Erhalten Sie Zugang zu diesem und mehr als 300000 Büchern ab EUR 5,99 monatlich.
Poesie bringt Saiten in uns zum Schwingen, die den Verstand übersteigen. Mit wenigen Worten kann uns ein Gedicht in Kontakt mit unserer tiefsten Sehnsucht bringen. Die Autorin und Geistliche Begleiterin Lisa F. Oesterheld weiß um das Wunder der Worte. Mit ihren Gedanken, Gedichten und Gebeten lotet sie aus, wie sich über Poesie ein neuer Zugang zum Leben und zu Gott eröffnet. Sie entdeckt darin eine Einladung zum Innehalten, Staunen und Beten. So kann Dichtung zum "Gotteshaus der Poesie" werden. Inspiriert sind die Texte von der Heiligen Schrift, der franziskanischen Spiritualität und deren Poesie. Der Band will ermutigen, auch in den Brüchen des alltäglichen Lebens die schöpferische Handschrift Gottes zu entziffern.
Sie lesen das E-Book in den Legimi-Apps auf:
Seitenzahl: 52
Veröffentlichungsjahr: 2025
Das E-Book (TTS) können Sie hören im Abo „Legimi Premium” in Legimi-Apps auf:
Lisa F. Oesterheld
Im Gotteshaus der Poesie
Franziskanische Akzenteherausgegeben von Mirjam Schambeck sf und Cornelius Bohl ofm
Band 42
LISA F. OESTERHELD
GEDANKEN, GEDICHTE, GEBETE
echter
Herzlicher Dank geht an Elisabeth Herzog für die sorgfältige Zuarbeit bei den Korrekturen sowie an die Sponsorinnen dieses Bandes, die nicht genannt werden wollen.
Der Umwelt zuliebe verzichten wir bei diesem Buch auf Folienverpackung.
Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek
Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über ‹http://dnb.d-nb.de› abruf bar.
1. Auflage 2025
© 2025 Echter Verlag GmbH
Dominikanerplatz8
D-97070 Würzburg
www.echter.de
Umschlag: wunderlichundweigand.de
© Coverfoto: Elisabeth Wöhrle sf
Innengestaltung: Crossmediabureau, Gerolzhofen
Druck und Bindung: Friedrich Pustet, Regensburg
ISBN
978-3-429-06760-1
978-3-429-06761-8 (PDF)
978-3-429-06762-5 (ePub)
Intro
1. Vom Wunder der Poesie – Annäherungen und Gedanken
Die Zeichensprache der Liebe
Die Liebe zum Detail
Worte als Türöffner
Trost
Stille
Mit leeren Händen
Wort und Antwort
Ausblick
2. Im Gotteshaus der Poesie – Gedichte und Gebete
Beim Beten
Raum ohne Grenzen
Erste Hilfe
Drei Atemzüge
Zwischen den Stühlen
Freie Fläche
Glück unter Bäumen – drei Haikus
Sonntags
Alte Dorfkirche
Ikebana
Am Küchentisch
Nachgeschmack
In Ibrahims Imbiss
Im Waschsalon
3. Der Mantel der Stille
Umfassen
Morgens die Turmuhr
Warten
Lichtraum
Gleichwohl
Gespräche – drei Haikus
Aller Anfang
Gottesgewänder
Schutzort
Mein Abendgebet
Stillvergnügt
Stille
4. Ausschau zu halten nach dir
Selbstgespräch mit Gott
Weiß nicht
Erkennen
Seine Stimme
Du bist da, o Gott – ein Lied
Rosenkranz
Wie es geht
Und noch bist du da
Klagepsalm – Collage
Emmaus
Kairos
Psalm
5. Pace e bene
Am Anfang des Jahres
Kaum zu glauben
Im Lektorat
Unterscheiden
Passion
Gesang unter Wolken
Brotnötig
Präsenz
Pfingstgebet
Morgens am Schreibtisch
Schreibmeditation
Was geht
6. Hoffnungsschimmer
Nach Ostern
Im Morgenlicht
Traumtage
Geschwister
Auf dem Heimweg
Adieu
Unberechenbar
Herzgespräch
Prallvolles Leben
Josefs bunter Rock
Vom Wunder der Worte
Mozart
Schreibheft
Der Tanz meiner Hand
Wortfolgen
Ein Gedicht ist ein Gedicht
Wunsch
Anmerkungen
Abkürzungsverzeichnis
Zum Weiterlesen
In der Reihe „Franziskanische Akzente“ sind bisher erschienen
Poesie kann uns ins Staunen versetzen. Wundersam eröffnet sie mit Worten innere Räume. In ihnen kann die Seele einkehren und sich dem Geheimnis des Lebens nähern – wie in einem Gotteshaus.
Solch ein staunendes Ergriffensein konnte ich in einem Schreibworkshop erleben. Die Voraussetzungen waren wenig zum Staunen geeignet: Wir saßen in einem Gruppenraum mit defekter Heizung; das Neonlicht war kalt und nicht zu dimmen, die Atmosphäre angespannt. All dies trat in den Hintergrund, als eine Teilnehmerin das Wort ergriff und ihr eben geschriebenes Gedicht vortrug. Mit jedem ihrer Worte wurde es stiller in der Runde, bis wir die sprichwörtliche Nadel fallen hörten. Es trat eine Stille ein, die den Raum aufschloss, als wichen die Wände zurück. Alles kam geheimnisvoll an seinen Platz.
Wir Zuhörenden schlossen die Augen, während die Kursteilnehmerin das Gedicht ein zweites Mal vorlas. Unsere Gesichter entspannten sich, als kämen wir bei uns an. Zugleich waren wir miteinander verbunden – eine Gemeinschaft Lauschender. Später meinte eine Teilnehmerin: „Ich gehe schon lange nicht mehr zur Kirche; aber das heute war ein Gottesdienst und wie ein Gebet.“
Manchmal ereignen sich Wunder. Neues entsteht. Räume öffnen sich inmitten einer Weltlage voller Krisen und Konflikte. Während Kirchenräume aufgrund von sinkenden Mitgliederzahlen geschlossen werden, entstehen ganz eigene Gotteshäuser. Dort scheint die Geistkraft Gottes zum Greifen nahe zu sein. Gemeinschaft entsteht und sei es nur in Momenten. Menschen schöpfen Kraft für ihren Alltag und erfahren Trost. Die Orte sind vielfältig und fluide. Sie entziehen sich Planungen und Pastoralplänen, fast anarchisch.
Die Poesie ist so ein Ort, ein Gotteshaus. Den Begriff der Poesie fasse ich dabei weit. Er umfasst einerseits bestimmte Formen von Gedichten, meint zugleich eine bestimmte Seinsqualität.1 In dieser ereignet sich etwas Stilles. Ein göttlicher Funke erfasst uns und schenkt dem Leben überraschende Tiefe. Unsagbares findet in eine Form.
Da kann die Seele aufatmen und Worte erlauschen, welche aus dem inneren Verstummen hinausführen. Klage und Lob finden ins Wort wie auch Fragen und Bitten. Ein anderer Blick auf die Wirklichkeit wird gewagt. Das Leben erscheint in anderem Licht.
Der Gottesort der Poesie erinnert an den Lebensstil des Franziskus von Assisi und seiner Gefährten. Diese verzichteten auf den Besitz fester Gebäude oder Klöster und übernachteten im Freien: in Gehöften, Höhlen oder dort, wo sie Unterschlupf fanden. Sie führten „eine nomadische Existenzweise“2. Auch die Poesie hat den Flair der Freiheit und der Bedürftigkeit. Sie ist angewiesen auf die, die sie aufnehmen.
Was vermag Poesie? Wie führt sie uns zu den Gottesquellen, nach denen sich unsere Seele sehnt? Wie verändert sie uns und macht uns durchlässig? Und was heißt das für den Alltag? Diesen Fragen will ich nachgehen. Dazu nehme ich als Antwortgeber:innen die Heilige Schrift hinzu wie auch Franziskus und Klara von Assisi.
Franziskus hat mich als mein Namenspatron von klein auf begleitet, denn mein zweiter Taufname lautet ‚Franziska‘. Später kam Klara auf meinem persönlichen Weg hinzu. Die Spiritualität von Franziskus und Klara erlebe ich als eine Quelle der Inspiration. Ihre Texte, Gebete und Gesänge begeistern mich.
Natürlich lasse ich die Poesie selbst zu Wort kommen. Die Gedichte nehmen in diesem Franziskanischen Akzent den größten Platz ein. Oft sind sie auch Gebete oder münden ins Beten, denn sowohl Gedichte als auch Gebete entspringen derselben Quelle. Beide sind gespeist aus der Sehnsucht und aus dem, was uns existenziell angeht.
Die Liebe ist diskret. Sie spricht in Symbolen und Zeichen wie die Rose des Geliebten, die wir auf bewahren, auch wenn die getrockneten Blütenblätter schon zerbröseln. Poesie versteht sich auf diese Zeichensprache. Sie fängt die Realität in Bildern ein, die ihrerseits Bilder in der Seele der Hörenden hervorrufen. Diese haben enorme Kraft, die wir sogar körperlich spüren können. In Schreibworkshops empfehle ich, der Energie eines Satzes oder Wortes zu folgen. Sie ist eine lebensvolle Energie, getränkt aus dem Fluss der Liebe.
Die Poesie fällt nicht mit der Tür ins Haus. Sie liebt Seiteneingänge, unauffällige Zugänge und Einstiege – scheinbar zufällig hingeworfene Worte, die den Blick sanft lenken, ohne festzuschreiben. Damit greift sie die Weise Gottes auf, die im 1. Buch der Könige beschrieben ist (1 Kön 19,12). Dort erscheint Gott dem Elia im „sanften Säuseln“ oder im „Geräusch eines leisen Wehens“3