Im Geisterreich verschollen: Geisterkrimi Sammelband 6 Romane - Alfred Bekker - E-Book

Im Geisterreich verschollen: Geisterkrimi Sammelband 6 Romane E-Book

Alfred Bekker

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Beschreibung

Dieses Buch enthält folgende Romane: YYY Frank Rehfeld: Ausgeburten der Hölle Alfred Bekker: May Harris und das Grauen von Tanger Alfred Bekker: May Harris und die Diener des Satans W.A.Hary: Die schwarze Macht W.A.Hary: Donnerhammer W.A.Hary: Engel der Rache Sie kamen zu dritt. Drei junge Frauen in weißen Gewändern, die wie Leichentücher hinter ihnen her wehten. Doch Charles Tomkins wußte, daß es sich hier nicht um gewöhnliche Menschen handelte. Die Frauen waren Hexen, Ausgeburten der Hölle. Bereits von weitem sah er ihre Augen, in blutigem Rot glühend. Ihm war klar, was die Wesen planten: Sie wollten ihn töten, denn er wußte von ihrer Existenz! Die Angst vor den Hexen trieb Charles Tomkins weiter, obwohl er auf dem vom Nieselregen feuchten Kiesweg immer wieder strauchelte. Die Steine knirschten unter seinen Füßen. Endlich erreichte er seinen Wagen, einen deutschen BMW, der in einer Einbuchtung des Weges parkte. Im gleichen Moment schrie er auf. Obwohl er genau wußte, daß er das Fahrzeug abgeschlossen hatte, war es nicht leer. Durch das Fenster starrte er in die rotglühenden Augen einer weiteren Hexe.

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Alfred Bekker, W.A.Hary, Frank Rehfeld

Im Geisterrreich verschollen: Geisterkrimi Sammelband 6 Romane

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Inhaltsverzeichnis

Im Geisterrreich verschollen: Geisterkrimi Sammelband 6 Romane

Copyright

Ausgeburten der Hölle

May Harris und das Grauen von Tanger

May Harris und die Diener des Satans

Die schwarze Macht

Donnerhammer

Engel der Rache

Im Geisterrreich verschollen: Geisterkrimi Sammelband 6 Romane

Alfred Bekker, W.A.Hary, Frank Rehfeld

Dieses Buch enthält folgende Romane:

Frank Rehfeld: Ausgeburten der Hölle

Alfred Bekker: May Harris und das Grauen von Tanger

Alfred Bekker: May Harris und die Diener des Satans

W.A.Hary: Die schwarze Macht

W.A.Hary: Donnerhammer

W.A.Hary: Engel der Rache

Mark Tate ist der Geister-Detektiv. Mit seinem magischen Amulett, dem Schavall, nimmt er es mit den Mächten der Finsternis auf und folgt ihnen in andere Welten und wenn es sein muss, bis in die Hölle. Ihm zur Seite steht May Harris, die weiße Hexe.

Copyright

Ein CassiopeiaPress Buch: CASSIOPEIAPRESS, UKSAK E-Books, Alfred Bekker, Alfred Bekker präsentiert, Casssiopeia-XXX-press, Alfredbooks, Uksak Sonder-Edition, Cassiopeiapress Extra Edition, Cassiopeiapress/AlfredBooks und BEKKERpublishing sind Imprints von

Alfred Bekker

© Roman by Author / COVER MARA LAUE

© dieser Ausgabe 2023 by AlfredBekker/CassiopeiaPress, Lengerich/Westfalen

Die ausgedachten Personen haben nichts mit tatsächlich lebenden Personen zu tun. Namensgleichheiten sind zufällig und nicht beabsichtigt.

Alle Rechte vorbehalten.

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Alles rund um Belletristik!

Ausgeburten der Hölle

Frank Rehfeld

Sie kamen zu dritt. Drei junge Frauen in weißen Gewändern, die wie Leichentücher hinter ihnen her wehten. Doch Charles Tomkins wußte, daß es sich hier nicht um gewöhnliche Menschen handelte. Die Frauen waren Hexen, Ausgeburten der Hölle. Bereits von weitem sah er ihre Augen, in blutigem Rot glühend. Ihm war klar, was die Wesen planten: Sie wollten ihn töten, denn er wußte von ihrer Existenz! Die Angst vor den Hexen trieb Charles Tomkins weiter, obwohl er auf dem vom Nieselregen feuchten Kiesweg immer wieder strauchelte. Die Steine knirschten unter seinen Füßen.

Endlich erreichte er seinen Wagen, einen deutschen BMW, der in einer Einbuchtung des Weges parkte. Im gleichen Moment schrie er auf. Obwohl er genau wußte, daß er das Fahrzeug abgeschlossen hatte, war es nicht leer. Durch das Fenster starrte er in die rotglühenden Augen einer weiteren Hexe. Sie saß auf dem Fahrersitz. Charles Tomkins überlegte nicht lange, wie sie das Fahrzeug so schnell erreichen konnte. Wahrscheinlich war Magie mit im Spiel. Er wich zurück, um nicht von der aufschwingenden Tür getroffen zu werden. Katzengleich glitt die Hexe auf ihn zu. Verzweifelt blickte der junge Mann sich um. Nach vorn und hinten wurde ihm der Weg durch mittlerweile vier Hexen versperrt.

Auf der linken Seite erstreckte sich eine hohe Mauer, die die Villa einschloß, aus der er gerade geflohen war.

Auf der rechten Seite jedoch entdeckte er unbebaute, von Unkraut überwucherte Grundstücke. Sie wurden nur durch Maschendrahtzäune vom Weg abgegrenzt.

In Sekundenbruchteilen hatte Tomkins seinen Plan gefaßt. Mit raschen Schritten erreichte er den Zaun und setzte einen Fuß zwischen die Maschen.

Kraftvoll zog er sich hoch und sprang auf der anderen Seite wieder zu Boden. Hinter sich hörte er die Hexen enttäuscht aufheulen.

»Wir kriegen dich doch«, drang ihr Schwur an seine Ohren. »Den Mächten der Hölle ist noch niemand entkommen!«

Während er durch das nasse Gras und die Brennnesseln hetzte, blickte er sich um. Entsetzt sah er, daß die Hexen den Zaun nicht mal zu überklettern brauchten. Für wenige Sekunden schienen ihre Körper leicht zu flimmern, dann hatten sie den Zaun einfach durchschritten.

Charles Tomkins schätzte, daß keine der schwarzhaarigen Dämonendienerinnen älter als fünfundzwanzig war. Ihm wären sicher ganz andere Gedanken gekommen, wenn ihre Augen nicht in diesem unheiligen Feuer glühen würden, denn sie gehörten zu den schönsten Frauen, die der junge Mann je gesehen hatte.

So aber trieb ihn nackte Angst um sein Leben vorwärts.

Jetzt nur nicht auf eine Wurzel treten, betete er im stillen. Tomkins holte das Letzte aus seinem Körper heraus, um die am Ende der Grundstücke liegende Schnellstraße nach London zu erreichen.

Die Lichter der Straßenbeleuchtung sah er bereits. Dort konnte er vielleicht ein Auto anhalten.

Unendlich weit kam ihm die Strecke vor. Sein Atem ging nur noch stoßweise. Der Flüchtende spürte, wie seine Kräfte erlahmten. Sein Lauf ging allmählich in Taumeln über.

Bei jedem Schritt spürte er das schwappende Wasser in den Schuhen. Sein Anzug war schon bis auf die letzte Faser durchnäßt.

Gehetzt blickte er sich um. Tomkins sah, daß die Hexen beträchtlich aufgeholt hatten. Sie waren nur noch wenige Meter hinter ihm.

Panikerfüllt stellte er fest, daß ihre Füße den Boden überhaupt nicht zu berühren schienen, sondern wenige Zentimeter darüber schwebten.

Von irgendwoher drang das schaurige Krächzen eines Käuzchens an seine Ohren.

Die Todesangst half Charles Tomkins noch mal alle Reserven zu mobilisieren.

Endlich erreichte er die Straße. Halb ohnmächtig vor Erschöpfung brach er an der Bordsteinkante zusammen.

Tomkins spürte, wie die Hexen ihn packten und hochrissen. Er hatte keine Kraft mehr, um sich zu wehren.

Eiskalte Hände legten sich um seinen Hals und drückten erbarmungslos zu.

Keuchend versuchte er nach Luft zu schnappen, aber der Würgegriff war zu stark. Seine Lunge, durch den höllischen Lauf schon gepeinigt, schmerzte, als würde sie im nächsten Moment platzen.

Wie eine Puppe hing Charles Tomkins in den Händen einer Hexe. Er wollte aufschreien, brachte aber nicht mal ein Krächzen zustande.

Schon wallten rote Nebel vor seinen Augen. Er hörte das grelle Lachen seiner Verfolgerinnen wie aus weiter Ferne.

Leises Brummen schrieb er einer beginnenden Ohnmacht zu. Dann jedoch wurde er plötzlich in eine Flut grellen Lichtes getaucht.

Charles Tomkins spürte, daß die Hexen ihn losließen. Dabei stießen sie einen hellen Schrei aus. Hart schlug der Mann auf den Boden, aber das spürte er kaum. Gierig sog er die frische Luft ein.

Die Hexen waren plötzlich verschwunden, als hätte der Erdboden sie verschluckt. Dafür sah er den roten Triumph Spitfire, der unmittelbar neben ihm hielt.

Eine Autotür wurde geöffnet und wieder zugeschlagen, dann schob sich ein Gesicht in sein Blickfeld.

Zwei Augen, deren eisiges Blau hinter nur spaltbreit geöffneten Lidern kaum zu sehen war, blickten ihn an. Das kantige Gesicht drückte Energie und Willensstärke aus. Die Haare des Mannes waren blond und kurzgeschnitten.

»Blonder«, krächzte Charles Tomkins.

Mehr konnte er nicht mehr sagen, denn da umfing ihn eine tiefe Ohnmacht, und haltlos stürzte er in die Schwärze...

*

Der Fahrer des Triumph Spitfire hieß Mark Strange und war Privatdetektiv. Früher hatte er als Stuntman gearbeitet, bis er nach einem Unfall für ein halbes Jahr pausieren mußte.

Hinterher krähte beim Film kein Hahn mehr nach ihm, längst waren andere an seine Stelle getreten.

Schließlich hatte er in einer Londoner Detektei eine Anstellung gefunden. Drei Jahre hatte er dort gearbeitet und gelernt, was man in. diesem Beruf wissen mußte. Das Geld hatte er größtenteils gespart und sich dann selbständig gemacht.

Mit eisiger Energie hatte er es geschafft, sich einen Namen zu machen. Heute genoß er einen Ruf als Spitzendetektiv. Selbst wichtige Industrieunternehmer zählten zu seinen Klienten.

Während seiner Stuntman-Zeit hatte Mark den Reporter Charles Tomkins kennengelernt, der bereits damals Star-Kolumnist der britischen Illustrierten war. Sie hatten sich angefreundet, sich dann aber aus den Augen verloren. Ausgerechnet auf diese Art trafen sie sich nun wieder. Mark erkannte den Reporter sofort.

Er war auf der Rückfahrt von einer Party gewesen, als er plötzlich die Gruppe am Straßenrand entdeckte. Um besser sehen zu können, hatte er das Fernlicht eingeschaltet. Vier der fünf Personen waren sofort wie Schemen davon gehuscht. Mark war sich dennoch sicher, daß es sich um Frauen gehandelt hatte.

Strange öffnete die Wagentür und hievte den Reporter auf den Beifahrersitz. Mit einigen leichten Ohrfeigen weckte er ihn auf.

Panikartig verzog Charles Tomkins das Gesicht, sobald er erwachte. Seine Züge klärten sich jedoch, als er Mark erkannte.

»Blonder«, krächzte er noch mal.

Mark Strange wußte, daß sich der Name auf einen Film seines Lieblingsschauspielers Clint Eastwood bezog. Diese Vorliebe kam nicht von ungefähr, denn er sah dem Schauspieler zum Verwechseln ähnlich. Sein großer Traum war es immer gewesen, Eastwood mal doublen zu dürfen.

»Was ist los, Charles?« fragte er besorgt. Er schob den Jackenkragen des" Reporters etwas zur Seite und sah sich die Würgemale an. Sie waren zum Glück nicht so schlimm, wie er befürchtet hatte.

»Das Grauen«, preßte Charles Tomkins hervor. »Ich habe das leibhaftige Grauen erlebt.«

»Wovon sprichst du?«

Erneut flackerte der Schrecken in Tomkins' Gesicht auf. Er mußte Fürchterliches erlebt haben.

»Hexen«, rief er. »Es waren Hexen... du wirst lachen. In der Villa leben sie. Sie töten Menschen und feiern schwarze Messen!«

Mark Strange glaubte nicht recht gehört zu haben. Offenbar stand der Reporter unter Schockeinfluß und wußte nicht mehr, was er sagte.

»Es gibt keine Hexen, Charles«, versuchte er ihn zu beruhigen. »Du bist überfallen worden, aber es waren Menschen, ich habe sie gesehen.«

»Nein, sie sehen nur so aus!« Charles Tomkins bäumte sich auf, ließ sich dann aber wieder zurücksinken. »Ich weiß, du glaubst mir nicht.«

»Doch,, natürlich glaube ich dir. Aber jetzt bring ich dich erst mal zu einem Arzt. Du hast einen Schock.«

»Ich brauche keinen Arzt«, protestierte Tomkins. »Alles, was ich brauche, ist etwas Ruhe.«

Strange zögerte, stimmte dann aber zu. »In Ordnung, ich fahre dich nach Hause.«

Charles nannte seine Adresse. Sie schwiegen auf dem Weg in die City. Obwohl Mark unzählige Fragen auf der Zunge brannten, wußte er, daß es keinen Zweck hatte, den Reporter in diesem Zustand etwas zu fragen.

Mehrmals blickte er Charles an. Der starrte ins Leere und schien von der Umwelt nichts wahrzunehmen. Seine Hände zitterten.

Kurze Zeit später hatten sie das mehrstöckige Haus erreicht. Mit dem Fahrstuhl fuhren sie bis zur siebten Etage.

»Soll ich wirklich keinen Arzt holen?« erkundigte sich Mark besorgt, als sie vor der Tür des Penthouse standen.

Charles Tomkins schüttelte den Kopf. »Nein, laß nur. Morgen erzähle ich dir alles.«

Der Detektiv reichte dem Reporter zum Abschied die Hand. Ganz wohl war ihm nicht bei dem Gedanken, ihn allein zu lassen. Charles war ein einziges Nervenbündel.

Andererseits war er ein erwachsener Mensch und mußte selbst wissen, was er wollte.

Sobald der Reporter die Tür hinter sich geschlossen hatte, schlenderte Mark Strange zurück zum Fahrstuhl.

*

Charles Tomkins wußte, daß er nicht geträumt hatte. Die Hexen existierten und hatten versucht, ihn umzubringen!

Mit immer noch zitternden Fingern schaltete er das Dielenlicht an. Unruhig blickte er sich um. Nichts hatte sich verändert.

»Ich leide unter Verfolgungswahn«, stellte er kopfschüttelnd fest. Mühsam streifte er das nasse Jackett von den Schultern. Achtlos ließ er es fallen.

Das einzige, wonach er sich sehnte, waren eine heiße Dusche und einige Stunden Schlaf. Er öffnete die Tür zum Badezimmer - und erstarrte: Er blickte direkt in die dämonisch glühenden Augen einer Hexe!

Ein böses Lächeln hatte sich in ihre Züge eingekerbt. Wie gelähmt stand Charles auf der Türschwelle.

»Ich habe dir doch versprochen, daß ich dich töten werde, Charles Tomkins«, erinnerte sie ihn. Ihre Stimme klang hart und gefühllos. Langsam kam sie näher.

Tomkins wollte fliehen, aber seine Muskeln gehorchten ihm nicht mehr. Der Blick der Hexe schien ihn zu bannen.

Mit aller Kraft kämpfte er gegen die Lähmung an. Endlich konnte er den Blick von den glühenden Augen wenden. Sofort konnte er sich wieder frei bewegen.

Förmlich im letzten Moment duckte er sich unter den zupackenden Händen.

»Noch lebe ich, Dämon«, rief er. Skrupel einer Frau gegenüber empfand er nicht, denn hier handelte es sich nicht um einen Menschen, sondern um einen Boten der Finsternis.

Kraftvoll schlug er mit der Faust zu, zielte genau auf das Kinn der Hexe und traf auch.

Im nächsten Moment stieß er einen lauten Schmerzensschrei aus. Ihm war, als habe er gegen eine Wand geschlagen. Seine Hand tat höllisch weh.

Der Hexe schien der Schlag hingegen nichts ausgemacht zu haben. Im Gegenteil, sie lachte. Rasch griff sie zu, und diesmal konnte Charles nicht mehr ausweichen. Die Hexe packte ihn am Hemd. Mit einem Ruck zog sie ihn näher zu sich heran.

Blitzschnell hatte Charles seinen Plan gefaßt. Er gab sich noch zusätzlichen Schwung, so daß er wie ein Geschoß auf die Hexe katapultiert wurde.

Sofort warf er sich wieder zurück, und das Erhoffte geschah. Knirschend riß sein Hemd.

Tomkins fiel zurück, konnte seinen Schwung jedoch abfangen. Entschlossen donnerte er die Tür zu. Dadurch konnte er die Hexe zwar nicht aufhalten, aber er gewann Zeit.

In Horrorfilmen hatte er oft gesehen, daß man Dämonen mit heiligen Gegenständen abwehren konnte.

Im Schlafzimmer hing über seinem Bett ein Kreuz. Ohne lange zu überlegen riß er die Tür auf und stürmte in den Raum. Er hechtete förmlich auf das Bett.

Seine Finger griffen nach dem Kreuz und rissen es von der Wand.

Im selben Moment stürmte auch die Hexe ins Schlafzimmer.. Wie angewurzelt blieb sie stehen, als ihr Blick auf das heilige Symbol fiel. Es war mit geweihtem Wasser besprengt worden, und sie spürte die gefährliche Ausstrahlung.

»Neiinnn...« Wild schüttelte sie den Kopf und riß die Arme hoch, um ihre Augen zu bedecken.

»Weg«, kreischte sie. »Nimm es weg!«

Charles Tomkins dachte nicht daran. Er spürte plötzlich eine gewaltige Kraft in sich, die alle Furcht davon wischte.

Entschlossen rollte er sich vom Bett. Das Kreuz hielt er mit ausgestreckten Armen schützend vor sich.

Das Symbol bannte die Hexe und verhinderte, daß sie floh. Panik loderte in ihren Augen, die wieder eine normale Farbe angenommen hatten. Sie zog den Kopf zwischen die Schultern und begann zu greinen.

Der junge Mann ließ sich davon nicht beeindrucken. Wie ein Racheengel mit dem Flammenschwert in der Hand trat er auf die Dienerin des Bösen zu.

Die Hexe kauerte sich zusammen. Todesangst leuchtete aus ihren nun braunen Augen. Mit letzter Kraft hob sie die Hand und streckte sie dem Kreuz entgegen.

Qualvolles Stöhnen drang aus ihrem Mund, als das geweihte Holz die Hand berührte.

»Bitte«, flehte sie flüsternd.

Tomkins preßte das Kreuz mit unbewegtem Gesicht auf den sich am Boden windenden Körper.

Die Wirkung war frappierend.

Ein letztes grauenvolles Gurgeln entrang sich dem Mund der Hexe. Gleichzeitig begann ihr Körper in Windeseile zu altern. Die Haut wurde faltig und runzlig.

Die Haare wurden grau und begannen auszufallen. Wie trockenes Pergament riß die Haut. Die bleichen Knochen schimmerten matt im Licht, das aus dem Flur ins Schlafzimmer fiel.

Angewidert schloß Charles Tomkins die Augen. Er konnte das grauenvolle Ende des Wesens nicht mehr mitansehen.

Als er sie kurz darauf wieder öffnete, lag ein halb zerfallenes Skelett vor ihm.

In diesem Augenblick hörte er die Türklingel läuten.

*

In Gedanken versunken verließ Mark Strange das Haus. Er kannte Charles Tomkins als einen harten Burschen, den so schnell nichts aus der Bahn war.

Um so erstaunlicher war es, daß der Überfall ihn so stark mitgenommen hatte. In der Aufregung hatte Mark sogar völlig vergessen zu fragen, was der Reporter in dieser abgelegenen Gegend gemacht hatte. Einen Wagen hatte er auch nicht dort stehen sehen.

Nun, das würde sich alles am nächsten Tag aufklären. Das Gefasel von Hexen und Dämonen konnte Strange sich nur als Auswirkungen eines Schocks erklären

Als die Tür hinter ihm zuschlug, blickte der Detektiv mißmutig zum Himmel. Es nieselte noch immer. Fröstelnd schlug er den Kragen seiner dunkelbraunen Lederjacke hoch.

Da auf dieser Seite kein Parkplatz mehr frei war, hatte er den Triumph auf der anderen Straßenseite geparkt.

Mit raschen Schritten überquerte Mark den Gehweg und trat zwischen den abgestellten Fahrzeugen hindurch auf die Straße.

Er blickte nach rechts und links und betrat erst dann die Fahrbahn.

Und doch entdeckte der Privatdetektiv nicht, daß er beobachtet wurde. Zwei Männer, vom Aussehen her so unterschiedlich wie Tag und Nacht, verfolgten aus einer dunklen Limousine, einem Bentley, jeden Schritt des blonden Mannes.

Der Mann auf dem Beifahrersitz blickte auf ein Foto. Das Lichtbild zeigte Mark Strange. Kurzgeschnittene, dunkelblonde Haare, die zusammengekniffenen blauen Augen, das kantige Gesicht...

»Kein Zweifel, das ist er«, erklärte der Mann auf dem Beifahrersitz. Er hatte ein Schlägergesicht. Seine Augen verschwanden fast hinter dicken Fettwülsten. Man hätte in ihm eher einen Bandenchef vermuten können als den Besitzer des Bentley.

Ganz anders der Fahrer. Steif und würdevoll saß er auf dem Sitz, als hätte er einen Spazierstock verschluckt. Er trug einen schwarzen Anzug, auf seinem Kopf thronte eine ebenfalls schwarze Melone. Sein Gesicht wirkte ernst und verkniffen. Kalt blickten die dunklen Augen durch die Windschutzscheibe.

Im selben Moment, als Mark etwa die Hälfte der Straße erreicht hatte, drehte er blitzschnell den Zündschlüssel. Gleichzeitig gab er Gas.

Wie ein wilder Stier bockte der Wagen nach vorn, dann faßten die durchdrehenden Reifen, und das schwarze Gefährt raste aus der Parklücke.

Mark Strange hörte das Kreischen der Reifen und sah den dunklen Schatten auf sich zurasen.

Sein auf rasche Reaktionen trainiertes Gehirn kapierte blitzschnell. Kraftvoll stieß er sich vom Boden ab und warf sich zurück.

Nur um Haaresbreite raste der Wagen an ihm vorbei. Dicht vor seinem Kopf sah Mark die Reifen vorbeirasen, die noch einen Zipfel seiner Jacke überfuhren.

Sofort wurde der Wagen gebremst. Mit blockierten Bremsen schwang der Bentley kreischend herum. Augenblicklich nahm er wieder Kurs auf Mark Strange.

Der Privatdetektiv lag immer noch am Boden. Er versuchte sich hochzustemmen, aber der Regen hatte sich mit dem Staub der Straße vermischt und bildete eine Schmierschicht, die so glatt wie Seife war. Marks Hände rutschten weg.

Erneut sah er die Kühlerschnauze des Wagens auf sich zurasen. Im letzten Moment konnte er sich zur Seite wälzen.

Noch aus der Drehung heraus richtete er sich auf. Für Sekundenbruchteile nur konnte er ins Innere des Bentley sehen. Die Zeit jedoch reichte Mark, um sich die Gesichter der beiden Männer einzuprägen.

Dann war der Wagen vorüber, und er machte auch keine Anstalten, noch mal umzukehren.

Zitternd starrte der Detektiv hinterher. Himmel, das war verdammt knapp gewesen! Mühsam taumelte er zu seinem Wagen hinüber und lehnte sich an den Spitfire.

Mit den Fingern kramte er nach den Autoschlüsseln, dabei fiel ihm ein Päckchen Zigaretten aus der Tasche. Mark hob es auf und streckte sich einen Glimmstängel zwischen die Lippen. Mit zittrigen Fingern zündete er die Zigarette an.

Tief inhalierte der geschockte Mann den Rauch. Das Nikotin beruhigte die aufgeputschten Nerven.

Es geschah so plötzlich, daß Mark im ersten Moment gar nicht begriff, was geschah.

Ruckartig entwand sich die Zigarette seiner Hand und machte sich selbständig. Allen Naturgesetzen zum Trotz glitt sie langsam auf den Asphalt zu. Sie begann darüber hin und her zu huschen. Dabei hinterließ sie eine rotglühende Spur.

Buchstaben formten sich, und bereits wenige Sekunden später konnte Mark Strange die Nachricht lesen, die ihm jemand auf so ungewöhnliche Art zukommen ließ: Mark Strange, wir warnen dich! Stelle dich nicht gegen die Mächte der Hölle! Auch du kannst nicht verhindern, daß wir uns an Charles Tomkins rächen. Niemand stellt sich uns ungestraft in den Weg. Vergiß alles, was du gesehen und gehört hast, sonst wird auch dich unsere Rache ereilen! Das ist unsere einzige Warnung!

Kaum, daß der Detektiv die Nachricht gelesen hatte, verblaßte die Schrift wieder. Spurlos löste sie sich auf. Der Asphalt sah wieder aus wie zuvor. Die Zigarette lag auf der Straße und qualmte noch.

Doch Mark Strange verspürte keine Lust mehr zum Rauchen. Entschlossen trat er den Glimmstängel mit dem Absatz aus.

In Gedanken wiederholte er die Nachricht. Er war sicher, nicht geträumt zu haben. Jemand hatte ihm eine Warnung zukommen lassen. Die Art und Weise deutete auf das Einwirken übernatürlicher Kräfte hin, aber diese Erklärung wollte Mark nicht akzeptieren. Magie paßte einfach nicht in sein modernes Weltbild.

Andererseits ließ das eben Erlebte Charles' Gestammel von Hexen und Dämonen in völlig neuem Licht erscheinen. Irgend jemand bediente sich sehr ausgefallener Mittel, um anderen etwas vorzugaukeln. Vielleicht handelte es sich um eine Art von Fernhypnose.

Vor allen Dingen reagierte dieser Jemand verdammt schnell. Der Anschlag auf sein Leben war nicht von ungefähr gekommen. Er bewies, daß der unbekannte Gegner noch lange nicht aufgab.

An diesem Punkt seiner Überlegungen angelangt, stockte Mark. Wenn man so schnell gegen ihn vorgegangen war, dann war bestimmt auch schon wieder etwas gegen Charles Tomkins unternommen worden...

Der Reporter befand sich in höchster Gefahr!

Ohne. länger nachzudenken, rannte Mark Strange zurück, begrub den Klingelknopf unter seinem Daumen und wartete ängstlich.

Endlich ertönte Charles' Stimme aus dem in die Wand eingebauten Lautsprecher. »Hallo«, krächzte sie.

»Ich bin es, Mark.« Dem Privatdetektiv fiel förmlich ein Stein vom Herzen.

Die Tür wurde elektrisch geöffnet. Kurz darauf standen sich die beiden Männer wieder gegenüber. Mark sah sofort, daß etwas nicht stimmte. Hatte der Reporter zuvor schon so ausgesehen, als habe er den Schock überwunden, so drückte sein Gesicht nun wieder panischen Schrecken aus. Sein Hemd war zerrissen.

»Was ist passiert?« fragte Mark beunruhigt.

»Komm rein, schnell.« Charles packte den Privatdetektiv an der Jacke und zog ihn in die Wohnung.

»Sie haben nicht gelogen«, erklärte er mit tonloser Stimme. »Eine von ihnen war hier und wollte mich endgültig töten. Ich habe sie mit einem Kreuz ausgeschaltet.«

»Wer war hier? Wovon sprichst du?«

»Eine der Hexen. Sie war schon hier, als ich hereinkam. Sie griff mich an, aber mit einem Kreuz habe ich sie getötet. Sie alterte in Sekundenschnelle und zerfiel. Es blieb nur ihr Skelett übrig. Komm mit, ich zeige es dir, dann mußt du mir glauben.«

Mit ungläubigem Gesicht folgte Mark Strange dem Reporter, der ihn ins Schlafzimmer führte. Charles mußte sich etwas eingebildet haben, andererseits sprach das zerrissene Hemd dagegen, dachte der Detektiv.

Erschüttert blickte er auf das Skelett. Also hatte Charles doch nicht gelogen!

Mark bückte sich, um herauszufinden, ob er hier nur eine Suggestion erlebte. Seine Finger trafen auf festen Widerstand. Das Skelett existierte, daran gab es keinen Zweifel.

Unter der Berührung seiner Hände zerfiel ein weiterer Teil der Knochen. Erschüttert richtete Mark sich wieder auf.

»Das... das gibt es doch nicht«, murmelte er. Er hob das Kreuz auf und betrachtete es. »Damit hast du sie getötet? Ehrlich gesagt, ich verstehe überhaupt nichts mehr.«

Charles schüttelte den Kopf. »Ich auch nicht. Jetzt brauche ich erst mal was zu trinken.«

»Einen Schluck Scotch könnte ich allerdings auch vertragen«, schloß Mark sich an.

Sie gingen ins Wohnzimmer, und Charles schüttelte in zwei Gläser Whisky. Mit einem Schluck stürzten sie das scharfe Getränk hinunter.

»Jetzt fühle ich mich besser«, bekannte Charles. Er schenkte sein Glas erneut voll. »Du auch noch?« erkundigte er sich.

»Nein danke, ich muß fahren. Jetzt erzähl erst mal, was eigentlich passiert ist. Du scheinst ja genau in ein Wespennest gestochen zu haben.«

»Allerdings. Journalistisch gesprochen bin ich dem größten Knüller seit der Entdeckung Amerikas auf der Spur.« Charles Tomkins versuchte zu lächeln, aber es wirkte reichlich verkniffen. Mark Strange erkannte, daß sein Freund nur seine Unsicherheit und Angst damit übertünchen wollte.

»Kennst du Claudia Patton?« fragte der Reporter unvermittelt.

Mark mußte kurz nachdenken.

»Ist das nicht eine Filmschauspielerin?«

»Richtig, aber nicht irgendeine, sondern der Star der letzten drei Jahre. Sie wurde ganz plötzlich entdeckt, stieg kometenhaft auf und spielte in mehreren Kassenschlagern die Hauptrolle. Sie galt als ein ganz großes Talent.«

»Und was hat das mit den Hexen zu tun?«

»Warte erst mal ab. Claudia tauchte von einem Tag auf den anderen unter.

Das traf mich ziemlich hart, weil ich gerade an einer Reportage über sie arbeitete. Nicht mal ihr Vater, John Patton - das ist der, dem die Patton-Kosmetikwerke gehören - weiß, wohin sie verschwunden ist. Die Produzenten sind außer sich. Ich habe versucht, ihre Spur zu finden. Vor einigen Tagen bekam ich einen Hinweis. Es waren Andeutungen über ein geheimnisvolles Haus, in dem es angeblich spuken soll. Näheres konnte ich nicht erfahren, deshalb entschloß ich mich, mal dort hinzufahren.«

»Das war heute?« warf Mark ein.

»Ja. So ein Faktotum von einem Bilderbuchbutler öffnete, als ich heute mittag dort geschellt hatte. Ich fragte nach Claudia Patton, aber er erklärte, er kenne niemand, der so heißt, und schickte mich weg. Ich war sicher, daß er log. Deshalb bin ich heute abend zurückgekommen und einfach über die Mauer geklettert.

Dahinter lag ein großer Garten. Im Schutz der Bäume und Büsche habe ich mich an das Haus herangearbeitet, bis ich durch die Fenster sehen konnte. Eines von ihnen stand offen. Zwar waren die Vorhänge zugezogen, aber durch einen Spalt konnte ich ins Zimmer blicken. Dort brannten einige Kerzen. Und dann sah ich sie: Hexen, die sich um einen großen Steintisch, eine Art Altar versammelt hatten!«

»Woher weißt du, daß es Hexen waren?« fragte Mark skeptisch.

»Ihre Augen. Du hättest ihre Augen sehen müssen. Sie waren blutrot, glühten geradezu.«

»Kann das nicht durch Haftschalen hervorgerufen worden sein?«

Entschlossen schüttelte Charles den Kopf.

»Nein, das war Magie. Gerade du müßtest aus deiner Filmzeit her noch wissen, was man mit Tricks erreichen kann. So ein Glühen nicht. Eine dieser Hexen jedenfalls war Claudia Patton. Ich habe sie sofort erkannt. Aber es hielten sich nicht nur die Hexen in dem Raum auf. Da waren auch noch Leichen. Aber sie lebten! Fünf waren es insgesamt. Sie konnten sich bewegen. Etwas eckig zwar, aber immerhin bewegen.«

»Lebende Leichen?« Ungläubig starrte Mark seinen Freund an. Er konnte einfach nicht glauben, was er da hörte. »Ich weiß zwar, daß in den Kinos die Zombie-Welle immer weiter läuft, aber in Wirklichkeit...?«

»Ich wußte, daß du mir nicht glauben würdest. Aber es stimmt alles! Einer der Toten bewegte sich trotz eines gespaltenen Schädels. Das kann nur durch Magie geschehen. Das Schlimmste aber war das Mädchen. Sie war nackt und auf dem Tisch festgebunden. Sie verharrte in völliger Lethargie, als würde sie von ihrer Umwelt nichts wahrnehmen. Die Hexen tanzten um sie herum. Eine warf Kräuter in eine Schale und zündete sie an. Der aufsteigende Rauch formte sich zu den seltsamsten Kreaturen und Höllenfratzen. Die Hexen begannen einen fremdartigen Gesang. Eine von ihnen trat vor. Plötzlich zog sie ein Messer aus ihrem Gewand. Sie setzte es dem Mädchen auf die Brust. Ich wollte schreien, irgend etwas unternehmen, denn ich ahnte, was nun kam. Aber ich war wie gelähmt und konnte dem Geschehen nur entsetzt zuschauen.«

»Und dann?« Mark Strange flüsterte die Worte nur, so sehr hatte die Schilderung ihn in ihren Bann geschlagen.

Der Detektiv schlug die Hände vors Gesicht. Die Erinnerung wühlte ihn innerlich auf.

»Die Hexe stieß zu. Das Mädchen erwachte aus der Trance und schrie auf. Diesen Schrei werde ich wohl bis an mein Lebensende nicht vergessen. So schrill, so schmerzvoll. Sie bäumte sich auf, aber sie konnte sich nicht befreien. Die Hexen hingegen verfielen in einen wahren Blutrausch. Immer wieder stießen sie zu. Das Mädchen war blutüberströmt.«

Zitternd griff Charles Tomkins nach dem Whiskyglas und trank einen Schluck.

»Erst jetzt fiel mir auf, daß eine Art Rinne in die Außenkanten des Tisches eingelassen war. In ihr fing sich das Blut und fiel von dort in eine Schüssel. Die Hexen ließen ihr Opfer förmlich ausbluten. Dann griffen sie nach der Schüssel und tranken das frische Blut. Auch Claudia Patton trank. Ich wollte nicht glauben, was ich da sah. Es war einfach zu grauenvoll. Ich nahm nicht mal wahr, daß ein Windstoß den Vorhang ein Stück zur Seite wehte. Plötzlich erhob sich lautes Gebrüll. Ich begriff, daß ich entdeckt worden war. Sofort rannte ich los, denn ich konnte mir lebhaft vorstellen, was die Hexen mit mir machen würden, wenn sie mich erwischten.«

Charles erzählte die Geschichte zu Ende und berichtete auch, was sich in seiner Wohnung ereignet hatte. Schweigend hörte Mark zu. In seinem Kopf überschlugen sich die Gedanken. Nur langsam verdaute er das Gehörte. Eine Weile saßen sie schweigend zusammen.

»Das ist einfach zu unglaublich, um wahr zu sein«, preßte der Detektiv schließlich hervor.

»Es ist wahr! Du hast das Skelett doch auch gesehen. Oder glaubst du, ich hätte es mir selbst in die Wohnung gelegt?«

»Natürlich nicht. Aber es gibt bestimmt eine einleuchtende Erklärung. Ich dachte schon an eine Art Hypnose, aber sie müßte so stark sein, daß wir glauben, die Trugbilder wirklich zu berühren.«

»Aber was für ein Sinn steckt dahinter? Ich wäre selbst froh, wenn ich mir alles nur eingebildet hätte. Aber ich bin zwei äußerst realen Mordanschlägen nur um Haaresbreite entkommen und habe einem kaltblütigen Ritualmord zusehen müssen. Ich glaube nicht an eine Täuschung.«

»Auf mich wurde ebenfalls bereits ein Mordanschlag verübt«, erzählte Mark Strange nachdenklich. »Außerdem hat man mir eine Warnung zukommen lassen. Hast du dich nicht gewundert, warum ich noch mal zurückgekommen bin?«

Er erzählte, was ihm widerfahren war.

»Irgendwie paßt alles nicht recht zusammen«, schloß er. »Es sei denn, man akzeptiert wirklich eine übernatürliche Lösung.«

»Ich fürchte, das werden wir müssen.» Mit dem Kreuz konnte ich mich gegen die Hexe verteidigen, gleich, ob sie nun ein Trugbild war oder nicht. Ich glaube nur an das, was ich sehe, und sei es noch so unglaublich. Heilige Symbole können die Dämonen besiegen.«

Der Detektiv seufzte. »Du hast recht. Spielen wir das Spiel also mit. Immerhin kennen wir schon einen kleinen Teil der Regeln. Wir müssen uns nur darüber im klaren sein, daß wir in ständiger Gefahr schweben. Selbst wenn es sich nur um Projektionen handelt, so sind sie doch in der Lage, uns zu töten.«

»Vor einiger Zeit habe ich von einem Fall gehört, wo ein Mann in Hypnose getötet wurde«, warf Charles Tomkins ein. »Man suggerierte ihm, er werde erschossen. Tatsächlich starb er. Aber das Tollste daran war, daß sein Körper zahlreiche Einschußlöcher aufwies.«

Mark nickte. »Ich habe auch davon gehört. Das unterlegt meine Befürchtung. Tun wir also so, als ob wir wirklich gegen Hexen kämpfen, auch wenn mein Verstand sich dagegen sträubt.«

In diesem Augenblick geschah es!

Mit ohrenbetäubendem Krachen fuhren beide Fensterflügel auf und schepperten gegen die Wand. Der Lärm riß die beiden Männer aus ihren Gedanken. Erschrocken sprangen sie auf.

Der kühle Wind fuhr ins Zimmer und berührte sie wie mit eiskalten Geisterhänden. Die Gardinen tanzten wild hin und her. Die dunklen Wolken verbargen den Mond. Nur ihre Kanten leuchteten hell.

Dann jedoch änderte sich das Bild. Eine große Gestalt schob sich von außen vor das Fenster. Unter einer weißen Kutte grinste ein Totenschädel die Männer an. Er wirkte seltsam in die Länge gezogen, was seine Grausamkeit noch unterstrich.

Mit einem Aufschrei wich Charles Tomkins zurück. Seine Nerven versagten.

Mark Strange hatte sich hingegen besser in der Hand. Zwar war auch ihm der Schrecken in die Glieder gefahren, aber er besaß die Kaltblütigkeit, das überdimensional große Skelett zu betrachten.

»Verflucht«, drang es aus dem knöchernen Maul der Kreatur. »Ihr seid verflucht. Beim Hexentanz werdet ihr sterben.«

Der Dämon stimmte ein ohrenbetäubendes Lachen an, das Mark im Gehörgang schmerzte. Er preßte die Hände gegen die Ohrmuscheln, aber dadurch konnte er die Schmerzen auch nicht lindern. Haltlos taumelte er im Zimmer herum.

Ebenso plötzlich, wie er erschienen war, verschwand der Spuk auch wieder. Mark Strange merkte es an der Ruhe, die ihn umschmeichelte.

Er blickte sich nach Charles um, konnte den Reporter jedoch nicht entdecken. Sofort kam der Schrecken wieder in ihm hoch, aber in diesem Moment stürmte Charles durch die Tür herein. In den Händen hielt er das Holzkreuz.

»Wo ist der Dämon?« keuchte er.

Mark winkte ab. »Zu spät, er ist weg. Mann, meine Ohren.«

»Was ist denn damit?«

»Sag bloß, du hast das teuflische Lachen nicht gehört?«

Charles schüttelte den Kopf. »Nein, nichts.«

»Ich dachte schon, mir platzen die Trommelfelle. Von dem Fluch hast du auch nichts gehört?«

»Nein.«

Mark wollte es nicht glauben. »Der Dämon hat so laut geschrien, daß ich dachte, man könnte es noch drei Häuserblocks weiter hören. Er hat uns prophezeit, daß wir beim Hexentanz sterben würden.«

»Beim Hexentanz? Kannst du dir etwas darunter vorstellen?«

Bedauernd verneinte Mark. »Ich habe keine Ahnung. Es muß ein bestimmtes Datum gemeint sein, ein Fest oder so etwas ähnliches.«

»Ich werde mich morgen umhören.

Vielleicht finde ich in unserem Archiv einen Hinweis. Das Erscheinen dieses Skeletts hat gezeigt, daß unsere Gegner immer am Ball bleiben. Was hältst du davon, wenn du heute nacht hier schläfst? Einer kann dann immer Wache halten. Gemeinsam können wir der Gefahr eher begegnen als allein.«

Der Detektiv überlegte kurz.

»Vielleicht ist das wirklich das Beste«, stimmte er dann zu. »Okay, ich bleibe hier.«

Er spürte plötzlich, daß es im Zimmer beträchtlich kühler geworden war. Das Fenster stand immer noch auf, und der kalte Nachtwind blies herein.

Er trieb sein makabres Spiel mit den Gardinen. Wild wurden sie hin und her bewegt. Es sah aus wie ein Totentanz.

Mark Strange schloß das Fenster.

*

Bereits früh am nächsten Morgen hatten sie die Polizei wegen des Skeletts angerufen. Da sie kaum die Wahrheit erzählen konnten, hatten sie berichtet, das Skelett hätte bereits in der Wohnung gelegen, als sie ankamen.

Die Beamten hatten vor einem Rätsel gestanden. Natürlich würden sie den Fall niemals aufklären, denn Magie gab es für den Polizeiapparat nicht.

Der nächste Anruf hatte John Patton gegolten. Mark Strange hatte ihm erzählt, er habe Neuigkeiten von seiner Tochter, und bat darum, sich mit dem Industriellen persönlich treffen zu dürfen.

Er war unterwegs nach Kensington, wo Patton wohnte. In diesem Stadtteil wohnte die Besitzelite der Londoner Bevölkerung.

Es dauerte nicht lange, bis Mark Strange die Villa des Millionärs gefunden hatte. Er parkte den Spitfire auf der gegenüberliegenden Straßenseite.

Kurz darauf saß er Patton gegenüber. Der Industrielle hatte die Sechzig bereits überschritten, sah aber noch recht rüstig aus.

Von seinen Haaren war nicht mehr als ein schütterer Kranz übriggeblieben.

Patton trug eine Brille, hinter der seine Augen aufgeregt funkelten.

»Sie haben etwas über Claudia erfahren?« erkundigte er sich. Mark nickte.

»Ja, aber sie ist in die Macht eines dieser magischen Zirkel geraten, die in letzter Zeit wie die Pilze aus dem Boden schießen.«

»Mein Gott, das ist ja entsetzlich. Ich werde die Polizei einschalten.«

»Davon würde ich Ihnen abraten, Mr. Patton. Nicht nur, daß Ihre Tochter volljährig ist und die Polizei gegen ihren Willen nichts unternehmen kann, nein, ich glaube auch nicht, daß dies der richtige Weg wäre. Claudia muß von allein zur Besinnung kommen. Ich glaube, daß ich da einiges erreichen könnte.«

Als Mark Strange wenig später die Villa verließ, hatte er einen neuen Auftrag. Innerhalb einer Woche sollte er Claudia Patton aus dem Hexenzirkel holen. Dafür winkte ihm ein überdurchschnittlich gutes Honorar, anderenfalls wollte Patton nach Ablauf der Frist die Polizei einschalten.

Daß dies kaum etwas erreichen konnte, wußte er nicht, denn natürlich hatte der Detektiv nicht erzählt, daß es sich möglicherweise um echte Hexen handelte. Der Industrielle hätte ihm ohnehin nicht geglaubt.

*

Nachdem er die Tower-Bridge überquert hatte, bog Strange in eine schmale Seitenstraße. Sie wurde von alten Fabrikgebäuden gesäumt, in denen schon lange nicht mehr gearbeitet wurde.

Die Straßen wurden immer schmaler. Die Schnellstraße konnte er nicht benutzen, da sie nicht bis an die Villa heranreichte und der Detektiv nicht über die Baugrundstücke laufen wollte. Doch die Villa wollte er mal näher untersuchen. Vielleicht ließ sich dort das Rätsel lösen. Zumindest hoffte Mark, einen Anhaltspunkt zu finden.

Wieder folgte eine Abzweigung. Hier konnte man denken, das Ende der Welt erreicht zu haben. Alles war verfallen, und die Straßen schienen in einem unmöglichen Zustand. Die Reifen rumpelten von einem Schlagloch ins andere.

Nirgendwo war eine Menschenseele zu erblicken.

Mark Strange schaltete das Radio an. Da er jedoch keinen Sender fand, der Unterhaltungsmusik spielte, machte er den Kasten mißgelaunt bald darauf wieder aus.

Er bog um eine weitere Ecke. Obwohl er nur langsam fuhr, wäre er fast noch zu schnell gewesen.

Der Leichenwagen, vorher durch eine Hauswand verdeckt, stand unmittelbar hinter der Kurve mitten auf der Straße. Auf keiner Seite ging mehr ein Wagen vorbei.

Mark Strange trat das Bremspedal durch. Trotz der niedrigen Geschwindigkeit wollte der Spitfire ausbrechen. Durch den immer noch fallenden Nieselregen hatte sich auch hier ein Schmierfilm gebildet.

Eisern hielt Mark das Lenkrad umklammert und lenkte gegen. Er schaffte es, den Wagen unter Kontrolle zu halten. Einen halben Meter vor dem Leichenwagen brachte er das Fahrzeug zum Stehen.

Erleichtert atmete er auf. Es hatte keine Möglichkeit zum Ausweichen gegeben. Zu beiden Seiten erstreckten sich die Backsteinmauern zweier Fabriken. Hier war schon Hafengegend. Allerdings hatte sich das Umschlagzentrum im Lauf der Jahre verschoben.

Heute herrschten hier nur noch Katzen und Ratten, sowohl die Tiere dieses Namens, wie auch die oft so titulierten Menschen.

Strange erinnerte sich an einen Fall, der ihn vor Jahren mal in diese Gegend geführt hatte. Es war um eine Verbrecherbande gegangen, die in der Nähe ihre Zelte aufgeschlagen hatte.

Unwillig betrachtete er den Leichenwagen. Über die Kühlerhaube hinweg konnte er in die Fahrerkabine sehen. Sie war leer.

Verdammt, wo steckte der Fahrer nur? Mark Strange hupte zweimal, aber nichts regte sich.

Allmählich wurde ihm mulmig zumute. Was machte ein Leichenwagen in dieser abgeschiedenen Gegend? Eine seltsame Unruhe ergriff ihn beim Anblick des Fahrzeugs.

Schließlich stieg er aus und machte einige Schritte auf den Wagen zu.

Auf der Fahrertür stand der Name des Bestattungsunternehmers. Peter Robbins, las Mark.

Als er das Fahrzeug halb umrundet hatte, sah er, daß die Heckklappe offen stand. Neugierig blickte der Detektiv ins Innere des Leichenwagens.

Erschrocken zuckte er zurück...

Auf der Ladefläche stand ein Sarg, ein schlichter, hellbrauner Eichensarg.

Plötzlich verstärkte sich Stranges Unbehagen. Gut, ein Leichenwagen war nicht zum Transport von Obstkisten da, aber instinktiv spürte Mark, daß hier etwas nicht stimmte.

Strange wollte sich umdrehen und zu seinem Spitfire zurückgehen, doch er konnte den Blick nicht von der Totenkiste wenden. Ihm war, als zöge ihn der Sarg magnetisch an.

Ohne es eigentlich zu wollen, trat der Detektiv näher und berührte den Sarg.

Da hörte er es!

Ein dumpfes Grollen, das geradewegs aus dem Innern kam. Nein, es war kein Grollen, eher ein Stöhnen. Eine eiskalte Gänsehaut lief dem Mann über den Rücken.

Wie ein Tuch hüllte die Furcht den Detektiv ein, als sich der Sargdeckel bewegte. Er wurde langsam hochgestemmt. Eine halb verweste Hand tauchte auf und öffnete den Deckel hoch weiter...

Mark Strange glaubte, die Furcht würde ihm das Herz zusammenpressen.

Der Deckel polterte auf die Ladefläche und gab den Blick in den Sarg frei.

Der Tote war in der Tat halb verwest. Bestialischer Geruch drang Mark in die Nase.

Doch die Leiche war nicht tot, so paradox sich das auch anhörte.

Marks Herz übersprang beinahe einen Schlag, als sie sich aufrichtete!

Mit grausam blickenden Augen fixierte sie den Detektiv. Die Pupillen waren verdreht, so daß Strange nur das Weiße schimmern sah.

Der Blick ging ihm durch Mark und Bein. Gleichzeitig löste er die Sperre, die den Detektiv bislang gehemmt hatte. Plötzlich konnte Mark Strange wieder klar denken.

Mein Gott, ein Zombie, schoß es ihm durch den Kopf... Also hatte Charles auch in diesem Punkt recht gehabt.

Der Untote kletterte aus dem Sarg. Dabei mußte er sich bücken, um nicht an das Wagendach zu stoßen.

Mark Strange reagierte auf die einzig richtige Art. Er warf sich herum und versuchte zu fliehen.

Doch da war der Zombie schon heran.

Er,war einfach aus dem Leichenwagen gehechtet. Zwar verfehlte er den Detektiv, weil Mark schon zwei Schritte zur Seite gelaufen war, aber Mark spürte, wie die Hände seine Beine packten.

Er konnte das Gleichgewicht nicht mehr halten. Im nächsten Moment sah er nur noch den Boden auf sich zurasen.

Nun machte sich sein langjähriges Karatetraining bezahlt. Instinktiv nahm Mark den Kopf zwischen die Schultern und rollte sich schulmäßig ab.

Der Zombie landete flach auf dem Bauch. Einem Menschen hätte dies die Eingeweide zerrissen, der Untote aber verspürte keine Schmerzen. Schließlich war er ja bereits tot. Mark wußte, daß nur eine teuflische Magie ihn am Leben hielt.

Die Aufprallwucht war jedoch so stark, daß er den Detektiv nicht festhalten konnte. Deshalb hatte Mark sich auch abrollen können.

Mark nutzte den Schwung direkt aus, um wieder auf die Beine zu kommen. Als er sich aufgerichtet hatte, sah er, daß sich auch der Zombie wieder erhob.

»Mark Strange«, schleuderte er dem Detektiv haßerfüllt entgegen. Die Stimme klang dumpf, als würde sie aus einer tiefen Gruft kommen. »Wir haben dich gewarnt. Nun werden wir dich vernichten!«

Der Untote wankte vor. Sofort erkannte der Detektiv den wunden Punkt. Der Zombie bewegte sich langsamer und ungelenkiger als er.

Andererseits war er aber auch mit Kraft allein nicht auszuschalten. Da gehörte schon Köpfchen dazu.

In diesen Augenblicken, in denen sein Leben unmittelbar bedroht war, war Mark Strange eiskalt. Sämtliche Furcht vor dem Grauen, das ihm gegenüberstand, war von ihm abgefallen.

Er wußte, daß er sich auf keinen langen Kampf einlassen durfte. Irgendwann würden seine Kräfte erlahmen, und dann war er dem Wiedergänger hilflos ausgeliefert.

Beide Hände vorgestreckt, wankte der Zombie auf ihn zu. Geduckt erwartete Strange die höllische Kreatur. Erst im letzten Moment tauchte er unter den zupackenden Händen weg, die sich um seine Kehle legen wollten.

Angewidert schlug er die Arme zur Seite. Das Fleisch war kalt und steif. Einige Hautfetzen blieben an seinen Händen hängen.

Blitzschnell packte er zu. Schwungvoll hebelte er den Zombie über seine Schulter. Der Untote wurde durch die Luft gewirbelt. Erst mehrere Meter entfernt krachte er auf den Boden, soviel Kraft hatte Mark hinter den Wurf gesteckt.

Es gab nur eine Chance für ihn. Er mußte versuchen, seinen Wagen zu erreichen. Noch während der Untote durch die Luft flog, lief er bereits an dem Leichenwagen vorbei.

Mark flankte mit einem Satz über die Motorhaube des Spitfires. Die Tür stand noch offen. Er ließ sich einfach auf den Sitz fallen.

Starten, Rückwärtsgang einlegen und Gas geben war eins. Dabei zog Mark Strange auch gleich noch die Tür zu.

Der Motor heulte auf. Mit einem Satz schoß der Spitfire rückwärts.

Er war dennoch zu langsam.

Der Zombie hatte sich wieder aufgerafft. Mark sah ihn auf den Sportwagen zugelaufen kommen, noch bevor er den Triumph aus der engen Gasse manövriert hatte.

Kaum hatte er die etwas breitere Straße erreicht, knüppelte er den Vorwärtsgang rein.

Nun stand der Wagen entgegengesetzt zur ursprünglichen Fahrtrichtung.

Doch auch bei Mark machte sich die Nervosität bemerkbar. In der Eile würgte er den Motor ab und fluchte laut.

Erneut den Zündschlüssel drehen und Gas geben... Kostbare Sekunden gingen verloren.

Im gleichen Moment erreichte der Zombie den Wagen. Die Totenfinger streckten sich bereits nach dem Detektiv aus und umklammerten den Türgriff.

Endlich konnte Mark Strange Gas geben. Ruckartig schoß der Sportwagen nach vorn. Dem Zombie wurde der Boden unter den Füßen weggerissen.

Dennoch ließ der Wiedergänger nicht los. Ungeheure Kräfte mußten in seinem untoten Körper stecken.

Er löste sogar eine Hand von dem Griff und ballte sie zur Faust, um die Scheibe einzuschlagen.

Gleichzeitig jedoch zog Mark Strange den Wagen in eine Kurve. Fast rechtwinklig bog er ab, und die Reifen kreischten protestierend auf. Schwarze Striche blieben auf der Straße zurück.

Gegen die ungeheuren Fliehkräfte kam selbst die höllische Kraft des Zombies nicht an.

Er wurde weggerissen.

Strange sah ihn wie ein welkes Blatt durch die Luft fliegen, bis er gegen eine Mauer schmetterte.

Doch auch der Detektiv hatte Schwierigkeiten. Er hatte die Kurve zu knapp bemessen. Nur haarscharf raste der Wagen an einer Mauer vorbei.

Selbst wenn der Zombie sich hätte halten können, wäre er hierbei zerquetscht worden.

Verbissen umklammerte Mark Strange das Lenkrad. Seine Knöchel traten weiß hervor, doch er schaffte es, den Wagen unter Kontrolle zu halten.

Sofort bremste er und wendete den Spitfire. Zwar hatte er ursprünglich nur fliehen wollen, aber er wußte, daß er die Auseinandersetzung damit nur aufschob.

Irgendwann würde er wieder auf den Zombie treffen. Nur war ungewiß, ob dieses Treffen dann auch unter so günstigen Umständen stattfinden würde.

Im Wagen war er einigermaßen geschützt. Außerdem konnte er ihn gleichzeitig als Waffe verwenden.

Der Untote torkelte ihm auf der Straße entgegen.

Mark Strange trat das Gaspedal noch tiefer durch. Der Zombie starrte ihm entgegen und riß seinen Mund weit auf. Es schien, als habe er plötzlich doch Angst bekommen. Angst vor einem Tod, vor dem ihn der Teufel diesmal nicht würde schützen können.

Alles ging blitzschnell.

Der Detektiv sah den Untoten in rasendem Tempo näherkommen. Immer größer wurde er, dann ragte sein Körper scheinbar riesengroß direkt vor der Motorhaube auf.

Mark spürte einen harten Schlag und sah den Körper vor der Windschutzscheibe hochfliegen. Doch wurde der Wiedergänger nicht zur Seite oder über das Dach geschleudert, sondern genau nach vorn... in Fahrtrichtung der Reifen.

Der Wagen rumpelte leicht, als die Räder die Knochen des Zombies zermalmten.

Mit einem Blick in den Rückspiegel stellte Mark Strange fest, daß der Untote sich diesmal nicht wieder erhob. Erleichtert atmete er auf.

Im Rückwärtsgang lenkte er den Spitfire an die Leiche heran und stieg aus. Er wurde Zeuge eines gespenstischen Vorgangs.

Es war klar zu erkennen, daß der Zombie diesmal endgültig tot war. Beim Anblick des gräßlich verstümmelten Körpers mußte Mark unwillkürlich würgen.

Plötzlich loderten grünliche Flämmchen aus dem Körper. Sie breiteten sich über die gesamte Haut aus und verbrannten sie samt Fleisch und Knochen. Selbst die Kleidung blieb nicht verschont.

Die Leiche schmolz förmlich zusammen und wurde zu einer weißlichen Lache. Auch diese verbrannte vollständig. Nichts blieb von dem Körper zurück.

Überrascht und geschockt sah Mark Strange dem unheimlichen Vorgang zu. Nachdenklich stieg er wieder in den Wagen.

Er sah ein, daß es Wahnsinn gewesen wäre, jetzt noch die geheimnisvolle Villa aufzusuchen.

Die Hexen schienen in der Tat über jeden seiner Schritte genau informiert zu sein, denn daß das gerade eine Falle speziell für ihn gewesen war, darüber war er sich völlig im klaren.

Der Leichenwagen, hatte nicht zufällig dort gestanden, Außerdem hatte der Zombie seinen Namen gekannt.

Das Erschreckendste an dem Angriff jedoch war gewesen, daß er bei Tag erfolgt war. Bislang hatte Mark Strange gehofft, die Mächte der Hölle könnten nur bei Nacht aktiv werden.

Bedauerlich nur, daß er von dem Zombie nichts mehr hatte erfahren können.

Eine Spur blieb ihm noch: Der Leichenwagen. Die Hexen wußten mittlerweile wahrscheinlich schon, daß ihr Plan fehlgeschlagen war.

Über kurz oder lang würden sie zu einem neuen Schlag ausholen. Dem wollte Mark Strange zuvorkommen,

Er hatte sich den Namen des Bestattungsunternehmens und auch die Adresse gemerkt.

Entschlossen startete er den Triumph Spitfire. Er wollte Peter Robbins einen Besuch abstatten.

*

Das Bestattungsunternehmen lag in Soho.

Ausgerechnet, dachte Mark Strange. Soho war die wohl verrufenste Gegend von ganz London. Sie übertraf sogar noch das Hafenviertel. Alles trieb sich dort herum...

Mörder, Zuhälter, Erpresser... die Reihe ließe sich beliebig lang fortsetzen. Die Polizei war weitgehend machtlos.

Für die Touristen war Soho die große Attraktion. Nachtbar reihte sich an Nachtbar. Ein Lokal war heruntergekommener als das andere.

Doch bei Nacht und im Schein der bunten Neonreklamen waren alle Katzen grau.

Soho war eine verführerische Welt. Unzählige Touristen kamen Nacht für Nacht hierher, um einen Kneipenbummel zu machen.

Sie zogen von Bar zu Bar. Die Serviermädchen boten ihnen irgendeinen billigen Fusel, vermischt mit Sprudel, für lausig teures Geld als Champagner an.

Meist versackten die Besucher dann betrunken in einer dieser Bars. Wenn sie am nächsten Morgen wieder aufwachten, fanden sie sich - wenn sie Glück hatten - in einer kleinen Kammer wieder. Oft jedoch wachten sie direkt auf der Straße oder in einem Hinterhof auf.

In jedem Fall jedoch war das Portemonnaie leer bis auf den letzten Pfennig.

Das war Marks Wissen über Soho, und ausgerechnet hierhin führte ihn die Suche nach dem Bestattungsunternehmen.

Am Tag wirkte Soho wie ausgestorben. Vom Touristenrummel war jedenfalls nichts zu bemerken. Der begann erst nach Einbruch der Dämmerung.

Es dauerte nicht lange, bis Mark Strange das Bestattungsunternehmen gefunden hatte. Das Gebäude war ebenso heruntergekommen wie die anderen. Die Fensterscheiben waren verdreckt, doch konnte man noch die dahinter aufgestellten Särge erkennen.

Langsam fuhr Mark an dem Unternehmen vorbei und parkte den Spitfire erst eine Seitenstraße weiter. Er schloß den Wagen sorgfältig ab. Fast täglich wurden in Soho Fahrzeuge gestohlen.

Als er auf der Straße stand, blickte der Detektiv sich um. Ein paar Kinder spielten vor einem Hauseingang. Ältere Leute saßen am Fenster. Es war nichts Verdächtiges zu bemerken. Dennoch glaubte Mark, die Gefahr geradezu körperlich spüren zu können.

So unauffällig wie möglich bummelte er auf der Straße. Auf diese Art ging er mehrmals an dem Bestattungsunternehmen vorbei. Jedesmal warf er einen Blick durch die Fensterscheiben und versuchte, in dem dahinterliegenden Raum Einzelheiten zu erkennen.

Er konnte jedoch nichts Verdächtiges bemerken. Kein Mensch hielt sich dort auf.

Da er nicht einfach in das Unternehmen hinein spazieren konnte, beschloß Mark, die Sache von einer anderen Seite her aufzurollen. Von der Rückseite des Hauses genauer gesagt.

Er hatte Glück. Durch eine Einfahrt erreichte er von der Seitenstraße aus einen Hof. Mülltonnen standen dort herum. In einer Ecke war etwas Sand aufgehäuft, der vermutlich als Ersatz für einen Kinderspielplatz diente.

Eine altersschwache Holztür bot die einzige Möglichkeit, in das Gebäude einzudringen. Mark Strange wußte, daß er einen Rechtsbruch beging, aber dieses Risiko mußte er eingehen.

Entschlossen drückte er die Klinke herunter. Die Tür war nicht, verschlossen. Mit leisem Quietschen schwang sie auf.

Der Detektiv betrat einen engen Hausflur. Eine Holztreppe führte in die oberen Stockwerke. Da das Bestattungsunternehmen jedoch im Erdgeschoß lag, interessierte sie ihn nicht.

Erst vor einer abzweigenden Tür blieb Mark Strange stehen. Er wartete einige Sekunden und lauschte, aber alles blieb ruhig. Durch das Schlüsselloch spähte er in den dahinterliegenden Raum.

Mark blickte genau auf eine Wand, die bis zur Decke mit Särgen voll gestellt war. Menschen schienen sich in dem Lager jedoch nicht aufzuhalten.

Kurzentschlossen drückte Mark die Klinke herunter. Er atmete unmerklich auf, als sich auch diese Tür öffnen ließ. Durch einen schmalen Spalt blickend, überzeugte er sich, daß sich wirklich niemand in dem Sarglager aufhielt.

Seine Befürchtungen erwiesen sich als grundlos. Bis auf die Särge war der Raum leer.

Mark trat ein und schloß die Tür hinter sich wieder.

Beim Anblick all der Särge lief ihm unwillkürlich eine Gänsehaut über den Rücken.

Die Särge waren sorgfältig nach Holzsorten gestapelt. An einer Wand entdeckte er auch Särge, die mit kunstvollen Ornaten verziert waren.

Luxusappartements für Leichen, dachte Mark in einem Anflug von Sarkasmus.

Hier war jedenfalls nichts zu entdecken, was ihm weiterhelfen konnte. Er entdeckte eine weitere Tür. Auch hier prüfte er zuerst, ob sich jemand dahinter aufhielt, dann erst trat er ein.

Er zuckte zusammen, als er die Leiche sah.

Sie lag auf einem Tisch. Zu beiden Seiten stand jeweils eine große blutrote Kerze. Der Tote war ein junger Mann, höchstens fünfundzwanzig. Seine Haut war kalkweiß. Gebrochene Augen starrten zur Decke.

In diesem Moment hörte Mark Strange, wie sich Schritte näherten. Rasch verließ er den Raum und beobachtete das weitere Geschehen durchs Schlüsselloch.

Ein Mann betrat den Raum und blieb neben der Leiche stehen. Bei seinem Anblick versetzte es Mark einen leichten Stich, der Eintretende war ihm kein Unbekannter. Das brutale Schlägergesicht, die Halbglatze...

Kein Zweifel, das war der Mann, der in dem Bentley auf dem Beifahrersitz gesessen hatte. Der Kreis begann sich zu schließen.

Robbins - denn nur um ihn konnte es sich handeln - entzündete die beiden Kerzen. Sie verströmten einen seltsam süßlichen Geruch, den Mark sogar durch das Schlüsselloch noch wahrnehmen konnte.

Robbins hielt die Augen halb geschlossen, als befände er sich in Trance. Etwa einen halben Meter über der Leiche vollführte er mit den Händen seltsame Bewegungen, wie man es bei Hypnotiseuren manchmal sehen konnte.

Wollte er etwa die Leiche hypnotisieren? Strange erinnerte sich des Untoten, gegen den er gekämpft hatte.

War der Zombie hier etwa auf diese Art erschaffen worden? Gebannt verfolgte der Detektiv den weiteren Vorgang.

Robbins stimmte einen seltsamen Singsang an. Obwohl Mark vom Text nichts verstand, jagte ihm der Gesang einen Schauer über den Rücken.

Das einzige, was der Detektiv heraushörte, war ein mehrmals vorkommendes Wort: Astargal!

Das Wort prägte sich unauslöschlich in sein Gedächtnis ein. Mark beschloß, bei nächster Gelegenheit nachzuforschen, was Astargal war.

Immer eindringlicher wurde Robbins Stimme. Nun verharrten seine Hände genau über dem Kopf des Toten.

Langsam senkten sie sich tiefer und berührten den Kopf. Mit einem Ruck preßte Robbins seine Finger gegen die Schläfen der Leiche.

Mark Strange glaubte, seinen Augen nicht trauen zu dürfen: Der Tote erwachte wieder zum Leben!

Zuerst schlug er die Augen auf. Dabei stieß er ein tiefes Stöhnen aus.

Langsam richtete die Leiche sich auf und schwang die Füße ungelenkig vom Tisch.

Das war zuviel!

Obwohl Mark Strange in den letzten Stunden schon viel Schreckliches gesehen und erlebt hatte, dieser Anblick ging über seine Nerven.

Sein Herz jagte, als er sich so leise wie möglich zurückzog. Kaum hatte er das Haus verlassen, eilte er zu seinem Wagen.

Erst als er am Lenkrad saß, beruhigten sich seine Nerven etwas. Mark zündete sich eine Zigarette an.

Kurz spielte er mit dem Gedanken, zur Polizei zu gehen. Er war hier in eine Sache geraten, die ihm über den Kopf zu wachsen drohte.

Andererseits - würde man ihm glauben? Wenn er begann, - etwas von lebenden Leichen Und Hexen zu erzählen, würde man ihn einsperren.

Nein, er hatte den Auftrag John Pattons angenommen. Und einen Auftrag hatte er noch nie aufgegeben, auch wenn es schon oft kritisch ausgesehen hatte. Patton war ein bedeutendes Mitglied der Gesellschaft. Wenn er diesen Fall löste, würde ihn das noch bekannter machen.

*

Mark Strange entschloß sich, der Hexenvilla doch noch einen Besuch abzustatten. Es war die einzige Chance, mehr über die geheimnisvollen Mächte herauszufinden.

Diesmal erreichte er das Haus ohne Zwischenfälle. Kein Leichenwagen und kein lebender Toter stoppten ihn.

Charles' Wagen stand immer noch in der Einbuchtung des Kiesweges, wie der Reporter es beschrieben hatte. Mark parkte den Spitfire daneben.

Das Wetter war schlechter geworden, es hatte angefangen zu regnen. Wie aus Eimern schüttete es dann vom Himmel.

Einen Schirm hatte der Detektiv nicht im Wagen. Mißmutig starrte er durch die Scheiben nach draußen.

Die Tropfen hämmerten auf den Triumph, es hörte sich fast wie ein Trommelwirbel an. Es schien, als habe der Himmel alle Schleusen auf einmal geöffnet.

Zum Aussteigen verspürte Mark bei diesem Wetter nicht die geringste Lust. Trotz seiner Jacke wäre er in wenigen Sekunden bis auf die Haut naß geworden. Dann schon lieber einige Minuten warten, bis das Ärgste vorbei war.

Die Zeit vertrieb er sich mit einer Zigarette. Dazu drehte er das Autoradio an. Tanzmusik drang aus den Boxen. Irgendein Schlager, der natürlich die Liebe zum Thema hatte. Kitschig bis zum Geht-nicht-Mehr, aber Strange achtete nicht auf den Text.

Seine Gedanken waren ganz woanders. Sie beschäftigten sich mit dem, was er in den letzten Stunden erlebt hatte. Vielleicht lag hinter der hohen Mauer, die das Grundstück einrahmte, die Lösung aller Rätsel. Und dann?

Selbst wenn es ihm gelänge, das Geheimnis aufzudecken, würden die geheimnisvollen Mächte, die hinter allem steckten, es zulassen, daß er seine Erkenntnisse weitergab?

Es schien kaum Möglichkeiten zu geben, sich gegen sie zu wehren. Dennoch schickte er sich an, ausgerechnet in das Hauptquartier dieser Mächte, von denen der Zombie wohl noch eine der harmlosesten Formen darstellte, einzudringen.

Es war ein Risiko ohnegleichen. Mark Strange kam sich plötzlich ungeheuer hilflos vor. Er spielte erneut mit dem Gedanken, den ganzen Fall einfach hinzuwerfen.

Doch dann siegte sein Verantwortungsgefühl. Er war es nicht nur Patton schuldig, alles in seiner Kraft Stehende zu versuchen, sondern der ganzen Menschheit.

Denn hier braute sich etwas zusammen, das innerhalb kurzer Zeit zu einer großen Gefahr werden konnte.

Sieh an, der große Held in dir kommt zum Vorschein, dachte er sarkastisch: Feind aller Hexen und Dämonen!

Selbst wenn er aufgab, war schließlich nicht sicher, ob die Dämonen ihn tatsächlich in Ruhe ließen. Immerhin wußte er mittlerweile eine ganze Menge über sie.

Zum Umkehren war es längst zu spät.

Eines jedoch wurde Mark Strange in diesem Augenblick völlig klar. Er brauchte dringend Waffen. Kein herkömmliches Messer, oder eine Pistole, sondern Waffen, die speziell gegen das Böse wirkten.

Kreuze, Weihwasser und derartiges mehr. Mark Strange fühlte sich an Dr. van Helsing aus dem Film »Dracula« erinnert. Der hatte auch mit Kreuzen gegen den Vampir gekämpft.

Als hätte der Wettergott seine Gedanken verstanden und wollte nun Einsicht zeigen, ließ der Regen kurz darauf nach und hörte dann ganz auf.

Aufatmend schaltete der Detektiv das Radio aus und faltete sich aus dem Wagen.

Es war totenstill um ihn her. Nur Wassertropfen fielen immer wieder von den Bäumen, die ihre Zweige über die Mauer zu ihm herüberstreckten.

Der nasse Kies knirschte unter seinen Füßen. Er erschwerte, das Gehen ungemein, denn er war glatt und rutschig.

Mark mußte etwa hundert Meter zurücklegen, dann erreichte er das Tor. Es war aus Gußeisen und ziemlich alt.

Das jedoch registrierte Mark nur im Unterbewußtsein. Der Schock traf ihn mit der Wucht eines Keulenschlages.

Hinter dem Tor konnte man einen gepflegten Rasen sehen, auch einige alte Bäume und Büsche.

Von der Villa jedoch fehlte jede Spur! Ein kahler Platz erstreckte sich in der Mitte des Gartens. Das Haus war verschwunden...

*

»Das kann nicht sein, zum Teufel!« Zum wiederholten Mal stieß Mark diesen Satz hervor. Zur Bekräftigung schlug er mit der Faust auf die Platte seines Schreibtisches.

Er war in seine Wohnung zurückgekehrt, die gleichzeitig in einem separaten Raum sein Büro und Arbeitszimmer enthielt.

Erstmals war er froh, daß sich keine Klienten angemeldet hatten. Neue Fälle hätte er unmöglich auch noch bearbeiten können.

Mark hatte sich in seinem Büro verkrochen und zerbrach sich den Kopf darüber, wie ein ganzes Haus einfach verschwinden konnte.

Die Antwort war eigentlich klar, normalerweise konnte es überhaupt nicht. Also wieder Magie. Alles drehte sich darum, alle irdischen Maßstäbe waren auf den Kopf gestellt.

Strange nippte an dem heißen Kaffee, den er sich gekocht hatte. Das Getränk war herrlich, genau richtig stark. Es weckte die Lebensgeister.

Dazu gönnte Mark sich eine Zigarette. Entspannt blickte er dem Rauch nach, der träge der Decke entgegen kräuselte,

jedoch in der Luft zerfaserte, bevor er sie erreichte.

Der Detektiv brauchte diese wenigen Minuten Entspannung, um wieder ruhiger zu werden. Er hatte Charles Tomkins in der Redaktion angerufen und erfahren, daß sich bei ihm nichts weiter ereignet hatte. Gebannt hatte der Reporter seinen Schilderungen zugehört und versprochen, nach dem Begriff Astargal zu forschen.

Mark drückte die Zigarette aus. Die Anspannung der letzten Stunden und der wenige Schlaf in der vorangegangenen Nacht forderten ihren Tribut.

Er wurde schläfrig, dämmerte langsam in einen leichten Schlummer hinüber. Seine Gedanken verloren sich.

Er fühlte sich leicht, fast schwerelos. Helle Farben hüllten ihn ein. Plötzlich jedoch lösten sie sich auf.

Mark Strange war sich dessen bewußt, daß er träumte. Es schien, als habe sich sein Geist vom Körper gelöst.

Er schwebte über einem großen Platz. Ringsum standen Häuser, aber es waren niedrige Häuser, teilweise aus Holz gebaut. Mit einem Mal wußte Mark, daß er sich im Jahr 1483 befand, ohne zu wissen, wer ihm dieses Wissen eingegeben hatte.

Viele Menschen hatten sich auf dem Platz versammelt. Sie trugen mittelalterliche Kleidung.

In der Mitte des Platzes war ein Scheiterhaufen errichtet worden. Reisig war um einen Pfahl aufgeschichtet, an dem eine Frau festgebunden war.

Haßerfüllt blickte sie auf die Menge. Ein Mann in Mönchskutte trat vor. In der Hand hielt er eine brennende Fackel. Ruckartig stieß er sie in die Reisigbündel.

Die Flammen fanden Nahrung. Rasch fraßen sie sich vorwärts. Wenige Sekunden später brannte der ganze Reisighaufen lichterloh. Die Flammen griffen gierig nach der festgebundenen Frau.

Entsetzlich hallte ihr Todesschrei über den Platz.

Mark Strange fühlte, wie er vorwärts gerissen wurde. Er schwebte unter der Decke eines großen Raumes. Mehrere Dutzend Frauen knieten auf dem Boden. Sie verneigten sich vor einem großen Thron, am Kopfende des Raumes.

Überrascht stellte Mark fest, daß er die Person, die dort saß, bereits gesehen hatte.

Es war das riesige Skelett, das Charles und ihm in der vergangenen Nacht erschienen war.

Monoton hallte der Gesang der Hexen durch den Saal.

»Astargal, wir preisen dich, großer Astargal, gib uns deinen höllischen Segen...«

Bei Astargal handelt es sich also um den Dämon. Mark Strange kam jedoch nicht dazu, sich neue Gedanken darüber zu machen. Immer wieder wurde sein Geist weiter gerissen.

Sein Verstand konnte gar nicht alles auf einmal fassen, so schnell stürmten die Eindrücke auf ihn ein.

Er vermochte sich nicht mehr an Einzelheiten zu erinnern, aber ein grober Eindruck des Ganzen prägte sich ihm ein.

Demnach war Astargal der Schutzherr der Hexen gewesen. Er hatte sich einen gewaltigen Kult aufgebaut und liebte es, aus dem Verborgenen zu agieren und zu zerstören.

Fast wäre es ihm gelungen, das Chaos über die Welt zu bringen. Das Herzstück seiner Macht war ein seltsamer Stein, der aus einem Material bestand, das es auf der Erde nicht gab. Es stammte aus einer fremden, höllischen Dimension.

Der Stein der Macht!

Mit seiner Hilfe stieg Astargal in der Dämonenhierarchie auf. Jahrzehntelang währte seine Schreckensherrschaft. Auch die Hexenverbrennungen konnten ihn nicht stoppen.

Schließlich fühlten sich andere Dämonenfürsten durch ihn bedroht. Sie brachen ihre ehernen Gesetze und schlossen mit den Menschen ein Abkommen.

Ein Abt forderte den Dämon zum Kampf heraus. Dieser Kampf fand in einer alten, mittlerweile längst verfallenen Kapelle statt.

Marks Geist beobachtete, wie Astargal den Abt nach einem langen, harten Kampf besiegte, obwohl der Abt mit verschiedenen Waffen der weißen Magie kämpfte.

Inzwischen zerschlugen die Dämonen Astargals Kult. Er verlor den Stein der Macht, der irgendwo zwischen den Dimensionen verlorenging.

Stark geschwächt verkroch Astargal sich in den Dimensionen des Grauens.

Mark Strange merkte, wie sich die Farben wieder um ihn schlossen, ihn einhüllten und forttrugen. Langsam wachte er auf. Er sah wieder sein Büro und saß hinter dem Schreibtisch...

Verwirrt strich er sich über die Augen. In seinem Kopf überschlugen sich die Gedanken. Was hatte dieser seltsame Traum zu bedeuten?

Astargal sollte das Skelett sein, dem er begegnet war, und das ihn verflucht hatte? Dann war er derjenige, der hinter allem steckte.

Wie aber hatte Mark diese Wahrheit träumen können? Hatte Astargal seinen Geist entführt, um ihm seine Macht zu beweisen?

Es konnte nicht anders sein, es sei denn, er hatte hellseherische Fähigkeiten, aber davon hatte Mark bislang noch nichts bemerkt.

Nachdenklich blickte er auf - und erstarrte.

Vor ihm stand ein Mädchen. Sie hatte langes, nachtschwarzes Haar, das ein ebenmäßiges und überdurchschnittlich schönes Gesicht einrahmte. Ihre Figur ließ jedes Männerherz höher schlagen.

Zudem gewährte der Ausschnitt ihres himmelblauen Kleides ihm einen Einblick, der alles andere als unangenehm war.

Er kannte das Mädchen von einigen Fotos her, die Charles ihm am Morgen erst gezeigt hatte.

Sie war Claudia Patton!

Mark Strange sprang vom Stuhl auf.

»Miß Patton! Wie sind Sie hier hereingekommen?« fragte er überrascht. Ihr unerwartetes Erscheinen stiftete einige Unruhe in seinen Gedanken.

»Nennen Sie mich einfach Claudia, Mark Strange. Sie wissen, daß ich eine Hexe bin, deshalb brauche ich nicht erst große Erklärungen abzugeben. Ich bin gekommen, um Sie zu warnen.« »Aber...«

»Kein aber«, fiel sie ihm ins Wort. »Wir haben jetzt keine Zeit für Erklärungen. Trotz meiner Fähigkeiten habe ich lange gebraucht, bis ich hier war, deshalb müssen wir uns beeilen. In knapp fünf Minuten wird hier in Ihrem Büro eine Bombe explodieren.«

Mark Strange glaubte, sich verhört zu haben.

»Was sagen Sie da? Eine Bombe? Aber wie... Wo ist sie? Kann man sie unschädlich machen?« Die Nachricht hatte ihn so verwirrt, daß er wirr durcheinander sprach.

Die Hexe schüttelte den Kopf. »Nein, das ist unmöglich. Meine Hexenschwestern werden sie erst im letzten Moment magisch hierher teleportieren, um jedes Risiko auszuschließen. Kommen Sie jetzt endlich, wir müssen diesen Raum verlassen.«

Der Detektiv gab es auf, weiter nachzufragen. Er begriff, daß jetzt nicht die Zeit zum Reden war. Rasch trat er zur Tür.

Er wollte die Klinke herunterdrücken - und wich überrascht zurück. Er konnte sie nicht berühren.

Wenige Millimeter davon stießen seine Finger auf ein Hindernis. So sehr er sich auch bemühte, er konnte weder die Klinke, noch die Tür berühren.

»Zu spät«, klagte Claudia Patton.

Mark fuhr herum und packte sie an den Schultern.

»Was geht hier eigentlich vor?« brüllte er. »Sie sind doch für den ganzen Hokuspokus verantwortlich.«

»Nein, das bin ich nicht. Ich bin wirklich nur gekommen, um Ihnen zu helfen. Allein wären Sie verloren gewesen.«

»Warum dann dieses unsichtbare Hindernis?«

»Eine weitere Vorsichtsmaßnahme meiner Hexenschwestern. Sie können den Raum nicht verlassen und außerdem wird die Explosion die Wände nicht mal ankratzen. Nichts wird nach draußen dringen, nicht mal ein Geräusch. Nur dieses Büro wird vollständig verwüstet werden.«

»Was können wir denn machen? Können Sie nicht dieses Hindernis aufheben, oder uns sonst wie hinaus bringen?«

Bedauernd schüttelte die Hexe den Kopf. »Allein kann ich den Schirm vielleicht durchdringen, aber ich kann Sie nicht mitnehmen, Mark. Allerdings gibt es eine andere Möglichkeit. Vielleicht kann ich die Bombe nach ihrer Ankunft sofort wieder entmaterialisieren.«

Strange verstand kaum etwas, aber eines wurde ihm bewußt. »Das hieße, daß Sie ebenfalls in diesem Büro bleiben müssen. Wenn Sie keinen Erfolg haben, werden wir beide von der Explosion zerrissen, stimmt's?«

Claudia Patton nickte.

»Ja, die Chancen stehen etwa fünfzig zu fünfzig. Versuchen Sie gar nicht erst, mich von diesem Versuch abzubringen. Ich werde Ihnen alles später erklären. Reichen Sie mir bitte mal ihre Hand.«

Verwundert kam Mark der Aufforderung nach. Mit ihrem Fingernagel brachte die Hexe ihm einen kleinen Ritzer in der Haut bei. Alles, was er spürte, war ein kurzer Stich. Ein Blutstropfen perlte aus der kleinen Wunde.

Mehr vor Überraschung als aus Schmerz wollte Mark die Hand zurückziehen, aber die Hexe hielt sie fest. Sie drückte Marks Finger auf ihre Stirn, so daß das Blut dort haften blieb.

»Was, zum Teufel, soll das nun wieder bedeuten?« polterte der Detektiv.

»Sie sollten doch keine Fragen mehr stellen«, erinnerte Claudia ihn. »Im übrigen ist es gleich soweit.«

Sie zog Mark bis an den Schirm dicht vor einer Wand zurück. Einige Sekunden passierte überhaupt nichts. Dann jedoch begann die Luft über dem Schreibtisch plötzlich zu flimmern.

Mark beobachtete, wie scheinbar aus dem Nichts ein kugelförmiger Gegenstand entstand. Er sah aus, wie eine mit Rauchgas gefüllte Glaskugel.

»Das ist alles?« erkundigte er sich, doch er erhielt keine Antwort. Als er zur Seite sah, bemerkte er, daß die Hexe ihre Augen wie in Trance geschlossen hielt. Ihre Gesichtsmuskeln waren verkrampft, ein Zeichen ihrer starken Konzentration.