Im Bann des Walknut: Fallende Banner - Rolf Suter - E-Book

Im Bann des Walknut: Fallende Banner E-Book

Rolf Suter

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Beschreibung

Donnan verspricht Aethelbald einen Flecken seiner Wahl auf seinem Land, um darauf eine Kirche zu bauen. Er opfert dabei ungewollt den Frieden mit ihren alten Göttern – mit schwerwiegenden Folgen. Auch im Süden gab es Veränderungen. Nach dem Fall von Bebanburg bietet Eric Gudrun mitsamt allen, die sie begleiten wollen, Obdach in seiner Gemeinschaft. Veränderungen auch im Norden: Luag schien machtlos. Familien aus Luags Gefolge zogen unzufrieden mit der neuen Regierung zu Eric. Ihr Dorf wächst und blüht. Bei einem Besuch bei seinem Freund Donnan lernt Eric den neu gewählten Grosskönig Domnall kennen, aber die beiden finden nicht zueinander. Auch Domnalls Nachfolger Donald erweist sich als der gleiche Fanatiker. Wieder beginnt Krieg zwischen den Glaubensrichtungen. Der macht auch vor Eric und seinen Leuten nicht Halt. Als alles zerstört ist, beginnt Eric einen Rachefeldzug und hinterlässt eine Spur des Blutes.

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Im Bann des Walknut
Band 5
Fallende Banner
Traurige Heimkehr
Veränderungen
Gudrun und Aethelbald
Aethelbalds Land
Zeichen
Krieg, Freunde und Tod
Angst und Bestätigung
Ruf nach Rache
Feuer, Brand und Ragnall
Nordhumbrien
Sturm und blutige See
Tote Freunde und Constantins Vergeltung
Ceards Erzählung
Nachwort
Danksagung
Glossar

 

 

 

Im Bann des Walknut

 

Band 5

 

Fallende Banner

 

von

 

Rolf Suter

 

 

 

 

ELVEA

 

Impressum

 

www.elveaverlag.de

Kontakt: [email protected]

© ELVEA 2021

 

Alle Rechte vorbehalten.

Das Werk darf, auch teilweise,

nur mit Genehmigung des Verlages

weitergegeben werden.

 

Lektorat: Michael Lohmann

 

Covergestaltung/Grafik: ELVEA

 

Coverfotos: Michael Bescec, Jiri Plistil, Andrey Kuzmin

 

Layout: Uwe Köhl

 

Projektleitung

 

 

www.bookunit.de

 

Autor

 

 

Rolf Suter, geboren 1959 in Zürich/Schweiz, hat einen handwerklichen Beruf gewählt, den des Malers. Geschichte im Allgemeinen faszinierte ihn schon seit früherster Jugend, hauptsächlich die Geschichte der Germanenstämme und der Kelten – vor allem die der Nordgermanen, der Wikinger. Ihre Epoche, ihr Glauben und die Runen ziehen ihn noch jetzt in Bann.

Nach vielen Reisen nach Skandinavien und England, Besuchen an den Schauplätzen der Geschichte entstand dieses Werk. Suter kennt jeden der Orte, die er beschreibt, er ist Fachmann für die Mythologie der Wikinger. Alle nachprüfbaren Behauptungen seines Werks stimmen.

 

 

 

 

Traurige Heimkehr

 

Gloi kehrte schneller zurück, als ich mir gedacht hatte. Er öffnete seinen Schnabel und ließ die Papierrolle in meine Hand fallen. Ich löste den Faden, der die Rolle zusammenhielt, und las. Donnan schrieb kurz: Das werde ich veranlassen. Brauche aber noch sicher zwei Tage, bis wir euch erreichen. Schicke deinen Vogel zurück. Er weiß, wo ihr seid, und kann uns leiten. Donnan. Ich lachte vor Freude. Sah Gloi an und sagte zu ihm.

»Kehre zu Donnan zurück und zeig ihnen, wo wir sind. Wo wir auf die Boote warten.«

Dabei fuhr ich ihm über seine feinen Kopffedern. Er genoss es sichtlich; Gloi legte seinen Kopf an meinen. Er gurgelte zufrieden vor sich hin. Nun wurde mir wieder bewusst: Ich hatte mich zu wenig um ihn gekümmert, ihm zu wenig Zuneigung entgegengebracht. Gloi, der immer zu mir stand. Hilds Geschenk. Mein Freund. Fein führte ich meinen Finger an seinen Hals zu seinem Bauch. Er genoss es und streckte seinen Kopf in die Höhe und seine Beine streckten sich. Sein Bauch knurrte.

»Du hast Hunger.«

Er sah mich kurz an, dann legte er seinen Kopf wieder an meinen. Ich hatte verstanden. Mit ihm auf meiner Schulter ging ich zurück zu unseren Vorräten, schnitt ein kleines Stück Trockenfleisch ab, rupfte es auseinander und reichte es ihm. Gloi schlang es herunter und labte sich an der Schale mit verdünntem Met. »Bleib heute an meiner Seite und flieg morgen zu Donnan zurück.«

Er blickte in den dunkel werdenden Himmel und willigte ein. Wir gingen zusammen zurück an die Küste. Ich legte mich in einer Düne hin und deckte mich mit einer Decke zu. Gloi setzte sich nahe an mich und schloss seine Augen.

Am folgenden Morgen, das erste Licht des Tages zeigte sich noch fahl und schwach, weckte mich Gloi. Er teilte mir mit, dass er nun zurück zu Donnan fliege und den Schiffen den richtigen Kurs zeigen werde. Ich nickte ihm zu. Hob ihn hoch, wobei er sich mit einem Krächzen verabschiedete, seine Schwingen entfaltete und sich mit kräftigen Schlägen in die Lüfte hob. Zielstrebig flog er fort und verschwand als kleiner Punkt über der See. Als ich ihn nicht mehr sah, ging ich zurück zu unserer Zeltstadt.

Ich erkannte einige Späher am Horizont, die, wie jeden Tag, nach uns Ausschau hielten. Sie ließen uns aber unbehelligt. Jarl Baard, wenn er noch lebte, hielt sein Wort. Wir versorgten unsere Verwundeten und begruben jene mit schwerem Herzen, die es nicht geschafft hatten, in einem Grab, das eine Form eines Schiffes hatte. An Kopf und Ende stand ein großer Stein. Ihnen folgten kleinere, die sich beidseitig in einem Halbkreis auf dem anderen großen Stein angeordnet hatten.

Egil hatte Glück. Ihm standen die Götter zur Seite. Langsam kehrte Leben in ihn zurück. Dabei zahlte er einen hohen Preis. Wir mussten sein linkes Bein amputieren. Dies übernahm Hugh mit seiner Axt. Seine schwere, scharfe Klinge trennte mit einem Schlag sauber sein zerfetztes Bein unterhalb seines Knies ab. Björn, der sein Bein festhielt, sagte: »Ich schnitze ihm seine Krücke.«

Was er auch am folgenden Tag tat – aus einem Stück Treibholz, das er am Strand gefunden hatte. Am Abend saßen wir am Feuer zusammen, als ich zu Halfdan sagte: »Mach die Männer bereit. Wir werden in den nächsten Tagen abgeholt.« Er hob seinen Becher.

»Wird auch Zeit, dass wir von hier wegkommen.«

In der Zeit, in der wir auf unsere Rettung warteten, halfen wir den Verwundeten. Wenn ich Zeit fand, ging ich zum Strand und hielt nach Segeln Ausschau.

Eines späten Morgens kreiste Gloi über uns und krächzte: »Die Schiffe kommen«, sagte ich freudig zu Hugh und eilte zum Strand. Gloi flog über mich hinweg, zurück zu den Schiffen, um ihnen den Weg zu weisen. Zuerst sah ich ein Segel, dann ein zweites und am Schluss ein drittes. Ich jubelte vor Freude und winkte ihnen zu.

Ich rannte zurück in unser Lager und rief: »Sie kommen uns holen. Drei Schiffe sind es. Packt alles zusammen und macht euch bereit.«

Björn folgte mir zum Strand zurück, unsere Fahne fest in seiner Hand. Zusammen standen wir am Strand und Björn schwenkte unsere Fahne hin und her. Die Schiffe schwenkten ein und kamen auf uns zu. Wir warteten, bis die Kiele schleifend auf den Strand aufliefen, wobei ihr Gewicht den Sand zur Seite schob.

Vali stand im ersten Schiff zuvorderst am Steven: »Eric und Björn. Schön euch zu sehen.«

Er sprang herunter. Noch nie hatte ich mich so gefreut wie heute und drückte Vali an mich.

»Danke dir und schön dich zu sehen.«

»Das wurde auch Zeit, dir einmal zu helfen, also verschone mich mit Heucheleien.«

Er gab mir einen Stoß, der so stark war, dass meine Wunde an der Brust wieder aufbrach und zu bluten begann. Ich spürte es schnell. Die Feuchtigkeit, die mein Hemd nässte und es an meinen Körper zog. Vali sah es nicht, da er gerade Björn umarmte und begrüßte.

Danach rief er einige Befehle und Männer sprangen von Bord. Einige rannten voll bewaffnet an die Seiten, um Schiffe und uns zu schützen. Andere warfen Tragbahren herunter und folgten uns. Vali holte mich ein. Ich zeigte ihnen an der Spitze gehend den Weg.

»Du hast mir einen rechten Fluch mit deiner Heilkraft auferlegt«, sagte er. Ich blieb stehen und sah ihn an. Dann nickte ich ihm zu.

»Ja, das stimmt Vali. Aber ohne diesen Zauber hätte ich dich nicht retten können. Nimm es als ein Geschenk an.«

»Das stimmt und ich genieße es. Ich bin schneller in meinen Bewegungen und Reflexen sind besser als früher. Ich höre viel besser, rieche viel besser und sehe viel besser, auch in dunkelster Nacht.«

Ich schmunzelte und nickte.

»Und wie ich sehe, hat sich dein Körper auch verändert. Er scheint mir muskulöser als früher und du bist größer geworden.« Vali sah an sich herunter. »Was meinst du damit? Du hast meinen Schwengel noch nie gesehen.«

Ich gab ihm einen Knuff.

»Das wird deine Frau Moire besser wissen als ich. Ich habe es ihr gesagt, dass du dich verändern wirst, dass sie dich anders wahrnehmen und spüren wird. Dass sie aber keine Angst davor haben muss. Bist du noch mit ihr zusammen?«

»Aber sicher. Und ich glaube, sie ist mit mir noch zufrieden.«

Er kratzte sich am Kinn und schmunzelte mich an: »Was das Bett angeht, wenn du das meinst …«

Ich schüttelte meinen Kopf.

»Dummkopf. Als würde mich das interessieren, wie du es mit ihr treibst.«

Vali schmunzelte und nickte.

»Ich weiß, was du damit meinst. Und ja wir sind noch fest miteinander verbunden. Moire verstand meine Veränderung am Anfang nicht und zeigte sich unsicher mir gegenüber. Aber das hat sich gelegt und sie hat es akzeptiert. Ich glaube, sie liebt mich noch immer. Nein, ich weiß es und ich liebe sie wie am ersten Tag.«

»Gut, Vali. Sehr gut. Niemand stützt einen Mann mehr als eine Frau, die einen liebt. Ehre sie, verteidige sie und vor allem behüte sie.«

»Ja das werde ich, mein Jarl. Noch will ich dir sagen. Moire ist von mir schwanger, nun im siebten Monat. Wir erwarten ein Kind, Eric.«

Strahlend stand er vor mir und sein Grinsen sagte mir alles. Ich klopfte ihm auf die Schultern.

»Ich bin stolz auf dich, Vali. Bald hast du Nachwuchs, hast eine Familie, lebst an einem Ort, umgeben von Freunden. Stehst Donnan zur Seite und machst, was in deiner Macht steht, für ihn und die Seinen. Bist als Nordmann aufgenommen, und sie hören auf dich und was du sagst. Was willst du mehr?«

Er nickte, senkte dabei aber seinen Kopf.

»Ich weiß und gebe dir recht. Aber als ich meinen kleinen Bruder, lebend und winkend in meine Arme genommen habe …« Er schüttelte seinen Kopf und wollte so seine Tränen verbergen.

»… ich habe gedacht, er sei tot. In der Schlacht gefallen. Vor allem nach deiner Botschaft, die du uns durch Gloi überbringen ließest. Ich sagte zu Donnan, bat ihn, mich zu schicken, um euch zu retten im Gedanken, dass du mir seinen Leichnam zeigst oder den Ort, wo er starb.«

»Meinen Meisterschützen. Er hat dasselbe Geschenk von mir erhalten. Nein, es bedurfte mehr. Er wird bald so sein wie Hugh, Björn und ich. Ein Krieger Odins.«

Vali nickte und hieß es gut, als er sagte: »Ich war es, der Donnan sagte, dass ich zu euch segeln wollte, um euch zurückzuholen. Er willigte auch gleich ein und wir zogen an die Küste. Zu einem Dänen, der Donnans Einwilligung bekam, an der Küste zu siedeln. Er stellte seine Schiffe sofort zur Verfügung und willigte ein, den Drachen selbst zu steuern. Es ist ein guter Mann, Eric, und wir hegen gute Beziehungen zu ihm und seiner Familie.«

»Das ist gut so. Nicht alle von uns oder den Dänen sind schlecht und machtgierig. Das beweist er, sonst wären wir nicht hier.«

»Das stimmt, was du sagst, Eric. Wir werden ihn hier sicher noch sehen. Er ist häufig in der Stadt. Verkauft frischen Fisch und Handelswaren. Aber sieh, wer noch mitgekommen ist.«

Bewaffnete Krieger sprangen aus dem Langschiff und kamen auf uns zu. Sie grüßten mich mit Handschlag: Craeg und Kegan, gefolgt von Teigen und Seoc. Sie lachten alle, als sie mich sahen und begrüßten mich. Teigen sagte zu mir bei der Begrüßung.

»Schön, dich lebend zu sehen, Eric. Wir werden für dich und deine Männer Wache stehen und euer Leben verteidigen.«

Ich dankte ihm, auch Seoc. Der sagte: »Wir sind gern gefolgt, um dich und die Deinen zu retten.« Ich nickte ihm dankend zu.

Vali fragte: »Wo sollen wir helfen?«

»Haltet die Schiffe bereit. Ich eile zurück und bringe alle hier her.«

»Brauchst du noch Männer, um deine Verwundeten zu bergen?«

»Nein. Das glaube ich nicht, Vali. Aber hilf, sie an Bord zu hieven.«

»Das werden wir und wir legen erst ab, wenn alle an Bord sind, Eric.«

Ich dankte ihm und eilte zurück. Weit musste ich nicht gehen, bis ich auf die Ersten traf, die mir entgegenkamen. Ich wies ihnen den Weg. Es folgten immer mehr. So schnell es ging, wurde das Gepäck verstaut. Männer kletterten auf die Schiffe und am Schluss hoben wir die Verwundeten hoch. Dabei waren auch noch einige, bei denen wir nicht sicher waren, ob sie es schaffen würden. Sie standen kurz, davor die lange Reise anzutreten, um dann erlöst an einem besseren Ort weiterzuleben. Hugh und Halfdan bildeten das Schlusslicht.

Halfdan rief zu mir herüber. Ich stand noch bis zu meinen Hüften im Wasser: »Wir sind die Letzten, Eric, uns folgen nur noch Teigen und Seoc.«

Der rief: »Wir sollten gehen. Hinter uns sind Späher.«

Ich wusste, um welche es sich handelte.

»Stoßt die Schiffe zurück und dann in die Schiffe mit euch.« Die beiden kleineren Schiffe waren schnell zurück im Wasser. Das Langschiff brauchte mehr Muskelkraft. Am Ende knirschte es über den Sand und harte Ruderschläge brachten es zurück ins Meer. Ich schaute zurück und konnte die Späher noch erkennen. Sie sahen zu uns herüber. Blieben aber stehen, um zu sehen, welchen Kurs wir einschlugen. Noch immer blickte ich auf die Küste des Landes, das uns so viele Schmerzen bereitet hatte. Das Land entfernte sich langsam.

Gloi, der auf meiner Schulter saß, flüsterte mir ins Ohr: »Endlich haben wir das verdammte Land verlassen und kehren dorthin zurück, wo wir hingehören.«

Ich nickte. Dann setzte ich mich mit ihm auf eine Ruderbank, fasste ein Ruder und zog mit Schmerzen in der Brust im Rhythmus der anderen, bis das Segel gesetzt werden konnte und die Ruder eingezogen wurden. Mit Gloi zusammen ging ich zum Heck des Schiffes zurück und blickte auf das Land, das immer kleiner wurde und als Landstrich langsam verschwand.

Mit dem Kleinerwerden des Landes kamen mir die Gedanken zurück. Wie erkläre ich Gudrun – oder Alfyn, wie ihre angelsäxischen Bewohner sie nannten – den Tod ihres Bruders. Geiris Tod. Die Niederlage.

Gedanke um Gedanke brannte in mir – wie Wellen, die unser Schiff hoben und senkten. Gloi der immer noch auf meiner Schulter saß, blickte zu mir und seine gurgelnden Worte sagten mir: Lass es sein! Zu viele Gedanken für etwas, das keiner mehr von uns ändern kann. Es kommt, wie es kommen muss!

Ich nickte stumm. Gloi fragte mich: Soll ich in die Luft aufsteigen und uns den Weg zeigen. Nein, erwiderte ich ihm in meinen Gedanken. Ich will dich bei mir spüren, mein Freund und blickte zu ihm hoch. Unsere Blicke trafen sich. Er streckte sich und ließ ein wohliges Krächzen hören, rückte noch näher zu mir und legte seinen Kopf auf meinen. Ich drehte mich um und sah nun über das Schiff und seine Mannschaft in die graue See vor uns. Die anderen Schiffe folgten uns. Mein Blick erkannte Vali, der mit seinem Bruder Skefill am Bug des Schiffes stand und angeregt plauderte. Ich blickte zum Steuermann und nickte ihm zu, dann setzte ich mich etwas abseits der anderen auf eine Ruderbank. Ich sah, wie Hugh sich um die Verwundeten kümmerte.

Björn trat zu mir.

»Lass mich deine Wunden ansehen und sie neu verbinden.«

Ich nickte. Gloi verstand es und hüpfte von meiner Schulter neben mich auf die Bank und sah zu, wie ich mein Hemd auszog. Björn sah sich meine neu blutverkrustete Wunde an der Schulter an, wusch sie und verband sie neu – auch die Wunde, die sich über meinen Oberbauch und weiterzog.

Dabei sagte er ernst: »Eric, mein Jarl, du solltest nicht mehr rudern. Überlass das uns. Ruhe dich aus und lass die Wunden verheilen.«

Er legte Kräuter auf und verband es neu. Nickte mir zu und ließ mich mit Gloi zurück.

Später saßen Hugh, Björn und ich zusammen. Stumm saßen wir uns gegenüber. Niemand sah sich um, nur unsere Körper hoben und senkten sich mit dem Schiff und den Wellen, die es hob und senkte.

Hugh brach das Schweigen.

»Ich habe wie Björn auch in so vielen Schlachten gestanden. Wir trugen Siege ein oder mussten uns geschlagen geben.«

Er blickte auf und sah uns alle an.

»Aber eine solche Schmach an einer verlorenen Schlacht, habe ich noch nie erlebt.«

Björn blickte zu Hugh und gab ihm recht.

»Ich hätte auf Odin und Thorgunna hören sollen«, sagte ich. »Aber ich glaubte, es besser zu wissen. Und nun bringen wir nicht Kisten gefüllt mit Gold und Silber zurück. Nur ein Schwert eines treuen Freundes an seine Schwester. Krüppel und verlorene Träume. Das ist unsere Strafe.«

Björn sah mich ernst an und sagte: »Was soll das, Eric? Du trägst keine Schuld. Wir folgten dir, wie sie alle ihren Führern folgten. Im Nachhinein ist man immer klüger und doch hast du Hakons Freundschaft unterstützt und ihm zur Seite gestanden.«

Ich nickte und seufzte tief: »Nun wird mein schwerster Gang kommen.«

Sie sahen mich stumm an und jeder von ihnen wusste, was ich meinte: den Gang zu Gudrun. Hugh und Björn sahen sich an. Hugh blickte unter seinen buschigen Augenbrauen zu mir. Seine Muskeln spannten sich.

»Wir stehen dir wie immer zur Seite. Wir folgen dir.

Auch Halfdan, der auf dem anderen Schiff ist, wird mitkommen. Das weiß ich. Wir stehen dir zur Seite. Keine Angst.«

Ich dankte ihnen. Unsere heimische Küste wurde sichtbar, doch die Zeit, bis unsere Schiffe auf den Strand aufliefen, nahm ich nicht wahr. Erst das Knirschen des Holzes auf Kies brachte mich zurück. Das Entladen begann und dann machten wir uns auf den langen Weg in Donnans Burg. Es war strapaziös, mit dem Gepäck und den Verwundeten auf ihren Bahren.

Wir wurden schon erwartet. Luren bliesen und laute Stimmen waren auf dem Wall zu hören. Männer rannten uns auf der Holzbrücke entgegen. Vali führte uns an. Donnan stand am Tor und begrüßte uns freudig. Seine offenherzige Begrüßung ließ mich meine düsteren Gedanken vergessen.

»Endlich konnte ich einmal etwas für meine Freunde tun. Es tut mir nur leid, dass ich erst Schiffe finden musste, und dadurch viel Zeit verlor«, sagte er und begrüßte Hugh, Björn und Halfdan wie mich mit einer Umarmung. Die Verwundeten wurden untergebracht und frisch versorgt. Um Egil kümmerte ich mich persönlich, wobei Aethelbald immer an meiner Seite stand und mir zusah.

»Du verstehst viel von der Heilkunst. Eric, das muss ich zugeben. Ich lerne jeden Tag was Neues dazu und vieles hatte ich nicht gekannt.« Ich schmunzelte ihm zu und klopfte ihm auf die Schulter.

»Dann lerne weiter und behalte es in deinem Gedächtnis, sodass du es selbst einsetzen kannst.«

Für Rjurik und Torkel waren die Strapazen zu hoch gewesen. Sie traten die Reise zu den Göttern an.

Am nächsten Tag ging ich zu Donnan. Ich wollte von ihm wissen, was in diesem Dreivierteljahr unserer Abwesenheit hier geschehen war. Besser gesagt, was er mir dazu sagen konnte.

In seiner Halle war er nicht, aber ein Sklave sagte mir, dass ich ihn sicher bei den Pferden finden würde. Ich ging dorthin, wo er mir den Weg beschrieben hatte. Donnan war dort und beobachtete genau, wie Reiter mit ihren Pferden Angriff und Verteidigung übten. Ich rief ihm zu. Er drehte sich zu mir um und winkte.

Dann kam er auf mich zu: »Meine neue Truppe. Berittene Krieger. Sie sind so schnell wie ihr, wenn ihr verwandelt rennt.« Ich nickte.

»Hast du etwas Zeit für mich?«, fragte ich ihn. Er nickte und legte seine Hand auf meine Schulter.

»Immer, mein Freund. Aber das besprechen wir in meiner Halle, bei einem großen Krug Ale.«

Wir gingen zurück, betraten seine Halle. Er hielt eine Bedienstete an und sagte: »Veranlasse, dass Binsen und neues Holz in das Langfeuer geworfen werden. Es ist kühl in dem Raum.«

Sie nickte und rannte fort. Er rief ihr nach: »Und lass uns einen großen Krug Ale bringen.« Sie blieb stehen, sah zu ihrem Herrn zurück und nickte.

Wir setzten uns an einen Tisch. Diener kamen angerannt, warfen Binsen und Holzscheite in das Langfeuer. Schnell loderten die Flammen empor. Erhellten den Raum und brachten Wärme zurück.

Donnan kam mir zuvor und fragte: »Erzähle mir alles. Von Anfang an. Vom Tag eurer Abreise.«

Wir wurden unterbrochen. Ein junges Ding mit zittrigen Händen trat zu uns. Verneigte sich und mit gesenktem Kopf stellte sie den Krug und zwei Becher hin. Donnan dankte ihr, fasste beide Becher. Er erhob seinen.

»Auf eure Rückkehr. Und nun erzähle mir alles.«

Nach einem großen Schluck Ale begann ich zu erzählen. Von unserem Aufbruch aus unserem Dorf. Das Zusammentreffen mit Hakon und die verlorene Schlacht unter Guthrum gegen den Saxenkönig Aelfred. Unser Zug mit seinem Bruder Halfdan nach Dyflinn. Den Verrat, den er an dem König dort begangenen hatte und dann der verhängnisvolle Feldzug gegen Jarl Baard. Er hörte mir angespannt zu. Ließ mich reden. Unterbrach mich nie, hörte nur zu. Ich war fertig und trank. Sah ihn an, wie er noch gebannt von mir und meiner Erzählung dasaß.

»Ich will dir abermals herzlich für deine Schiffe und unsere Rettung danken, Donnan.« Er winkte lachend ab und trank einen Schluck aus seinem Becher und sagte: »Du willst nun sicher wissen, was hier alles geschah. Habe ich recht?« Ich nickte. Seine Mundwinkel hoben sich. Er schenkte uns neu ein.

»Dann lass mich erzählen. Als wir vernommen hatten, dass du und deine Männer Hakon unterstützest und mit ihm ziehst, befahl ich Vali, ein wachsames Auge auf euer Dorf und Land zu haben. Er organisierte alles und beteiligte sich selbst daran. Er befragte reisende Händler, die auf den Handelsstraßen fuhren, die von Gudrun kamen. Aber es war, wie es sein musste. Alle waren zufrieden. Nichts geschah. Die Straßen waren sicher. Euer Land und Dorf sicher und ruhig. Für uns gab es keinen Grund einzugreifen.« Darüber war ich sehr erleichtert und mir fiel ein Stein vom Herzen. Ich nickte ihm zu.

»Ich danke dir, mein Freund, für alles, was du getan und veranlasst hast.« Er winkte ab und sagte laut: »Sei still nun und höre zu, was ich dir nun erzähle.«

Ich stutzte kurz, als er anfing zu sprechen: »Ich war noch ein junger, ungestümer Mann, als ich mit meinem Vater in den Krieg zog. Mein größter Wunsch war es, ihm zu beweisen, dass ich schon erwachsen war. Ein Krieger, der den Verlust meines älteren Bruders ersetzen konnte. Es kam zu einer Schlacht. Ich wurde dabei schwer verletzt. Man trug mich vom Blutfeld. Ich lag verblutend auf einem Bett, meines Vaters Anwesenheit bewusst. Da trat ein Nordmann an meine Bettstatt. Er half mir und pflegte mich mit seiner nordischen Magie, die ich bis heute noch nicht verstehe. Aber ich überlebte, dank ihm. Er war es auch, der zu unserem Volk stand und uns half – mit seinen Freunden zusammen. Wir konnten unser Land, unsere Grenzen halten und sichern. Einer seiner Gefolgsmänner steht in meinen Reihen. Ein guter Mann. Der Handel blüht wieder, wie es einst mein Vater gewollt hätte. Dieser Mann sitzt auf der anderen Seite des Tisches. Ich bin froh, dich zu kennen, und verdanke dir mein Leben. Ohne dich wäre ich tot, Eric. Das, was ich tun konnte, war nur der geringste Teil, den ich dir geben konnte, und dies erscheint mir als unwichtig. Also lieg mir nicht ständig in den Ohren damit.«

Er nickte.

»Hast du mich verstanden?«

Ich akzeptierte es stillschweigend. Wusste es aber zu schätzen.

»Weißt du, was mit Luag geschehen ist?«

»Darauf kann ich dir keine Antwort geben, Eric. Ich habe ihn schon lange nicht mehr gesehen oder etwas von ihm vernommen. Da musst du zu Vali. Vielleicht weiß er mehr. Aber was ich dir mit Sicherheit sagen kann, ist, dass der ausgerufene König … « Er sah mich ernst an. »… von Giric und seinem Neffen Eochaid erschlagen wurde, seine Frau auch, und sie die Macht über das Land ergriffen es an sich gerissen haben. Aber bis zum heutigen Tage habe ich noch keinen von ihnen gesehen. Es besuchten uns nur Abgesandte von ihnen. Sie lassen uns gewähren. Vielleicht auch, weil sie wissen, dass wir ihre südlichste Bastion gegen die feindlichen Nordländer sind. Wer weiß, Eric.«

Er sah sich erneut um.

»Aber was ich gehört habe, von Nachbarclans … die Stammesführer … sie sind mit ihnen nicht zufrieden. Beide müssen machtgierig sein.«

Ich nickte.

»Also keine gute Situation wie mir scheint.« Er beugte sich zu mir und flüsterte: »Aber eine Wende könnte stattfinden.«

»Was heißt das und wie soll dies aussehen?«, wollte ich wissen. Donnan rückte näher zu mir, füllte die beiden Becher neu.

»Er heißt Domnall oder Donald, wie ihn die Christen nennen. Viele Clanführer, wie ich gehört habe, unterstützen ihn jetzt schon. Er hegt Hass gegen seinen Neffen Eochaid und Giric. Er will sich an dem feigen Mord an Aedh und seiner Frau rächen. Er könnte die Macht haben, alle Clans zu einigen. Ein Land, ein Volk.«

Ich trank einen Schluck und sah ihn an.

»Ein Land und ein Volk, wie du sagtest, Donnan.«

Er legte mir seine Hand auf den Arm.

»Eric. Es ist ein Traum. Vielleicht gelingt es ihm. Stell dir vor, alle Stämme vereint unter einem Banner. Unter einem König. Welche Macht! Geballt würden wir den Angelsaxen und den Nordmännern unsere Stirn bieten. Unser Land würde wieder uns gehören.« Er hielt inne und sah mich an.

»Was weißt du genau von diesem Domnall? Wo lebt er?«

»Wie ich gehört habe, lebt er noch bei den Kelten. Auf derselben Insel, von der wir euch geholt haben.«

Ich sah ihn an.

»Wo, in welchem Winkel Hels lebt dieser Mann nur?«

Donnan zuckte mit den Schultern.

»Was erzählt wird und ich gehört habe, lebt er in einem Kloster und wurde auch dort unterrichtet.« Ich trank gerade, als er das sagte; ich verschluckte mich und prustete.

»Was erzählst du mir da? Dies soll der gelobte Mann sein? Das kann nicht dein Ernst sein. Einer, der bei diesen heiligen Kreuzanbetern lebt. Er wird durchdrungen sein von ihrem Denken und Handeln. Glaube mir, Donnan. Er wird kein Verständnis für unseren alten Glauben haben. Er wird mit einer Armee Kuttenträger zurückkehren. Er wird uns und das ganze Land zwingen, den neuen Glauben anzunehmen.« Er blickte mich ungläubig an und rückte etwas von mir weg.

»Donnan. Ich kenne ihn nicht, wie du weißt. Aber unsere Tage sind gezählt, glaube mir. Unsere heiligen Haine werden geschleift und darauf werden Häuser gebaut, die oben am Giebel ein goldenes Kreuz sehen lassen. Unsere Hallen … von dir und mir und von welchem Clanführer auch immer … alle müssen ihre Reliquien an den Wänden und überall entfernen. Willst du das?« Ich zeigte auf seinen Thron mit dem großen Hirschgeweih über dem Kopfteil.

»Von den Armlehnen will ich nicht sprechen.«

Er blickte sich nach seinem Sitz um. Dann sah er mich wieder an.

»Donnan, erwach aus deinem Traum. Er mag der Mann sein, der dieses Land einigen kann. Aber für uns ist die Zeit gezählt. Kormus, deinen Hirschgott, oder wie er heißen mag, deine Erdgöttin Nerthus oder wie auch unsere Götter … sie werden keinen Platz mehr hier haben. Unsere Religion wird untergehen, wir beide auch. Wir beide und alle mit uns müssen sich dem neuen Gott beugen.«

Donnan blieb stumm sitzen und sah mich nur an.

»Glaube mir, mein Freund, wenn du das nicht tust. Frage Aethelbald. Er wird dich aufklären und Antworten liefern. Er ist ein Gottesanbeter. Ein spezieller, wie ich zugeben muss. In der Tat. Aber er würde nie auf unsere Seite wechseln. Nie. Obwohl er auf unserer Seite gekämpft hatte. Dann … frage ich dich ernst und unserer Freundschaft willen: Wie wird er reagieren, wenn er weiß, dass Nordmänner in seinem geeinten Reich leben. Eine Siedlung besitzen und Landwirtschaft betreiben?«

Donnan winkte ab: »Es leben nicht alles Nordmänner bei dir. Du hast es geschafft, mit beiden Völkern zusammen eine Gemeinschaft zu bilden … miteinander zu leben, füreinander einzustehen. Zu kämpfen. Für dasselbe Ziel, das mein Vater wollte. Das auch ich verfolge. Ein Land für freie Menschen. Handel und Frieden für alle und Wohlstand. Wie wir es uns gewünscht hatten und es auch bewiesen haben. Ich werde es bezeugen, Eric. Mit meinem Blut, das dir mein Vater und Luag das Land gegeben hat.«

Er hob seinen Becher.

»Ich … wir alle hier … werden für euch sprechen. Wenn alles nichts nützen sollte und euer Land würde euch genommen werden, dann werde ich euch Land von meinem geben. Und zwar Land, das du und deine Freunde aussuchen werdet. Das verspreche ich dir mit meinem Blut und Namen.« Ich erhob ebenfalls meinen Becher und stieß mit ihm dankend an.

Egils Zustand verbesserte sich erstaunlich schnell. Bald stand er wieder auf seinen Beinen. Nach wenigen Tagen warf er seine Krücke in eine Ecke und mit kleinen Schritten wanderte er durch den Ort. Ich sah ihn, wie er abgestützt an einem Pfeiler der Schmiede stand und ihm bei der Arbeit zusah. Ich grüßte ihn.

»Geht dir besser, wie ich sehe, Egil.«

»Dir aber auch. Heilen deine Wunden auch so gut?«

Ich lachte, als er sagte: »Wann ziehen wir weiter, Jarl?«

»In wenigen Tagen, Egil. Wir werden zuerst in mein Dorf reisen, dann werde ich zu Königin Gudrun gehen. Mit dir an meiner Seite und allen, die mitkommen wollen.«

Er nickte zufrieden.

»Das ist gut, Jarl. Ich werde dir folgen. Auch auf dem Weg zur Königin.«

Ich klopfte ihm auf die Schulter und ließ ihn stehen. Nach wenigen Schritten rief mich eine bekannte Stimme. Aethelbald eilte zu mir.

»Entschuldige, Jarl Eric. Ich muss es loswerden und frage dich: Darf ich mit euch zu Königin Gudrun ziehen? Ich will dann dort auf Bebanburg leben, wenn es mir gestattet ist.« Erstaunt sah ich ihn an und sagte: »Ja, sicher, wenn das dein Wille ist.« Erleichtert seufzte er und bedankte sich. Dann eilte er fort.

Am Abend saßen wir in Donnans Halle zusammen. Aßen und feierten, als Aethelbald an unseren Tisch kam und sich zwischen mich und Skefill setzte. Er schöpfte sich eine Schale Gemüsesuppe und schlang sie in sich hinein. Björn, auf der anderen Seite des Tisches rief ihm zu: »Das Gemüse schmeckt dir gut, wie ich sehe. Dann lass bitte deine Finger von dem Fleisch. So haben wir genug für uns.«

Wir lachten alle über seinen Witz. Aethelbald sah über die Hänselei hinweg. Winkte nur verächtlich zu Björn hinüber und schöpfte sich eine neue Schale Suppe. Als er gesättigt war, sagte er: »Ich bin in wenigen Minuten zur Abreise bereit.«

»Gut«, antwortete ich.

»Aber du brauchst dich nicht zu eilen. Wir haben beschlossen, erst übermorgen abzureisen, mein lieber Mönch. Du wirst früh genug an Gudruns Seite stehen können. Das verspreche ich dir.«

Skeld rief etwas lauter zu ihm: »Warum eilt es denn so, Aethelbald, mein tapferer Heiliger. Juckt es denn so in deiner Hose?«

Alle lachten wieder.

»Eine Frau zu verehren, heißt noch lange nicht, sie bespringen zu wollen.«

Er blickte zu Skeld und fügte an: »Du Dummkopf.«

Skeld winkte lachend ab. Ich ergriff das Wort und sagte zu ihm: »Ich bin froh, wenn ich einen tapferen Mann an ihrer Seite weiß.«

»Ich bin nicht tapfer, Jarl Eric. Ich betete in der Schlacht zu meinem Gott und erflehte seinen Beistand. Ich habe mir fast in die Hosen gemacht vor Angst.«

»Da bist du nicht der einzige Mann, Aethelbald.«

»Sei still, gottesfürchtiger Mann.« Skeld warf seinen Becher nach ihm. Er stand auf, zeigte auf ihn und sprach laut, sodass alle es gut hören konnten: »Ich stand auf dem Blutfeld neben ihm. Ganz nahe. Er hielt das Banner fest in seiner Hand. Inmitten des Schlachtengetümmels. Obwohl alle wussten, dass der Sieg nicht mehr zu erreichen war. Er hielt das Banner dennoch und verteidigte es mit seinem Schwert. Manch anderer Nordmann hätte den Stoff in den Dreck geworfen und wäre geflüchtet. Nein, er stand wie ein Felsen in der Brandung und trotzte allen. Von Kopf bis Fuß, rot vom Blut seiner Feinde. Ich dulde von niemanden Schmachworte gegen diesen Mann. Auch wenn er nicht zu unseren Göttern betet, steht er in Tapferkeit keinem von uns allen nach. Er genießt bei mir einen hohen Stellenwert und ich werde immer an seiner Seite stehen, wenn er mich brauchen sollte.«

Skeld verneigte sich vor ihm und ging auf ihn zu. Er blieb vor ihm stehen. Aethelbald war verlegen und sah sich zu uns um. Ich deutete ihm, auch aufzustehen, was er tat. Nun stand er Skeld gegenüber, als Skeld ihn packte und umarmte. Skeld drückte Aethelbald so heftig, dass ihm die Luft wegblieb. Er japste und war froh, als Skeld ihn freiließ. Skeld lachte, streifte sich einen Silberarmreif ab und überreichte ihn Aethelbald.

»Ein Geschenk von mir an einen tapferen und ehrenhaften Mann, den zu achten ich gelernt habe. Unsere Götter sollen nie zwischen uns stehen und wenn du die Hilfe eines Teufels, wie ihr uns nennt, benötigst, rufe mich. Ich komme und stehe dir bei.« Aethelbald stand verlegen vor ihm. Blickte auf den Armreif, während er ihn sich überstreifte.

»Du bist kein Teufel. Keiner von euch. Ich habe in all den Jahren viel von euch lernen können und werde es vor jedem Papst bezeugen, was es heißt, füreinander einzustehen, wie ihr es alle hier tut. Dass nicht ein Mann, noch eine Religion, auch nicht die Kirche, auch nicht ein Oberhaupt davon befehlen kann, was geschehen muss. Dass alle, Frauen wie Männer, ein Wort haben sollen, das auch gehört wird und dann nach dem Besten gesucht wird, um allen zu genügen. Das Wohl aller steht über allem und das muss verteidigt werden. Das ist das Paradies. Das habe ich verstanden. Darum werde ich bei euch bleiben und probieren, für alle da zu sein. Keinen Unterschied zu machen, was für ein Glaube er oder sie hat.«

Er blickte sich um.

»Mein Haus soll für Kelten, Nordmänner genauso wie für Christen da sein. Ich gebe mein Wort dafür und niemand soll sich scheuen, mein Haus aufzusuchen. Alle haben Zutritt. Mich interessiert es nicht: Trägt er ein Kreuz wie ich. Oder den Hammer Thors wie viele hier. Kommt. Ihr seid willkommen.«

Unter lautem Beifall setzte er sich wieder. Rufe wurden in der Halle laut: »Wo steht dein Haus? Wie finden wir dich?«

Donnan erhob sich.

»Eric und ich werden euch allen erzählen, wo sein Haus zu finden ist, wenn es steht.«

Er sah zu mir. Ich stand auf und hob meine Arme. Als Ruhe eingekehrt war, sagte ich und blickte zu Aethelbald: »Wo dein Haus gebaut werden könnte … da habe ich ein paar Ideen. Ich werde es mit Donnan besprechen.«

Die Halle tobte und war erfüllt von Rufen und Applaus. Wir saßen noch stundenlang zusammen. Der Met wirkte und ließ das Blut heiß durch unsere Adern fließen. Halfdan trug die Sage von König Beowulf vor, was mit Kopfnicken und Hochrufen gedankt wurde. Als Aethelbald zu sprechen begann, zuerst leise, was viele nicht verstanden und ihn aufforderten lauter zu sprechen. Es war nun ganz still in der Halle und alle hingen an seinen Lippen, um nichts zu verpassen. Er stand auf und begann dann von Neuem.

»Dieser Ort, wo ich mein Haus bauen darf, soll einen keltischen Namen tragen, wie ich es von einem Bauern gehört habe. Als der es zu dir gesagt hat, Donnan.«

Donnan hörte gespannt zu. Aethelbald rief: »Es soll Mail-rohs heißen.« Alle sahen ihn an und Donnan übersetzte seine Worte.

»Dein Haus soll so genannt werden: ›Die Wiese ist bestellt‹?« Aethelbald nickte ernst und erwiderte.

»Ja, Herr. Das ist mein Wunsch. ›Die Wiese ist bestellt‹. Was für mich so viel bedeutet wie: Alles ist geregelt. Alle Religionen sind willkommen. Die Wiese ist bestellt.«

Kurze Zeit war es still in der Halle und manch einer sann über seine Worte nach und was er damit sagen wollte.

»Dann soll es so sein, Aethelbald«, sagte Donnan. »Dein Haus soll so heißen und vielen Zuflucht und Hilfe gewähren. Allen. Verstehst du, was ich meine?« Aethelbald nickte.

»Das will ich und so soll dieses Haus auch aussehen. Ein Haus vereint aller Glaubensrichtungen. Kreuz, Thorshammer wie das Hirschgeweih und unsere Mutter Erde.«

Das gefiel allen. Jubel brach erneut aus und ließ den Mönch hochleben. Er setzte sich wieder und trank seinen Becher aus. Skefill schenkte ihm nickend nach. Langsam wurde es stiller. Die Halle lehrte sich. Bis nur noch wir, Donnan und Vali an einem Tisch saßen. Sagen wurden erzählt. Becher um Becher Met floss in durstige Kehlen und ließ uns lockerer werden.

Aethelbald stand kurz auf.

»Ich will euch eine sonderbare Geschichte erzählen. Hört mir zu.«

Er schwankte und Skefill zog ihn auf seinen Platz zurück. Er nahm einen Schluck und fing mit schwerer Zunge an.

»Ich muss zugeben. Es tat mir gut. Ich habe mir zwar fast in die Hosen geschissen.«

Er fing an zu lachen, dass ihm Tränen herunter kullerten.

»Und es ging mir immer besser.« Er schüttelte amüsiert langsam seinen Kopf. Wischte seine Tränen weg, dann sah er uns alle an und sagte.

»Ich muss zugeben, es tat mir gut und es ging mir immer besser, bei jedem Stoß, den ich mit meiner Sax tat. Sie mit Wucht in die Körper zu stoßen, in die Augen der Gegner zu sehen. In ihre verwunderten Augen zu blicken, wie sie auf den kalten Stahl sahen. Wie sie vor mir zusammensackten. Ich blickte in ihre Augen und sah zu, wie sie vor mir starben und ich sie segnen konnte.«

»Was hast du getan? Du sprachst einen Segen für sie?«, fragte ihn Björn erstaunt.

Aethelbald nickte und sagte: »Nun seht ihr. Der Glaube steht nicht zwischen uns. Er verbindet uns.«

Er sah in unsere erstaunten Gesichter. Unsere Gesichter amüsierten ihn. Er fing wieder an zu lachen.

»So ist das Leben, Freunde. Leben wird gegeben und wird auch wieder genommen. Manche sterben im Bett und manche durch den kalten Stahl. Ich half ihnen nur dabei und führte sie in den Himmel.«

»In den Himmel?«, sagte ich langsam, erstaunt über seine Worte. Er nickte nur.

Skefill schlug vor Freude über diese Worte lachend auf seine Oberschenkel.

»Wenn ich mich jemals taufen lassen sollte, was ich glaube, nie der Fall sein wird … nie, Aethelbald. Aber wenn, dann – das sage ich dir vor all den Zeugen hier – bist du der Mann, der das vollziehen wird.«

Der hob dankend sein Arme in die Höhe.

»Gottes Wege sind unergründlich, mein lieber Skefill. Es geschehen immer noch Wunder in dieser Welt.«

Er leerte seinen Becher, grüßte uns mit den Worten: »Ich wünsche euch einen guten und tiefen Schlaf. Mögen euch die Seelen eurer Ermordeten nicht verfolgen.«

Er wollte gehen.

»Du willst deinen Platz verlassen, obwohl dein Becher noch voll ist?«, sagte Hugh.

Ich hielt ihn an seiner verschlissenen Kutte fest.

»Bleib und setz dich wieder.«

Ich zog ihn zu mir herunter und flüsterte: »Erzähle eine Geschichte oder die Wahrheit, so wie du sie erlebt hast.«

Er nickte und setzte sich wieder. Jubel brach darüber aus. Rufe waren zu hören wie »Aethelbald der Standfeste« und »Der heilige Aethelbald kehrt zurück«. Hugh hob ihm seinen Becher entgegen und rief ihm zu: »Erzähle uns, was du gefühlt hast in der Schlacht, Aethelbald.«

»Das kann ich dir nicht genau sagen, Hugh. Ich hielt die Fahne … wurde angegriffen. Ich setzte mich zur Wehr und überlebte.«

Alle lachten. Skeld winkte ab.

»So war es nicht, Freunde. Er führte die Klinge so geschickt wie jeder von uns.«

»Ist schon gut. Ich gebe zu … ich sah euch immer beim Waffentraining zu und übte dann in der Dunkelheit mit mir selbst.« Wildes Gelächter brach aus.

Skeld stand auf.

»Lasst mich sprechen.

Dieser dünne, schmächtige Mann … in seiner etwas gewöhnungsbedürftigen Tracht, der behauptet, ein gläubiger Mann zu sein, Gott in seinem Herzen zu haben und seine Worte zu predigen.

Keiner weiß, wie er heißt, dieser Gott. Außer Aethelbald. Was soll’s. Aber was ich weiß und selbst gesehen habe: Er schlachtet Männer ab, ohne mit der Wimper zu zucken.«

Wieder lachten alle und klopften auf den Tisch.

Aethelbald winkte.

»Nein. So ist es nicht. Ich wollte damit sagen, dass es mir nicht darauf ankam. Es hat mir nichts ausgemacht.«

Erneut brach Gelächter aus.

»Glaubt mir doch!« Die Männer lachten weiter und waren von seiner amüsanten Art angetan.

»Wir werden es morgen sehen. Wenn ein jeder aufwacht und sich in seiner Decke streckt, hat er Glück gehabt und nicht den Zorn unseres Heiligen heraufbeschworen«, sagte ich.

Diese Worte waren zu viel für ihn.

»Ja. Wenn ihr es ehrlich wissen wollt … ich habe es lieben gelernt. Zu töten. Die Klinge in das Fleisch zu bohren. Die Klinge herumzudrehen und herauszuziehen. Zu sehen, wie sein Blut hervorquillt und er zusammensackt. Seid ihr Heiden nun zufrieden?«

Alle lachten und jubelten ihm zu. Ließen ihn hochleben und tranken auf sein Wohl.

»Aber das Schönste für mich ist, wenn wir zurück sind in unseren Häusern. Dann habe ich die Gewissheit, mich mit euch Dummschwätzern nicht mehr auseinandersetzten zu müssen.«

Wieder brach Gelächter aus. Björn, der neben mir saß, gab mir einen Stoß; er musste das Lachen verbergen.

»Ein besonderer Mann, unser Heiliger.«

»Ja, das ist er in der Tat, mein Freund. Er ist ein Mann, der trotz seines Glaubens Freude daran gefunden hat, das Leben anderer zu nehmen. Die Freude des Blutvergießens.«

Ich sah zu Boden. Dann blickte ich Björn an. Hinter uns hörte ich noch, wie Aethelbald die Tür der Halle zuknallte.

Björn lachte und schüttelte seinen Kopf.

»Ohhh. Da haben wir einen Nerv getroffen.«

Skefill sagte: »Wir haben ihn ja nur aufgezogen. Ein kleines Späßchen gemacht.«

»Spaß versteht er gut, das weiß ich«, sagte ich. »Aber er hat erkannt, dass das, was er tat, nicht mit seinem Glauben vereinbar ist. Darüber ist er wütend geworden. Zu erkennen, dass es ihm Freude bereitet zu töten, und genau dieses verbietet sein Gott.«

»Das Leben ist hart und ungerecht, wenn man weiß, dass man seinen Gott verraten hat, obwohl es Freude bereitet hat. Ich glaube, es ist besser, wenn er weiter unter uns lebt. Wir, verstehen ihn nur zu gut.«

Es brauchte noch fast eine Woche der Pflege und Erholung, bis Egil stark genug war, um den Rest unserer Heimreise anzutreten. Ich rief daher alle zusammen und verlangte von jedem eine Antwort: mit uns zu kommen oder hier bei Donnan zu bleiben. Oder frei ihrer Wege zu gehen.

Einige Männer aus Hakons kleiner Armee, die mit uns wollten, meldeten sich lautstark und packten ihre Habe zusammen. Was die anderen wollten und vorhatten, entzog sich meinem Wissen. Ich ließ sie ziehen.

Donnan gab uns zwei mit Ochsen bespannte Wagen und Führer mit. Auf dem ersten Wagen war wenig Gepäck, um den zwei Verwundeten genug Platz zu bieten. Der zweite trug unser Hab und Gut, Waffen und Decken und Proviant. Donnan und Vali standen bei uns und sahen zu, wie die Letzten ihr Gepäck aufluden.

»Nun kommt wieder ein Abschied«, sagte Donnan betrübt. Ich winkte ab.

»Nein, das ist es nicht. Unsere Reiche grenzen aneinander. Wir sind schnell beieinander. Können einander helfen, wenn Not herrscht. Der Süden gehört uns, Donnan. Handelsstraßen sind in unseren Händen. Wir kontrollieren das Land von See zu See. Und so soll es sein und immer bleiben.«

Ich umarmte ihn, Vali auch, dann folgte ich mit Hugh, Björn und Halfdan dem Zug, der sich schon langsam von der Burg entfernt hatte und auf dem Schotterweg rollte. Wir folgten der unebenen Straße. Es war dieselbe, die auch alle Händler nahmen, um unseren Haupthandelsplatz im Süden zu erreichen: die Festung Bebanburg.

Wir zogen mit den gemächlichen Schritten der Ochsen langsam weiter. Gloi war nun ständig an meiner Seite. Entweder saß er auf meiner Schulter oder flog vor uns am Himmel. Egil saß mit seiner Beinprothese häufig auf dem Kutschbock. Er musste sich zuerst an sein neues hölzernes Bein gewöhnen. Es hinderte ihn und brachte ihm Schmerzen, beim langen Laufen. Wenn er nicht mehr laufen konnte, sah man ihn auf dem Wagen sitzen, ohne seine Prothese und seinen wunden Stumpf an der Sonne trocknend.

Durch das langsame Tempo der Ochsen kam mir der Weg unendlich lange vor. Wieder senkte sich die Sonne am Horizont. Erneut wurde ein Platz für die Zelte gesucht und aufgestellt. Feuer wurden entfacht. Alle saßen darum. Hakons Männer und sechs Männer, die auf der verfluchten Insel keine Zukunft sahen. Auch keinen Jarl, der für sie einstand. Alle schworen mir die Treue und Unterstützung. Ich gewährte es ihnen und nahm sie auf: Thorstein, Saxi, Gisli, Bargi Aasgeier und Osbjörn. Einige waren uns schon nach der verlorenen Schlacht gegen den Saxenkönig zur Grünen Insel gefolgt. Sie waren Halfdans Gefolgsmänner.

Nun, nach seinem Tod, schworen sie auf mich ihren Eid der Treue. Saxi und Aasgeier dienten Jarl Asbjörnson, ein Jarl, den ich nie kennengelernt hatte. Ich wusste nur, dass er aus dem Dänenland stammte, eine große Kriegsschar anführte und Halfdans Freund war.

Gisli war ein Mann, den wir auf dem Schlachtfeld gefunden hatten. Verwundet und verwirrt lief er unentschlossen herum. Rief Namen seiner Freunde, die wahrscheinlich tot auf dem Feld lagen. Wir griffen ihn auf und führten ihn mit seiner Kopfwunde in unsere Zeltstadt. Dieser Kopf-Schlag verursachte, außer der tiefen Kopfwunde, eine Amnesie. Er erinnerte sich an nichts mehr. Er hatte ein paar Jahre auf der Insel gelebt.

Die Verwundeten auf dem einen Wagen hießen Thorstein und Aasgeier. Aasgeier war ein langjähriger Gefolgsmann von Hakon und stand in vielen Schlachten an seiner Seite, wie mir Egil erzählte.

»Ein tapferer Mann, Eric. Es wäre schön, wenn er am Leben bleiben könnte. Wir standen viele Male zusammen im Schildwall. Sein Platz war immer neben mir.«

»Ich werde mein wachsames Auge auf Aasgeier richten, mein Freund.«

Egil dankte und hob seinen Becher. Thorstein, Bargi und Osbjörn waren Gefolgsmänner von Jarl Store Erkelson.

Thorsten und Bargi übergab ich einen meiner Silberringe, als es um Jarl Store Erkelsons Tod ging. Die drei schworen mir dazumal schon die Treue.

Jeden Tag sah ich nach Aasgeier. Pflegte und versorgte ihn. Er erholte sich. Konnte aufsitzen und mit Egil reden. Er musste mit sich und seinem Schicksal ins Reine kommen. Er verlor durch eine scharfe Klinge sein linkes Ohr. Die Klinge rasierte ihm dabei auch die linke Wangenhaut ab. Von Ohr, über Oberkiefer bis Unterkiefer war die Haut wegrasiert. Eine große, noch seifende Wunde. Die Haut würde nach Monaten nachgewachsen sein, das wusste ich, aber ob jemals wieder ein Haar wachsen würde und er weiter einen Bart tragen konnte, konnte ich nicht sagen.

Wir zogen wie jeden Tag weiter, als mir Hugh einen Stoß gab: »Noch einmal ein Nachtlager, Eric, und morgen sind wir endlich wieder zu Hause. In unserem Dorf.«

Ich blickte ihn ernst an und nickte. Er erkannte meine Stimmung, legte seine breite schwielige Hand auf meine Schulter und sagte: »Ich weiß genau, welche schwere Bürde du trägst. Ich werde den Weg an deiner Seite gehen. Zu Gudrun, und es ihr sagen.«

Ich dankte ihm.

»Das würde mich freuen, alter Freund, und ich nehme dein Angebot gern an.«

Stumm gingen wir nebeneinander weiter, bis die Sonne tief am Horizont stand. Ein letztes Mal stellten wir unsere Zelte auf und entfachten Feuer. Skeld hängte seinen großen Kochtopf an die Kette des Dreibeins und fing an zu kochen. Mir war nicht nach Essen zumute, obwohl es gut roch. Ich saß etwas abseits der anderen, trank Donnans Met, den er uns mitgegeben hatte, und hörte den Männern zu. Doch jeder Schluck machte mich schwermütiger. Ich dachte an all die guten Männer, die nun nicht mehr sind und auf dem Blutfeld verrotten. Gute Männer, die einem Traum folgten und dafür hart bestraft wurden. Einem König folgten, der seine Krone durch Verrat erworben hatte. Mein Blick wandte sich in den Nachthimmel. Tausende von Sternen leuchteten. Irgendwo da draußen musste Walhalla liegen und Hakon und alle anderen sahen vielleicht zu uns hinunter. Hoben ihre Becher und tranken vielleicht jetzt gerade auf uns.

Aethelbald stand hinter mir: »Gott wird im Paradies auf sie Acht geben.«

»Setz dich, trink und schweig.« Schmunzelnd setzte er sich. Ich reichte ihm einen vollen Becher, sah ihn an und sagte: »Tu mir einen Gefallen, Gottesmann, und verschone mich mit den Weisheiten deines ans Kreuz genagelten Gottes.«

Noch immer schmunzelte er und stieß mit mir an. Dann erhob er beide Arme in die Höhe.

»Was soll dein Getue?«, sagte ich zu ihm.

Aethelbald wollte etwas sagen, aber ich ließ ihn nicht zu Wort kommen.

»Blut klebt noch immer an deiner Kleidung, auch wenn deine verschlissene Kutte gewaschen wurde. Ich sehe dich noch immer blutverschmiert vor mir stehen. Du hast getötet wie wir, obwohl dein Gott das nicht will, sondern eher Sanftmut predigt.«

Aethelbald nickte mir zu und sagte wieder den Spruch.

»Gottes Wege sind unergründlich, Eric, und wie er uns leitet.« Ich sah ihn unverständlich an.

Nickend sagte er: »Wie eure drei Weiber, die jedem seinen Lebensfaden spinnen.«

Gloi und ich blickten ihn stumm an. Aethelbald zog fragend seine Schultern hoch. Dann leerte er seinen Becher. Stumm, an einem Baumstamm angelehnt, trank er mit mir Becher um Becher. Den Rest des Schlauches teilte ich zwischen uns noch auf.

»Das ist ein guter Met, Eric. Er mundet und tut seine Wirkung.

Ich für meinen Teil habe genug für heute. Aber du scheinst mir noch zu tief in Gedanken versunken zu sein. Ich bringe dir einen neuen vollen Schlauch.«

Ich wehrte ab.

»Danke, Aethelbald. Noch ist der Abend nicht gekommen, an dem ich frei und ausgelassen trinken kann.«

Er nickte und verließ mich. Ich sah zu Gloi neben mir.

»Morgen sind wir zu Hause. Ich kann es kaum erwarten.«

Ich fuhr sanft über seinen Kopf. Er sandte mir seine Worte: Ich fliege voraus und kündige deine Ankunft an.

Ich schmunzelte, legte mich hin und zog meine Decke über mich. Als ich erwachte, war Gloi schon fort. Ich war nicht der Erste. Es waren schon viele auf den Beinen, packten ihre Habe zusammen und verluden sie auf dem Wagen.

Björn und Hugh trieben die Männer an. Skeld saß wieder vor seinem Topf. Ich trat zu ihm und grüßte ihn.

»Es gibt nur Suppe«, sagte er etwas gereizt.

»Ist alles schon verladen«, fügte er hinzu, als er meinen Blick spürte und brummte etwas in seinen Bart. Ich winkte beruhigend ab.

»Ist schon gut, Skeld. Deine Suppen sind hervorragend. Reg dich nicht auf.«

Wieder brummte er unverständliche Wörter in seinen Bart. Ich hob meine Arme und sagte: »Ist schon gut, Skeld. Bin schon fort.« Ich drehte mich ab.

Doch er rief zu mir: »Bleib hier, Eric, und reich mir deine Schüssel.«

»Ich muss sie erst holen«, sagte ich.

»Beeil dich. Es dauert nicht mehr lange.«

Schnell holte ich mein Essgeschirr hervor und eilte zu Skeld. Er nickte zufrieden und tauchte seinen großen Kochlöffel in den Topf. Ich hielt ihm meine Schüssel hin.

»Iss nun. Du hast ja gestern nichts gegessen.«

Er blickte zu mir auf und ein breites Grinsen zeigte sich.

»Du musst bei Kräften bleiben, Eric. Du wirst sie brauchen.

Thorgunna wartet nach so langer Zeit sicher begierig auf dich und wird dich nicht so schnell wieder loslassen. Du wirst froh sein und dich glücklich schätzen, wenn du danach normal gehen kannst. Ohne dass dein Schwengel in deiner Hose Schmerzen bereitet.«

Ich nickte.

»Das werden wir ja sehen Skeld.« Ich tauchte meinen Löffel in die Schale, kostete.

»Sehr gut, Skeld. Schmeckt ausgezeichnet.«

Er bedankte sich.

»Aber ich muss dir ehrlich sagen. Du bist ein Dummschwätzer, und es wäre an der Zeit, dass du dir eine Frau suchst. Dann werden deine rhythmischen Bewegungen unter der Decke aufhören.«

Skeld lachte wieder laut und nickte.

»Da gebe ich dir recht. Es wird wirklich Zeit, dass ich mir eine Frau suche.«

Etwas später setzte sich unser Tross wieder in Bewegung, der letzte Teil unseres Abenteuers. Wir zogen schon auf unserem Teil des Landes und ich blickte darüber. Neben der Straße erstreckte sich der Wald aus Bäumen mit dicken Stämmen. Alte Bäume, die so manche Geschichten erzählen könnten, wenn wir sie verstehen würden. Zwischen dem Wald und der Straße lag Grasland. Übersät mit Blumen, an denen sich die Bienen bedienten. Auf der alten Straße, auf der wir gingen und unserer Siedlung immer näher kamen, lag der Fluss. Die natürliche Grenze zwischen uns und den Angelsaxen. Er floss nahe an der Straße, um sich dann in einer Schlaufe von uns zu entfernen, um später wiederzukehren und sichtbar und friedlich neben uns zu fließen.

Das Land war fruchtbar und bot genug Platz für Familien, die hier siedeln wollten. Ich sah in meinen Gedanken Höfe vor mir stehen. Vieh auf den Wiesen. Kinder, die herumtobten. Eine Welt in Frieden und Ruhe. Um dies und das zu gewähren, wurde ich von meinen Männern zum Jarl ernannt, zu ihrem Führer und Gesetzgeber.

Wir zogen Schritt für Schritt immer näher unserem Dorf entgegen. Um uns flogen noch in dieser Jahreszeit Schmetterlinge, was mich erstaunte, als mich ein Ruf von oben hochsehen ließ. Ich kannte nur zu gut den Ruf und instinktiv hob ich meinen Arm. Gloi war zurückgekehrt. Er stürzte vom Himmel, um in einem Kreis um mich herum auf meinem Arm zu landen. Schnell war er auf meiner Schulter. Er plusterte sich auf und rückte dann näher.

»Alle wissen nun, dass wir heimkehren«, sagte er. Ich nickte und erklomm eine Anhöhe. Nun sah ich unser Dorf vor mir liegen. Noch weit entfernt. Rauchsäulen sah ich aufsteigen, kleine und dünne Streifen wanden sie sich dem Himmel entgegen. Wir haben es bald geschafft, dachte ich.

Mit Worten trieb ich alle voran.

»Nun los. Schneller! Treibt die Ochsen an. Diese Nacht verbringen wir nicht mehr unter dem Sternenzelt, sondern feiern in meiner Halle.«

Das Tempo wurde erhöht. Alle eilten auf das Ziel zu. Je näher wir kamen, umso zügiger gingen wir, bis ich die ersten Bewohner sah, die am Dorfrand standen und uns zuwinkten.

Hugh und ich begannen zu rennen. Eilten ihnen entgegen. Hugh rief mir zu: »Da, sieh, Eric. Tyree mit unserem Kleinen auf dem Arm.«

Er winkte und rief ihnen zu, während er weiterrannte. Gloi kreiste wieder über uns und krächzte lauthals, wobei er wilde Flugmanöver durchführte.

---ENDE DER LESEPROBE---