eine der iranischen Erzählungen lautet. Der Iran gibt auch vor, die Interessen der Palästinenser zu vertreten. Gleichzeitig weigert sich der Iran, den Staat Israel anzuerkennen. Vielmehr noch, gegenseitigen militärische Attacken erhöhen die Spannungen im Mittleren Osten drastisch. Um diese abzubauen, ohne die Unterstützung der Palästinenser aufzugeben, muss der Iran über den eigenen Schatten springen. Er könnte Israel in den Grenzlinien von 1967 anerkennen. Das fiele durchaus in den Rahmen des arabischen Friedensplanes von 2002, der eine Anerkennung Israels nur bei gleichzeitiger Errichtung eines Palästinenserstaates in diesen Grenzlinien vorsieht. Allerdings haben sich einige arabische Staaten (wie Vereinigte Arabische Emirate und Bahrein) mit den „Abraham-Abkommen“ darüber hinweggesetzt, weil sie die Beziehungen mit Israel normalisieren wollten, ohne die Interessen der Palästinenser zu berücksichtigen. Der Angriff der Hamas auf Israel am 7. Oktober 2023 unterbrach diesen Normalisierungs-Prozess dramatisch. Will sich der Iran nicht isolieren, muss er diesen Anerkennungsschritt setzen und die Hoffnung aufgeben, dass es Israel eines Tages nicht mehr geben würde.
Letztlich muss eine regionale kooperative Lösung im Mittleren Osten und der Golfregion gefunden werden. Ein Dialogforum islamischer Staaten müsste die „Abraham-Accords“ ergänzen. Es müsste einen souveränen palästinensischen Staat einschließen. Ein derartiges Forum, das auf der souveränen Gleichheit, Gewaltfreiheit und Nichtintervention aller beteiligten Staaten basiert, würde verhindern, dass ein Normalisierungsprozess einzelner arabischer Staaten mit Israel ein Alleingang ohne die Anerkennung eines palästinensischen Staates wird.
Der jahrzehntelange Konflikt zwischen den USA und dem Iran liegt nicht nur in dessen Nuklearprogramm oder der Unterstützung der Milizen in der Region oder in der vermeintlichen Bedrohung Israels. Ihm zugrunde liegen auch Erzählungen über den jeweils anderen, die die gegenseitige Wahrnehmung prägen. Für den Iran sind es die Beteiligung der CIA am Putsch 1953 gegen den demokratisch gewählten Präsidenten Mossadegh durch die USA, und die Unterstützung des Irak durch die USA im Krieg gegen den Iran in den achtziger Jahren. In das Gedächtnis der USA haben sich der Sturz des pro-amerikanischen Schah durch die Revolution 1979 und die darauffolgende Geiselnahme amerikanischer Botschaftsangehörige eingegraben. Ein Abbau dieser gegenseitigen negativen Wahrnehmungen kann wesentlich zur Vertrauensbildung beitragen.
Das Buch ist in einzelne Kapitel gegliedert, die die wichtigsten weltpolitischen Szenen der Gegenwart behandeln. Sie sind ähnlich aufgebaut. Der Konflikt wird dargestellt und analysiert und dann wird eine Idee zur Lösung unterbreitet. Daher stehen die Kapitel in einem inneren Zusammenhang, sie können aber auch unabhängig voneinander gelesen werden. Zum besseren Verständnis gibt es manchmal Wiederholungen der Argumente in unterschiedlichen Kontexten und Kapiteln. Es wird keine Rücksicht darauf genommen, ob politische Entscheidungsträger die Ideen und Lösungsvorschläge für gut finden oder nicht.
Das Buch ist das Ergebnis von vielen akademischen Studien und Publikationen des Autors, die einfach lesbar zusammengefasst und lesbar vermittelt werden. Aktualisierungen und Erweiterungen wurden vorgenommen. Die wichtigsten akademischen Quellen werden am Ende angefügt und können nachgelesen werden. Auf Fußnoten im Text wird verzichtet.
In den verschiedenen Phasen in der Nachkriegszeit gab es unterschiedliche geopolitische Konfliktkonstellationen. Nach dem Zweiten Weltkrieg entstanden zwei Militärbündnisse in Europa, die NATO und die Warschauer-Pakt-Organisation (WTO). Diesen Ost-West-Konflikt nannte man Bipolarität, weil sich zwei Pole herausgebildet hatten: einer unter der Führung der USA, der andere unter der der Sowjetunion. Nach dem Ende dieser Bipolarität, als der Warschauer Pakt aufgelöst wurde und die Sowjetunion nicht mehr existierte, entstand – so der amerikanische Politologe Charles Krauthammer – ein „unipolares Moment“, in dem die USA die dominante Position in der Welt einnahmen. In dieser Phase der angenommenen Unipolarität, mit einem globalen Zentrum, blieb die NATO unter der Führung der USA als alleiniges Militärbündnis übrig.
Diese Periode der Unipolarität war aber keineswegs friedlich, wie die Kriege der USA in Kuwait 1991-1992, auf dem Balkan in den 1990er Jahren, in Afghanistan nach 2001 und im Irak 2003 zeigen. Daten von Sidita Kushi und Monica Duffy Toft von 2022 belegen, dass diese kurze Phase der Unipolarität von 1990 bis 2020 diejenige war, in der es seit 1776 die meisten Militärinterventionen der USA gegeben hat. Es kann also keine Rede von einem „hegemonialen Frieden“ sein, wie das einige amerikanische Politologen behaupten. Sie glauben, dass ein Staat mit globaler Hegemonie den Frieden garantiert, weil es kein anderer Staat wagen würde, ihn herauszufordern. Für kleinere Staaten war diese Periode schwierig. Unipolarität strebt nach globaler Dominanz. Es dominierte die Vorstellung: „mit uns oder gegen uns“.
Das „unipolare Moment“ währte nur eine gewisse Zeit lang, auch wenn es teilweise in den Köpfen der US-Regierungen bis heute andauert. Danach prägte der Begriff der Multipolarität die internationale Debatte. Damit gemeint ist, dass in der Welt verschiedene Pole und Zentren entstehen. Das wären China, Russland, Indien, Brasilien, Japan, Europa und andere. Ähnliche Meinungen drücken die Begriffe „Post-American World“ („Die nachamerikanische Welt“) oder „the Rise of the Rest“ („Der Aufstieg der Anderen“) aus.
Die Abkürzung für die Gruppierung BRICS (Brasilien, Russland, Indien, China, Südafrika) wurde zum Sinnbild dieser veränderten Welt. Weitere Staaten sind dieser Organisation beigetreten und sie repräsentieren fast die Hälfte der Weltbevölkerung und fast ein Drittel des Weltbruttosozialproduktes. Im Vergleich dazu leben in den USA nur vier Prozent der Weltbevölkerung und sie produzierten 2024 etwa ein Viertel des Weltbruttosozialproduktes. Das ist etwa die Hälfte des Anteiles der sechziger Jahre. Die BRICS-Gruppierung wurde um weitere Mitglieder, wie Iran, Saudi-Arabien, Ägypten, Äthiopien und die Vereinigten Arabischen Emirate (VAE) erweitert. Die BRICS-Straaten sind nicht anti-amerikanisch, wollen aber Alternativen bieten. Sie sind auch zu heterogen. Manche Mitglieder, wie Indien, Brasilien, die VAE) oder Saudi-Arabien wollen enge Beziehungen mit den USA aufrechterhalten. Manche haben ernsten Konflikte miteinander, wie Indien und Pakistan oder Indien und China. Die BRICS-Staaten wollen keine eigene Währung entwickeln, die den Dollar als Leitwährung ablöst, sie machen aber oft Geschäfte untereinander mit ihren nationalen Währungen.
Beobachter sehen darin einen Beweis für den relativen Abstieg der USA in der Welt. Allerdings gibt es diese Debatte über den Machtverlust der USA seit vielen Jahrzehnten. Schon in den 1970er Jahren hatte der amerikanische Außenminister Henry Kissinger gesehen, dass mehrere globale Mächte auf die Weltbühne erschienen sind. Er hat ein „Pentagon“ entstehen gesehen: Die Sowjetunion, Japan, China und Europa würden neben den USA einen Anteil an der internationalen Geopolitik beanspruchen. Vorbild für Kissinger was das Konzert der Mächte nach dem Wiener Kongress von 1815. Natürlich mussten für Kissinger die USA der Primus inter Pares, also die führende Weltmacht, bleiben.
