Im Angesicht des Lebens - Markus C. Müller - E-Book

Im Angesicht des Lebens E-Book

Markus C. Müller

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Beschreibung

Führt man ein gutes, ein zufriedenes Leben, weil man nach vermeintlich allgemeingültigen Maßstäben erfolgreich ist? Kann man sich ein zufriedenes Leben erkaufen? Markus C. Müller beantwortet diese Fragen ganz klar mit Nein. Er hatte beruflich alles erreicht, war auf der Karriereleiter weit oben, der Vorstandsposten war nur noch eine Frage der Zeit. Eigentlich war alles perfekt. Oder doch nicht?  2015 fiel Markus C. Müller in einer Flughafenbuchhandlung der Band "5 Dinge, die Sterbende am meisten bereuen" von Bronnie Ware in die Hände. Die aufgeführten Versäumnisse berührten ihn zutiefst. Schlagartig erkannte er: Hier ist genau das aufgelistet, was er selbst auf dem Sterbebett bereuen würde, wenn er nichts ändert. Er kündigte daraufhin seinen Job als Europa-Chef von BlackBerry und absolvierte wenig später eine Ausbildung zum Hospizbegleiter. In diesem Buch erzählt er seine Geschichte. Markus ermutigt die Leserinnen und Leser, ihren Ideen, ihrer Berufung zu folgen und das zu tun, was sie wirklich zufrieden macht. Oft haben wir das Gefühl, in einem Korsett festzustecken, aus dem wir uns nicht befreien können. Doch: Wir können es. Wir können so viel machen im Leben, wenn wir nur den Mut aufbringen, es zu tun. Im Buch geht es um: - Die Reflexion über das eigene Leben und dessen Endlichkeit - Das Golden Gate oder eine andere Herangehensweise an Zielorientierung - Mut, Angstüberwindung und Lebensqualität - Die Bedeutung von sinnstiftender Arbeit und gesellschaftlicher Anerkennung - Den Wert von Vielfalt und Andersartigkeit - Kontinuierliches Lernen und Veränderung - Die Akzeptanz der Endlichkeit des Lebens - Die Facetten der Liebe und Selbstöffnung - Bewusste Entscheidungen und unseren HandlungsspielraumJeder Mensch kann etwas dafür tun, ein zufriedeneres Leben zu führen Die Begleitung Sterbender ist für Markus C. Müller immer wieder eine wertvolle Erfahrung. Der Blick vom Ende her, das Innehalten und Betrachten des eigenen Lebens, führt unmittelbar zu der Frage, was wirklich zählt. Er ist überzeugt, dass die Auseinandersetzung mit dem Tod und der eigenen Endlichkeit hilfreich ist, um herauszufinden, was einem wirklich wichtig ist und wie man leben möchte. Sterbende sind für ihn die besten Lehrmeisterinnen und Lehrmeister für ein gelingendes Leben.

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Seitenzahl: 190

Veröffentlichungsjahr: 2025

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[5]Inhalt

Hinweis zum UrheberrechtImpressumDas gute LebenWarum ich dieses Buch schreibeHochgerauscht ins VakuumEin kurzer Einblick in mein Leben – warum ich wurde, was ich binDer WegDurchs Tal der Tränen zu einer Idee, die trägtQualität 1 – GemeinschaftGute Beziehungen pflegenSoziale Kontakte machen das Leben reich – und längerQualität 2 – Sinnstiftend arbeitenTun, was man willEin Perspektivwechsel, der Freude machtQualität 3 – Offen seinDie Neugier fütternWarum es gut ist, dem Hirn zu denken zu gebenQualität 4 – EndlichkeitWorauf warten?Der Blick auf den Tod sorgt für klare PrioritätenQualität 5 – LiebeDas Beste annehmenWohlwollen öffnet das HerzDie Macht der WahlWir haben unser Leben selbst in der HandAnmerkungen
[1]

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Dafür vielen Dank!

Haufe Lexware GmbH & Co KG

[192]Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek

Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.dnb.de/ abrufbar.

Print:

ISBN 978-3-68951-000-8

Bestell-Nr. 12103-0001

ePub:

ISBN 978-3-68951-001-5

Bestell-Nr. 12103-0100

ePDF:

ISBN 978-3-68951-002-2

Bestell-Nr. 12103-0150

Markus C. Müller

Im Angesicht des Lebens

1. Auflage, März 2025

© 2025 Haufe-Lexware GmbH & Co. KG

Munzinger Str. 9, 79111 Freiburg

www.haufe.de | [email protected]

Bildnachweis Autorenfoto: © Ulrike Frömel

Lektorat: Gabriele Vogt

Produktmanagement: Mirjam Gabler

Dieses Werk einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. Alle Rechte, insbesondere die der Vervielfältigung, des auszugsweisen Nachdrucks, der Übersetzung und der Einspeicherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen, vorbehalten. Alle Angaben/Daten nach bestem Wissen, jedoch ohne Gewähr für Vollständigkeit und Richtigkeit.

[7]Ich möchte Sie mit diesem Buch inspirieren und ermutigen, die Initiative zu ergreifen und Ihr Leben so zu gestalten, wie Sie es möchten. Ich habe dafür kein Patentrezept, aber vielleicht finden Sie eine hilfreiche Idee, einen guten Gedanken, ein paar interessante wissenschaftliche Erkenntnisse, eine Portion Motivation für Ihr Leben. Warum ich das glaube? Weil ich die besten Lehrmeisterinnen und Lehrmeister habe, die es für ein gelingendes Leben geben kann: Sterbende.

[9]Das gute Leben

Warum ich dieses Buch schreibe

[11]In der Sekunde, in der ich mich maßlos ärgerte, weil mir mein Chauffeur die Autotür nicht aufgehalten hatte, wusste ich: Mit mir stimmt etwas ganz grundlegend nicht mehr. Der egomane Manager, der sich über eine Kleinigkeit aufregt? Ein Mann, der aufgrund seiner Position bedient werden will? Das bin doch nicht ich?

Auf der Rücksitzbank der Limousine glomm kurz ein Zweifel auf, ob ich das Leben lebte, das ich leben wollte. Er verschwand so schnell, wie er gekommen war. Zu der Zeit hatte ich vollgepackte Tage. Ich war Europa-Chef von Blackberry, absolvierte 250 Flüge im Jahr, hatte rund 4.000 Mitarbeitende zu führen und die Verantwortung fürs europäische Business eines kanadischen Konzerns, mit dem wir eine Milliarde Dollar Umsatz erwirtschafteten. Der Vorstandsposten war nur noch einen sehr kurzen Schritt entfernt. Und damit hatte ich genau das, was man in westlichen Industriegesellschaften eine erfolgreiche Karriere nennt: Ich war ausgestattet mit viel Macht, viel Geld, viel Ansehen und der Aussicht auf noch mehr Macht, noch mehr Geld und noch mehr Ansehen. Man sollte meinen: Alles war gut.

Die Frage ist: Führt man ein gutes, ein zufriedenes Leben, weil man nach vermeintlich allgemeingültigen Maßstäben erfolgreich ist? Und: Kann man sich ein zufriedenes Leben erkaufen? Sie ahnen es: Kann man nicht.

Dann kam der Tag, als ich mal wieder auf irgendeinem Flughafen kurz vor dem Abflug durch die Buchauslage stöberte. Dabei fiel mir der Band »5 Dinge, die Sterbende am meisten bereuen« von Bronnie Ware1 in die Hände. Die Australierin hat über Jahre Sterbende begleitet und mit ihnen darüber gesprochen, was sie in ihrem Leben in der Rückschau gerne anders gemacht hätten. Was ich beim kurzen Blick ins Inhaltsverzeichnis las, hat etwas in mir berührt. Da stand: »Versäumnis Nummer 1: Ich wünschte, ich hätte den Mut gehabt, mir selbst treu zu bleiben, statt so zu leben, wie andere es von mir erwarteten.« Versäumnis 2 lautete: »Ich [12]wünschte, ich hätte nicht so viel gearbeitet.« Versäumnis 3: »Ich wünschte, ich hätte den Mut gehabt, meinen Gefühlen Ausdruck zu verleihen.« Versäumnis 4: »Ich wünschte, ich hätte den Kontakt zu meinen Freunden gehalten.« Und schließlich Versäumnis 5: »Ich wünschte, ich hätte mir mehr Freude gegönnt.« Mir war schlagartig klar: Genau das würde mir bevorstehen. Genau das, was hier in wenigen Worten aufgelistet war, würde ich bereuen, wenn ich – hoffentlich erst in einem hohen Alter – auf dem Sterbebett läge. Die Wahrscheinlichkeit, dass es so kommen würde, war angesichts dessen, was ich tat, sehr hoch. Es war absehbar, was passieren würde. Und es wäre fahrlässig, einfach so weiterzumachen. Denn ab diesem Augenblick in der Flughafenbuchhandlung war mir bewusst, was auf mich zukommt, wenn ich nichts ändere.

Noch in der Nacht habe ich meine Kündigung verfasst und damit meine internationale Managerkarriere beendet. Viele Menschen in meinem Umfeld haben gesagt: Das war mutig. War es nicht. Sicher: Ich habe eine Karriere aufgegeben, Renommee aufgegeben und die Aussicht auf noch mehr Geld aufgegeben. All das waren aber Dinge, die mir nicht so viel wert waren. Und: Ich war finanziell bestens abgesichert. Deswegen war der Schritt, mein Leben grundlegend zu ändern, für mich gar nicht so mutig wie zum Beispiel für jemanden, der nicht weiß, wie er künftig seine Miete bezahlen soll. Trotzdem glaube ich, dass jeder Mensch etwas dafür tun kann, ein zufriedeneres Leben zu führen.

Ich bin überzeugt, dass viele erfolgreiche Menschen in verantwortungsvollen Positionen innerlich zerrissen sind. Weil sie zwar vermeintlich alles haben, aber an sich selbst vorbeileben. Die Fragen, die ich mir nach meiner Kündigung gestellt habe, lauteten: Was ist eigentlich ein gutes Leben? Was macht mich glücklich? Wie muss ich leben, damit ich zufrieden bin?

Ein gutes halbes Jahr, nachdem ich aus meinem Job ausgestiegen war, fiel mir bei einem Aufenthalt in Spanien ein Artikel über Sterbebegleitung in die Hände. Ich hatte mit diesem Thema vor[13]her noch nie zu tun gehabt. Nach der Lektüre habe ich eine Stunde lang Rotz und Wasser geheult. Ich weine nicht besonders oft. Wenn ich es dennoch tue, dann weiß ich, dass mich etwas elementar Wichtiges berührt.

Wieder zuhause in München habe ich mich informiert, was ich tun muss, um Sterbebegleiter zu werden, und schließlich bei dem Hospizdienst DaSein eine Ausbildung zum ehrenamtlichen Hospizbegleiter gemacht. Diese Ausbildung, die Beschäftigung mit dem Tod und die Erfahrungen mit sterbenden Menschen schärfen den Blick auf das, was im Leben wichtig ist – und was nicht. Vieles bekommt eine andere Wertigkeit. Als Erstes durfte ich eine 92-jährige Dame begleiten, die keine Angehörigen hatte und schwer dement war. Auch das war für mich eine neue Erfahrung. Mit dementen Menschen im Endstadium kann man sich meist nicht mehr über Sprache verständigen. Man sitzt und schweigt. Und trotzdem fand unglaublich viel Austausch zwischen uns beiden statt. Das hat mich beeindruckt.

Die Begleitung von Sterbenden ist immer wieder eine wertvolle Erfahrung für mich – und hoffentlich auch für die Menschen, die ich begleite. Der Blick vom Ende her, das Innehalten und Betrachten des eigenen Lebens, führt unmittelbar zur Frage, was tatsächlich zählt. Ich bin überzeugt, dass es sehr hilft, sich mit dem Tod und der eigenen Endlichkeit zu beschäftigen, um herauszufinden, was einem wirklich wichtig ist und wie man leben möchte.

Seit 2015, seit ich bei Blackberry ausgestiegen bin, beschäftige ich mich mit Dingen, die mir am Herzen liegen. Im Ehrenamt als Sterbebegleiter und als Vorstandsvorsitzender des Hospizvereins DaSein in München, als Vorstand im Spitzenverband Digitale Gesundheitsversorgung (SVDGV), als Dozent, als Speaker und als Mitgründer und CEO des Start-ups Nui Care, das eine digitale Plattform für pflegende Angehörige anbietet.

In diesem Buch möchte ich Ihnen meine Geschichte erzählen – und sehr gerne einen Beitrag dazu leisten, dass Sie Ihren Ideen, Ihrer [14]Berufung, Ihrem Herzen folgen und in Ihrem Leben das tun, was Sie wirklich zufrieden macht. Das ist manchmal gar nicht so einfach, aber es lohnt sich. Das untermauern auch wissenschaftliche Erkenntnisse, von denen Sie einige in den folgenden Kapiteln finden werden. Außerdem möchte ich Ihnen Methoden vorstellen, die dabei helfen, ein zufriedeneres Leben zu führen. Oft bleiben Menschen in einem Korsett, aus dem sie meinen, nicht ausbrechen zu können. Das ist häufig nur eine Illusion. Tatsächlich kann man viel tun und ändern. Man muss nur den Mut haben, es zu machen. Und dann stellt man erstaunt fest, wie leicht es geht.

[17]Hochgerauscht ins Vakuum

Ein kurzer Einblick in mein Leben – warum ich wurde, was ich bin

[19]Es war nicht so, dass ich richtig unglücklich gewesen wäre. Oder dass ich meinen Job nicht gerne gemacht hätte. Im Gegenteil: Es war spannend und herausfordernd, bei Blackberry Verantwortung zu tragen und die Geschicke des Konzerns in Europa zu lenken. Ich mochte meine Rolle als Topmanager. Viel zu arbeiten, viel zu reisen und viel um die Ohren zu haben, war für mich keine Belastung, ich fand das gut. Mein Leben war ein bisschen so wie das von Ryan Bingham im Film »Up in the air«2. Bingham jettet ständig um die Welt, erledigt Jobs und findet all das ziemlich cool; am Ende merkt er, dass es ihm für sein Leben nichts bringt, die langersehnte Zehn-Millionen-Flugmeilen-Grenze zu knacken.

Zwischen 2002 und 2014 hatte ich eigentlich kaum ein Privatleben. Ich war zu 99 Prozent auf meinen Beruf fokussiert. Das ist mir lange Zeit nicht einmal aufgefallen. Wenn mich eine Sache begeistert, bin ich Feuer und Flamme. Dann merke ich nicht, ob ich fünf oder zehn oder fünfzehn Stunden arbeite. Es ist also überhaupt nicht so, dass mir mein Job keine Freude gemacht hätte, sondern eher, dass mir mit der Zeit etwas gefehlt hat. Gegen Ende meiner Managerlaufbahn stellte sich bei mir eine Art permanentes Störgefühl ein. Ich war zweigeteilt: Es gab den beruflichen Markus, den Macher und Entscheider. Und es gab den privaten Markus, der gern Zeit mit seinen Freunden verbringt, liest, meditiert oder eine Runde mit dem Hund dreht. Die beiden habe ich nicht mehr zusammengebracht. Ich hatte zwei Persönlichkeiten in mir, die getrennte Leben führten.

Mit Vertrauen ins Leben

Ich bin ein Glückskind. Ich komme aus einem stabilen Elternhaus, meine Mutter und mein Vater sind mittlerweile seit über 55 Jahren zusammen. Meine drei Geschwister und ich sind als [20]klassische Mittelschichtskinder behütet und in moderatem Wohlstand im bayrischen Rosenheim aufgewachsen. Mein Vater war erfolgreicher Geschäftsführer eines mittelständischen Energieversorgers, gut bekannt mit vielen Personen aus der Politik und Träger des Bundesverdienstkreuzes; beruflich war er immer mein Vorbild. Meine Mutter bildet eine Art Gegenpol. Sie ist eine sehr spirituelle, gefühlvolle Frau, zurückhaltend und belesen. Sie beschäftigt sich mit Philosophie und Religion. Schon in unserer Kindheit gab es bei uns zuhause die beste Ernährung, das, was man heute »Bio« nennt und man damals nur im Reformhaus kaufen konnte: dunkle Nudeln, dunkler Reis, viel Vegetarisches. Bei uns kam nur einmal in der Woche Fleisch auf den Tisch. Das war damals nicht üblich und ich fand es als Kind auch nicht toll, weil ich lieber Schnitzel mit Pommes gegessen hätte. Rückblickend schätze ich sehr, dass meine Mutter uns so gesund und bewusst ernährt hat. Ich bin also eine Mischung aus einem erfolgreichen Manager und einer Frau mit einem tiefgehenden Interesse an den großen Fragen des Lebens. Meine Eltern haben mich mit einem großen Vertrauen ins Leben ausgestattet. Ich hatte nie das Gefühl, dass ich tief fallen kann.

Ab der fünften Klasse habe ich eine Waldorfschule besucht, wo Kindern ein anderer, weiterer Blick auf das Leben beigebracht wird als auf staatlichen Schulen. Dort geht es nicht darum, etwas rein intellektuell zu erfassen, dann wiederzugeben und dafür eine Eins oder eine Zwei oder eine Drei oder eine Vier zu bekommen. Stattdessen haben wir Theater gespielt und Musik gemacht, wir hatten Fächer wie Gartenbau und waren für Praktika bei Steinhauern in Italien und in sozialen Einrichtungen, auf Bauernhöfen und in Industrieunternehmen. Auf diese Weise haben wir viel mehr von der Welt mitbekommen und waren breiter ausgebildet, als es durch Auswendiglernen vorgegebener Inhalte möglich ist.

Die Waldorfschule hat uns ermutigt, selbstbewusst zu sein und Dinge zu tun, die wir von allein gar nicht in Betracht gezogen hät[21]ten. Mir hat diese Schulbildung geholfen, mutig und offen zu sein und in meinem Leben Risiken einzugehen.

Meine Lehrer haben die Hände über dem Kopf zusammengeschlagen, als sie hörten, welchen Beruf ich nach der Schule ergreifen wollte, denn er zählte nicht gerade zum Waldorf-Absolventen-Repertoire. Ich hatte einen Polizisten kennengelernt, der mich beeindruckt hat. Meine Fantasie war, irgendwann Zielfahnder beim Bundeskriminalamt zu sein und weltweit die ganz bösen Verbrecher zu jagen. Ich fand die Ausbildung schon deshalb toll, weil wir unglaublich viel Sport gemacht haben – und zur Bundeswehr musste man als Polizeianwärter auch nicht. Die Ausbildung hätte 20 Monate gedauert, ich habe sie nach 13 Monaten abgebrochen. Der Weg durch die Hierarchien hin zu den Posten, an denen ich wirklich etwas hätte bewegen können, erschien mir zu mühsam. Ich entschied mich stattdessen für ein Jurastudium, um danach in den Höheren Dienst einzusteigen und von dort aus bei der Polizei Karriere zu machen.

Doch dann kam alles ganz anders, denn ein Vorteil des langen Jurastudiums war: Ich konnte ausprobieren, was mir Spaß macht. Die Idee mit dem Höheren Dienst bei der Polizei habe ich dann relativ schnell wieder an den Nagel gehängt. Ich wollte auch weder Anwalt noch Richter werden. Mein Plan war, während des Studiums viele Praktika zu machen, viele verschiedene Jobs anzunehmen und möglichst viele Branchen kennenzulernen. Begonnen habe ich als Werkstudent bei der Münchner Rück, anschließend war ich Praktikant bei der Deutschen Bank. Und dann kam schon die erste unternehmerische Aufgabe: Dank einer Gesetzesänderung durften private Unternehmen zum ersten Mal Personal vermitteln, bis dato lag diese Aufgabe allein in der Hoheit der Arbeitsämter. Ich hatte jemanden kennengelernt, der von Stuttgart aus eine Personalvermittlung für Studenten und Absolventen aufziehen wollte und Leute für den Aufbau des Münchner Standorts suchte. Ich konnte mir ein Team aus fünf Personen zusammenstellen, bekam ein Budget und [22]konnte sehr selbstständig als eine Art Franchise-Unternehmer den Münchner Standort hochziehen. Einen festgelegten Betrag mussten wir an die Stuttgarter Firma abgeben, den Rest konnten wir behalten Die Niederlassung lief so gut, dass sich die Gründer nach gut einem Jahr jemanden wünschten, der sich Vollzeit um das Geschäft vor Ort kümmert. Ich entschied mich dagegen, weil ich mein Studium zu Ende machen und außerdem mein Leben nicht in der Personalbranche verbringen wollte. Aber: Mir war ab diesem Zeitpunkt klar, dass ich gerne unternehmerisch tätig bin.

Der Job, der dann folgte, weckte meine Faszination für die Technologiebranche: Es war um die Jahrtausendwende, die ersten digitalen Endgeräte wurden nach und nach massentauglich und verbreiteten sich auf dem deutschen Markt. Meine Aufgabe war es, den Absatz der Organizer – das waren die Vorläufer der Smartphones – von Palm und Microsoft in großen stationären Geschäften anzukurbeln. Der Hauptsitz von Palm war im kalifornischen Santa Clara und es traf sich gut, dass wir uns im Referendariat im Rahmen des Jurastudiums aussuchen konnten, wo und in welchem Unternehmen wir unser Pflichtwahlpraktikum absolvieren. Also habe ich die Chance genutzt und mein Praktikum in der Rechtsabteilung von Palm in Kalifornien gemacht.

Während dieser Zeit habe ich im Silicon Valley sehr viele Leute aus der Tech-Szene kennengelernt und in mir keimte die Idee, in München ein eigenes Unternehmen zu gründen. Schon damals gab es durch den Einsatz der ungeschützten mobilen Geräte riesige Sicherheitsprobleme und aus den USA wusste ich, dass es Software-Anwendungen gab, die diese Probleme lösen. Also habe ich die Firma Ubitexx gegründet, um in den Firmen Schulungen anzubieten und die entsprechenden Software-Lösungen zu verkaufen. Das war im Jahr 2002.

Fast zeitgleich schloss ich mein Studium ab. Ubitexx wurde größer und größer. Bei uns herrschte eine unvergleichliche Euphorie in diesen Aufbaujahren. Es gab einen Riesenbedarf, der noch viel [23]größer wurde, als sich die Smartphones etablierten. Wir waren mit unserer Softwarelösung sehr früh sehr weit und somit echte Vorreiter. Im Jahr 2010 begann sich der Markt zu konsolidieren. Deshalb entschieden wir uns, aktiv den Verkaufsprozess anzustoßen. Am Schluss lagen uns drei Angebote vor, darunter eines von Blackberry. Am 2. Mai 2011 übernahm Blackberry unsere Firma Ubitexx.

Blackberry war zu dieser Zeit auf dem Höhepunkt seines Erfolges, es war ein aufsehenerregender Deal und ein Wahnsinnserfolg, der damals auch öffentlichkeitswirksam durch die Presse ging. Dieser Verkauf war ein beruflicher Meilenstein für mich. Ich hatte mir das Ziel gesetzt, Ubitexx irgendwann zu verkaufen und nun war dieses Ziel erfüllt. Diesen Erfolg habe ich sehr genossen. Aber schon damals war mir klar: Ein lang ersehntes Ziel zu erreichen, trägt eine Weile. Und dann nicht mehr.

Die Riesenfreude bei der Zielerfüllung ist eine Momentaufnahme, ein Peak, und dieser Peak flacht relativ schnell wieder ab. Ich bin damals einige Wochen auf der Erfolgswelle geschwommen. So lange hatte ich auf dieses Ziel eines jeden Start-up-Unternehmens hingearbeitet und nun war es erreicht. Und dann? Dann war es keineswegs so, dass sich für den Rest des Lebens immerwährendes Glück und Zufriedenheit einstellen.

Viele Menschen träumen davon, ihren ungeliebten Job zu kündigen, und sagen, sie würden es sofort tun, wenn sie nur genug Geld hätten. Einige sagen, sie würden es machen, wenn sie 100.000 Euro hätten, andere meinen, es müssten mindestens mehrere Millionen sein. Es ist sehr unterschiedlich, was Menschen gefühlt brauchen, um sich finanziell sicher zu fühlen.

Ich hatte vor dem Firmenverkauf 250.000 Euro Schulden, denn ich hatte selbst Geld ins Unternehmen gesteckt, weil Ubitexx während der Finanzkrise 2008/2009 kurz vor der Insolvenz gestanden und ich mir in dieser schwierigen Zeit von der Bank und von meiner Familie Geld geliehen hatte. Eine Viertelmillion Euro ist ein Haufen Geld, trotzdem hatte ich nie Probleme mit diesen [25]Schulden, sondern immer das Grundvertrauen, dass ich sie irgendwann begleichen kann.

[24]

Die Riesenfreude bei einer Zielerfüllung ist eine Momentaufnahme, ein Peak, und dieser Peak flacht relativ schnell wieder ab. Ich bin damals einige Wochen auf der Erfolgswelle geschwommen. So lange hatte ich auf dieses Ziel eines jeden Start-up-Unternehmers hingearbeitet und nun war es erreicht. Und dann? Dann ist es keineswegs so, dass sich für den Rest des Lebens immerwährendes Glück und Zufriedenheit einstellen.

Mich haben die Schulden nicht gestresst. Genauso wenig hat es mich gestresst, nach dem Verkauf plötzlich sehr viel Geld zu haben. Es gibt eine Menge Menschen, die sich ständig darüber Gedanken machen, wie sie ihr Geld so sicher anlegen, dass sie es nie wieder verlieren können. Auch ich war nach dem Verkauf von Ubitexx plötzlich von Beratern umringt, die mir etwas von Schiffsbeteiligungen, Immobilien, Gold und Steuersparmodellen erzählt haben. Natürlich habe ich darüber nachgedacht – und dankenswerterweise einen Unternehmer getroffen, der gesagt hat: »Markus, ich habe den ganzen Mist gemacht und versucht, Steuern zu sparen. Mach nichts davon, zahl deine Steuern ganz normal und hör auf, Dir darüber Gedanken zu machen, denn es lohnt sich nicht und führt nur dazu, dass Du Dir Sorgen machst, ob diese Konstrukte auch halten.« Ich bin seinem Rat gefolgt und habe das nie bereut. Wer ständig fürchtet, dass die Aktienkurse sinken oder Immobilienpreise fallen, macht sich mit viel Geld genauso verrückt wie die Menschen, die hohe Schulden haben und ständig überlegen, wie sie sie tilgen können. In beiden Fällen sind die Menschen vom Geld gestresst, ich glaube, das ist eine ähnliche Energie.

Für mich hat sich das Leben mit Geld nicht grundlegend geändert. Natürlich ist es einfacher, wenn man nicht ständig darauf schauen muss. Und, ja, man braucht Geld, es macht unabhängig. Meine persönliche Lebenserfahrung ist aber, dass, sobald ein gewisser Grundstock vorhanden ist, mehr Geld nicht glücklicher macht. Für viele Menschen mag das vielleicht abgehoben klingen und nur schwer nachvollziehbar sein. Es gibt aber tatsächlich zahlreiche Wohlhabende, die davon berichten, dass ihre finanzielle Unabhängigkeit ihnen kein erfüllteres Leben beschert hat. Auch mein Leben hat mich gelehrt, dass das Glück auch und vielleicht sogar entscheidend davon abhängt, welche Einstellung man hat, und nicht, dass man aus Geld noch mehr Geld macht.

[26]Beruflich erfolgreich, privat einsam

Bei Blackberry begann für mich eine unglaublich spannende Zeit. Das Unternehmen beschäftigte damals weltweit gut 20.000 Leute und erwirtschaftete zum Übernahmezeitpunkt von Ubitexx knapp 20 Milliarden US-Dollar Umsatz. Das war für mich eine neue Welt. Meine Aufgabe nach der Übernahme war es, unsere Firma in Blackberry zu integrieren. Zuerst einmal ging es darum, so einen Konzern überhaupt zu verstehen und dann auch intern Lobbyarbeit für unsere Software zu machen – wir mussten die neuen Kolleginnen und Kollegen erst noch davon überzeugen, dass das, was Blackberry mit uns gekauft hatte, auch sinnvoll war. Diesen Job hatte ich nach ungefähr einem Jahr erledigt, musste aber vertraglich mindestens zwei Jahre bleiben. Blackberry hatte zu dieser Zeit keine Verwendung für mich, also gewährte mir das Unternehmen eine Art Sabbatical. Damit begannen für mich Monate, in denen ich Dinge machen konnte, die mich immer schon interessiert hatten, für die aber in meinem Leben kein Platz gewesen war: Ich belegte Salsa-Kurse, machte eine Ausbildung zum Hypnosetherapeut und eine Sprecherausbildung fürs Radio. Eine Zeitlang hatte ich sogar bei einem Studentensender eine eigene Sendung. Es war herrlich.

Kurz bevor das Jahr vorüber war, wusste ich: Jetzt kann ich kündigen. Aber statt mich zu verabschieden, bot mir der Blackberry-CEO an, Deutschland-Chef zu werden. Die deutsche Zentrale war in Düsseldorf, es gab noch einen Standort in München und ein Werk in Bochum. Eine größere Organisation zu steuern, fand ich interessant, weil herausfordernd. Ein Jahr später wiederholte sich das Spiel in ähnlicher Weise: Es gab erneut einen CEO-Wechsel und der neue Chef wollte frischen Wind in der Führungsriege. Den Top-Führungskräften wurde freundlich nahegelegt, doch zu gehen, wenn sie möchten. Also habe ich erneut gesagt, dass ich Blackberry verlassen wolle. Statt auf mein Angebot, Blackberry [27]zu verlassen, einzugehen, bot man mir dieses Mal die Position des Europa-Chefs an. Damit hatte ich dann Verantwortung für rund 4.000 Mitarbeitende und über eine Milliarde Dollar Umsatz.